Veranstaltungsprogramm

Eine Übersicht aller Sessions/Sitzungen dieser Veranstaltung.
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Sitzungsübersicht
Datum: Montag, 11.09.2023
10:00 - 11:00Ankommen und Registrierung
Ort: Foyer
11:00 - 11:15Eröffnung der 18. Jahrestagung der GfHf
Ort: SL0008a/b

Grußwort

Prof. Dr. Andreas Bertram | Präsident der Hochschule Osnabrück

Begrüßung und Einführung

Prof. Dr. Michael Hölscher | 1. Vorsitzender der GfHf

Prof. Dr. Frank Ziegele | Geschäftsführer CHE, Sprecher des Kompetenzzentrums Hochschul- und Wissenschaftsmanagement der HS Osnabrück

11:15 - 12:45Podiumsdiskussion
Ort: SL0008a/b
Chair der Sitzung: Dr. Sigrun Nickel, CHE Centrum für Hochschulentwicklung

Zwischen kritischer Distanz und institutioneller Nähe: Das Verhältnis von Hochschulforschung und Hochschulentwicklung

Debattenimpulse:

Wissenschaftsreflexive Forschung zur ‚inneren Organisation‘ der Universität

Prof. Dr. Eva Barlösius | Leibniz Forschungszentrum Wissenschaft und Gesellschaft (LCSS), Leibniz Universität Hannover

Wissenschaft und Verwaltung, natürliche Gegner? Zur ‚äußeren Organisation‘ der Wissenschaft

Joachim Nettelbeck | ehemaliger Generalsekretär des Wissenschaftskollegs zu Berlin

Diskussionsrunde:

Prof. Dr. Simone Fulda, Präsidentin der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Prof. Dr. Oliver Locker-Grütjen, Präsident der Hochschule Rhein-Waal

Prof. Dr. Michael Hölscher, Lehrstuhl für Hochschul- und Wissenschaftsmanagement, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer

Sandra Magens, Kanzlerin der Universität zu Lübeck

Prof. Dr. Hans Vossensteyn, Hochschule Osnabrück und Director of Research & Graduate School at Saxion University of Applied Sciences, Niederlande

12:45 - 13:30Mittagspause
Ort: Mensa
13:30 - 15:00Leitungs- und Entscheidungsprozesse
Ort: SL0202
Chair der Sitzung: Prof. Dr. Frank Ziegele, CHE Centrum für Hochschulentwicklung

Track 1: Gestaltungsfragen der Hochschulpraxis

 

Rationalitätsmythen in Entscheidungsverfahren in Hochschulen

Dr. Friedrich Stratmann

HIS-Institut für Hochschulentwicklung, Deutschland

Vermehrte Autonomie (=Organisationswerdung) ermöglicht den Hochschulen in ihrer Entwicklung nicht nur die Angelegenheiten der Selbstverwaltung sondern zunehmend auch die der sog. „staatlichen Auftragsverwaltung“, wie z. B. Zulassungswesen, Anerkennungsfragen, (selbst) zu gestalten. Wenn auch weiterhin rechtliche, politische, organisatorische und technische Rahmenbedingungen zu berücksichtigen sind, eröffnen sich insbesondere auf der Verfahrensebene erhebliche Spielräume, man denke hier nur an die die Möglichkeit der Selbstauswahl durch Eignungsfeststellungsverfahren.

Den Fokus im Sinne einer soziologischen Reflexion auch auf die Verfahrensdimension, insbesondere auf Entscheidungsverfahren zu legen, ist in der Hochschul(organisations)forschung erstaunlich defizitär. Dies gilt umso mehr für hochschulische Studien zur Digitalisierung. So werden in einer aktuellen Studie zur Künstlichen Intelligenz in der Hochschulbildung (Schmohl et al. 2023) Potentiale neuer Technologien (KI) in Verwaltungsprozessen eher beiläufig erwähnt. Auch der Feststellung von Graf-Schlattmann (2022) ist zuzustimmen, der die „Forschung zur Digitalisierung in Hochschulen durch ein umfassendes Organisationsdefizit gekennzeichnet“ sieht, das – wenn Organisation überhaupt einbezogen wird – eher von einem schlichten zweckrationalen Organisationsmodell begleitet wird (Graf-Schlattmann 2021). Der von ihm gewählte Ansatz, das Technologiedefizit in Forschung und Lehre mit der zunehmenden Datafizierung in der Hochschule zur Erklärung digitaler Transformation in Organisationen (Muster/Büchner 2018) heranzuziehen, zeigt neue Beobachtungsräume. Gleichwohl fehlt hier eine Betrachtung der Verfahrensdimension, mit der zum einen unterschiedliche Stufen/Grade von Digitalisierung über die verwaltungsrechtswissenschaftliche Debatte hinaus auch organisationsoziologisch analysiert werden könnten, zum anderen an eine allerdings nur (system)theoretische Debatte angedockt werden könnte, die Dimension „Legitimation von Verfahren“ (Luhmann) als eigenständigen Typus neben Interaktion, Organisation und Gesellschaft zu entwickeln (Schwarting 2020)

Empirisch hat sich mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf (Verwaltungs)verfahren in den letzten Jahren das HIS-Institut für Hochschulentwicklung (HIS-HE) in mehreren Studien befasst (Ruschmeier et al. 2020, Gilch et. al 2022, Gilch/Stratmann 2023). Die Studien konzentrieren sich allerdings auf die Bestandsaufnahme von Aktivitäten der Hochschulen in Bezug auf digitale Verfahren und formulieren aus einem eher beraterischen Ansatz Handlungsempfehlungen, wie Hemmnisse politischer,, rechtlicher, technischer und organisatorischer Art beseitigt und Chancen für die Hochschulentwicklung genutzt werden könnten. In der Studie aus 2022 wird der spannende Moment der eigentlichen Anerkennungsentscheidung durch den akademischen Bereich zwar beschrieben und im Kontext eines „Ersatzes“ durch KI thematisiert. Die in diesem Kontext wichtige Frage nach der „Entscheidungsfiktion“, die unterstellt wird, wurde aber nicht untersucht.

Im Vortrag sollen am Beispiel des Verfahrens der „Anerkennung studentischer Leistungen“ mit seinen normativ konzipierten formalen und inhaltlichen Kriterien Zugänge für eine soziologische Reflexion von Entscheidungsverfahren in der Hochschule gezeigt werden, die zu weiterer empirischer Forschung von Verfahren als auch zur Interpretation der Verfahrensdimension ggf. mit alternativen theoretischen Zugängen (als dem hier gewählten systemtheoretischen Zugang) anregen können.

Dabei wird beispielhaft die Entscheidungsfiktion, studentische Leistungen, die an zwei unterschiedlichen Orten erbracht wurden, auf der Basis von Modulvergleichen zu beurteilen und zu „entscheiden“ gewählt und drei Wege des „Umgangs“ thematisiert:

a) Die Handhabung der Indifferenzzone der Entscheidung des/der Hochschullehrer:in zwischen „ungeprüftem“ Durchwinken der Anerkennung und alternativ akribischer Kontrolle der Leistungen mit der Gefahr von Rechtsfolgen bei Ablehnung (Klage des Studierenden);

b) Die Setzung von Entscheidungsprämissen durch die Hochschule als Organisation (Kooperationsvereinbarungen mit anderen Hochschulen, Bindung an frühere Anerkennungsentscheidungen), die die Anerkennung auf formalisierbare Kriterien reduzieren

c) Der Einsatz von KI, mittels Sprachmodellen und/oder Algorithmen einen Modulvergleich vornehmen zu können, der ein „vollautomatisches“ Verwaltungsverfahren zulässt.

Stratmann-Rationalitätsmythen in Entscheidungsverfahren in Hochschulen-129.pdf


Transformationale Führung und organisationales Sozialkapital an Hochschulen in Deutschland

Dr. Julia Rathke, Prof. Dr. Susan Harris-Huemmert

Ph Ludwigsburg, Deutschland

Nach Raja et al. (2018: 916) trägt der transformationale Führungsstil dazu bei, das organisationale Sozialkapital einer Institution wie z.B. einer Hochschule aufzubauen. Hochschulleitungen können damit durch ihren Führungsstil zur Organisationskultur, definiert als Ausdruck eingebetteter Werte (engl. „manifestations of embedded values“ (Campbell 2003: 948)), beitragen, wobei der transformationale Führungsstil einen positiven Effekt zu haben scheint (vgl. Kahn et al. 2020; Whittaker & Montgomery 2022). Dieser Beitrag untersucht worin dieser positive Effekt liegen könnte. Wir nutzen den Sozialkapitalansatz, um den Einfluss des Führungsstils von Leitungen auf die Organisationskultur zu untersuchen (Lin et al. 2001; Chen et al. 2016). Demnach entwickeln sich kulturelle Aspekte, wie gemeinsame Werte, gegenseitiges Vertrauen und verbindliche Normen der Gegenseitigkeit als nicht-intendierte Effekte regelmäßiger, erfolgreicher Kooperation sowie dem Aufbau von Netzwerken.

Methodisches Vorgehen

Im BMBF Projekt „AGICA AGIler CAmpus - Universitätsinterner Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Verwaltung“ (www.agica.de) wurden über 20 Interviews mit Hochschulleitungen, Verwaltungsangestellten, wissenschaftlichen Mitarbeitenden sowie Professor*innen an vier Hochschulen durchgeführt, um den internen Wissenstransfer an der jeweiligen Organisation explorativ zu untersuchen. Die ca. 60 Minuten langen Interviews wurden online via Webex durchgeführt, aufgezeichnet, transkribiert, in MAXQDA kodiert und inhaltsanalytisch ausgewertet. Erste Aussagen über den Wirkzusammenhang zwischen dem (transformationalen) Führungsstilverhalten von Hochschulleitungen im Kontext von Drittmittelprojekten (wie z.B. Innovationslaboren) und Veränderungen der Hochschulkultur in Form von organisationalem Sozialkapital liegen vor.

Erwartete Ergebnisse

Die Interviews beschreiben die Mechanismen, die organisationales Sozialkapital als nicht-intendierten Effekt umfassender Unterstützung, aktiver Einbindung der Hochschulleitung in regelmäßige kommunikative Routinen und hierarchie- bzw. abteilungsübergreifende Kooperationen an Hochschulen entstehen lassen und kulturellen Wandel initiieren. Als wesentliche Faktoren konnten regelmäßige Austauschformate in Form von Jour Fixen mit einer aktiv unterstützenden Haltung durch sowohl die akademische als auch die administrative Hochschulleitung hinter hochschulkulturverändernden Projekten identifiziert werden, z.B: „Ohne Mandat (von oben) geht es nicht“, oder wiss, Mitarbeiter*innen hätten „Rückendeckung der Hochschule“. Während an einer Hochschule mit transformationalem Führungsstil von einer nachhaltigen Veränderung der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Hochschulverwaltung und -leitung in Richtung einer „Vertrauenskultur“ und eines „kollegialen Miteinanders“ (wiss. Mitarbeitende) berichtet wird, sehen wir an einer anderen Hochschule, dass die angestrebten Ziele von Drittmittelprojekten zwar mehrheitlich erreicht wurden, ein nicht-transformationaler Führungsstil allerdings einen möglicherweise positiven Einfluss auf das organisationale Sozialkapital verhindert hat.

Literatur

Campbell, D. (2003). Leadership and Academic Culture in the Senate Presidency: An Interpretive View. American Behavioral Scientist, 46(7), 946–959.

Chen, L., Zheng, W., Yang, B. and Bai, S. (2016), "Transformational leadership, social capital and organizational innovation", Leadership & Organization Development Journal, Vol. 37 No. 7, pp. 843-859.

Khan, M. A., Ismail, F. B., Hussain, A., & Alghazali, B. (2020). The Interplay of Leadership Styles, Innovative Work Behavior, Organizational Culture, and Organizational Citizenship Behavior. SAGE Open, 10(1).

Lin, N., Cook, K.S. and Burt, R.S. (2001), Social Capital: Theory and Research, Transaction Publishers, New York, NY.

Raja, U., Bouckenooghe, D., Syed, F. and Naseer, S. (2018), "Interplay between P-O fit, transformational leadership and organizational social capital", Personnel Review, Vol. 47 No. 4, pp. 913-930.

Whittaker, J.A., Montgomery, B.L. Advancing a cultural change agenda in higher education: issues and values related to reimagining academic leadership. Discov Sustain 3, 10 (2022).

Rathke-Transformationale Führung und organisationales Sozialkapital an Hochschulen-174.pdf


Tell me why – Empirische Zugänge zu Motiven und Interessen hochschulischer Akteur:innen als Hebel für eine evidenzbasierte Hochschulentwicklung

Ronny Röwert

TU Hamburg, Deutschland

Alle neueren organisationstheoretischen Ansätze im Bereich der Hochschul- und Wissenschaftsforschung betonen das besondere Verhältnis ihrer Mitglieder, insbesondere der Wissenschaftler:innen, zur Organisation Hochschule (Kehm, 2012). Dieses Spannungsverhältnis wird vor allem mit den divergierenden Motivations- und Interessenlagen zwischen Hochschule einerseits und Wissenschaftler:innen andererseits erklärt. Für das Handeln der Wissenschaftler:innen wird dieses Spannungsverhältnis durch den hohen Grad an Autonomie und formaler Unbestimmtheit wirksam, die das Berufsbild der Wissenschaftler:innen prägen (Foit, 2008). Überraschenderweise sind die individuellen Motive und Interessen von Wissenschaftler:innen bisher jedoch nur sehr begrenzt Gegenstand empirischer Untersuchungen im Feld der Hochschul- und Wissenschaftsforschung gewesen, auch wenn alle bisherigen Studien dazu die hohe Relevanz für das Handeln von Wissenschaftler:innen im Bereich Forschung, Lehre und Transfer unterstreichen. Bisherige Studien nähern sich diesen Aspekten vor allem quantitativ und selten über qualitative und explorative Forschungsdesigns. Dabei beschränkt sich die bisherige Hochschul- und Wissenschaftsforschung insbesondere darauf zu untersuchen, „wie sehr Wissenschaftler[:innen] motiviert sind und nicht auf welche Art und Weise sie motiviert sind“ (Daumiller, 2018, S. 8f.). Dabei würde gerade das Wissen darüber, wie ihre Organisationsmitglieder grundsätzlich für die zentralen Leistungsbereiche der Hochschule - Forschung, Lehre und Transfer - motiviert sind, wertvolle Anknüpfungspunkte für eine stärker evidenzbasierte Hochschulentwicklung bieten.

Der vorliegende Beitrag greift den Bedarf nach geeigneten qualitativen methodischen Zugängen der Hochschulforschung zur Erschließung individueller Motive und Interessen von Hochschulakteur:innen auf. Insbesondere die empirische Motivforschung bietet mit ihrem Methodenrepertoire vielversprechende Anknüpfungspunkte für die Hochschul- und Wissenschaftsforschung zur Erhebung und Rekonstruktion individueller Motive, die den individuellen Akteur:innen entweder nicht direkt präsent sind oder durch sozial erwünschtes Antwortverhalten schwer zugänglich sind. In diesem Beitrag werden die Potenziale und Grenzen der Laddering-Verfahren aus der psychologisch orientierten Motivforschung diskutiert. Diese ermöglicht es, durch gezielte Warum-Fragen gemeinsam mit den Befragten eine dreistufige visuelle Darstellung von Motivstrukturen in Form von Hierarchical Value Maps zu erarbeiten (Phillips & Reynolds, 2009). Diese Form der kommunikativen Validierung weist damit Ähnlichkeiten zu anderen visualisierungsorientierten Interviewformen wie Struktur-Lege-Technik(en) oder Repertory-Grid-Verfahren auf, die mentale Modelle bzw. kognitive Konstrukte der Befragten möglichst schon während der Interviewsituation dialogisch herausarbeiten. Ziel ist es, ausgehend von konkreten Praxiserfahrungen der Befragten zu übergeordneten individuellen Motiven und Interessen zu gelangen, die das individuelle Handeln antreiben. Dieser methodische Zugang bietet vielfältige Potenziale für die Anwendung in der Hochschulforschung, wird dort aber bislang kaum genutzt.

Als eine der ersten Erprobungen der Laddering-Methode als Instrument der Motivforschung im Bereich der Hochschul- und Wissenschaftsforschung wurden grundsätzliche Motive für die Verankerung von Open Science-Praktiken unter Wissenschaftler:innen im Rahmen eines Promotionsprojektes rekonstruiert. Die dabei gewonnenen methodischen und methodologischen Erfahrungen werden in diesem Beitrag vorgestellt und anhand der sich daraus ergebenden Perspektiven der Motivforschung für die Hochschul- und Wissenschaftsforschung reflektiert. Im Ergebnis werden so Potenziale der Motivforschung zur Erhebung von Motiven und Interessenlagen hochschulischer Akteur:innen für eine empirisch informierte Hochschulentwicklung herausgearbeitet.

Literatur:

Daumiller, M. (2018). Motivation von Wissenschaftlern in Lehre und Forschung. Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-21182-0

Foit, W. (2008). Zur Bedeutung des Faktors Motivation bei hochqualifizierten Nachwuchswissenschaftlern. Wissenschaftsmanagement Online. https://www.wissenschaftsmanagement-online.de/sites/www.wissenschaftsmanagement-online.de/files/migrated_wimoarticle/Foit-Motivation.pdf

Kehm, B. M. (2012). Hochschulen als besondere und unvollständige Organisationen? - Neue Theorien zur ‚Organisation Hochschule‘. In U. Wilkesmann & C. J. Schmid (Hrsg.), Hochschule als Organisation (S. 17–25). VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-18770-9_1

Reynolds, T. J., & Phillips, J. M. (2009). A Review and Comparative Analysis of Laddering Research Methods. In N. K. Malhotra (Hrsg.), Review of Marketing Research (Bd. 5, S. 130–174). Emerald Group Publishing Limited. https://doi.org/10.1108/S1548-6435(2008)0000005010

Röwert-Tell me why – Empirische Zugänge zu Motiven und Interessen hochschulischer Akteur-169.pdf
 
13:30 - 15:00Förderung wissenschaftlicher Nachwuchs
Ort: SL0214
Chair der Sitzung: Dr. Kolja Briedis, Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung

Track 2: Gestaltungsfragen der Hochschulpolitik

 

Wissenschaftliche Ex Post-Reflexion empirischen Datenmaterials in der Hochschulforschung: Ein Versuch am Beispiel der Evaluation kooperativer Promotionen im Rahmen des Bayerischen Wissenschaftsforums (BayWISS)

Dr. Johanna Witte, Dr. Thorsten Lenz

Bayerisches Staatsinstitut für Hochschulforschung und Hochschulplanung (IHF), Deutschland

Das vorgeschlagene Paper greift exemplarisch eine typische Konstellation in der Arbeit eines Ressortforschungsinstituts in der Hochschulforschung auf, die sich im Spannungsfeld zwischen wissenschaftlichem Anspruch und Anwendungskontext abspielt: Im Rahmen einer Auftragsforschung wurden zu einem hochschulpolitisch relevanten Thema Daten erhoben und Empfehlungen erarbeitet; eine theoriegeleitete Fragestellung wurde im Rahmen der Beauftragung weder benötigt noch gewünscht. Der Arbeitsauftrag ist damit abgeschlossen. Das vorliegende Datenmaterial ist reichhaltig und interessant, es erlaubt verschiedene theoretische Zugänge und Reflektionen aus der Sicht der Hochschul- und Wissenschaftsforschung. Die wissenschaftliche Arbeit mit dem Datenmaterial könnte also nun beginnen und ex post an das vorliegende Material herangetragen werden. Meist geschieht dies aus Mangel an Zeit und Möglichkeiten aber nicht. Ebendies soll in Vorbereitung auf die Konferenz nun versucht und die kritische Reflexion dieses Unternehmens zum expliziten Teil der Arbeit gemacht werden.

Im vorliegenden Fall handelt es sich um die Evaluation der Arbeit des Bayerischen Wissenschaftsforums (BayWISS) im Bereich der Ermöglichung kooperativer Promotionen in der Zusammenarbeit von Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAWs), dem sogenannten Fachforum Verbundpromotion. 2020-2021 wurde eine Fülle von Interviews und Befragungen durchgeführt: Interviews mit den Mitgliedern des BayWISS-Lenkungsrats und den Koordinatoren der 11 Verbundkollegs; Befragungen der Promovierenden, der betreuenden Professoren, der Leitungen der beteiligten Hochschulen, der Sprecher der Verbundkollegs sowie derjenigen Professoren, die ausschließlich außerhalb von BayWISS kooperative Promotionen betreuen.

Ein durchgängiges Ergebnis der Evaluation war, dass sich im Zuge der Zusammenarbeit das Verhältnis der beiden Hochschularten und der konkret Beteiligten eklatant verbessert hat. Durch das Kennenlernen im Zuge der gemeinsamen Arbeit wurden Vorurteile abgebaut und wechselseitige Wertschätzung aufgebaut, die beiden Hochschularten haben ihre Kooperation auch in anderen Gebieten als der gemeinsamen Promotionsbetreuung vertieft. Während dieses Ergebnis von beiden Seiten unisono als wertvoll betrachtet wurde, strebten die HAWs gleichzeitig – und entgegen der Position der Universitäten – danach, ein eigenes (bereichsspezifisches) Promotionsrecht zu erlangen, was ihnen auch gelang (Bayerisches Hochschulinnovationsgesetz vom 5. August 2022).

