Transfertagung 2025
„Transfer in der Bildung verstehen und gestalten“
4. & 5. Dezember 2025 | GLS Campus Berlin
Veranstaltungsprogramm
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Die Beitragsformate sind im Programm wie folgt abgekürzt:
Kurzvorträge = KV (rot hinterlegt)
Diskussionsforen = DF (blau hinterlegt)
Werkstattgespräche = WG (gelb hinterlegt)
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Sitzungsübersicht |
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KV 05: Akteure und Strukturen im Transfer
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Transfer über (Sprach-)Grenzen hinweg: Wissenstransfer im föderalen und mehrsprachigen Bildungsraum der Schweiz PH Zürich (DEEP Consortium) Der Beitrag beleuchtet Herausforderungen und Strategien für Wissenschafts-Praxis-Transfer (Beyer et al., 2024) im mehrsprachigen und föderalen Bildungsraum Schweiz. Ziel ist es, Bedingungen erfolgreichen Transfers zu klären und zu analysieren, wie Akteur*innen (Rechsteiner, et al. 2024) innerhalb der föderalen Strukturen des Bildungssystems zur Gestaltung digitaler Bildungsprozesse beitragen und Veränderungen anstoßen können. Daraus leitet sich ein konzeptioneller Rahmen ab, der Orientierung für die Erforschung und Gestaltung kontextübergreifender Transferprozesse bietet. Forschung zu bundeslandspezifischen Stakeholder-„Informationslandschaften“ in Deutschland verweist auf die hohe Komplexität und Heterogenität der digitalen Transformation in föderalen Bildungssystemen, die auf mehreren Steuerungsebenen verläuft (Bennink et al., 2024). In der Schweiz wird diese Komplexität durch Mehrsprachigkeit zusätzlich verstärkt: In den 26 Kantonen herrschen unterschiedliche bildungspolitische Kulturen und Steuerungslogiken vor, während übergreifend vier Sprachregionen existieren, die sich in bildungsrelevanten Diskursen häufig an den Nachbarländern gleicher Sprache orientieren. Die konkrete Ausgestaltung digitalisierungsbezogener Schul- und Unterrichtsentwicklung zeigt weiter, dass sich sprachliche Grenzen häufig mit politischen oder organisationalen überlagern – exemplarisch erkennbar an den sprachregionalen Lehrplänen. Die Verantwortung für die Harmonisierung der Lehrpläne und die Koordination der Lehrmittel liegt bei den Sprachregionen. Im Kontext des digitalen Wandels wirkt die föderale Struktur noch stärker: Die Kantone – teils sogar die Gemeinden – sind zuständig für den Ausbau der digitalen Infrastruktur, die Weiterbildung von Lehrpersonen sowie die Auswahl und Implementierung digitaler Lehrmittel und Lernumgebungen. Da sich sprachlich-kulturelle und föderale Brüche insbesondere innerhalb der Bildungspraxis zeigen, stellt sich für die Wissenschaft die Frage, wie Transferprozesse so gestaltet werden können, dass sie kontextübergreifend anschlussfähig bleiben. Gleichzeitig erschweren unterschiedliche Begriffsverwendungen, Zeithorizonte und Verständnisse von Umsetzbarkeit der Wissenschaft das Zusammenspiel mit der Praxis. Im Schweizer Kontext bedeutet dies, dass wissenschaftlich generiertes Wissen nicht nur systemisch, sondern auch sprachkulturell vermittelt und in unterschiedlich strukturierte schulische Kontexte eingebettet werden muss. Diese doppelte Heterogenität stellt eine zentrale Herausforderung für gelingenden Wissenstransfer in der Schweiz dar. Anknüpfend an Transferforschung (Gräsel, 2010) und Ko-Konstruktionsansätze (Kerres et al., 2022) wird deutlich: Gelingender Transfer erfordert mehr als die Weitergabe von Wissen. Er bedarf anschlussfähiger Formate, eines vertieften Verständnisses regionaler und institutioneller Logiken sowie Akteur*innen, die systemübergreifend Schnittstellenarbeit leisten. Im Zentrum des Beitrags steht das vom Forschungskonsortium DEEP (Digital Education for Equity in Primary Schools) initiierte Begleitforschungsprojekt „Agents that matter“. Ziel dieses Projekts ist es, zentrale Akteur:innen und Strukturen im Kontext der digitalen Transformation zu identifizieren und zu analysieren. Methodisch basiert der Beitrag auf qualitativen