Dieses – erfolgreiche – Bestreben ist in der Literatur als academic drift bekannt (Harwood 2010, Griffioen & de Jong, 2012; Tight 2015; Geschwind & Broström 2022). Im vorgeschlagenen Beitrag soll anhand der vorliegenden Daten beispielhaft herausgearbeitet, analysiert – und im bundesweiten und internationalen Kontext eingeordnet – werden, wie sich die Akteure der bayerischen Hochschulpolitik in der Gleichzeitigkeit von Kooperation und Konkurrenz in einer von academic drift gekennzeichneten Gesamtentwicklung des deutschen Hochschulsystems positionieren. Hiermit wird u.a. auch an eine Arbeit zu blurring boundaries im Zuge des Bologna Prozesses angeknüpft (Witte, van der Wende & Huisman 2008).

Literatur

Geschwind, Lars & Broström, Anders (2022). To be or not to be a technical university: organisational categories as reference points in higher education. Higher Education, 84:121–13.

Griffioen & de Jong (2012). Academic Drift in Dutch Non-University Higher Education Evaluated: A Staff Perspective. Higher Education Policy 26(2): 1-19.

Harwood, J. (2010). Understanding academic drift: On the institutional dynamics of higher technical and professional education. Minerva, 48(4): 413–427.

Tight, M. (2015). Theory development and application in higher education research: the case of academic drift. Journal of Educational Administration and History, 47(1): 84-99.

Witte, J. & Lenz, Th. (2021). Evaluation des Fachforums Verbundpromotion im Bayerischen Wissenschaftsforum (BayWISS): Abschlussbericht. IHF, München.

Witte, J., van der Wende, M. & Huisman, J. (2008). Blurring boundaries: How the Bologna process changes the relationship between university and non-university higher education in Germany, the Netherlands and France. Studies in Higher Education 33(3): 217-231.

Witte-Wissenschaftliche Ex Post-Reflexion empirischen Datenmaterials-180.pdf


Neue empirische Erkenntnisse zu Karrierewegen in eine HAW-Professur

Dr. Edith Wilson, Prof. Dr. Carina Braun

OTH Regensburg, Deutschland

Der Weg in eine Professur an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW) setzt eine „Dreifachqualifikation“ in Lehre, Forschung und Berufserfahrung voraus. Dieser hohe Anforderungsstandard limitiert aber nicht nur den Pool geeigneter Bewerber:innen (In der Smitten et al., 2017). Diese Personen sind auch bei Wirtschaftsbetrieben, Universitäten und anderen Organisationen begehrt, so dass sich der „Kampf“ um Talente mit Potenzial für eine HAW-Professur in Zukunft eher verschärft. Wissen um die Karrierewege, förderliche sowie hinderliche Aspekte in HAW-Professuren, können Hochschulen dabei helfen, geeignete Personen auf das Berufsbild aufmerksam zu machen und das Arbeitgebermarketing gegenüber potenziellen Bewerber:innen zu verbessern.

Der Vortrag präsentiert erste Ergebnisse zu den Karrierewegen in eine HAW-Professur und fasst hierfür Erkenntnisse aus einer qualitativen Studie sowie Hypothesen zu deren quantitativen Überprüfung zusammen. Semi-strukturierte Interviews mit Professor:innen, welche einen Ruf an einer HAW in Bayern angenommen hatten, konnten u. a. verschiedene Karrierewege in eine Professur aufzeigen, ebenso wie die Motive, sich für dieses Berufsbild zu entscheiden. Des Weiteren wurden mögliche unterstützenden Faktoren und Hindernisse, welche den Weg in eine HAW-Professur erleichtern oder erschweren können, identifiziert. Zum Abschluss wird ein Ausblick auf eine quantitative Online-Befragung von HAW-Professor:innen gegeben, mit der im Herbst 2023 die qualitativen Erkenntnisse validiert werden sollen.

Die Ergebnisse werden unter Bezugnahme auf die relevante Hochschulforschung (z. B. Armutat, 2022; Braun & Wilson, 2023; In der Smitten et al., 2017) ebenso wie relevante Karrieretheorien (z. B. Lent et al., 1994) diskutiert. Die abschließenden Handlungsempfehlungen für die Hochschulentwicklung sowie das Hochschulmarketing sind von praktischer Relevanz.

Diese Forschung wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und des Landes Bayern als Teil des Projekts Zukunft akademisches Personal der OTH Regensburg (ZAP.OTHR) unter dem Programm „FH-Personal“ gefördert.

Literaturverzeichnis

Armutat, S. (2022). Berufsperspektive HAW-Professur – Attraktivitätsfaktoren für die Berufswahl. Die Neue Hochschule, 2022(5), 26-29.

Braun, C. & Wilson, E. E. (2023). Berufswahl Professur an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften: Forschungsstand und Forschungsagenda. Working Paper. OTH Regensburg. https://doi.org/10.35096/othr/pub-5198

In der Smitten, S., Sembritzki, T., Thiele, L., Kuhns, J., Amadou, S. & Valero-Sanchez, M. (2017). Bewerberlage bei ­Fachhochschulprofessuren (BeFHPro): Forum Hochschule 3|2017. DZHW.

Lent, R. W., Brown, S. D. & Hackett, G. (1994). Toward a Unifying Social Cognitive Theory of Career and Academic Interest, Choice, and Performance. Journal of Vocational Behavior, 45(1), 79–122.

Wilson-Neue empirische Erkenntnisse zu Karrierewegen in eine HAW-Professur-136.pdf


Konflikte und Sozialisation von (Nachwuchs-)Wissenschaftler*innen

Olga Wagner

TU Dortmund, Deutschland

Professuren an deutschen Universitäten sind Orte, an denen neben der Verantwortung für Forschung, Lehre und akademische Selbstverwaltung auch die Nachwuchsausbildung als eine der tradiertesten Aufgaben wahrgenommen wird (Hüther & Krücken, 2016). Hier durchlaufen (Nachwuchs-)Wissenschaftler*innen ihre akademische Sozialisation, internalisieren fach- und gruppenspezifische Werte und Normen und erwerben damit eine Handlungsfähigkeit, die eine aktive Teilnahme am Wissenschaftsbetrieb erst möglich macht. Doch wie genau vollzieht sich diese Sozialisation?

Nach dem Modell der „generativen Sozialisation“ von Lüscher und Liegle (2015), welches mit Blick auf gesamtgesellschaftliche und familiäre Sozialisation entwickelt wurde, sind Ambivalenzerfahrungen für die Sozialisation elementar. Sie entstehen in intergenerativen Beziehungen, denen Generativität zugrunde liegt, und können als Konflikte in Erscheinung treten. Werden Professuren als Sozialisationskontexte betrachtet, in denen Personen durch ihre Arbeit miteinander in Beziehung treten und dabei Ambivalenzerfahrungen machen, lässt sich dieser Ansatz hier anwenden. Jede Professur beheimatet zumeist drei bis vier akademische Generationen: Professor*in(nen), Post-Docs, Prä-Docs und Studierende. Neben dem Qualifizierungsgrad ist die Dauer der Zugehörigkeit zur Professur, die bereits gemachten Erfahrungen in der Wissenschaft sowie das Tragen eines akademischen Titels für eine Zuordnung von Bedeutung. Diese Personen(-gruppen) müssen im Arbeitsalltag in inter- und intragenerative Beziehungen treten, in denen Ambivalenzerfahrungen gemacht werden und so Konflikte auftreten können. Die Forschungsfrage lautet daher: Welche Funktion haben Konflikte für die Sozialisation des wissenschaftlichen Nachwuchses? Für die Untersuchung wird angenommen, dass …

… Konflikte zwischen akademischen Generationen für die Sozialisation von (Nachwuchs-)Wissenschaftler*innen existenziell sind. Die aktive Auseinandersetzung mit den Werten und Normen der älteren Generationen führt die heranwachsenden Generationen zur Autonomie und Handlungsfähigkeit, ohne die eine aktive Teilnahme am Wissenschaftsbetrieb nicht möglich ist.

… es unterschiedliche Formen von Konflikten/Ambivalenzerfahrungen gibt. Wobei besonders die relevant sind, die zwischen Personen unterschiedlicher akademischer Generationen stattfinden und einen professionellen Charakter aufweisen. Was ein Nachweis dafür wäre, dass Konflikte aufgrund fehlender Verständnisse über akademische- und gruppenspezifische Werte sowie Normen und nicht wegen persönlicher Gründe auftreten.

… generative Sozialisation auch in professionellen Organisationen wie der Universität stattfindet und somit auch die akademische Sozialisation auf Generativität beruht.

Zur Bearbeitung der Forschungsfrage werden Daten aus zwei verzahnten qualitativen Studien ausgewertet. Die erste Datenquelle bilden 20 leitfadengestützte problemzentrierte Interviews mit Professor*innen ausgewählter Universitäten, bei denen u.a. Kurzfragebögen eingesetzt wurden. Danach wurden Gruppendiskussionen mit Mitarbeiter*innen der zuvor interviewten Professor*innen durchgeführt. Bei den Gruppendiskussionen kamen fünf Szenarien als Erzählimpulse zum Einsatz. Insgesamt konnten so 15 Professuren der Fächer Biologie, BWL und Maschinenbau inhaltsanalytisch analysiert werden. Die Gegenüberstellung der Perspektiven der Befragten ist hierbei elementar: Inwieweit werden vorgelebte Werte und Normen akzeptiert oder in Frage gestellt und welche Konflikte können daraus resultieren? In welcher Beziehung stehen die Konfliktparteien zueinander?

Die bisherigen Analysen zeigen, dass intergenerative Konflikte/Ambivalenzerfahrungen eher professioneller als persönlicher Natur sind. Die meisten Befragten berichten häufiger von Konflikten zu Beginn ihrer Beschäftigung bzw. der ihrer Mitarbeiter*innen. Als häufige Gründe werden das fehlende Wissen um soziale Normen und Werte der Gruppe sowie das mangelnde Verständnis der Funktionsweise des Wissenschaftsbetriebs aufgeführt. Insbesondere an Professuren, in denen Personen bei alltäglichen Tätigkeiten in enger Beziehung stehen, wird von intergenerativen Konflikten berichtet. Darüber hinaus lässt sich nachweisen, dass Generativität in allen betrachteten Professuren die Norm darstellt.

Hüther, O. & Krücken, G. (2016). Hochschulen. Fragestellungen, Ergebnisse und Perspektiven der sozialwissenschaftlichen Hochschulforschung. Wiesbaden: Springer.

Liegle, L. & Lüscher, K. (2015). Das Modell „Generative Sozialisation“. K. Hurrelmann, et al. (eds.), Handbuch Sozialisationsforschung, (S.281–301), 8. Edition. Weinheim, Basel: Beltz.

Wagner-Konflikte und Sozialisation von-108.pdf
 
13:30 - 15:00Forschung zum Wissenstransfer
Ort: SL0008a/b
Chair der Sitzung: Dr. Nicolas Reum, CHE Centrum für Hochschulentwicklung

Track 3: Wissenstransfer und Wirkungen

 

Die BMBF-Förderlinie „Forschung zum Wissenstransfer“ – Ein Überblick

Prof. Dr. Ulrich Schmoch

Fraunhofer Institute for Systems and Innovation Research

Die aktuelle BMBF-Förderlinie „Forschung zum Wissenstransfer“ umfasst insgesamt 25 Projekte, von denen diverse auch schon erste Ergebnisse auf der diesjährigen Jahrestagung der GfHF präsentieren werden. 6 Projekte befassen sich explizit mit der Überführung von Erkenntnissen aus der Wissenschafts- und Hochschulforschung in die Hochschulpraxis.

Ziel des BMBF-Programms ist es, „wissenschaftlich belastbare Erkenntnisse über vorhandene Aktivitäten und Strukturen zur Überführung wissenschaftlich erzeugten Wissens in die Anwendung zu generieren sowie deren Entwicklung im Verlauf nachzuzeichnen“.

Der Vortrag gibt eine Einführung in die genaueren Zielsetzungen des Programms sowie einen Überblick zu den verschiedenen Projekten und bietet damit eine Kartographierung der aktuellen Forschungen zum Wissenstransfer.

Schmoch-Die BMBF-Förderlinie „Forschung zum Wissenstransfer“ – Ein Überblick-182.pdf


Wissenstransferprofile in Deutschland - Erste Ergebnisse des Projekts WIDEN

Prof. Dr. Michael Hoelscher1, Prof. Dr. Ulrich Schmoch2, Prof. Dr. Bernd Kriegesmann3, Philipp Komaromi1, Berghäuser Hendrik2

1Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer; 2Fraunhofer Institute for Systems and Innovation Research, Karlsruhe; 3Westfälische Hochschule, Gelsenkirchen

Research Question

Within the WIDEN-project we analyse patterns of knowledge transfer at German universities at the meso-level of the organization as well as on the micro-level of individual researchers. One aim is to identify different transfer profiles.

Since about the early 1980ies third mission activities at universities became increasingly relevant, but with a focus on technology transfer, thus patent applications, licences and spin-offs were discussed. A recent trend is an increased focus on knowledge transfer also from non-technical disciplines. In this context, knowledge transfer is defined in a broader way as all types of transfer to non-scientific partners. However, the different roles of these two and their interplay is not yet really well understood.

Design/methodology:

An online-survey of all professors of all disciplines at 60 German universities is being conducted, asking about their activities in knowledge transfer. The survey is still in the field. While we already have a relatively high absolute number of responses, one has to take into account that, as the response rate on online-surveys is only moderate, a bias as to the responding scientists is probable, so that the answers are not really representative.

On this basis, it is nevertheless possible to compare types of knowledge transfer, the differences by partners, motives, barriers or financial sources. The aim is to develop transfer profiles for organizations as well as for individual researchers.

Findings so far

The paper presents for the first time data from the first study in Germany addressing the topic of transfer in such a broad way and with such a broad database. With this very broad survey, we are able to analyse different aspects of knowledge transfer in different disciplines in more detail.

A main finding is that the activities in knowledge transfer in the non-technical disciplines are considerable. But, as far as we can say up to now, incentives from the central management of the universities are generally low, as the interest for large contracts from enterprises and for license income dominates. Therefore, it is necessary that the public financial support of the universities, at present primarily based on the research performance, also includes knowledge transfer in non-commercial areas. This will allow the central management to support all types of knowledge transfer.

Hinweis: Vortrag auf deutsch

Hoelscher-Wissenstransferprofile in Deutschland-124.pdf


Legitimation thematischer Forschungsförderung durch Wissenstransfer: Das Beispiel der Förderprogrammkoordination

Dr. Justus Henke

Institut für Hochschulforschung Halle-Wittenberg (HoF), Deutschland

Eine in der deutschen Wissenschaftslandschaft bislang wenig betrachtete Gruppe von Akteuren sind die „Koordinierungsstellen“ oder „Metavorhaben“ von Förderprogrammen. Ihre Zwecke sind neben programminterner Kommunikation insbesondere über die Wissenschaftskommunikation in die jeweiligen Anwendungsbereiche bestimmt, d.h. über Wissenstransfer. Der Beitrag beschäftigt sich mit der Legitimierung von thematischen Forschungsförderungen durch die Ermöglichung von Wissenstransfer. Thematische Forschungsförderungen sind legitimierungsbedürftig, da sie spezifische Ziele verfolgen und damit Forschungsaktivitäten an bestimmte Themen binden (Gulbrandsen 2011). Die Wissenschaft entscheidet hier also nicht autonom über forschungsbedürftige Probleme (Altbach 2001). Stattdessen rücken Erwartungen an die Nützlichkeit der Forschung in den Programmen ins Zentrum (Bozeman 2000; Nowotny 2003). Die zentrale Fragestellung lautet daher: Inwiefern trägt die wissenschaftliche Begleitung von Förderprogrammen insbesondere über Wissenstransfer zur Legitimität der Programme bei?

Der Charakter der Koordinierungsstellen, ihre Funktionen, etwa für Wissenstransfer und Legitimation thematisch gebundener Forschung, Formen der Kommunikation sowie deren Wirksamkeit mit Blick auf Wissenstransfer sind somit Gegenstand dieses Beitrags. Koordinierungsstellen sind vor wenigen Jahren erstmals empirisch untersucht worden (Beer/Henke/Pasternack 2019). Darauf aufbauend werden hier Koordinierungsstellen nach deren Beiträgen zum Wissenstransfer von Forschungsergebnissen und Legitimation der Programme untersucht. Die Untersuchung bezieht insgesamt 12 Förderprogrammkoordinierungen im Bereich der BMBF-Förderung von Bildungs-, Wissenschafts- und Hochschulforschung sowie Hochschulentwicklung ein, die seit 2012 durchgeführt wurden. Konzeptionell und anhand empirischer Befunde wird verglichen, wie sich die Bemühungen der Koordinierungen um Wissenstransfer von anderen wissenschaftlichen Einrichtungen unterscheiden, wo sie in Konkurrenz zu den Projekten zueinander treten und was hieraus über die Rolle der Koordinierungsstellen für den Wissenstransfer geschlossen werden kann. Empirisch wurden mittels einer standardisierten Online-Befragung von Stakeholdern der Förderprogramme im Jahr 2022 insgesamt 101 Projektleiter von zwölf solcher Förderprogramme erreicht, und insbesondere zu Umfang und Wirkung der Wissenstransferaktivitäten der Koordinierungsstellen sowie zu Lücken und Verbesserungspotenzialen befragt.

Die Ergebnisse belegen eine Fokussierung auf Ergebniskommunikation, die sich sowohl an Fachcommunity als auch an eng abgesteckte Anwenderkreise richtet, wobei dort die Synthese und transferorientierte Übersetzung der Programmergebnisse nicht durchgehend gelingt. Die zweigleisige Kommunikation in Wissenschaft und Anwendungsbereiche spiegelt zwar nicht unbedingt die intendierten Zwecke der Koordinierungsstellen wider, ist aber durchaus funktional, da sie programmintern die Akzeptanz der Koordinierung erhöht. Durch den Wissenstransfer werden die Praxisakteure indes noch nicht zufriedenstellend erreicht, wenngleich die Sichtbarkeit der Ergebnisse insgesamt steigt. Legitimationseffekte sind also zumindest teilweise erreicht worden. Wissenstransfer durch Programmkoordinierung kann die Legitimierung thematischer Forschungsförderungen absichern helfen, es bleiben aber Potenziale für Verbesserungen.

Literatur

Altbach, Philip G. (2001): Academic freedom. International realities and challenges, in: Higher Education 1/2/2001, S. 205–219. DOI: 10.1023/A:1026791518365.

Beer, Andreas/Justus Henke/Peer Pasternack (2019): Kommunikation organisieren. Die koordinierende Begleitung von Forschungsförderprogrammen, verhandelt an Beispielen aus der Bildungs‐, Wissenschafts‐ und Hochschulforschung (HoF-Arbeitsbericht 112). Institut für Hochschulforschung (HoF), Halle‐Wittenberg, URL: https://www.hof.uni-halle.de/web/dateien/pdf/ab112.pdf (21.9.2021).

Bozeman, Barry (2000): Technology transfer and public policy: a review of research and theory, in: Research Policy 4-5/2000, S. 627–655. DOI: 10.1016/S0048-7333(99)00093-1.

Gulbrandsen, Magnus (2011): Research institutes as hybrid organizations: central challenges to their legitimacy, in: Policy Sciences 3/2011, S. 215–230. DOI: 10.1007/s11077-011-9128-4.

Nowotny, Helga (2003): Democratising expertise and socially robust knowledge, in: Science and Public Policy 3/2003, S. 151–156. DOI: 10.3152/147154303781780461.

Henke-Legitimation thematischer Forschungsförderung durch Wissenstransfer-131.pdf
 
13:30 - 15:00Verbindung akademischer und beruflicher Bildung
Ort: SL0203
Chair der Sitzung: Anna-Lena Thiele, CHE Centrum für Hochschulentwicklung

Track 4: Herausforderungen der Studiengestaltung

 

Subjektbezogene Integration und curriculare Verzahnung im dualen Studium? Eine fallstudienbasierte Analyse

Lisa Mordhorst, Prof. Dr. Tobias Jenert

Universität Paderborn, Deutschland

Ausbildungsintegrierende duale Studienprogramme zielen auf die Integration beruflicher und akademischer Lernerfahrungen (Mordhorst & Jenert, 2022; Wissenschaftsrat [WR], 2013). Jedoch ist bisher weder das subjektive Integrationserleben der Lernenden noch dessen curriculare Begleitung theoretisch-konzeptionell und empirisch umfassend erforscht (Mordhorst & Jenert, 2022; Mordhorst, unveröffentlicht). Bestehende Forschung zum dualen Studium stellt exemplarisch Konzepte zur Verzahnung zwischen beruflichem und akademischem Lernen vor. Solche beispielhaften Formate sind jedoch bisher – anders als in der dualen Beruflichen Bildung – nicht umfassend theoretisch differenziert (Lachmann & Sailmann, 2014). Bildungswissenschaftliche empirische Beiträge zu diesen Hybriden sind rar (z. B. Brodsky, Seifried & Sailmann, 2021). Relevant ist diese Forschungslücke auch deshalb, da Studien wiederholt Herausforderungen im Zusammenspiel des beruflichen und akademischen Lehrens und Lernens ausweisen (Langfeldt, 2018; Nickel et al., 2022).

Hier setzt der Beitrag an und geht theoriebasiert der Frage nach, wie Integrationserfahrungen und deren curriculare Begleitung in ausbildungsintegrierenden Studienprogrammen ausgeprägt sind. Ausgehend von einer Vorstudie (Mordhorst & Jenert, 2022) wurden vier vergleichenden Fallstudien durchgeführt, die hier vorgestellt werden. Dabei wird die subjektive Integrationserfahrung Studierender vor dem Hintergrund der offiziellen Ziele, Strukturen und Praxen ausbildungsintegrierender Studienprogramme der Wirtschafts- und Ingenieurwissenschaften betrachtet. Die Analyse basiert auf einer Datentriangulation, die auf Dokumentenanalysen, sechs Expert*inneninterviews mit Studienprogrammverantwortlichen sowie vier Gruppendiskussionen und zehn Interviews mit Studierenden abstellt (Mordhorst, unveröffentlicht).

Die empirischen Ergebnisse zeigen, dass das Integrationserleben der Lernenden im Zusammenhang mit der curricularen Verzahnung steht. Neben den zeitlichen Sequenzierungsmodellen (Hofmann, König & Brenke, 2023) lassen sich verschiedene Stellhebel ausmachen, die im Zusammenspiel beeinflussen wie die Integrationsbegleitung funktioniert: (1) methodisch-didaktische Verbindungsansätze, (2) fachlich-homogene oder -komplementäre Verzahnung, (3) betriebliche Perspektivbreite etwa über Lernphasen in unterschiedlichen Betrieben, (4) guidance, z. B. in puncto Wahlmodule, sowie (5) zeitliche Entlastungselemente wie reziproke Leistungsanrechnung. In einigen Fällen machen die Studierenden integrationsförderliche oder -hinderliche Abweichungen der Lernbegleiter*innen von den Programmanlagen aus. Das Integrationserleben ist insgesamt moderat ausgeprägt. Dies liegt auch an konzeptionell verkürzten Integrationsbegriffen und -zielen, die keine bildungstheoretisch begründete Gesamtausrichtung der Stellheben vorsehen (Mordhorst, unveröffentlicht).

Literaturangaben

Brodsky, A., Seifried, J. & Sailmann, G. (2021). Wege zu einer akademischen Beruflichkeit − Lernen am Arbeitsplatz in zwei dualen Studiengängen. In J. Seifried, G. Sailmann & A. Brodsky (Hrsg.), Praxispotentiale im Dualen Studium. Lernen am Arbeitsplatz als Element akademischer Qualifizierung (S. 65–145). Bielefeld: wbv Media.

Hofmann, S., König, M. & Brenke, P. (2023). AusbildungPlus – Duales Studium in Zahlen 2022. Trends und Analysen, Bundesinstitut für Berufsbildung. Verfügbar unter: https://www.bibb.de/dokumente/ablage/AiZ_Duales_Studium_2022_bf.pdf

Lachmann, R. & Sailmann, G. (2014). Das duale Studium braucht klare Mindeststandards. IAB-Forum, (2), 82–89. Verfügbar unter: http://doku.iab.de/forum/2014/Forum2_2014_Lachmann_Sailmann.pdf

Langfeldt, B. (2018). Lernortkooperation im dualen Studium - zu viel oder zu wenig Einfluss der Hochschulen auf die betrieblichen Praxisphasen? bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik, (34), 1–20. Verfügbar unter: http://www.bwpat.de/ausgabe34/langfeldt_bwpat34.pdf

Mordhorst, L. & Jenert, T. (2022). Curricular integration of academic and vocational education: A theory-based empirical typology of dual study programmes in Germany. Higher Education. https://doi.org/10.1007/s10734-022-00889-7

Mordhorst (2023). Subjektbezogene Integration im dualen Studium? Vergleichende Fallstudien in den Wirtschafts- und Ingenieurwissenschaften. unveröffentlicht.

Nickel, S., Pfeiffer, I., Fischer, A., Hüsch, M., Kiepenheuer-Drechsler, B., Lauterbach, N. et al. (2022). Duales Studium. Umsetzungsmodelle und Entwicklungsbedarfe. Bielefeld: wbv Media GmbH. https://doi.org/10.3278/9783763971718

Wissenschaftsrat (2013). Empfehlungen zur Entwicklung des dualen Studiums. Positionspapier (Drs. 3479-13). Verfügbar unter: https://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/3479-13.pdf

Mordhorst-Subjektbezogene Integration und curriculare Verzahnung-153.docx


Unternehmen in der studienintegrierenden Ausbildung (siA). Erste Befragung zur Kooperation der siA in Hamburg

Thordis Bialeck, Dr. Marius Herzog, Birte Krüger, Dr. Sebastian Rohloff

tQM-Projekt Hamburg, Deutschland

Der Fachkräftemangel in Deutschland stellt das Land und insbesondere die Wirtschaft seit Jahren vor immer größere Herausforderungen. Um diesen zu begegnen, wird, neben Maßnahmen, wie der gezielten Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland, in den Bundesländern Hamburg und NRW das Konzept der studienintegrierten Ausbildung (siA) etabliert und getestet. Ziel ist es, jungen Auszubildenden ein koordiniertes Ausbildungsangebot zu machen, welches es ihnen ermöglicht, in vier Jahren integriert in der Berufsausbildung einen Berufsschul- sowie Hochschulabschluss zu erwerben. Unterstützt wird dies in Hamburg durch die eigens hierfür gegründete Berufliche Hochschule Hamburg (BHH). Deren hochschulische Entwicklung wird begleitet durch das InnoVET-Projekt tQM , das als Forschungs- und Entwicklungsprojekt an Kriterien zur trialen Qualitätssicherung arbeitet. Damit verbunden ist der Aufbau einer kontinuierlichen Evaluation der siA.

Insbesondere die Koordination/Kooperation zwischen den drei Ausbildungsorten Unternehmen, Hochschule und Berufsschule spielt hierbei eine zentrale Rolle. Ein mögliches Instrument der Evaluation stellt hierbei die Befragung dar. Im Rahmen der siA Hamburg wurde daher durch das tQM-Projekt eine Unternehmensbefragung durchgeführt, um ein erstes Stimmungsbild der betrieblichen Lernorte zu erhalten. Hierfür wurden 33 Unternehmen in Online-Interviews mit offenen Fragen zu ihrer ersten Einschätzung hinsichtlich der siA, sowohl in Bezug auf das Konzept als solches, als auch im Hinblick auf die Zufriedenheit mit den siA-Auszubildenden und die grundsätzliche Kooperation mit Hoch- und Berufsschule(n), befragt. Die Auswertung erfolgte dabei mittels MAXQDA, sowohl deduktiv als auch induktiv (siehe bspw. Schneijderberg et al., 2022, oder Kuckartz, 2018). Zusätzlich wurden die Antworten auf vorab formulierte bzw. vermutete Korrelationen hin untersucht.

Dieser Beitrag wertet die Befragung aus und gibt erste Empfehlungen zur Weiterverwendung der erhobenen Antworten. Insgesamt lässt die Auswertung den Schluss zu, dass auf Unternehmensseite ein durchaus positives Bild vom Konzept und insbesondere der Kooperation im Rahmen der siA vorhanden ist. Zudem werden Vorschläge zur weiteren Optimierung der Verzahnung von Theorie und Praxis abgeleitet. Diese sollen u.a. dazu genutzt werden, die Entwicklung der BHH in Bezug auf die Abstimmung der Lehrinhalte oder die Arbeits- und Studienzeiten anzupassen bzw. zu verbessern.

Bialeck-Unternehmen in der studienintegrierenden Ausbildung-168.pdf


Monetäre Erträge von Hochschulabsolvent*innen mit vorakademischer Berufsausbildung

Gunther Dahm

Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW), Deutschland

Seit Jahrzehnten absolviert ein hoher Anteil der Studierenden in Deutschland vor dem Studium eine nicht-akademische Berufsausbildung (Dahm & Peter, 2023) und erwirbt damit ein hybrides Qualifikationsprofil. Diese Form kumulativen Bildungsverhaltens wird überproportional häufig von Kindern aus Nicht-Akademiker-Familien praktiziert (ebd.).

Laut Wissenschaftsrat (2014) sind hybride Qualifikationsprofile auf dem Arbeitsmarkt zunehmend gefragt. Bisher haben allerdings nur wenige (zugleich relativ alte) Studien die Erträge dieses kumulativen Bildungsverhaltens untersucht. Diesen zufolge erzielen Mehrfachqualifizierte kein höheres Einkommen als Hochschulabsolvent*innen ohne vorherige Ausbildung (z. B. Bellmann & Stephani, 2012; Büchel & Helberger, 1995; Hammen, 2011) – obwohl Mehrfachqualifizierte mehr Humankapital erwerben, einen stärkeren Bezug zur beruflichen Praxis haben und daher produktiver sein sollten. Die Befunde widersprechen somit den Annahmen der Humankapitaltheorie (Becker, 1962), wonach ein höheres Humankapital zu höherem Einkommen führt, und deuten eher in Richtung eines Kredentialismus (Collins, 1979), der allein am höchstem Abschluss orientiert ist und Kompetenzen, die formal unterhalb des Hochschulabschlusses erworben wurden, nicht honoriert. Allerdings ist aufgrund verschiedener Einschränkungen der früheren Studien (z. B. overcontrol bias, Fehlen einer Längsschnittperspektive) ungewiss, wie belastbar deren Ergebnisse sind.

In diesem Beitrag wird das Einkommen von Hochschulabsolvent*innen mit und ohne vorakademische Berufsausbildung zu drei Zeitpunkten ihrer Karriere – ein, fünf und zehn Jahre nach Hochschulabschluss – untersucht. Dafür werden Längsschnittdaten aus mehreren Absolvent*innenbefragungen des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) genutzt.

Erste Auswertungen mittels klassischer OLS-Regression widersprechen den bisherigen Studienergebnissen. Zumindest in einer frühen Karrierephase scheint die Kombination aus Berufsausbildung und Studium einen Mehrwert auf dem Arbeitsmarkt darzustellen. Die Belastbarkeit und Stabilität dieser vorläufigen Befunde sollen im nächsten Schritt unter Verwendung fortgeschrittener Analysemethoden (z. B. Matchingverfahren) überprüft werden.

Literatur

Becker, G. S. (1962). Investment in human capital: A theoretical analysis. Journal of Political Economy, 70(5, Part 2), 9–49.

Bellmann, L., & Stephani, J. (2012). Effects of double qualifications on various dimensions of job satisfaction. Empirical Research in Vocational Education and Training, 4(2), 95–114.

Büchel, F., & Helberger, C. (1995). Bildungsnachfrage als Versicherungsstrategie. Der Effekt eines zusätzlich erworbenen Lehrabschlusses auf die beruflichen Startchancen von Hochschulabsolventen. Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 28(1), 32–42.

Collins, R. (1979). The Credential Society: An historical sociology of education and stratification. Academic Press.

Dahm, G., & Peter, F. (2023). Einfach anders oder vielfältig verschieden? Ein differenzierter Blick auf Hochschulabsolvent*innen mit beruflicher Vorqualifikation. In J. Ordemann, F. Peter, & S. Buchholz (Eds.), Vielfalt von hochschulischen Bildungsverläufen: Wege in das, durch das und nach dem Studium (pp. 223–262). Springer Fachmedien. https://doi.org/10.1007/978-3-658-39657-2_9

Hammen, A. (2011). Mehrfachqualifikationen. Sprungbrett oder Umweg? (1. Auflage). Rainer Hampp Verlag.

Wissenschaftsrat. (2014). Empfehlungen zur Gestaltung des Verhältnisses von beruflicher und akademischer Bildung. Erster Teil der Empfehlungen zur Qualifizierung von Fachkräften vor dem Hintergrund des demographischen Wandels (Drs. 3818-14).

Dahm-Monetäre Erträge von Hochschulabsolventinnen mit vorakademischer Berufsausbildung-133.docx
 
13:30 - 15:00Internationalisierung von Studium und Lehre
Ort: SL0206
Chair der Sitzung: Gero Federkeil, CHE Centrum für Hochschulentwicklung

Track 5: Internationale Perspektiven

 

Die Nutzung von Verwaltungsdaten für die Hochschulforschung und -entwicklung am Beispiel der Bewerbung und Studienvorbereitung internationaler Studieninteressierter in Deutschland

Rocio Ramirez, Laska Olivia

Institut für Hochschulforschung (HoF), Deutschland

In vielen Bereichen des Hochschulsystems fallen Verwaltungsdaten an, die nicht in erster Linie für die Forschung gedacht sind, aber dennoch für Fragen der (Hochschul-)Forschung genutzt werden können (vgl. Hartmann/Lengerer 2014). Ausgehend von der Frage nach der Rolle der Studienvorbereitung an Studienkollegs für den Studienerfolg internationaler Studierender und nach dem Bedarf an Studienvorbereitungsmaßnahmen für diese Gruppe, haben wir uns zum einem mit Bewerbungsdaten von uni-assist und mit Landtagsdokumenten und Gesetztestexten befasst. In unserem Vortrag möchten wir zum einem das Potenzial dieser bisher wenig genutzten Verwaltungdaten und –dokumenten für die Beantwortung von Fragen der Hochschulforschung, sowie für die Aufdeckung von Handlungsbedarfen und für die Formulierung von Handlungsoptionen für die Hochschulentwicklung aufzeigen. Gleichzeitig möchten wir auf die Grenzen dieser Daten eingehen, die in vielen Fällen mit eigenen Datenerhebungen und Analyse bestehenden Forschungsdaten ergänzt werden müssen. Die Nutzung von Verwaltungsdaten wird somit als wechselseitiger Prozess verstanden, der von der Hochschulsystemverwaltung in die Hochschulforschung und Hochschulentwicklung sowie umgekehrt führt.

Unsere Analysen zeigen, dass der Bedarf an Studienvorbereitungsmaßnahmen das Angebot an staatlichen Studienkollegplätzen deutlich übersteigt (Ramirez/Laska/Korthase in Druck). Zum anderen wird deutlich, dass sich das Bewerbungsverfahren für Studieninteressierte, die vor dem Studium an einer Studienvorbereitungsmaßnahme teilnehmen müssen, aktuell kompliziert und zum Teil intransparent gestaltet, sodass geeignete Kandidat.innen auf dem Weg ins Studium verloren gehen können. Auf Grundlage von Berichten der Landesrechnungshöfe, Landtagsdokumenten und Gesetzestexten mehrerer Bundesländer wurde herausgearbeitet, warum es zur Schließung einiger Studienkollegs und zur Diversifizierung der Studienvorbereitungsmaßnahmen kam (Privatisierung, Bundeslandbindung, Digitalisierung) (Böker/Laska/Ramirez in Druck). Diese Befunde wurden mit einer Befragung von Studienkollegsleitungen ergänzt und in mehreren Diskussionen im Rahmen dieser Forschung mit unterschiedlichen Akteuren zurückgekoppelt.

Die Ergebnisse der Studie werfen nicht nur weitere Fragen bezüglich der Gelingensbedingungen des Studienerfolgs internationaler Studierender auf, sondern ergeben auch unmittelbar Handlungsbedarfe und -optionen für die Hochschulplanung und -entwicklung. Insbesondere geht es dabei um die Optimierung von Zulassungsvoraussetzungen und Bewerbungsverfahren sowie um die Bereitstellung geeigneter Studienvorbereitungs- und Studienbegleitungsmaßnahmen für internationale Studierende. In unserem Vortrag werden wir sowohl die Ergebnisse der Studie als auch die daraus abgeleiteten Handlungsbedarfe für die Hochschulentwicklung erläutern. Darüber hinaus werden wir aufzeigen, wie Verwaltungsdaten zur Unterstützung der Hochschulforschung genutzt werden können und welche Verbesserungen in der Erhebung dieser Daten notwendig sind.

Literatur

Böker, Arne/Olivia Laska/Rocio Ramirez (in Druck): Studienkollegs für internationale Studieninteressierte - Studienvorbereitung im Wandel. Zwischenbericht. Institut für Hochschulforschung.

Hartmann, Peter H./Andrea Lengerer (2014): Verwaltungsdaten und Daten der amtlichen Statistik, in: Nina Baur (Hg.), Handbuch Methoden der empirischen Sozialforschung, Springer Fachmedien Wiesbaden, Wiesbaden, S. 907–914. DOI: 10.1007/978-3-531-18939-0_71.

Ramirez, Rocio/Olivia Laska/Sophie Korthase (in Druck): Studienvorbereitung internationaler Studieninteressierter an staatlichen Studienkollegs: Angebot, Nachfrage und Bedarf. Deutscher Akademischer Austauschdienst (DAAD).

Ramirez-Die Nutzung von Verwaltungsdaten für die Hochschulforschung-177.docx


Die Verstetigung internationaler Hochschulstudienprogramme – eine Governance-Analyse deutsch-arabischer Hochschulkooperationen

Younes Qrirou

Eberhard Karls Universität Tübingen, Deutschland

Internationale Hochschulbildungskooperationen spielen eine wichtige Rolle in der Entwicklungszusammenarbeit, da sie dazu beitragen, Bildungschancen und Qualifikationsniveaus sowie Studien- und Hochschulstrukturen in den sich entwickelnden Ländern zu verbessern und somit die Grundlage für eine nachhaltige globale wirtschaftliche und soziale Entwicklung zu legen. Um diese Ziele zu erreichen, ist es entscheidend, kooperative entwicklungsbezogene Hochschulstudienprogramme langfristig zu etablieren. Allerdings stellt die Verstetigung solcher Programme nach dem Auslaufen der öffentlichen Förderung eine enorme Herausforderung mit weitreichenden politischen und praktischen Implikationen dar.

In meinem Vortrag werde ich die Ergebnisse meiner Dissertation vorstellen und die Frage diskutieren, wie internationale Hochschulstudienprogramme über die Gründungsphase hinaus verstetigt werden können. Dabei werde ich auf die beiden Hauptthemen der Tagung eingehen: praxisorientierte Forschung und Gestaltungsfragen in der Hochschulpolitik. Aus einer Governance-theoretischen Perspektive und anhand einer vergleichenden Prozessanalyse von drei deutsch-arabischen kooperativen Studienprogrammen, die im Rahmen eines entwicklungspolitischen DAAD-GIZ-Programms zwischen 2005 und 2017 gefördert wurden, wurden relevante Bedingungen und Mechanismen der Handlungskoordination untersucht, die die Verstetigung oder Auflösung der Studienprogramme erklären. Hierbei stützt sich die Arbeit auf den aktuellen Erkenntnissen der interorganisationalen Kooperationen und analysiert die aus Dokumenten und Interviews gewonnenen Daten mithilfe einer qualitativen Inhaltsanalyse und der Methode der process tracing, um die notwendigen und hinreichenden Bedingungen zu beschreiben, die die Verstetigung der Studienprogramme herbeiführen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Verstetigung der Studienprogramme wahrscheinlicher wird, wenn die Kooperationspartner gegenseitiges Vertrauen sowie interne und externe Legitimität aufbauen und konsolidieren und die Ressourcenabhängigkeit umgehen können. Eine nachhaltige kooperative Governance beruht auf identitätsstiftenden, dialogorientierten, antizipierenden und valorisierenden Governance-Mechanismen, die von Grenzspannern getragen werden. Diese Mechanismen ermöglichen es, die interne Koordinationsmatrix mit den externen Anforderungen der relevanten Akteure in bestimmten „Governance-Arenen“ zu verbinden. Basierend auf diesen Erkenntnissen werde ich den Teilnehmern/innen der Tagung evidenzbasierte Handlungsempfehlungen zur Gestaltung oder Neugestaltung deutsch-arabischer Hochschulstudienprogramme im Speziellen und internationaler entwicklungsbezogener Hochschulkooperationen im Allgemeinen vorstellen.

Literatur:

Aichinger, Regina (2017): Dialogische Hochschul-Governance: eine Organisations-und betriebspädagogische Analyse zu Effekten sprachlichen Handelns und organisationalen Lernens diverser Akteure am Beispiel des österreichischen Fachhochschul-Sektors. Universität Koblenz-Landau.

Al-Agtash, Salem; Khadra, Labib (2019): Internationalization Context of Arabia Higher Education. In: International Journal of Higher Education 8 (2), S. 68–81.

Alke, Matthias (2015): Verstetigung von Kooperation. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden.

Böhm, Thomas (Hg.) (2013): Deutsch-Arabische Hochschulkooperation. Sachstand und Empfehlungen. Hochschulrektorenkonferenz. Bonn: HRK Hochschulrektorenkonferenz (Beiträge zur Hochschulpolitik, 2013,4).

Brandenburg, Uwe; Höllermann, Philipp; Lipp, Daphne (2008): The Laws of Attraction: Erfolgsfaktoren in internationalen Hochschulkooperationen. In: Die Hochschule : Journal für Wissenschaft und Bildung 1, S. 4–22.