Interviews mit Vertreter:innen nationaler, kantonaler und kommunaler Bildungsbehörden sowie auf Dokumentenanalysen der ICT-Supportstrukturen. Erste Ergebnisse zeigen: Politische, kulturelle und (sprach-)regionale Faktoren beeinflussen Transferprozesse mitunter stärker als kantonale Grenzen – etwa wenn sich ländliche Schulpraxis über Sprachregionen hinweg ähnlicher ist als innerkantonal oder wenn die Grösse eines Kantons die Governance-Logik prägt. Auf dieser Grundlage entwickelt der Beitrag ein konzeptionelles Verständnis raumsensibler, ko-konstruktiver Transferprozesse, das regionale Besonderheiten, institutionelle Logiken und Akteurskonstellationen einbezieht (vgl. Berkemeyer et al., 2016; Hermstein & Berkemeyer, 2023). Erfolgreicher Transfer gelingt eher, wenn sprachliche und kulturelle Anschlussfähigkeit mitgedacht wird – etwa durch Einbindung lokaler Diskurse, regional eingebetteter Vermittlungspersonen sowie mehrsprachiger Materialien. Der Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis wird somit als kontextsensitiver und transkultureller Aushandlungsprozess verstanden. Transferstrukturen reflektieren - Eine mehrperspektivische Betrachtung der Nutzungspotenziale von Netzwerkvisualisierungen 1IPN Kiel – Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik; 2Universität Potsdam; 3Pädagogisches Landesinstitut Rheinland-Pfalz Hintergrund des Beitrags Den Landesinstituten für Lehrkräftefortbildung und Schulentwicklung kommt eine besondere Rolle bei der Dissemination von Wissen und Erkenntnissen im Bildungssystem zu (Bieber et al., 2018). Sie sollen als Schnittstellenakteur zwischen Institutionen aus Wissenschaft, Schulpraxis und Bildungsadministration wirken und Transferprozesse unterstützen (Düllberg et al., 2023). Wie diese Institutionen in der Praxis wirken, ist bislang jedoch wenig untersucht (Manitius, 2023). Entgegen ihrer postulierten Relevanz für Transferprozesse (KMK, 2016) bleibt beispielsweise bislang offen, auf welche Art Landesinstitute in Kooperations- und Abstimmungsprozesse eingebunden sind. Um diese Prozesse besser zu verstehen, wurden ausgewählte Vertreter*innen von Landesinstituten und Qualitätsagenturen im Rahmen einer Sozialen Netzwerkanalyse zu ihren Kooperationspartnern und -beziehungen befragt. Kooperation im Sinne wiederholter Interaktion gilt als vertrauensfördernd und daher als wichtige Voraussetzung für die Qualität von Transferprozessen (Fritsch & Kauffeld-Monz, 2010). Die Ergebnisse wurden visualisiert und im Zuge eines partizipativen Rückmeldeprozesses an die Befragten zurückgespielt (member check). Ziel war eine Stärkung der Daten, da Forschende und Befragte die Daten aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten können (Korstjens & Moser, 2018). Als Ergebnis des member check wurden die entstandenen Netzwerkvisualisierungen überarbeitet und angepasst. Ziel, Thema oder Leitfrage des Beitrags Die entstandenen Netzwerkabbildungen können – so die Hypothese für diesen Beitrag – Reflexionsangebote für die befragten Institutionen bereitstellen (Kothari et al., 2014). Konkret sollen diese Visualisierungen hilfreich für die betroffenen Praxisakteure sein, „um durch den Blick von außen auf die Strukturen der eigenen Zusammenarbeit neue Ideen zu entwickeln und Entwicklungs- sowie Handlungsstrategien abzuleiten“ (Kolleck, 2022, S. 8). Bezogen auf Transferprozesse ist damit das Ziel verbunden, dass die – durch die Netzwerkabbildungen initiierten – Reflexionsprozesse dazu beitragen können, die bestehenden Kooperationsbeziehungen bewusster zu gestalten und ggf. blinde Flecken zu adressieren. Im Beitrag möchten wir exemplarische Ergebnisse und Learnings aus dem Forschungsprozess skizzieren und diese Schilderungen mithilfe der Eindrücke einer Vertreterin aus dem Pädagogischen Landesinstitut Rheinland-Pfalz erweitern. Dabei wird die Frage im Fokus stehen, welche Reflexionsangebote die Untersuchung und die entstandenen Netzwerkabbildungen bereithalten können und ob daraus ggf. konkrete Rückschlüsse mit Blick auf die