Heinze, Thomas; Kuhlmann, Stefan (2008): Across institutional boundaries? In: Research Policy 37 (5), S. 888–899.

Jones, Elspeth; Leask, Betty; Brandenburg, Uwe; Wit, Hans de (2021): Global Social Responsibility and the Internationalisation of Higher Education for Society. In: Journal of Studies in International Education 25 (4), S. 330–347.

Kuckartz, Udo (2020): Typenbildung. In: Handbuch qualitative Forschung in der Psychologie: Springer, S. 795–812.

Niedlich, Sebastian; Kummer, Benjamin; Bauer, Mara; Rieckmann, Marco; Bormann, Inka (2020): Cultures of sustainability governance in higher education institutions: A multi‐case study of dimensions and implications. In: Higher Educ Q 74 (4), S. 373–390.

Nickel, Sigrun, Thorsten Zdebel, and Don F. Westerheijden (2009): Joint Degrees im europäischen Hochschulraum.

Qrirou-Die Verstetigung internationaler Hochschulstudienprogramme – eine Governance-Analyse deutsch-arabischer.docx


Operationalising internationalisation as a process

Ann-Kristin Matthe

Maastricht University, Deutschland

Research question and relevance

In the context of globalisation, the Bologna Process aims at building an internationally competitive European Higher Education Area by moving towards greater convergence of higher education systems. Thereby, the Bologna Process sets the context for the internationalisation processes of universities across Europe. However, internationalisation remains a contested concept (Knight, 2021, p. 67), and the level of theory in higher education research, including on internationalisation, is still relatively low (Tight, 2020). This study conceptualises and operationalises internationalisation processes at universities based on a literature review to lay the foundation for a theoretically founded analysis of how internationalisation processes compare in the Netherlands and Germany. The operationalisation includes approaches on how to measure and compare internationalisation processes.

The present Dutch public debate expresses a growing critical sentiment on internationalisation and highlights that a shared understanding of the term has yet to be found. Contributing to the conceptualisation of internationalisation addresses this point and builds the basis for further operationalisation. The theoretical foundation of an institutional-level analysis of internationalisation processes sets it apart from widely used sociological institutionalist approaches (Cai & Mehari, 2015, p. 16/17) and from (commissioned) reports that often only describe the respective status quo. Moreover, the operationalisation of internationalisation processes at the institutional level for a comparative study differentiates it from the mainly national-level research and institutional-level single case studies.

Methodological approach

Pettigrew’s framework for organisational change, as used by van den Hende, Whitsed, and Coelen (2022), conceptualises internationalisation as a change process covering “the content of change and its context and process” (Pettigrew, 1987, p. 650). This framework builds the point of departure, and each of the three elements – content, context and process – will be operationalised based on a literature review. The following approaches will be explored: employing the concept of isomorphism for the content, rationales behind internationalisation for the context, and Knight’s internationalisation cycle combined with the concepts of institutional entrepreneurs and path dependency for the process. The operationalisation of internationalisation, which is proposed here, is part of a larger PhD project, in which data collection and analysis will follow at a later stage.

Expected results

This proposal is based on ongoing research, and findings will be presented at the conference. Initial insights on conceptualisations show different dimensions in defining internationalisation and point to a development towards more coordinated and systematic views. Preliminary findings on the operationalisation of internationalisation include a historical institutionalist perspective as the foundation, which fits the process-oriented view of internationalisation, and Pettigrew’s framework of organisational change as a theoretical approach.

Cai, Y., & Mehari, Y. (2015). The use of institutional theory in higher education research. In J. Huisman & M. Tight (Eds.), Theory and method in higher education research (Vol. 1, pp. 1-25). Emerald Group Publishing Limited. https://doi.org/10.1108/S2056-375220150000001001

Knight, J. (2021). Higher Education Internationalization: Concepts, Rationals and Frameworks. Revista REDALINT, 1(1), 23. http://revele.uncoma.edu.ar/htdoc/revele/index.php/redalint/issue/view/272

Pettigrew, A. M. (1987). Context and action in the transformation of the firm. Journal of Management Studies, 24(6), 649-670. https://doi.org/https://doi.org/10.1111/j.1467-6486.1987.tb00467.x

Tight, M. (2020). Higher education: Discipline or field of study? Tertiary Education and Management, 26(4), 415-428. https://doi.org/10.1007/s11233-020-09060-2

van den Hende, F., Whitsed, C., & Coelen, R. J. (2022). An Organizational Change Perspective for the Curriculum Internationalization Process: Bridging the Gap Between Strategy and Implementation. Journal of Studies in International Education. https://doi.org/10.1177/10283153221105321

Matthe-Operationalising internationalisation as a process-147.pdf
 
15:00 - 15:30Kaffeepause (inkl. Posterpräsentation)
Ort: Foyer
15:30 - 17:00Bedingungen wissenschaftlichen Arbeitens
Ort: SL0202
Chair der Sitzung: Prof. Dr. Lothar Zechlin, Universität Duisburg-Essen

Track 1: Gestaltungsfragen der Hochschulpraxis

 

Welche Faktoren beeinflussen die berufliche Zufriedenheit von Mitarbeiter*innen am Lehrstuhl?

Ronja Vorberg, Prof. Dr. Uwe Wilkesmann

Technische Universität Dortmund, Deutschland

Der Vortrag geht der Frage nach, wie sich die Arbeitsbedingungen von wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen auf die Zusammenarbeit am Lehrstuhl auswirken. Die Forschungsfrage lautet:

Welche Faktoren beeinflussen am Lehrstuhl die Zufriedenheit mit der beruflichen Situation?

Die Ergebnisse zeigen, wie Professor*innen die Arbeit an ihrem Lehrstuhl gestalten können, um eine erfolgreiche Zusammenarbeit trotz prekärer Arbeitsbedingungen für die wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen gewährleisten zu können. Die Datengrundlage bildet eine Befragung, die von März bis Mai 2022 durchgeführt wurde, ein Gesamt-Sample von 1928 Befragten (1695 Mitarbeiter*innen sowie 233 Professor*innen aus den Disziplinen BWL, Maschinenbau, Biologie und Soziologie) umfasst sowie eine Rücklaufquote von 9,8 Prozent erzielt hat.

Zur theoretischen Untermauerung wurde unter anderem auf das Konzept von Arbeitszufriedenheit (Kauffeld & Schermuly, 2019; Hackman & Oldham, 1976; Locke, 1969; Ferreira, 2019) sowie auf den Begriff des Konflikts (Glasl, 2013; Hilmer, 2021) zurückgegriffen. Beachtung findet zudem das Full Range Leadership Model (Bass & Avolio, 1993; Bass & Riggio, 2006).

Insgesamt wurden sieben Hypothesen regressionsanalytisch getestet.

H1: Je länger die Vertragslaufzeit, desto höher die Zufriedenheit mit der beruflichen Situation

H2: Je niedriger der Publikationsdruck, desto höher die Zufriedenheit mit der beruflichen Situation

H3: Je höher die Anzahl der veröffentlichten Journalartikel, desto höher die Zufriedenheit mit der beruflichen Situation

H4: Je höher die Wahrscheinlichkeit für Konfliktgründe am Lehrstuhl, desto geringer ist die Arbeitszufriedenheit

H5: Autorschaftskonflikte am Lehrstuhl reduzieren die Arbeitszufriedenheit

H6: Je mehr der Führungsstil des/der Lehrstuhlinhaber*in als transaktional wahrgenommen wird, desto höher ist die berufliche Zufriedenheit

H7: Je mehr der Führungsstil des/der Lehrstuhlinhaber*in als transformational wahrgenommen wird, desto höher ist die berufliche Zufriedenheit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine lange Vertragslaufzeit, ein niedriger Publikationsdruck und eine niedrige Anzahl an Autorschaftskonflikten positive Effekte auf die Arbeitszufriedenheit haben. Dies gilt ebenso für die Wahrnehmung einer transaktionalen Führung sowie für die Dimensionen Visionen aufzeigen, geistige Anregung und Vorbild sein der transformationalen Führung. Ein negativer Einfluss auf die Zufriedenheit mit der beruflichen Situation zeigt sich für eine hohe Leistungserwartung seitens der Lehrstuhlinhabenden an das wissenschaftliche Personal sowie das Alter der wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen.

Literatur

Bass, Bernard M. & Avolio, Bruce J. (1993). Transformational leadership and organizational culture. Public Administration Quarterly, 17, 112-121.

Bass, Bernard M. & Riggio, Ronald E. (2006). Transformational leadership (2. Aufl.). New York & London: Psychology Press.

Ferreira (2019). Arbeitszufriedenheit. Grundlagen, Anwendungsfelder, Relevanz. Stuttgart: Kohlhammer Verlag.

Glasl, Friedrich (2013). Konfliktmanagement. Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater. Stuttgart: Haupt Verlag/Verlag Freies Geistesleben.

Hackman, J. Richard & Oldham, Greg R. (1976). Motivation through the Design of Work: Test of a Theory. Organizational Behavior and Human Performance, 16, 250-279.

Hilmer, Hendrik (2021). Konflikte in Projekten. Erklärungsmodelle, Methoden und Lösungen für eine bessere Konfliktkompetenz. Berlin: Springer Gabler.

Kauffeld, Simone & Schermuly, Carsten C. (2019). Arbeitszufriedenheit und Arbeitsmotivation. In S. Kauffeld (Hrsg.), Arbeits-, Organisations- und Personalpsychologie für Bachelor (S. 237-260). Berlin: Springer.

Locke, Edwin A. (1969). What is job satisfaction? Organizational Behavior and Human Performance, 4, 309-336.

Vorberg-Welche Faktoren beeinflussen die berufliche Zufriedenheit von Mitarbeiterinnen am Lehrstuhl-104.pdf


Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen innerhalb und außerhalb der Wissenschaft: Ergebnisse mit DZHW-Absolvent*innendaten

Ulrike Schwabe, Thorsten Euler

Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW), Deutschland

In der aktuellen, medialen – und teilweise sehr emotionalen – Diskussion um „#ichbinhanna“ ist eine breite Debatte um die (prekären) Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen in der Wissenschaft in Deutschland (neu) entfacht. Ausganspunkt ist die Anpassung des Wissenschaftsvertragszeitgesetz (WissZeitVG) in der aktuell gültigen Fassung aus dem Jahr 2016. Demnach sind jeweils sechs Jahre vor und nach der Promotion als Phase(n) der (Weiter-)qualifizierung möglich. Begründet wird diese Regelung u.a. mit der Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Wissenschaftssystems. Aus unserer Sicht greift die Diskussion jedoch an einigen Stellen zu kurz, da sie primär aus der Innenperspektive des Wissenschaftssystems, aus einer Individualperspektive und sehr stark hinsichtlich der Befristung von Arbeitsverhältnissen geführt wird..

Ein empirischer Blick auf die Beschäftigungsbedingungen aller Hochschulabsolvent*innen und damit der dezidierte Vergleich mit einer Beschäftigung außerhalb der Wissenschaftssystems sowie eine Ausweitung auf weitere Ertragsdimensionen scheint bisher weitgehend ausgeblieben. Die zentrale Forschungsfrage dieses Beitrags lautet daher, inwiefern sich die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen bzw. monetären und nicht-monetären Erträge von Hochschulabsolvent*innen innerhalb und außerhalb des Wissenschaftssystems unterscheiden.

Zur Beantwortung dieser Frage präsentieren wir empirische Ergebnisse mit aktuellen Daten der DZHW Absolvent*innenstudien der Prüfungsjahrgänge 2009, 2013 und 2017. Alle drei Befragungen fanden zu einem ähnlichen Zeitpunkt (Ende 2018 und Anfang 2019) statt. Zudem sind die Rahmenbedingungen für alle drei Prüfungsjahrgänge vergleichbar: Alle Studienabschlüsse erfolgten nach Inkrafttreten des WissZeitVG und die Arbeitsmarktbedingungen waren durchgängig günstig. Je nach Absolvent*innenkohorte befanden sich die Befragten jedoch in verschiedenen Stadien ihrer beruflichen Laufbahn – vom Berufstieg bis zur etablierten Beschäftigung – und der zeitlichen Qualifizierunggrenzen gemäß WissZeitVG.

Der Forschungsfrage folgend unterscheiden wir Befragte innerhalb und außerhalb des Wissenschaftssystems, wenngleich diese dichotome Betrachtung die Realität sicherlich etwas zu stark vereinfacht. Innerhalb bedeutet in diesem Fall, dass die Befragten an einer Hochschule oder (außeruniversitären) Forschungseinrichtung hauptberuflich beschäftigt, außerhalb dass sie in einem anderen Wirtschaftszweig tätig waren. Um zusätzlich Prozesse der (Selbst-)Selektion in die beiden Arbeitsmarktsegmente zu berücksichtigen, stellen wir den „naiven“ Regressionsschätzern die Ergebnisse mit Entropy Balancing gegenüber. Dieses Verfahren begegnet dem Problem unbeobachteter Heterogenität in Beobachtungsdaten mittels Anpassung der Verteilungen zwischen beiden Gruppen, da die Wahrscheinlichkeit innerhalb der Wissenschaft zu arbeiten nicht für alle Befragten gleichverteilt ist und entsprechend ein möglicher Selektionsbias vorliegt. Um die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen nicht nur auf die Befristung zu beschränken, betrachten wir zusätzlich das Einkommen (in Form logarithmierter Brutto-Stundenlöhne), die Adäquanz der Beschäftigung, die allgemeine berufliche Zufriedenheit und den selbsteingeschätzten allgemeinen Gesundheitszustand.

Die Ergebnisse zeigen zunächst erwartungsgemäß, dass Befragte innerhalb der Wissenschaft signifikant häufiger befristet beschäftigt sind. Während sich die Löhne zwischen Befragten innerhalb und außerhalb der Wissenschaft in einer frühen Phase der Erwerbskarriere nicht signifikant unterscheiden, haben Wissenschaftler*innen zehn Jahre nach dem Studienabschluss einen signifikant geringeren Bruttostundenlohn. Alle Befragten innerhalb der Wissenschaft haben einen signifikant höheren Anteil voll- oder vertikal adäquater Beschäftigung, allerdings schwindet dieser Vorteil über die Zeit etwas. Sind die befragten Wissenschaftler*innen zu Beginn ihrer Karriere noch signifikant zufriedener, dreht sich dies für die Befragung fünf Jahre nach Studienabschluss. Dort geben sie signifikant seltener an, in hohem Maße oder sehr zufrieden zu sein. Befragte Wissenschaftler*innen fünf Jahre nach dem Studienabschluss geben signifikant seltener an, dass ihr Gesundheitszustand sehr gut sei. Nach zehn Jahren ist kein bedeutsamer Unterschied feststellbar.

Zusammengenommen liefern wir damit aktuelle, empirische Befunde zur jüngsten Debatte um die Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft – und darüber auch zur Frage der Attraktivität des deutschen Wissenschaftssystems im Wettbewerb um talentierte Forscher*innen.

Schwabe-Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen innerhalb und außerhalb der Wissenschaft-178.pdf


Wandel und Gestaltung hochschulischer Informationsinfrastruktur: Eine qualitative Studie zur Zusammenarbeit von Rechenzentrum, Bibliothek, Medienzentrum bzw. E-Learning-Support-Einheit an baden-württembergischen HAWs

Ursula Müller

Hochschule für Technik Stuttgart, Deutschland

Im Zuge der Digitalisierung und der Corona-Pandemie haben sich sowohl Auftrag, Technologie, Organisation und Personalsituation bzw. -anforderungen im Bereich des (1) Rechenzentrums, der (2) Bibliothek und des (3) Medienzentrums bzw. E-Learning-Support-Einheit seit Mitte der 2000er Jahre stark gewandelt (Banscherus et al., 2017; Gilch et al., 2019; Moog, 2005).

Ausgangspunkt für die Analyse bildet eine Gesetzesnorm (§28 des LHG von 2005), gemäß dieser sich die baden-württembergischen HAWs möglichst an hochschulübergreifenden, gemeinsamen Einrichtungen und Verbünden beteiligen sollten bzw. fusionierte Organisationsstrukturen in Form eines integrierten Informationszentrums entstehen sollten. Hier soll untersucht werden inwieweit sich die Zusammenarbeit von Informationsinfrastruktureinheiten an baden-württembergischen HAWs, insbesondere vor dem Hintergrund der Digitalisierung und der Corona-Krise seit 2005 verändert hat.

Heuristischer Rahmen der Arbeit ist der (organisationale) Neo-Institutionalismus. Das Konzept des organisationalen Feldes (DiMaggio & Powell, 1983) ermöglicht einen Vergleich dessen, wie sich die hochschulübergreifende Zusammenarbeit (z. B. zwischen den Rechenzentren sämtlicher baden-württembergischer HAWs) gewandelt hat bzw. wie die drei separaten Unterfelder miteinander bereichsübergreifend in Austausch stehen. Darüber hinaus wird die innerhochschulische Zusammenarbeit (Kezar, 2014) der drei Informationsinfrastruktureinheiten betrachtet (Oliver, 1991).

Es handelt sich um eine qualitative, explorative Studie mit vergleichendem Fallstudienansatz. Dabei werden drei baden-württembergische Fallhochschulen einer detaillierten Betrachtung unterzogen sowie deren institutionelle Umwelt bzw. deren Einbettung bzw. „nestedness“ in baden-württembergweite (Unter-)Felder. Es wurden insgesamt 24 qualitative Interview geführt und eine Reihe von Dokumenten ausgewertet. Für die Datenauswertung wurde die inhaltlich-strukturierende qualitative Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2018) gewählt.

Ziel der Forschungsarbeit ist es, die drei Informationsinfrastrukturbereiche erstmals dezidiert (in der Gesamtschau) in den Blick zu nehmen und zu einer besseren Koordination untereinander beizutragen. Somit möchte diese Forschungsarbeit eine optimale Unterstützung von Forschung, Lehre und Verwaltung ermöglichen und konkrete Lösungen für die Gestaltung der Hochschulpraxis erarbeiten.

Zentraler Befund der Arbeit ist, dass die hochschulübergreifende Zusammenarbeit in den drei Unterfeldern jeweils unterschiedlich (stark) ausgeprägt ist. Weiteres empirisches Ergebnis ist, dass die hochschulinterne Zusammenarbeit von Informationsinfrastruktureinheiten hinter den Erwartungen zurückblieb und kein durchgehend hohen Grad der Integration erreicht wurde.

Zuletzt werden konkrete Handlungsempfehlungen formuliert für Ministerien und Wissenschaftsadministration sowie für Hochschul- und Abteilungsleitungen. In diesem Sinne ist diese Forschungsarbeit anschlussfähig an die Hochschulentwicklung.

Banscherus, U., Baumgärtner, A., Böhm, U., Golubchykova, O., Schmitt, S., & Wolter, A. (2017). Wandel der Arbeit in wissenschaftsunterstützenden Bereichen an Hochschulen: Hochschulreformen und Verwaltungsmodernisierung aus Sicht der Beschäftigten (Nummer 362). Studie der Hans-Böckler-Stiftung.

DiMaggio, P. J., & Powell, W. W. (1983). The Iron Cage Revisited: Institutional Isomorphism and Collective Rationality in Organizational Fields. American Sociological Review, 48(2), 147–160. JSTOR. https://doi.org/10.2307/2095101

Gilch, H., Beise, A. S., Krempkow, R., Müller, M., Stratmann, F., & Wannemacher, K. (2019). Digitalisierung der Hochschulen: Ergebnisse einer Schwerpunktstudie für die Expertenkommission Forschung und Innovation (Studien zum deutschen Innovationssystem Nr. 14–2019). Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI). http://hdl.handle.net/10419/194284

Kezar, A. (2014). How colleges change: Understanding, leading, and enacting change. Routledge.

Kuckartz, U. (2018). Qualitative Inhaltsanalyse: Methoden, Praxis, Computerunterstützung. Weinheim Basel: Beltz Juventa.

Moog, H. (2005). IT-Dienste an Universitäten und Fachhochschulen (Bericht der HIS-GmbH Nr. 178). HIS GmbH.

Oliver, C. (1991). Strategic Responses to Institutional Processes. The Academy of Management Review, 16(1), 145–179.

Müller-Wandel und Gestaltung hochschulischer Informationsinfrastruktur-115.docx
 
15:30 - 17:00Studienabbruch und Präventionsmaßnahmen
Ort: SL0214
Chair der Sitzung: Caroline Friedhoff, CHE Centrum für Hochschulentwicklung

Track 2: Gestaltungsfragen der Hochschulpolitik

 

Studienabbrüche an Universitäten und Fachhochschulen: (Selbst-)Selektion oder institutionelle Unterschiede?

Dr. Christina Haas

Leibniz-Institut für Bildungsverläufe, Deutschland

Hohe Studienabbruchsquoten sind in der Hochschulforschung nach wie vor ein Thema von großer Relevanz. Deskriptive Befunde zeigen jedoch immer wieder, dass Studierende an Fachhochschulen (hier eingeschlossen: Hochschulen, Hochschulen für angewandte Wissenschaften) ihr Studium seltener abbrechen als Studierende an Universitäten (Heublein, Richter und Schmelzer, 2020). Während sich ein Großteil der empirischen Studien im Bereich der Studienabbruchsforschung auf individuelle Erklärungsfaktoren wie Studienleistungen, Motivation, akademische und soziale Integration und Interessenslagen konzentriert, ist bisher wenig über Studienabbruchsdeterminanten bekannt, die auf der Meso- oder Makroebene angesiedelt sind. Diese wenigen Studien betonen vor allem systematische Unterschiede im Studienangebot der Hochschulen und andere institutionelle Merkmale (Sarcletti und Müller, 2011; Georg, 2009).

Die Studienbedingungen und -strukturen an den Universitäten und Fachhochschulen haben sich allerdings in den letzten zwei Jahrzehnten verändert; insbesondere durch die Bologna-Reformen haben sich die beiden Hochschultypen aneinander angenähert. Gleichzeitig sind die Fachhochschulen nach wie vor die bevorzugten Studienorte von weniger traditionellen Studierendengruppen, während die Universitäten mit ihrer stärkeren akademischen Ausrichtung, dem Promotionsrecht und dem umfangreicheren Studienangebot – insbesondere auch von prestigereichen Fächern wie Jura oder Medizin – nach wie vor die erste Präferenz für Studierende aus privilegierteren Familien darstellen (Müller und Schneider, 2013).

Zusammengenommen ergibt sich folgende Fragestellung, die im Rahmen des Vortrags dargestellt werden soll: Inwieweit sind die oben genannten Unterschiede in der Studienabbruchshäufigkeit zwischen Fachhochschulen und Universitäten auf strukturelle Unterschiede, z.B. bzgl. der Studienbedingungen, oder auf (Selbst-)Selektionsmechanismen und daraus resultierenden Unterschieden in der Zusammensetzung der Studierendenschaft zurückzuführen?

Zur Beantwortung der Frage werden die Daten der Studierendenkohorte des Nationalen Bildungspanels (NEPS SC5, Blossfeld und Roßbach, 2019) verwendet. Hierbei handelt es sich um eine Stichprobe von Studierenden, die im Wintersemester 2010/2011 ihr Studium an einer deutschen Hochschule aufgenommen haben und seitdem regelmäßig zu ihrem weiteren Studienverlauf befragt wurden.

Die Analysestrategie umfasst lineare Wahrscheinlichkeitsmodelle, in denen eine Reihe von individuellen Studierendenmerkmalen berücksichtigt wurden (vor-hochschulische Biographie, Abiturnotendurchschnitt, Interessen, soziale Herkunft, Geschlecht, Alter, Migrationshintergrund, Studienfach), ergänzt um eine Stichprobengewichtung. Diese soll Abbruchswahrscheinlichkeiten an Universitäten und Fachhochschulen simulieren, falls die Studierendenpopulationen in ihren Verteilungen an beiden Hochschultypen identisch wären.

Im Rahmen dieses Vortrags werden erste vorläufige Ergebnisse der Studie vorgestellt, die – wie erwartet – die höhere Studienabbruchswahrscheinlichkeit unter Universitätsstudierenden im Vergleich zu den Fachhochschulstudierenden bestätigen und gegen (Selbst-)Selektion als wesentlichen Erklärungsmechanismus für die höheren Abbruchsquoten an Universitäten sprechen.

Referenzen

Blossfeld, H.-P. and Roßbach, H.-G. (Eds.) (2019). Education as a Lifelong Process. The German National Educational Panel Study (NEPS). Wiesbaden: Springer.

Georg, W. (2009). Individual and institutional factors in the tendency to drop out of higher education: a multilevel analysis using data from the Konstanz Student Survey. Studies in Higher Education, 34, 647–661.

Heublein, U., Richter, J. and Schmelzer, R. (2020). Die Entwicklung der Studienabbruchquoten in Deutschland. Hannover.

Müller, S. and Schneider, T. (2013). Educational pathways and dropout from higher education in Germany. Longitudinal and Life Course Studies, 4, 218–241.

Sarcletti, A. and Müller, S. (2011). Zum Stand der Studienabbruchforschung. Theoretische Perspektiven, zentrale Ergebnisse und methodische Anforderungen an künftige Studien. Zeitschrift für Bildungsforschung, 1, 235–248.

Haas-Studienabbrüche an Universitäten und Fachhochschulen-121.docx


Hochschulentwicklung durch maßgeschneiderte Präventionsangebote für Studierende zur Reduktion von Studienabbrüchen

David Wick, Prof. Dr. Birgitt Erdwien, Lara Heinemann, Dr. Tobias Filusch

Europäische Fernhochschule Hamburg, Deutschland

Studienabbrüche lassen sich auf eine Vielzahl möglicher Gründe zurückführen und werden im wissenschaftlichen Diskurs als ein multikausaler Prozess verstanden (vgl. Neugebauer et. al, 2019, S. 1042). Es gibt diverse Studien über die zugrunde liegenden Ursachen, die allerdings zumeist auf Daten traditioneller Hochschulen basieren (vgl. u. a. Heublein 2017). Das vom BMBF geförderte Forschungsprojekt „Studienerfolge und -abbrüche im Fernstudium” (SaFe) im Verbund der APOLLON Hochschule der Gesundheitswirtschaft und der Europäischen Fernhochschule Hamburg (Euro-FH) zielt daher darauf ab, die Gründe für Studienabbrüche an (privaten) Fernhochschulen zu erforschen und Abbruchtypologien zu entwickeln. Damit wird die in der Hochschulforschung bestehende Forschungslücke geschlossen. Die Abbruchtypologien werden anschließend genutzt, um Studierenden mittels eines Online-Self-Assessments passgenaue Empfehlungen für Unterstützungsangebote unterbreiten zu können. Dies soll zu einer Reduktion der Abbruchswahrscheinlichkeit führen und so zu einer zielgerichteten und studierendenorientierten Hochschulentwicklung beitragen.

Fernhochschulen erscheinen aufgrund ihrer zeitlichen und lokalen Flexibilität besonders interessant für Menschen, die wegen ihrer Berufstätigkeit oder familiärer Verpflichtungen nicht die Kapazitäten haben, um ein traditionelles Präsenzstudium zu absolvieren und Fernstudierende weisen daher vermutlich eine besondere soziodemographische Zusammensetzung auf. In der wissenschaftlichen Literatur wird davon ausgegangen, dass es sich um eine heterogene Gruppe von Personen handelt, die das Studium unter verschiedenen Voraussetzungen aufnehmen (vgl. Czanderle, 2017, S. 41f.). Die Vielschichtigkeit der Studierendenschaft in Kombination mit den spezifischen Strukturen des Fernstudiums dürfte darin resultieren, dass sich die Gründe für einen Studienabbruch von denen an traditionellen Hochschulen unterscheiden.

Das SaFe-Projekt untersucht diese Abbruchsgründe mit dem Ziel, unterschiedliche Typen von Studienabbrecher:innen zu identifizieren und für diese maßgeschneiderte Abbruchspräventionsangebote zu schaffen. Einer Typenbildung nach Art und Ausprägung der Abbruchneigung von Fernstudierenden nähert sich das Projekt auf zweierlei Weise: Zum einen mittels einer Interviewstudie, in der Interviews mit verschiedenen Studierendengruppen (Kohortenbesten, Alumni, Abbrecher:innen) einer typisierenden qualitativen Inhaltsanalyse (vgl. Kuckartz & Rädiker, 2022) unterzogen werden und zum anderen durch eine Längsschnittstudie mit zwei Erhebungszeitpunkten, innerhalb derer aktive Fernstudierende der beteiligten Hochschulen zu ihren individuellen Lebens- und Lernbedingungen sowie Studienmotivation und -abbruchneigungen befragt werden. In diesem Zusammenhang werden neben einer Fragebogenerhebung auch implizite Verfahren eingesetzt. Das Vorliegen spezifischer Studienabbruchtypen wird mittels gruppierender Verfahren, insbesondere der Latent Class Analyse geprüft.

Parallel zur Typologisierung werden die bestehenden Unterstützungsangebote systematisch erfasst und anhand eines Beurteilungskataloges von Expert:innen hinsichtlich ihrer Nützlichkeit als Maßnahmen zur Studienabbruchprävention beurteilt. Die identifizierten Studierenden- und Abbruchtypologien werden anschließend mit den passenden Unterstützungsmaßnahmen verknüpft und in ein Online Self-Assessment-Instrument eingebettet. Durch das Ausfüllen des Online-Self-Assessments können den Studierenden zu jedem Zeitpunkt ihres Studiums maßgeschneidert Unterstützungsangebote empfohlen werden, die geeignet sind, frühzeitig einem potenziellen Abbruch entgegenzuwirken.

Auf der Tagung möchte das SaFe-Projektteam der Euro-FH in einem Vortrag einen Ausschnitt ihrer Arbeit präsentieren und die Ergebnisse der Typologisierung sowie der Online-Self-Assessment-Entwicklung vorstellen.

Literatur

Heublein, U. et al., (2017). Zwischen Studienerwartung und Studienwirklichkeit. Ursachen des Studienabbruchs, beruflicher Verbleib der Studienabbrecherinnen und Studienabbrecher und Entwicklung der Studienabbruchquote an deutschen Hochschulen. Hannover: Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW). 

Czanderle, B., (2017). Studierbarkeit. Wesen und Bedeutung für die Akteure im berufsbegleitenden Fernstudium. Hochschule und Weiterbildung, 2017(1), 39-44.

Kuckartz, U. & Rädiker, S., (2022). Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis,
Computerunterstützung (5. Aufl.). Weinheim Basel: Beltz Juventa.

Neugebauer, S., Heublein, U., Daniel, A., (2019). Studienabbruch in Deutschland: Ausmaß, Ursachen, Folgen, Präventionsmöglichkeiten. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 2019(22), 1025- 1046.

Wick-Hochschulentwicklung durch maßgeschneiderte Präventionsangebote für Studierende-173.pdf


Profile der MINT-Vorkursteilnahme und ihre Relevanz für die Zufriedenheit

Dr. Sarah Berndt, Anke Manukjan, Dr. Annika Felix

Otto-von-Guericke Universität Magdeburg, Deutschland

An vielen deutschen Hochschulen wurden seit den 70er Jahren in den MINT-Fächern Vorkurse etabliert (vgl. BIEHLER et al., 2014, S. 1). Studierende antizipieren mit MINT-Vorkursen, als freiwillige, additive und zeitlich begrenzte propädeutische Angebote vor Einstieg in ein MINT-Studium, nicht nur fachliche, sondern gleichfalls überfachliche Ziele (Berndt et al., 2017). Die bestehende Forschung zu MINT-Vorkursen (vgl. Berndt et al. 2021) lässt bisher jedoch die genauen Motivprofile der Teilnahme sowie ihren Einfluss auf die Zufriedenheit außer Acht. Diese Forschungslücke greift der vorliegende Beitrag auf, indem er folgenden Fragen nachgeht:

1) Welche latenten Klassen der Zielorientierung zeigen sich bei den Studierenden?

2) Welche soziodemographischen und persönlichkeitsbezogenen Merkmale sowie affektiven Aspekte und Merkmale der vorhochschulischen Bildung beeinflussen die Zugehörigkeit zu einer Klasse?

3) Welchen Einfluss nimmt die Typenzugehörigkeit unter Kontrolle von Drittvariablen auf die Zufriedenheit mit dem Vorkursbesuch und der allgemeinen Zufriedenheit mit dem Studium?

Eine latente Klassenanalyse anhand von Daten einer Erstsemesterbefragung im WiSe 2016/17 an fünf deutschen Universitäten (N 666) ergibt drei Typen von Studierenden: vielfältig Interessierte (Klasse 1), selektiv Interessierte (Klasse 2) und primär fachlich-organisatorisch Interessierte (Klasse 3). Die Typenzugehörigkeit steht dabei laut multinomialem Regressionsmodell in Zusammenhang mit persönlichkeitsbezogenen, vorhochschulischen und affektiven Merkmalen. Ungünstige Eingangsbedingungen (keine allgemeine Hochschulzugangsberechtigung, schlechtere Note der Hochschulzugangsberechtigung, geringere Selbstwirksamkeit) erhöhen bspw. die Chance zur Klasse 1 zu gehören. Ob die verschiedenen Klassen der Zielorientierung sich in Bezug auf ihre Zufriedenheit mit dem Vorkursbesuch und der allgemeinen Zufriedenheit mit dem Studium unterscheiden soll ebenfalls Inhalt des Beitrags sein und mittels multipler Regressionsmodelle berechnet werden. Neben der Vorstellung der Ergebnisse, soll die Bedeutung der Befunde für die Gestaltung der propädeutischen Angebote und der Studieneingangsphase diskutiert werden.

Literatur

Berndt, S., Felix, A. & Anacker, J. (2021). Die Wirkung von MINT-Vorkursen – ein systematischer Literaturreview. Zeitschrift für Hochschulentwicklung, 16 (1), S. 97–116. https://doi.org/10.3217/zfhe-16-01/06

Berndt, S., Felix, A. & Wendt, C. (2017). Übergänge meistern! Mathematische Unterstützungsangebote in der Studieneingangsphase im Kontext zunehmender studentischer Heterogenität. Eine empirische Wirkungsanalyse an der OVGU. QiW, 11, 98–106.

Biehler, R., Bruder, R., Hochmuth, R. & Koepf, W. (2014). Einleitung. In I. Bausch, R. Biehler, R. Bruder, P. R. Fischer, R. Hochmuth, W. Koepf, S. Schreiber & T. Wassong (Hrsg.), Mathematische Vor- und Brückenkurse. Konzepte, Probleme und Perspektiven (S. 1-6). Wiesbaden: Springer Fachmedien.

Berndt-Profile der MINT-Vorkursteilnahme und ihre Relevanz für die Zufriedenheit-160.pdf
 
15:30 - 17:00Gelingen von internem und externem Transfer
Ort: SL0008a/b
Chair der Sitzung: Dr. Isabel Roessler, CHE Centrum für Hochschulentwicklung

Track 3: Wissenstransfer und Wirkungen

 

Bedingungskonstellationen für die Nutzung von Evidenz an Hochschulen: Ergebnisse eines Scoping Reviews

Christoph Thiedig1, Dr. Antje Wegner1, Dr. Kerstin Janson2, Dr. René Krempkow2

1Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW); 2IU Internationale Hochschule

Die Frage, unter welchen Bedingungen und in welcher Weise empirische Ergebnisse und Daten aus Wissenschaft und Praxis in hochschulischen Entscheidungs- und Steuerungsprozessen herangezogen werden, ist für die Hochschulforschung in doppelter Hinsicht relevant: neben der Untersuchung von Faktoren und Mechanismen der (Nicht-)Nutzung von Evidenz als genuinem Forschungsgegenstand ist sie zugleich dazu angehalten, in ihrem Transferhandeln vermehrt auf eine bessere Wahrnehmung und Verwendung der von ihr generierten Evidenz in der Hochschulpraxis hinzuwirken (Ziegele & Vossensteyn 2017).

Während in Anwendungsfeldern wie der Bildungs- oder Evaluationsforschung ermöglichende und hemmende Faktoren der Evidenznutzung sowie entsprechenden Wirkmechanismen empirisch untersucht sowie in Form von Modellen und systematischen Reviews aufbereitet wurden (Johnson et al. 2009; Oliver et al. 2014; Isett & Hicks 2020; Rickinson et al. 2022), stellt eine solche Erfassung für den Hochschulbereich bislang eine Lücke dar.

Diesem Desiderat widmet sich das Projekt NuDHe. Der vorliegende Beitrag diskutiert auf der Basis eines Scoping Reviews (Munn et al. 2018), welche Faktoren Einfluss auf die Wahrnehmung und Nutzung von Evidenz in hochschulischen Entscheidungs- und Steuerungsprozessen nehmen. Wir untersuchen, welche Einflussfaktoren in der Literatur empirisch adressiert werden, wie belastbar die bestehende Evidenz ist und an welchen Stellen ggf. Forschungslücken bestehen. Darüber hinaus diskutieren wir exemplarische Wirkmechanismen, die im weiteren Verlauf des Forschungsprojektes anhand empirischer Fallstudien geprüft werden sollen.

Die Datengrundlage bildet ein Subsample der rund 100 empirischen Studien aus dem Zeitraum 2010 bis 2022, die in systematischen Abfragen der Literaturdatenbanken Scopus und ERIC sowie in einschlägigen deutschsprachigen Zeitschriften identifiziert wurden. Während der Review insgesamt alle verfügbaren Studien zur Evidenznutzung an Hochschulen, Forschungs­einrichtungen sowie der Hochschul- und Wissenschaftspolitik berücksichtigt, fokussieren die vorzustellenden Auswertungen im Beitrag auf Studien zur Evidenznutzung im Hochschulkontext. Die Volltexte der Studien werden auf der Grundlage eines theoretisch fundierten Kategoriensystems in MAXQDA codiert und anschließend in Form von Evidence (Gap) Maps ausgewertet.

Literatur

Isett, K. R., & Hicks, D. (2020). Pathways From Research Into Public Decision Making: Intermediaries as the Third Community. Perspectives on Public Management and Governance, 3(1), 45–58.

Johnson, K., Greenseid, L. O., Toal, S. A., King, J. A., Lawrenz, F., & Volkov, B. (2009). Research on Evaluation Use. A Review of the Empirical Literature From 1986 to 2005. American Journal of Evaluation, 30(3), 377–410.

Munn, Z., Peters, M. D. J., Stern, C., Tufanaru, C., McArthur, A., & Aromataris, E. (2018). Systematic review or scoping review? Guidance for authors when choosing between a systematic or scoping review approach. BMC Medical Research Methodology, 18(1), 143.

Oliver, K., Innvar, S., Lorenc, T., Woodman, J., & Thomas, J. (2014). A systematic review of barriers to and facilitators of the use of evidence by policymakers. BMC Health Services Research, 14(1), 2.

Rickinson, M., Cirkony, C., Walsh, L., Gleeson, J., Cutler, B., & Salisbury, M. (2022). A framework for understanding the quality of evidence use in education. Educational Research, 64(2), 133–158.

Ziegele, F., & Vossensteyn, H. (2017). Von der Hochschulforschung in die Managementpraxis. Leitlinien für eine ertragreiche Kooperation zwischen Hochschulforschung und Hochschulmanagement. Wissenschaftsmanagement, (3), 16–17.

Thiedig-Bedingungskonstellationen für die Nutzung von Evidenz an Hochschulen-152.docx


Wie kann Transfer in Hochschule, Politik und Gesellschaft gelingen? Evaluation am Beispiel eines Projekts der Hochschulforschung

Dr. Kerstin Janson, Ester Höhle

Iu Internationale Hochschule, Deutschland

Trotz der Systemimmanenz von Hochschulforschung unterbleibt häufig eine Wahrnehmung der Hochschulforschung für ein evidenzbasiertes Handeln in den Institutionen (vgl. auch Peus u.a. 2017: 33). Das 2022 beendete BMBF geförderte Projekt KaWuM (Karrieren und Qualifikationsanforderungen im Wissenschafts-management) hatte sich deshalb zum Ziel gesetzt, den Transfer mit einem eigenen Teilprojekt von Beginn an mitzudenken. Auf Basis der gefundenen Faktoren eines guten Transfers (Contrandiopoulos/Brousselle 2012; Janson 2014) wurde eine Transferstrategie entwickelt.

Während der Projektlaufzeit wurden unterschiedliche Zielgruppen auf vielfältige Weise angesprochen. Der Begriff des Wissenschaftsmanagement wurde durch einen Wikipedia Eintrag sowie ein Erklärvideo auf Youtube bekannter gemacht. Vier thematische Artikel in der DUZ Wissenschaft & Management richteten sich an die interessierten Praktiker*innen sowie 15 Vorträge und Diskussionsrunden im Rahmen von hochschul- oder netzwerkinternen Veranstaltungen. Praktiker und Experten waren auch die Zielgruppe von vier Transferworkshops, in denen thematisch orientierte Zwischenergebnisse mit den Teilnehmenden diskutiert und anschließend Handlungsempfehlungen in publiziert wurden. Schließlich kommunizierten die sechs Teammitglieder des Verbundprojekts in 16 Vorträgen und 11 wissenschaftlichen Artikeln gegenüber der Scientific Community (Stand Juli 22; https://kawum-online.de/publikationen/). Offen für alle Gruppen wurde 2-3mal wöchentlich interessante Ergebnisse und News getwittert.

Nach Abschluss des Projekts soll nun der Impact der gewählten Transferstrategie evaluiert werden. Ist es gelungen die Ergebnisse des Projekts in die Hochschulpraxis, -entwicklung und -politik zu tragen. Welche Implikationen kann man für zukünftige Projekte aus dieser Evaluation ziehen?

Basis der Evaluation ist eine Befragung der rund 250 am KaWuM Projekt Teilnehmer:innen im Rahmen von Interviews, Fokusgruppen und Fallstudien sowie der Transferworkshops. Diese Gruppe wurde gewählt, da durch die direkte Involvierung der Teilnehmenden eine höhere Verbundenheit mit dem Projekt zu erwarten ist als bei ausschließlich online Befragten oder projektferne Personen. Dies entspricht dem partizipativen Ansatz in Transfermodellen (Lequy/Albrecht 2018) als auch im Partizipationsmodell der Wissenschaftskommunikation (Koch 2012) sowie der Verwendungsforschung (Janson 2014).