Gestaltung der Kooperationen gezogen werden können. Darüber hinaus werden Möglichkeiten der visuellen Aufbereitung diskutiert, um sie für die Wissenschaft und Praxis praktisch nutzbar zu machen. Bezug zum Tagungsthema Wir nähern uns dem Transfer im Bildungssystem über die Beziehungen zwischen unterschiedlichen Institutionen und nehmen damit die interorganisationalen Bedingungen für Transfer in den Blick (Flerlage et al., i.V.). Unsere Erkenntnisse versprechen einerseits spannende Rückschlüsse für Forschende, die Kooperations- und Transferprozesse im Bildungssystem unter partizipativer Einbindung unterschiedlicher Akteure untersuchen möchten. Darüber hinaus bietet die Soziale Netzwerkanalyse aus unserer Sicht eine vielversprechende Methode für Akteure sowohl aus der Forschung als auch aus der Administration und Schulpraxis, um Transferprozesse besser auszuleuchten und konkrete Handlungsschritte daraus abzuleiten (Kolleck, 2022). Lecks in der Pipeline. Was behindert Transfer in der Bildung und wie könnte er gelingen? New School Lab „Was macht Transfer so schwer?“ fragte schon vor rund 20 Jahren eine Publikation des TransVerbunds (2006). Das Thema hat offenbar seitdem nicht an Aktualität verloren. Transfer im Sinne einer Nutzung von Erkenntnissen der Bildungsforschung in der Bildungspraxis gilt auch nach jahrzehntelangen Bemühungen in Wissenschaft und Praxis weiterhin als große und bis heute nicht überzeugend bewältigte Herausforderung (Schreiner et al. 2019). In meinem Vortrag gehe ich von der Überlegung aus, dass in dieser Situation ein Blick über den Zaun auf gleichermaßen leistungsfähige wie innovative gesellschaftliche Systeme hilfreich sein könnte, die sich durch einen intensiven und gelingenden Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis auszeichnen. Beispiele sind etwa Biotechnologie, Informations- und Kommunikationstechnologie oder auch alternative Energieerzeugung. Diese Systeme sind Gegenstand der Forschung zu sozio-technischer Innovation bzw. zu technologischen Innovationssystemen (z.B. Bergek et al. 2008; Block 2008; Kuhlmann & Rip 2018). In der Literatur wird die Bedeutung eines gut ausgebauten Bereichs zwischen Wissenschaft und Praxis betont, der Institute für angewandte Forschung und Innovationsagenturen ebenso umfasst, wie forschungsstarke, innovative Unternehmen. Zusammen bilden sie eine Infrastruktur, die über institutionalisierte Schnittstellen zu universitärer (Grundlagen-) Forschung einerseits und dem Markt andererseits verfügt. So wird ein intensiver Austausch möglich, der sich indessen weniger als „Transfer“ im Sinne der Weitergabe fertiger Erkenntnisse von der Wissenschaft an die Praxis beschreiben lässt, sondern mehr als das reibungslose und dauerhafte Zirkulieren von Wissen und Erfahrungen zwischen allen wichtigen Akteuren und in allen Richtungen. Dass sich diese Beobachtungen jedenfalls dem Grundsatz nach auch auf den Bildungsbereich übertragen lassen, zeigt die Forderung von Bryk & Gomez (2008) nach dem Aufbau eines Forschungs- und Entwicklungssystems für die (Schul-)Bildung. Gleicht man die Eigenschaften leistungsfähiger sozio-technischer Innovationssysteme mit dem Bildungsbereich ab, wird somit deutlich, dass Transfer in diesem wesentlich durch das Fehlen von leistungsfähigen innovativen Organisationen behindert wird, die im Bereich zwischen Forschung und Praxis angesiedelt sind. Es zeigt sich zudem, dass der Begriff des „Transfers“ mit seiner Konnotation der Weitergabe fertiger Arbeitspakete wenig geeignet ist, die überaus vielfältigen und intensiven Austauschbeziehungen zu erfassen, die in leistungsstarken Innovationssystemen zu beobachten sind. Ich argumentiere daher (1), dass die Herausforderung einer produktiven Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis sich nur mit strukturellen Veränderungen im „Zwischenraum“ der beiden Bereiche wird bewältigen lassen. Zudem problematisiere ich (2) den Begriff des „Transfers“ als inadäquat und empfehle stattdessen die Verwendung des breiteren Begriffs der „Innovation“. | ||