Die Evaluationsergebnisse basieren auf einer geschlossenen Onlinebefragung. Neben Daten der institutionellen Einordnung, wurde nach der allgemeinen Kenntnis/Wahrnehmung von Projektergebnissen des KaWuM Projekt gefragt sowie den dafür genutzten Kanälen. Zentral war die Abfrage der verschiedenen Formen der Nutzung sowie die Frage nach den 1 bis 3 Ergebnissen, welchen den Befragten besonders in Erinnerung geblieben ist.

Literaturverzeichnis:

Contandriopolous, D./Brousselle, A. (2012): Evaluation models and evaluation use. In: Evaluation, Vol.18(1), S. 61-77.

Janson, Kerstin (2014): Absolventenstudien. Ihre Bedeutung für die Hochschulentwicklung. Eine empirische Betrachtung. Waxmann Verlag, Münster.

Koch, Martina (2012): Grundlagen zum Thema Wissenschaftskommunikation. Blog der Fachhochschule Nordwestschweiz. URL: http://blogs.fhnw.ch/wissenschaftsvermittlung/files/2012/12/Input-Wissenschaftskommunikation.pdf (abgerufen am 15.3.2021)

Larsen, Judith, K./Werner, Paul D. (1981): Measuring Utilization of Mental Health Program Consultation. In: Ciarlo, James A. (1981): Utilizing Evaluation: Concepts and Measurement Techniques. Sage Publications, Beverly Hills (USA), S. 77-96.

Lequy/Albrecht 2018: Qualität im Transfer. In: ZFHE; Bd. 13 Nr. 1 (2018): Evidenzorientierte Qualitätsentwicklung in der Hochschullehre: Chancen, Herausforderungen und Grenzen

Peus, C., Knipfer, K., & Schmid, E. (2017): Effektive Führung steht im Zentrum. In M. Lemmens, P. Horváth, & M. Seiter (Hrsg.), Wissenschaftsmanagement – Handbuch und Kommentar (S. 32–45). Bonn, Germany: Lemmens Medien GmbH.

Janson-Wie kann Transfer in Hochschule, Politik und Gesellschaft gelingen Evaluation am Beispiel eines.pdf
 
15:30 - 17:00Future Skills
Ort: SL0203
Chair der Sitzung: Saskia Ulrich, CHE Centrum für Hochschulentwicklung

Track 4: Herausforderungen der Studiengestaltung

 

Förderung von Future Skills in der Hochschullehre – Ergebnisse einer Professor*innen-Befragung und ihre Implikationen für die Hochschulentwicklung

Dr. Nina Horstmann

Centrum für Hochschulentwicklung, Deutschland

Digitalisierung, Künstliche Intelligenz sowie globale gesellschaftliche Herausforderungen haben enorme Auswirkungen auf die Arbeit der Zukunft. Anerkannte Berufsbilder und ihre Anforderungsprofile wandeln sich. Die Arbeitswelt zeichnet sich zunehmend durch eine wachsende Komplexität, sich immer schneller wandelnde Handlungskontexte und Unvorhersehbarkeit aus. Um hier erfolgreich zu sein, reicht Fachwissen allein nicht mehr aus. Zusätzlich werden digitale und nicht-digitale, transversale Kompetenzen, sog. „Future Skills“, benötigt. Future Skills können gefasst werden als Handlungskompetenzen für zukünftige Situationen, die aufgrund ihres schnellen Wandels immer wieder neue, komplexe Probleme hervorbringen und auf die eine (Aus-)Bildung wie bisher nicht mehr gut vorbereitet. Future Skills ermöglichen, in diesen Situationen „selbstorganisiert komplexe Probleme zu lösen und (erfolgreich) handlungsfähig zu sein“ (Ehlers, 2020, S. 57; Ehlers, 2022). Es liegt eine Vielzahl an nationalen und internationalen Future-Skills-Studien vor (für eine Übersicht, siehe Ehlers, 2022). Viele dieser Studien legen den Fokus auf Employability und stellen damit auch Anforderungen an die Hochschulbildung.

Ziel der vorliegenden Studie war es, einen Abgleich der von Arbeitgeber*innen geforderten Future Skills mit der aktuellen Hochschullehre für verschiedene Fächer vorzunehmen. In einer Online-Befragung im Rahmen des CHE Hochschulrankings wurden N = 3.523 Professor*innen der rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Fächer (inkl. W-Bindestrich-Fächer) sowie des Fachs Soziale Arbeit an Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften/Fachhochschulen befragt, inwieweit sie bestimmte Future Skills bereits in Lehrveranstaltungen innerhalb des Curriculums fördern. Das Set an 22 untersuchten Future Skills basierte auf dem von Stifterverband & McKinsey (Suessenbach, Winde, Klier & Kirchherr, 2021) entwickelten Future Skills-Framework ergänzt um weitere zentrale Future Skills aus der Literatur (Ehlers, 2022; Schleicher, 2013). Die Ergebnisse zeigen, dass einige Future Skills über die untersuchten Fächer hinweg von einem Großteil der befragten Professor*innen bereits „stark“ oder „sehr stark“ gefördert werden (z.B. Kritisches Denken, Problemlösekompetenz). Bei anderen Future Skills sind hingegen große Fächerunterschiede zu beobachten, das Ausmaß der Förderung ist hier also abhängig vom Fach (z.B. Kollaboration, Dialog- und Konfliktkompetenz). Nur sehr wenige der untersuchten Future Skills spielen über die betrachteten Fächer hinweg noch eine eher untergeordnete Rolle (z.B. Missionsorientierung, Digitale Ethik). Insgesamt werden Digitalkompetenzen im Vergleich zu den nicht-digitalen Kompetenzen noch weniger häufig gefördert.

Im Vortrag werden die wichtigsten Ergebnisse der Professor*innen-Befragung vorgestellt und ihre Implikationen für die Hochschulentwicklung diskutiert. Zudem wird eine Klassifikation von Maßnahmen zur Implementierung von Future Skills in die Hochschullehre vorgenommen. Abschließend wird aufgezeigt, welche Handlungsfelder und Herausforderungen sich für Hochschulen bei der Integration von Future Skills in die Curricula ergeben und welche Forschungsfragen die Hochschulforschung adressieren sollte.

Literatur

Ehlers, U.-D. (2020): Future Skills. Lernen der Zukunft - Hochschule der Zukunft. Wiesbaden: Springer VS.

Ehlers, U.-D. (2022). Future Skills im Vergleich. Zur Konstruktion eines allgemeinen Rahmenmodells für Zukunftskompetenzen der akademischen Bildung. Hg. v. Ulf-Daniel Ehlers, Karlsruhe.

Schleicher, A. (2013). 21st Century Skills. re:publica, Berlin.

Suessenbach, F., Winde, M., Klier, J. & Kirchherr, J. (2021). Future Skills 2021. 21 Kompetenzen für eine Welt im Wandel. In Kooperation mit McKinsey&Company. Hg. v. Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V. Essen.

Horstmann-Förderung von Future Skills in der Hochschullehre – Ergebnisse einer Professorinnen-Befragung-175.pdf


HEX - Higher Education eXplorer

Eike Schröder

Stifterverband, Deutschland

Vermittelte Lehrinhalte und Schlüsselqualifikation/Future Skills an Hochschulen sind immer wieder Themen im gesellschaftlichen Diskurs. Die Diskussion findet dabei zumeist auf Ebene der angebotenen Studiengänge statt. Die Ebene darunter – die konkreten Lehrveranstaltungen – wird aufgrund einer fehlenden allgemeinen Datenbasis lediglich mit aufwendigen Einzelauszählungen, Fallbeispielen und/oder anekdotischem Wissen betrachtet. Dabei zeigt sich gerade auf dieser Ebene die Freiheit von Lehre sowie die Verzahnung mit aktueller Forschung.

Der Stifterverband führt derzeit in einem Forschungsprojekt die verschiedenen Vorlesungsverzeichnisse, auch früherer Semester, möglichst vieler deutscher Hochschulen zu einer Kurs-Datenbank zusammen (Stand 20.03.2023, ~ 950.000 Kurs-Datensätze). In der Datenbank finden sich Informationen zu Kurstitel, -beschreibung, Semester, Lehrstuhl/Institut/Fakultät, Unterrichtssprache und vieles mehr. Entsprechend lässt sich anhand der neu zusammengestellten Daten, insbesondere mit Methoden des Text-Minings, analysieren, wie sich Hochschulstrukturen und -curricula entwickeln.

Um es greifbarer zu machen: Wir versuchen anhand von Analysen der Kurstitel und -beschreibungen auszumachen, welche Themen innerhalb der Kursvielfalt in den vergangenen Semestern an Bedeutung gewinnen, welche verlieren. Wann und in welchem Bereich tauchen neue Begriffe in den Kursbeschreibungen auf? Wir untersuchen wie es um das Verhältnis von Kursen in Deutsch/Englisch je Fachbereich steht, ob neue Lehrformate sich in den Vorlesungsverzeichnissen wiederfinden, wie gut die Kursbeschreibungen für die Studierenden sind, wo regionale Schwerpunkte in der Wissens- und Kompetenzvermittlung sind oder auch welche fachlich ähnlichen Fakultäten verschiedener Hochschulen sich in ihrem Lehrangebot thematisch tatsächlich ähneln, und welche großen Unterschiede aufweisen.

Zur Erkundung des Datensatz kreieren wir eine Applikation, mit welcher man die Datenbank einfach nach Wörtern und Wort-Taxonomien durchsuchen und filtern kann. Es werden mit der Applikation dann entsprechende Kurslisten und verschiedene aggregierte Auswertungen ausgeben.

Der entstehende Datensatz und das Analysetool bieten zahlreiche Anwendungsfälle und Verbindungsmöglichkeiten von Hochschulforschung und Hochschulpraxis. Unter anderem kann der Datensatz im Bereich der Evaluation von Förderprogrammen, die auf Curricula zielen, eingesetzt werden. Auch können Hochschulkooperationen im Bereich der Lehre von der Datenbasis profitieren. Lehrende finden schneller Zugang zu ähnlichen Kursen an anderen Hochschulen und können von dortigen Literaturhinweisen und/oder Themenbeschreibungen profiitieren. Die Recherche nach Kursen zu spezifischen Themengebieten wird massiv vereinfacht. Besonderen Wert entfaltet der Datensatz bei der Untersuchung spezifische Fragestellungen in den einzelnen Fachbereichen (z. B. "Gibt es in den Sozialwissenschaften einen Wechsel der gelehrten Statistiksoftware von SPSS/Stata zu Python/R?" oder "Findet an den Hochschulen in Städten mit großen Autoherstellern ein Wechsel von Lehre über den Verbrennungsmotor hin zu Lehre über Elektromotor und Batterien statt?"). Ganz allgemein schafft diese neue Datenbasis Transparenz darüber, was an den Hochschulen passiert – für politische Entscheidungsträgerinnen und-träger, Hochschulleitungen, Hochschulforschung, Lehrende, Studierende und die interessierte Öffentlichkeit.

In dem Vortrag möchten wir Einblicke zu Methodik, Applikation und ersten Analysen sowie Grenzen und Einschränkungen zu dieser neuen Datenbasis geben. Anschließend freuen wir uns mit Hochschulforschenden in den Austausch zu weiteren Möglichkeiten von Datenbank und Applikation sowie zur Steigerung der Datenvalidität zu kommen.

Schröder-HEX - Higher Education eXplorer-162.docx


Begleitforschung des Projekts Digitalisierung Lehrkräftebildung (Universität Rostock): Theoretische Grundlagen, methodisches Vorgehen, empirische Ergebnisse und Schlussfolgerungen

Torben Bjarne Wolff, Katrin Bartel, Prof. Dr. Alke Martens

Universität Rostock, Deutschland

Für die Hochschulforschung als auch -entwicklung ist die (universitäre) Lehrkräftebildung ein komplexes Geflecht aus Systemen, Interaktionen und Akteur:innen inner- wie außerhalb der Hochschule. Jedwede Veränderung an dem Konstrukt (universitäre) Lehrkräftebildung wirkt sich in vielen Bereichen aus. Konkret bezogen auf eine Hochschule lautet daher die Ausgangsthese: Die Umsetzung von strukturellen oder studienorganisatorischen Verbesserungen für die gesamte Organisation Hochschule gelingt dann, wenn von der kompliziertesten Struktur, der universitären Lehrkräftebildung, beginnend gedacht wird. Mit der Analyse dieses komplexen Geflechts inkl. dessen Beziehungen und Wechselwirkungen in andere Bereiche und über die Hochschule hinaus beschäftigt sich das Zentrum für Lehrkräftebildung und Bildungsforschung der Universität Rostock (ZLB UR). Hierzu beforscht das ZLB UR begleitend das Projekt Digitalisierung Lehrkräftebildung an Universität Rostock (DiLb UR), das sich bundesweit dadurch auszeichnet, dass alle Lehramtsfächer und -studiengänge, alle bildungswissenschaftlichen Disziplinen und die berufliche Bildung der Universität über je eigene Personalressourcen eingebunden sind (insgesamt 25 Stellen). Das Ziel dieses vom Bundesland finanzierten Sonderprogramms ist die Entwicklung von digitalen Lehr-, Lern- und Prüfungsformaten für die Lehrkräftebildung. Die Begleitforschung verfolgt dabei den Ansatz der systemtheoretischen Organisationsforschung, um besonders „die Entwicklung verdeckter, schwer kommunizierbarer Möglichkeiten der Organisation“ (Kühl und Muster 2016, S. 2) zu identifizieren und geht u. a. den folgenden Forschungsfragen nach:

  1. Welche Veränderungen werden durch das Digitalisierungsprojekt in Bezug auf Lehre, Forschung sowie Kommunikation, Kooperation und Struktur ausgelöst und wie bewerten die Mitglieder der universitären Lehrkräftebildung diese?
  2. Welche Voraussetzungen fördern Vernetzung und interdisziplinäres Arbeiten und wie wirkt beides auf die Erreichung der Projektziele zurück?

Dieser Beitrag präsentiert das Vorhaben der Begleitforschung mit Fokus auf das empirische Vorgehen und dessen Ergebnisse. Im ersten Schritt werden aus system- und organisationstheoretischer Perspektive die Konstrukte Universität, universitäre Lehrkräftebildung und das Projekt DiLb UR geklärt. Anschließend wird die methodenplurale Forschungsmethodik dieser explorativen Studie vorgestellt, dem der Ansatz der community-basierten partizipativen Forschung (CBPR) zugrunde liegt (Unger 2014). Hierzu werden auf die beiden Formen der Datengewinnung die quantitative Online-Befragung zu zwei Messzeitpunkten und die qualitativen Selbstberichte aus der Projektsteuerung eingegangen, Ergebnisse beider Erhebungsformen aus der bisher 1,5-jährigen Projektlaufzeit dargestellt und Verknüpfungen der unterschiedlichen Datensätze aufgezeigt. Diese Verknüpfungen werden in der Begleitforschung vertieft aufbereitet und sind ein Projektspezifikum, da dadurch gleichzeitig die zentralen Ergebnisse der Forschung sowie die Entwicklungsschritte im Projekt dargestellt werden. Weiterhin können ausgewählte Thesen mit Blick auf die oben genannten Forschungsfragen inkl. der empirischen Ergebnisse mit dem Plenum diskutiert werden. Abschließend werden aus den aktuellen Ergebnissen Schlussfolgerungen über die notwendige Strukturierung und Steuerung solcher Projekte gezogen, um Hochschulentwicklung zu ermöglichen.

Literaturverzeichnis

  • Kühl, Stefan; Muster, Judith (2016): Organisationen gestalten. Eine kurze organisationstheoretisch informierte Handreichung. Wiesbaden: Springer VS.
  • Unger, Hella von (2014): Partizipative Forschung. Einführung in die Forschungspraxis. Wiesbaden: Springer VS (Lehrbuch).
Wolff-Begleitforschung des Projekts Digitalisierung Lehrkräftebildung-128.pdf
 
15:30 - 17:00Internationale Aspekte wissenschaftlicher Karrieren
Ort: SL0206
Chair der Sitzung: Prof. Dr. Edith Braun, Universität Giessen

Track 5: Internationale Perspektiven

 

Verbleib nach der Promotion – Vor- oder Nachteil für internationale Promovierte?

Dr. Kolja Briedis

Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung, Deutschland

Das deutsche Wissenschaftssystem erfreut sich international großer Beliebtheit. Entsprechend zieht Deutschland viele Forscher*innen aus anderen Ländern an. Seit 2017 hat sich die Zahl der internationalen Mitarbeiter*innen an deutschen Hochschulen im Bereich des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals um 16 Prozent erhöht. Insgesamt stellen internationale Forscher*innen inzwischen gut 13 Prozent des gesamten Wissenschaftspersonals (DAAD/DZHW 2021). Im Jahre 2021 waren von den 192.270 Promovierenden in Deutschland 43.230 ausländische Personen. Damit liegt der Anteil mit rund 22 Prozent in dieser Gruppe noch einmal höher als beim wissenschaftlichen Personal insgesamt. Nachdem bekannt ist, dass sich die Situation internationaler Early Career Researchers in Deutschland in Teilen erkennbar von der deutscher Forscher*innen unterscheidet (Wegner 2016, Willge & Dölle 2021), liegt die Vermutung nahe, dass sich auch die anschließenden Karrierewege und Berufschancen unterscheiden. In den vergangenen Jahren hat sich zwar die Informationslage zum beruflichen Verbleib Promovierter im Allgemeinen erheblich verbessert (BuWiN 2021). Inzwischen gibt es zahlreiche Informationen über den Sektor, die Beschäftigungsmerkmale und auch über Faktoren, die den Verbleib im akademischen Sektor begünstigen (Briedis 2018. Goldan et al. 2022a, Goldan et al. 2022b, Jaksztat et al. 2017, König et al. 2021, Kunz & Briedis 2022), jedoch sind vergleichbare Befunde mit Blick auf die Diversität der Promovierenden bzw. Promovierten noch eher selten. Daher wird in diesem Beitrag auf Basis der Daten des DZHW-Promoviertenpanels 2014 analysiert, ob und welche Unterschiede zwischen internationalen und einheimischen Promovierten auftreten. Untersucht wird dabei einerseits die Beschäftigungssituation (Arbeitszeit, Befristung, Einkommen), andererseits auch die Zufriedenheit damit. Dabei wird auch in den Blick genommen, ob die gefundenen Unterschiede tatsächlich mit dem Merkmal „Internationalität“ zusammenhängen.

Literatur

Briedis, K. (2018). Karriere mit Promotion. Zur Situation Promovierter innerhalb und außerhalb der Wissenschaft. Forschung und Lehre 25(4), 306-307.

Deutscher Akademischer Austauschdienst, & Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (Hrsg.) (2021). Wissenschaft weltoffen 2021. Daten und Fakten zur Internationalität von Studium und Forschung in Deutschland und weltweit. Bielefeld: wbv Media.

Goldan, L., Jaksztat, S., & Gross, C. (2022a). Explaining employment sector choices of doctoral graduates in Germany. Research Evaluation, 2022, 1-13 (online first).

Goldan, L., Jaksztat, S., & Gross, C. (2022b). Laufbahnintentionen, Tätigkeitsbereiche und Berufserfolg von Promovierten. Beiträge zur Hochschulforschung(1), 30-51.

Jaksztat, S., Brandt, G., de Vogel, S., & Briedis, K. (2017). Gekommen, um zu bleiben? Die Promotion als Wegbereiter wissenschaftlicher Karrieren. WSI-Mitteilungen 70(5), 321-329.

König, J, Otto, A., Bünstorf, G., Briedis, K., Cordua, F., & Schirmer, H. (2021). Karriereentscheidungen und Karriereverläufe Promovierter – zur Multifunktionalität der Promotion. Studien im Rahmen des Bundesberichts Wissenschaftlicher Nachwuchs (BuWiN) 2021. Hannover: DZHW.

Kunz, C., & Briedis, K. (2022). Verbleib in der Wissenschaft von weiblichen Promovierenden – Eine Frage der Betreuung? Zeitschrift für Hochschulentwicklung, 17(2), 281-298.

Wegner, A. (2016). Internationale Nachwuchswissenschaftler in Deutschland. Motivation –Integration – Förderung. Ergebnisse einer bundesweiten Studie. Bielefeld: Bertelsmann.

Willige, J., & Dölle, F. (2021). Internationalität der Promotion in Deutschland. Eine Analyse auf Basis der „National Academics Panel Study“ (Nacaps), 1. Welle. Hannover: DZHW.

Briedis-Verbleib nach der Promotion – Vor- oder Nachteil für internationale Promovierte-105.pdf


Criteria for subsequent academic success among foreign PhD students in social sciences in Germany

Anastasiia Kabanova

Justus-Liebig-Universität Gießen, Deutschland

According to research on the academic success of scholars from various fields of study, the earlier a person starts publishing academic papers, the more likely it is that their academic career will take place (Laurance, 2013; Clemente, 2017). The present study is highlighting the criteria for subsequent success among international PhD students in social sciences in Germany. Current research of this kind focuses on predicting the academic success of STEM scientists (Kwiek, 2022; Olive, 2023), because the tools of this kind of research are more applicable to them. In contrast, there are few such studies in the social sciences, and they require additional approaches to study the phenomenon. Academic success in this study refers to an index that consists of several variables, including the Hirsch index and the number of articles with a high impact factor. The top 10 universities in Germany according to Times Higher Education World University Rankings (as of 2023) were selected for this purpose. Data on PhD theses were downloaded from various open sources, including university libraries and supplemented with data from Google Scholar and LinkedIn. This study tests the relationship between the year of first publication and academic success. Moreover, it looks at the quality of publications based on journal rankings. In an academic career, forming academic links is a very important part. There are studies that examine links with co-authors (Fronczak, 2022; Ferrara, 2020) and there are studies that focus on the relationship between the number of connections and job search (Vacchiano, 2022; Porter, 2022). In this study, academic connections will be identified based on academic internships and student exchange experiences at other universities and research centres. The study was conducted regression modelling with R. Results and Limitations will be discussed.

References

  1. Clemente, F. (1973). Early career determinants of research productivity. American Journal of Sociology, 79(2), 409–419.
  2. Ferrara, Z. (2020). Friends in close places: social ties in economic education research. The American Economist, 66(1), 128–136.
  3. Fronczak, A., Mrowinski, M.J. & Fronczak, P. (2022). Scientific success from the perspective of the strength of weak ties. Scientific Reports, 12, 5074.
  4. Kwiek, M., Roszka, W. (2022) Academic vs. biological age in research on academic careers: a large-scale study with implications for scientifically developing systems. Scientometrics, 127, 3543–3575.
  5. Laurance, W. F., Useche, D. C., Laurance, S. G., & Bradshaw, C. J. A. (2013). Predicting publication success for biologists. BioScience, 63(10), 817–823.
  6. Olive, R., Townsend, S., & Phillips, M. G. (2023). ‘Not everything that can be counted counts, and not everything that counts can be counted’: Searching for the value of metrics and altmetrics in sociology of sport journals. International Review for the Sociology of Sport, 58(3), 431–454.
  7. Porter, C., Hancock, J., Allen, D. & Snyder, G. (2022). The multiple roles of network ties in the employee job search process. Human Resource Management. Special issue, 1-19.
  8. Vacchiano, M. (2022). Nine mechanisms of job-searching and job-finding through contacts among young adults. Sociological Research Online, 27(2), 361–378.
Kabanova-Criteria for subsequent academic success among foreign PhD students-154.docx
 
17:00 - 19:00Mitgliederversammlung der GfHf
Ort: SL0008a/b
19:30 - 23:00Abendveranstaltung
Ort: Café-Restaurant am Rubbenbruchsee

Empfang und Grillbuffet

Verleihung des Ulrich-Teichler-Preises (Dissertationen) und des Nachwuchspreis der GfHf (Masterarbeiten)

Laudatio: Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Teichler

Datum: Dienstag, 12.09.2023
9:00 - 10:00Keynote
Ort: SL0008a/b
Chair der Sitzung: Gero Federkeil, CHE Centrum für Hochschulentwicklung

The Future of Research Assessment in Europe: Initiatives and Requirements for Higher Education Research

Dr. Stephane Berghmans | Director of Research and Innovation of the European University Association (EUA)

10:00 - 10:30Kaffeepause (inkl. Dialog mit den Autor*innen der ausgestellten Poster)
Ort: Foyer
 

Einführung der Tenure-Track-Professur in Deutschland - Ein multiperspektivischer Blick

Philippe Dittmann, Carolin Luksche, Julia Röwert, Ulrike Schwabe

Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW), Deutschland

An die Einführung von Tenure-Track-Professuren im Rahmen des Bund-Länder-Programms zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses (GWK, 2016) war unter anderem die Zielsetzung geknüpft, einen alternativen Karriereweg auf eine Lebenszeitprofessur zu etablieren. Eine solche Alternative zum traditionellen Modell der Habilitation soll akademische Karrieren planbarer gestalten und das deutsche Wissenschaftssystem international anschlussfähiger machen. Trotz einzelner (Begleit-)Forschungsprojekte und einem begonnen wissenschaftlichen Diskurs über den neuen Stellentypus, ist ein multiperspektivischer Blick bisher nicht vorhanden. Gerade deshalb möchten wir einen Beitrag dazu leisten, die bisherige Einbettung aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten und mit dieser Posterpräsentation unterschiedliche Forschungsperspektiven auf die Einführung der Tenure-Track-Professur in Deutschland vorstellen.

Auf der Basis zweier quantitativer Befragungsdatensätze werden die individuellen und strukturellen Determinanten wissenschaftlicher Karrieren in den Blick genommen: die Trendstudie „DZHW Wissenschaftsbefragung“ der beiden Jahre 2019 und 2023 sowie die jüngst etablierte Längsschnittstudie „DZHW Professor:innenbefragung“. Zentral ist dabei der Vergleich zwischen der bisher dominanten Habilitation und den alternativen Karrierepfaden, insbesondere der Tenure-Track-Professur. Karriereverläufe werden vor allem dahingehend beleuchtet, ob Wissenschaftler:innen in den karriererelevanten Positionen Vor- und Nachteile kumulieren. Darüber hinaus ist geplant die Befragungsdaten mit anderen Datenquellen beispielsweise bibliometrischen Daten oder Kontextdaten auf Ebene der Hochschulen und Bundesländer zu verknüpfen.

Ergänzend zur quantitativen Perspektive wurden ebenfalls zwei qualitative Ansätze entwickelt. Zum einen wird im Rahmen einer vergleichenden Fallanalyse analysiert, wie Universitäten als Organisationen mit dem neuen Governance-Instrument der Tenure-Track-Kriterien umgehen. Aus Sicht von Berufungskommissionsmitgliedern können Evaluationskriterien als Eingriff in die Freiheit von Forschung und Lehre und das soziale Hierarchiegefüge zwischen Professor:innen betrachtet werden (Weißenborn, 2023). Anhand leitfadengestützter Expert:inneninterviews werden die an der Verhandlung von Evaluationskriterien beteiligten Akteur:innen und ihre Interessen untersucht. Weiterhin blickt das Promotionsprojekt darauf, wie die satzungsförmigen Regelungen der Universitäten zu Tenure-Evaluationsverfahren das Handeln der Akteur:innen prägen und welche Rückwirkungen die neue Governance-Struktur auf die Organisation und individuelle Karrieren hat.

Zum anderen wurden mit einer deskriptiven Dokumentenanalyse der sechzehn Landeshochschulgesetze die bisherigen Gemeinsamkeiten und Unterschiede der rechtlichen Rahmenbedingungen für Tenure-Track-Verfahren herausgearbeitet, die einen Überblick über den Umgang mit den Anforderungen des angestrebten Kulturwandels auf (Bundes-)Länderebene ermöglicht. Die langfristige Finanzierung der zusätzlichen Professuren über den Förderzeitraum (nach 2032) hinaus muss durch die sechzehn Länder der BRD sichergestellt werden. In den FAQs wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass "[…] nicht die geförderten Universitäten, sondern die Länder [...] verpflichtet [sind], ihre Zusagen zur Erhöhung der Zahl der Tenure-Track-Professuren, der Gesamtzahl der Professuren und der Zahl der unbefristeten Professuren an den antragsberechtigten Universitäten einzuhalten" (BMBF 2018: 14). Damit scheinen finanzstarke Bundesländer per se in einer besseren Ausgangsposition zu sein. Um den angestrebten Kulturwandel auch in der Ausgestaltung der Personalstrukturen ihrer Hochschulen zu befördern, bleibt jedoch eine weitere politische Steuerungsmöglichkeit: die staatliche Regulierung, in diesem Fall die rechtliche Ausgestaltung ihrer Landeshochschulgesetze.

Mit diesen unterschiedlichen methodischen Herangehensweisen können verschiedene Blickwinkel auf Gestaltungsfragen der Hochschulpraxis und Hochschulpolitik am Beispiel der Einführung der Tenure-Track-Professur beleuchtet und entsprechend beantwortet werden. In der Summe ermöglicht ein solch multi-perspektivischer Blick, die bisherigen Auswirkungen abzubilden und Impulse für weitere Forschungsansätze aufzuzeigen. So gewonnene Befunde können an Akteur:innen aus Hochschulpolitik und Hochschulmanagement kommuniziert werden

Quellen:

Weißenborn, L. (2023). Neue Governanceanforderungen an Berufungen: Auf welche Widerstände trifft das Tenure-Track-Verfahren? Beiträge zur Hochschulforschung, Ausgabe 1/2023.

BMBF (2018): Bund-Länder-Programm zur Förderung des wiss.Nachwuchses. Fragen und Antworten für Antragsteller:innen (FAQ-A). Zweite Bewilligungsrunde (2019)

GWK (2016). Bekanntmachung der Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern gemäß Artikel 91b Absatz 1 des Grundgesetzes über ein Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses



Wie ein Peer-Learning-Konzept die Auseinandersetzung mit Gestaltungsfragen in der Lehrkräftebildung unterstützen kann

Angelina Feustel, Tahnee Herzig, Leonie Weber

Gießener Offensive Lehrerbildung/Zentrum für Lehrerbildung Gießen, Deutschland

Lehrkräftemangel und mögliche Maßnahmen, diesem entgegenzuwirken, werden derzeit sowohl in der Wissenschaftsgemeinschaft als auch in den Medien diskutiert (SWK, 2022). Lehrkräftebildung findet zentral an Universitäten statt und stellt mit knapp 9% Anteil von Lehramt-Studierenden von allen Immatrikulierten eine besonders große Gruppe von Studierenden dar (Statista, 2023). Obwohl die Verantwortung der Hochschulen offensichtlich ist, wird die Lehrkräftebildung als Teil der Hochschulforschung wenig beleuchtet. Dieser Beitrag stellt ein Format vor, das auf Erkenntnisse der Hochschulforschung zurückgreift, um ein Angebot für die interne Qualitätsentwicklung in der Lehrkräftebildung zu entwickeln und umzusetzen.

Hierbei ist die thematische Auseinandersetzung mit Gestaltungsfragen in der Hochschulpraxis von großer Bedeutung (SWK, 2022). In Hessen kommt die im Mai 2022 in Kraft getretene Novellierung des Hessischen Lehrkräftebildungsgesetzes (HLbG) hinzu, sodass der Veränderungsdruck auf die Lehramtsstudiengänge besonders groß ist.

Um Herausforderungen wie diesen begegnen zu können, fördert das BMBF seit 2016 unter anderem die Gießener Offensive Lehrerbildung (GOL) (JLU, 2019). Die durch die GOL angebotenen Foren verstehen sich als Raum für einen Peer-Learning-Ansatz, in dem sich jeweils hauptamtlich Lehrende der Bildungswissenschaften, Fachwissenschaften und Fachdidaktiken transparent und zugänglich für alle Beteiligten in regelmäßigen Treffen auf freiwilliger Basis zu selbst gewählten Themen austauschen (Strauß & Rohr, 2019).

Vor allem für die Implementation von Querschnittsthemen, die nun im HLBG festgeschrieben sind und Eingang in das Lehramtsstudium finden müssen, konnten die Lehrforen Raum für Absprachen und Zusammenarbeit schaffen. Mit diesem Poster wird vorgestellt, wie das Peer-Learning-Format diese Gestaltungsfragen in der Lehrkräftebildung unterstützen konnte. Unter anderem wurden im gesamten Lehramtsstudium Modulbeschreibungen hinsichtlich der Implementation der Querschnittsthemen überarbeitet. Die Maßnahme Lehrforen schuf Möglichkeiten für inhaltliche Absprachen, Raum für die Bildung neuer Arbeitsgruppen sowie die Unterstützung bei Informationsveranstaltungen.

Um den Ist-Stand an der eigenen Universität zu erfassen und die Umsetzung der Novellierung bestmöglich zu unterstützen, wurde eine Umfrage durchgeführt um herauszufinden, welche Querschnittsthemen bereits in welchen Modulen in die Lehre integriert sind und welche noch verstärkt in die Lehre aufgenommen werden müssen. Außerdem machte die Umfrage deutlich, wie sehr sich die überwiegende Mehrheit der teilnehmenden Professor*innen für die Umsetzung der HLbG-Novellierung und die damit verbundenen Veränderungen in der Lehrkräftebildung verantwortlich fühlt.

Dieser Beitrag stellt ein Format vor, dass eine fächerübergreifende Curriculumsentwicklung ermöglicht, und skizziert gleichzeitig mögliche Schwierigkeiten. Dabei handelt es sich um ein Fallbeispiel eines Peer-Learning Formats, was dem Hochschulmanagement dient. Ob diese Erkenntnisse auf andere Standorte übertragen werden können, muss weiterhin geprüft werden.

Literatur

JLU (2019): Über die GOL 2.0. Online verfügbar unter: https://www.uni-giessen.de/de/fbz/zentren/zfl/projekte/gol/gol/uebergol (zuletzt aufgerufen: 15.03.2023).

Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK) (2022): Empfehlungen zum Umgang mit dem akuten Lehrkräftemangel. Stellungnahme der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz.

Statista (2023): Anteil der Studierenden mit angestrebtem Abschluss Lehramt bis 2021/2022. Online verfügbar unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1366932/umfrage/studierende-lehramt/#:~:text=Rund%20neun%20Prozent%20aller%20Studierenden,bei%208%2C8%20Prozent%20gelegen. (zuletzt aufgerufen: 29.03.2023).

Strauß, S. & Rohr, D. (2019): Peer-Learning in der Lehrer*innenbildung. Journal für LehrerInnenbildung, 19(3). S. 106–116. DOI: 10.25656/01:18156



Universitäten und HAWs und FHs als ((un)gleiche?) Transferpartner des transdisziplinären Wissenstransfers

Aline Fuß

Universität Bremen Institut Arbeit und Wirtschaft, Deutschland

Bei der Poster-Präsentation wird das im Projekt WiTraDis[1] entwickelte Modell, welches die transdisziplinären Wissenstransferinteraktion zwischen Transferpartnern aus den Feldern Wissenschaft und Praxis und mögliche Rückkopplungs- und Aushandlungsprozesse innerhalb eines Felder abbildet, zur Diskussion gestellt. Universitäten, Fachhochschulen (FH) und Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) stellen in dem Modell zentrale Transferpartner im Feld der Wissenschaft dar. Schwerpunkt der Poster-Präsentation liegt auf dem aufgeworfenen Verhältnis zwischen Hochschulen für angewandte Wissenschaften und Universitäten und Praxispartnern sowie Intermediären des Wissenstransfers.

Transdisziplinarität wird laut Mittelstraß „überall dort wirksam […], wo eine allein fachliche oder disziplinartige Definition von Problemlagen und Problemlösungen nicht möglich ist bzw. über derartige Definitionen hinausgeführt wird.“[2] Transdisziplinarität erfordert einen „Wissenstransfer zwischen professionellen Akteuren, die bisher gar nicht miteinander in Verbindung stehen.“[3] Elke Oestreicher grenzt transdisziplinären Wissenstransfer als „Transfer zwischen Professionellen aus den Feldern Wissenschaft und Praxis […] [ein]. Grundlegend unterscheiden sich die Experten der professionellen Felder Wissenschaft und Praxis darin, dass die Wissenschaftsakteure sich den Problemlagen theoretisch nähern, während die in der Praxis tätigen Akteure die Problembearbeitung handelnd bewältigen müssen.“[4]

Aus und wegen dieser besonderen Wissenschaft-Praxis Kooperation, bedingt von unterschiedlichen Feldlogiken und -praxen oder komplexen Förderstrukturen, können allerdings Konflikte entstehen, die einen erfolgreichen transdisziplinären Wissenstransfer hindern, wodurch keine oder nur bedingt neue Problemlösungen entwickelt werden, die über fachliche, disziplinartige oder interdisziplinäre Definitionen hinausgehen.

Das Projekt WiTraDis widmet sich den Gelingensbedingungen transdisziplinären Wissenstransfers am Beispiel der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Arbeitsforschung. Das Projekt folgt der Annahme, dass das BMBF insbesondere im Bereich der Arbeitsforschung seit dem Forschungs- und Aktionsprogramm Humanisierung des Arbeitslebens aus dem Jahr 1974 transdisziplinären Wissenstransfer zwischen Akteuren aus Wissenschaft und Praxis fördert und fordert.

Stellen HAWs und FHs möglicherweise ob ihrer Praxisnähe ideale transdisziplinäre Transferpartner dar und wurden in der bisherigen Debatte über Transdisziplinarität noch nicht hinreichend berücksichtigt? (Wie) unterscheiden sich die Reputationslogiken der Hochschultypen in Hinblick auf transdisziplinären Wissenstransfer und transdisziplinäre Forschungsergebnisse? Welche Erwartungen werden an die Hochschultypen von den Praxispartnern, Intermediären und anderen Akteuren herangetragen? Welches Selbstbild haben Universitäten und HAWs und FHs in Bezug auf den transdisziplinären Wissenstransfer und inwieweit übernehmen sie externe Zuschreibungen?

Ein Austausch mit den Tagungsgästen über Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Universitäten, FHs und HAWs als ((un)gleiche?) Transferpartner in Hinblick auf ihre transdisziplinären Wissenstransferpraktiken wird auf Basis des entwickelten Modelles angestrebt.

Sukzessiv erstellt wird das Modell in dem Projekt WiTraDis an der Universität Bremen am Institut Arbeit und Wirtschaft im Rahmen einer Literaturstudie, einer Inhaltsanalyse von Forschungs- und Entwicklungsprogrammen des BMBF und anhand von Interviews mit am transdisziplinären Wissenstransfer beteiligten Expert:innen aus Wissenschaft und Praxis sowie mit Expert:innen aus dem BMBF und den Projektträgern.

[1] https://www.wihoforschung.de/wihoforschung/de/bmbf-projektfoerderung/foerderlinien/wissenstransfer/witradis/witradis_node.html

[2] Mittelstraß, Jürgen, Methodische Transdisziplinarität, https://www.leibniz-institut.de/archiv/mittelstrass_05_11_07.pdf [Zugegriffen am 20.03.2023], S. 1.

[3] Oestreicher, Elke, Wissenstransfer in Professionen. Grundlagen, Bedingungen und Optionen, Opladen, Berlin und Toronto 2014, S. 28.

[4] Ebd., S. 17.



Weiterentwicklung eines Schulungsseminar zur studentischen Teilhabe an Hochschulentwicklungsprozessen

Johannes Waldenburger, Sophia Albrecht

Universität Potsdam, Deutschland

Der anvisierte Beitrag möchte anhand eines konkreten Praxisbeispiels aufzeigen, wie Ergebnisse der Hochschulforschung generiert und diese wiederum konkret genutzt werden können, um die studentische Teilhabe an Hochschulentwicklungsprozessen zu stärken. Der Beitrag adressiert somit die Themenfelder 1.1 sowie 3.1 und demonstriert dabei wechselseitige Synergieeffekte zwischen Hochschulforschung und Hochschulpraxis.

Seit der Systemakkreditierung 2012 veranstaltet das Zentrum für Qualitätsentwicklung in Lehre und Studium der Universität Potsdam ein eigenes Schulungsseminar, in dem Studierende gezielt auf die Rolle als studentisches Mitglied der hochschulinternen Akkreditierungskommission vorbereitet werden. Studierende erhalten dadurch die Möglichkeit, an hochschuleigenen Entscheidungsprozessen zu partizipieren. Allerdings musste in den letzten Jahren ein stetiger Rückgang der Anmeldezahlen festgestellt werden. Darüber hinaus stellte sich der Teilnehmer:innenkreis als sehr homogen dar. So bildete das Seminarpublikum immer weniger die Diversität der Studierendenschaft ab. Daraus resultierte das Problem, dass die Studierendenperspektiven in ihrer Vielfalt in gremienvermittelten Entscheidungs- und Entwicklungsprozessen zu Lehre und Studium nicht angemessen zur Geltung kamen. Um diesem Trend entgegenzuwirken, wurde eine umfassende und systematische Neukonzipierung des Seminars eingeleitet. Unterstützt wird dieses Vorhaben im Rahmen der Förderlinie “Freiraum 2022” durch die Stiftung Innovation in der Hochschullehre in dem Projekt “Q_M_itgestalten. Vom studentischen Lernen zur Partizipation” (https://www.uni-potsdam.de/de/zfq/hochschulstudien/q-m-itgestalten).

In einem ersten Schritt wurde eine summative Evaluation des Seminars durchgeführt, wobei unter anderem Lehrveranstaltungsevaluationen sowie Prüfungsdaten ausgewertet wurden. Neben der Evaluation des Seminars wurden zudem mittels einer gesonderten Online-Befragung die Erfahrungen und Perzeptionen der Studierenden erfasst, die im Anschluss ihres Seminarbesuchs Mitglieder in der internen Akkreditierungskommission wurden. Erstmalig wurde darüber hinaus ein neu konzipierter Frageblock in das Studierenden-Panel integriert. Dadurch konnte im Rahmen der bestehenden universitätsweiten Studierendenbefragung die Bekanntheit des bisherigen Seminars und der Partizipationsmöglichkeiten an hochschulinternen Entscheidungsprozessen erhoben werden. Allein hierdurch wurden Daten von ca. 1150 Studierenden generiert, die für die Weiterentwicklung des Seminars genutzt werden konnten.

Die Auswertung der Forschungsdaten ergab, dass das Seminar zum einen mit seinem Fokus auf die Vorbereitung zur Teilnahme am Akkreditierungsgremium zu monothematisch ausgerichtet ist. Zum anderen variiert der Bekanntheitsgrad des Seminars mitunter stark zwischen den verschiedenen Studiengängen.

In einem nächsten Schritt erfolgt nun die Neukonzipierung des Seminars. Dabei werden sowohl eigene erhobene Forschungsdaten als auch aktuelle Ergebnisse aus Hochschulforschung und -praxis berücksichtigt. Zudem sind Workshops mit einschlägigen Stakeholdern wie Studierenden, QM-Beauftragen und Forscher:innen geplant, um hierfür gleichermaßen die interne wie auch externe Expertise einzuholen. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse sollen ebenfalls in die Weiterentwicklung des Seminars einfließen. Um klassische Verhinderungsfaktoren wie mangelndes Wissen und fehlende Sichtbarkeit von Nutzen und Einflussmöglichkeiten abzubauen, soll der Seminarneustart im Vorfeld des Wintersemesters 2023 zusätzlich durch eine Marketingkampagne flankiert werden. Die zur Weiterentwicklung des Seminars genutzten Forschungsdaten gehen somit deutlich über klassische Lehrveranstaltungsevaluationen hinaus.



Motivation im Fernstudium: Welche Rolle spielt E-Learning?

Julia Jochim, Vera Lenz-Kesekamp

Europäische Fernhochschule Hamburg, Deutschland

Das hier vorgestellte anvisierte Promotionsprojekt befasst sich mit den Auswirkungen von E-Learning auf die Motivation Studierender im Kontext Fernstudium.

Die moderne Wissensgesellschaft erfordert eine hohe Bereitschaft zur ständigen Weiterbildung; Wissen und Kompetenzen bedürfen der ständigen Aktualisierung (Willich & Minks, 2004). Da Berufskarrieren nicht jederzeit zum Zweck der Weiterbildung unterbrochen werden können, werden Fern- und berufsbegleitende Studienangebote in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen.

Das Studieren auf Distanz fordert von Studierenden ein hohes Maß an Motivation und Durchhaltevermögen (Lehmann, 2012). Eine Motivation und Einsatzbereitschaft erhaltende Gestaltung des Studienangebots ist daher von besonderer Wichtigkeit für Anbieter.

Das Forschungsvorhaben widmet sich der Frage, ob und inwiefern der Einsatz digitaler Lehr- und Lernmedien (E-Learning) zur Lernmotivation von Fernstudierenden beitragen kann. Zu ihrer kommt ein Mixed-Methods-Ansatz zum Einsatz (Kuckartz, 2014, S. 77–78):

Für die quantitative Erhebung wird ein Forschungsmodell von Alyoussef (2021) weiterentwickelt, der positive Auswirkungen von E-Learning auf Studierendenzufriedenheit und Studienerfolg nachweisen konnte. Das Modell kombiniert das Technology Acceptance Model (Davis, 1989) sowie das Task-Technology Fit Model (Goodhue & Thompson, 1995).

Für den Zweck des Forschungsvorhabens wird das Modell um soziodemografische Faktoren sowie die Faktoren Medienkompetenz, studentische Erwartungshaltung und Studienmotivation erweitert. Befragt werden Studierende einer Fernhochschule (N ≈ 10.000) in Deutschland. Mit einer Strukturgleichungsanalyse werden die Hypothesen zum Zusammenhang von E-Learning, Studierendenzufriedenheit, Studienerfolg und Motivation überprüft. Im Anschluss erfolgt eine Clusterbildung.

Darauf aufbauend folgt die qualitative Teilstudie in Form von leitfadengestützten teilstandardisierten Interviews mit Vertretern der Cluster sowie deren Auswertung mittels qualitative Inhaltsanalyse. In den Interviews werden die individuellen Erwartungshaltungen und Bedarfe in punkto E-Learning exploriert. Darauf aufbauend werden Gestaltungsempfehlungen für Fernstudienangebote abgeleitet.

Zielsetzung ist die Herausarbeitung von anhand ihrer E-Learning-Präferenzen klar abgrenzbare Typen von Fernstudierenden sowie darauf aufbauend Handlungsempfehlungen für die Gestaltung von Fernstudiengängen. Neben diesem praxisbezogenen Ertrag kann das Forschungsvorhaben einen Beitrag zur Hochschul-/Fernstudiendidaktik und somit zur Hochschulentwicklung liefern.

Das Poster stellt das Forschungsdesign und das Modell für die quantitative Erhebung vor. Austausch und Feedback sind willkommen.

Quellen:

Alyoussef, I. Y. (2021). E-Learning Acceptance: The Role of Task–Technology Fit as Sustainability in Higher Education. Sustainability, 13(11), Art. 11. https://doi.org/10.3390/su13116450

Davis, F. D. (1989). Perceived Usefulness, Perceived Ease of Use, and User Acceptance of Information Technology. MIS Quarterly, 13(3), 319–340. https://doi.org/10.2307/249008

Goodhue, D. L., & Thompson, R. L. (1995). Task-Technology Fit and Individual Performance. MIS Quarterly, 19(2), 213. https://doi.org/10.2307/249689

Kuckartz, U. (2014). Mixed Methods. Methodologie, Forschungsdesign und Analyseverfahren. Springer VS.

Lehmann, B. (2012). Aus der Ferne Lehren und Lernen. Zu den Grundzügen eines außergewöhnlichen Bildungsformats. In A. Fogolin (Hrsg.), Bildungsberatung im Fernlernen. Beiträge aus Wissenschaft und Praxis. Bertelsmann.

Willich, J., & Minks, K.-H. (2004). Die Rolle der Hochschulen bei der beruflichen Weiterbildung von Hochschulabsolventen. Sonderauswertung der HIS-Absolventenbefragungen der Abschlussjahrgänge 1993 und 1997 fünf Jahre nach dem Studienabschluss. In Kurzinformation. A (HIS, Hochschul-Informations-System) (Nummer 7, S. 54 S.; 661 KB).



Wissenschaftliche Nachwuchsförderung – Anforderungsprofile zur Gewinnung und Bindung von Nachwuchswissenschaftler.

Anja Westphal

Westsächsische Hochschule Zwickau, Deutschland

Im Rahmen dieses Posters sollen die Veränderungen der Arbeitsplatzanforderungen von NachwuchswissenschaftlerInnen an den Arbeitgeber „Hochschule“ in Bezug auf die Digitalisierung von Personalentwicklungsprozessen & -maßnahmen auszugsweise dargestellt werden, insbesondere auch mittels eines direkten Vergleichs zwischen Universität und HAW.

Personalentwicklung an Hochschulen hat erst in den letzten Jahren an erheblicher Bedeutung erfahren, u.a. aufgrund von Gesetzeslagen und politischen Steuerungen (Vgl. Becker, 2019, S.105f; Schmidt, 2007, S.149) sowie durch verschiedene Ausschreibungen von Drittmittelförderungen wie u.a. das Projekt zur Wissenschafts- und Hochschulforschung oder Forschung zu den Karrierebedingungen und Karriereentwicklung des wissenschaftlichen Nachwuchses (Vgl. Becker, 2019, S.15; BMBF, 2023; Duval Bettina et al., 2014, S.101). Dies ist ein Grund, weshalb Personalentwicklung an Hochschulen lange Zeit auf Personalverwaltung reduziert oder als eine nicht selbstgesteuerte „nicht […] strategisch bedeutsame Aufgabe wahrgenommen [wurde]“ (Meister-Scheytt & Scheytt, 2004, S.140). Jedoch gilt es „als wesentliches Element eines modernen und zukunftsorientierten Universitätsmanagements." (Laske et al., 2004, S.33)

Zudem zeigt sich, dass Personalentwicklung an Hochschulen eng mit der allgemeinen Organisationsentwicklung verflochten ist (Vgl. Hille, 2014, S.23f; Laske, 2004, S.2; Schmidt, 2007), was insbesondere auf der Prozessebene deutlich wird: Während Personalentwicklung konkrete Maßnahmen für einzelne Person oder Personengruppen umfasst, bedarf es hinsichtlich der Organisationsentwicklung eines Prozesses zur Abbildung, Planung und Durchführung für die gesamte Organisation. Beide Prozessbereiche beeinflussen somit die Attraktivität und die Wettbewerbsfähigkeit der Hochschule als Arbeitgeber (Vgl. Hille, 2014, S.24; Schulz, 2015, S. 28f). Personalentwicklung ist somit unmittelbar mit der Hochschulstrategie und dessen Zielsetzung verbunden (Vgl. Lehner, 2014, S.159f; Schulz, 2015, S.33). Aufgrund der Verflechtung und der aufsteigenden Wertigkeit von Personalentwicklung an Hochschulen, sollte eine „Neugestaltung organisationaler Prozesse und Strukturen […]" (Meister-Scheytt & Scheytt, 2004, S.140) erarbeitet werden, insbesondere auch über die Gestaltung von Arbeitsplatzanforderungen.

Viele der bisher bestehenden Personalentwicklungskonzepte an Hochschulen beinhalten eher wenig fachliche, technische und methodische Kompetenzförderungen, sondern eher fachfremde und verwaltungsrelevante Weiterbildungen (Vgl. Hanft, 2004; Laske et al., 2004; Pellert & Widmann, 2004, S.137). Eine Studie zur Analyse von Fort- und Weiterbildungsprogrammen von Hanft (2004, S.119) zeigt, dass die aktuelle Wertigkeit in Weiterqualifizierungsmöglichkeiten wenig vertreten sind. Es besteht die Notwendigkeit, Maßnahmen den aktuellen Gegebenheiten anzupassen und entsprechend auf überfachliche Weiterbildungen und Methodenkompetenzen auszurichten (Pellert & Widmann, 2004, S.137). Ein Beispiel hierfür ist der Digitalisierungsfortschritt an Hochschulen. Mit der Einführung der Digitalen Lehre fehlte es jedoch an Weiterbildungsmaßnahmen zur Kompetenzerweiterung (Vgl. Meier & Franke, 2016, S.31; Wilmers et al., 2021).

Darauf bezugnehmend, ist zu hinterfragen, welche neuen Anforderungen von jungen NachwuchswissenschaftlerInnen explizit an den Arbeitgeber „Hochschule“ gestellt werden und welche Bedeutung ein digitalisierter Arbeitsplatz dabei hat. Des Weiteren ist zu hinterfragen, wie digitalisierte interne und externe Prozesse das Arbeitsumfeld von NachwuchswissenschaftlerInnen beeinflussen können und deren Gewinnung und dessen Bindung fördern.

Mittels eines generellen Vergleichs von Personalentwicklungsstrategien an Universitäten und HAW soll anhand von Personal- sowie Hochschulentwicklungskonzepten analysiert werden, welche Schwerpunkte sich für die Nachwuchsgewinnung ergeben. Die dadurch entstandene Sichtweise auf Personalentwicklung an Universitäten und HAW ermöglicht einen umfassenderen Einblick in Gewinnungs- und Bindungsstrategie des wissenschaftlichen Nachwuchses. Darauf aufbauend würde eine Befragung von wissenschaftlichen MitarbeiterInnen und StudentInnen aufschlussgeben, ob die aktuelle Personalstrategie der jeweiligen Hochschulorganisation auf die wettbewerblichen Anforderungen der nachkommenden Generation ausgerichtet ist.



Zoom-Fatigue: Ein Problem für die Digitalisierung der Hochschullehre?

Sascha M. Kopczynski1, Sebastian U. Kuhnen1, Andrea U. Warnecke2

1Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW, Deutschland; 2Leiden University, Niederlande

Hintergrund/Problemstellung

Im Zuge der Digitalisierungsbestrebungen seit Beginn der Corona-Pandemie werden hochschulische Lehrveranstaltungen zunehmend im Videokonferenzformat durchgeführt. Insbesondere bei häufiger, andauernder und intensiver Videokonferenzteilnahme sind jedoch Müdigkeits- und Erschöpfungssymptome bei den Teilnehmenden zu beobachten (vgl. Kerres, 2022). Das Auftreten dieses in der Forschungsliteratur als Zoom-Fatigue bezeichneten Zustands wurde im Rahmen eines Evaluationsprojekts zur Weiterentwicklung digitaler Lehre in dualen Verwaltungsstudiengängen untersucht. Die evaluierte Maßnahme bestand in der Durchführung von vier ausschließlich videokonferenzbasiert stattfindender Lehrveranstaltungswochen im Zeitraum von September bis Dezember 2022.

Methodik

Die an der evaluierten Maßnahme teilnehmenden Studierenden und Lehrenden wurden im Anschluss an den Maßnahmenzeitraum mit Hilfe einer übersetzten und für den Anwendungsbereich adaptierten Version der Zoom-Exhaustion & Fatigue (ZEF)-Scale (Feauville et al., 2021a) befragt. Das Instrument erlaubt Aussagen zur Verteilung des betrachteten Konstrukts in den Befragungsstichproben anhand der Dimensionen allgemeine (aF), visuelle (vF), soziale (sF), motivationale (mF) und emotionale (eF) Fatigue sowie eines ZEF-Gesamtscores (scoreF). Der mögliche Wertebereich erstreckt sich jeweils von 1 (geringe Fatigue-Ausprägung) bis 5 (hohe Fatigue-Ausprägung). An der Befragung nahmen 1281 Studierende und 275 Lehrende teil.

Ergebnisse

Sowohl bei Studierenden als auch bei Lehrenden zeigten sich sowohl den Gesamtscore als auch die Subskalen betreffend im Stichprobenmittel eher geringe Fatigue-Ausprägungen. Die Gruppe der „Fatiguers“ (scoreF-Werte im Bereich > 3,00) betrug bei den Studierenden 12,5 % und bei den Lehrenden 8 %. In der bivariaten Betrachtungsweise zeigten sich ausschließlich für die Gruppe der Studierenden schwache Korrelationen (p < .01) zwischen der Fatigue-Ausprägung und dem Alter der Befragten. Darüber hinaus konnten für Studierende Unterschiede in Bezug auf das Geschlecht (Dimension vF) sowie den Studiengang ermittelt werden. In multivariaten Analysen zeigte sich, dass sowohl das Geschlecht, das Alter als auch der Studiengang einen Einfluss auf die Fatigue-Ausprägung ausübten, wenn auch die Erklärungskraft der Modelle gering blieb.

Schlussfolgerungen:

Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass Zoom-Fatigue unter den hier befragten Studierenden und Lehrenden kein verbreitetes Phänomen ist und somit für die Fortführung der evaluierten Maßnahme keine Problematik darstellt. Während die Zusammenhänge mit dem Alter der Befragungspersonen in Übereinstimmung mit den Befunden von Feauville et al. (2021b) repliziert werden konnten, zeigte sich in der betrachteten Stichprobe der Studierenden ein unterschiedlicher Einfluss des Geschlechts. Während in Bezug auf die Dimension der visuellen Fatigue literaturkonforme bivariate Zusammenhänge auftraten, verschwand der Effekt im Rahmen der multivariaten Analysen. Die befragten Studentinnen wiesen niedrigere Fatigue-Werte in den weiteren Dimensionen auf. Auch unabhängig davon ließen sich bei Studierenden in Studiengängen mit Bezug zur Informatik niedrigere Fatigue-Ausprägungen beobachten. Inwiefern die berichteten Ergebnisse auf Anwendungsbereiche außerhalb des vorliegenden Evaluationskontexts übertragbar sind, bleibt fortan zu eruieren.

Quellen:

Fauville, G., Luo, M., Queiroz, A. C. M., Bailenson, J. N. & Hancock, J. (2021a). Zoom Exhaustion & Fatigue Scale. Computers in Human Behavior Reports, 4/2021, https://doi.org/10.1016/ j.chbr.2021.100119

Fauville, G., Luo, M., Queiroz, A. C. M., Bailenson, J. N. & Hancock, J. (2021b). Nonverbal Mechanisms Predict Zoom Fatigue and Explain Why Women Experience Higher Levels than Men. Online verfügbar unter: https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3820035

Kerres, M. (2022). Frustration in Videokonferenzen vermeiden. Grundlagen der Weiterbildung - Praxishilfen (GdW-Ph), 205, 7.50.160.



Frauen in MINT-Berufen: Langfristige Auswirkungen auf die Arbeitsmarkterträge

Mara Osterburg

Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung, Deutschland

Frauen in MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) sind vor allem mit Blick auf den Fachkräftemangel eine wichtige, aber immer noch unterrepräsentierte Gruppe auf dem Arbeitsmarkt und haben oft mit Diskriminierung, Stereotypisierung und schlechteren Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Trotz vieler Bemühungen, den Anteil von Frauen in MINT-Berufen zu erhöhen, sind sie noch immer deutlich in der Minderheit. Allerdings konnte für das Jahr 2021 ein Höchststand an MINT-Studienanfängerinnen von knapp 35 Prozent beobachtet werden (Statistisches Bundesamt, 2023). Vor dem Hintergrund generell steigender Studierendenzahlen im Zuge der Hochschulexpansion und dem gestiegenen Anteil weiblicher MINT-Studierenden, stellt sich die Frage, inwiefern sich die Karrieremöglichkeiten und Karriereaussichten besonders von Frauen verändert haben. Ein wichtiger Aspekt, der mit der Unterrepräsentation von Frauen in MINT-Berufen einhergeht, ist daher die Frage nach den Arbeitsmarkterträgen von Frauen in diesen Berufen. Wie wirken sich Geschlecht und Berufswahl auf die Karriereaussichten und das Einkommen von Frauen in MINT-Berufen aus? Wie unterscheiden sich die Arbeitsmarkterträge (langfristig) von männlichen und weiblichen Absolventen in MINT-Berufen im Zuge der Hochschulexpansion und welche Faktoren beeinflussen diese Unterschiede?

Die vorgeschlagene Arbeit erweitert den Stand der Forschung zur (geschlechtsspezifischen) MINT-Berufswahl um eine langfristige Perspektive, indem nicht nur der Berufseinstieg, sondern langjährige Karriereverläufe von Frauen und Männern in MINT-Berufen betrachtet werden. Diese Studie wird sich daher mit den Arbeitsmarkterträgen von Frauen in MINT-Berufen befassen und die langfristigen Ursachen und Auswirkungen von Geschlechterungleichheit in diesem Bereich untersuchen. Das Ziel der Studie liegt daher darin, mithilfe einer längsschnittlichen Analyse, herauszufinden, wie sich erstens: die Arbeitsmarkterträge zwischen Frauen und Männern in MINT-Berufen unterscheiden und zweitens, wie sich die Arbeitsmarkterträge von Frauen im Zuge der Hochschulexpansion verändert haben.

Die Datengrundlage basiert auf Längsschnittdaten des Nationalen Bildungspanels (NEPS) aus den Jahren 2010 bis 2020, welche durch das Forschungsdatenzentrum des Leibniz-Instituts für Bildungsverläufe (FDZ-LIfBi) aufbereitet werden. Die Stichprobe besteht aus Personen, die im MINT-Bereich tätig sind und zuvor ein Studium in diesem Bereich absolviert haben. Betrachtet werden somit ausschließlich Berufstätige mit einem abgeschlossenen Studium. Mit einem längsschnittlichen Design wird analysiert, ob sich einerseits Geschlechterunterschiede in den Arbeitsmarkterträgen und andererseits Unterschiede in den Arbeitsmarkterträgen über die Zeit beobachten lassen. Dabei werden Fixed-Effects-Modelle (FE) und Instrumental Variables-Analysen mit verschiedenen Kontrollvariablen geschätzt, um sowohl individuelle Unterschiede als auch die Kausalität zwischen unabhängigen Variablen und der abhängigen Variable zu untersuchen. Dadurch können Veränderungen über die Zeit untersucht werden, die auf Unterschiede zwischen den Individuen oder Beobachtungen zurückzuführen sind.

 
10:30 - 12:00Studiendauer und -wahl
Ort: SL0202
Chair der Sitzung: Cort-Denis Hachmeister, CHE Center for Higher Education

Track 1: Gestaltungsfragen der Hochschulpraxis

 

Studiendauer an deutschen Hochschulen. Welchen Einfluss haben Standort, Hochschultyp und institutionelle Kontextfaktoren auf den Studienverlauf?

Dr. Axel Oberschelp

Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW), Deutschland

Die Studiendauer und die Effekte von Studienverläufen, deren Länge deutlich über den in Studienordnungen vorgegebenen Setzungen liegt, spielen eine wichtige Rolle in Diskussionen zur Ausgestaltung und zu Reformen der Hochschulbildung. Daneben sind sie für Aspekte der Hochschulfinanzierung, z.B. im Kontext der Mittelallokation staatlicher Programme wie dem Hochschulpakt, sowie für Verfahren der leistungsorientierten Mittelvergabe auf unterschiedlichen Ebenen (Hochschule – Land) in indikatorisierter Form von Bedeutung (Krempkow 2020, 3).

Längere Studienzeiten werden aus unterschiedlichen Gründen für nachteilig erachtet: Sie beeinflussten die Möglichkeiten des Zugangs zum Arbeitsmarkt, führten zu Einkommensverlusten bzw. zu Nachteilen bei der Altersvorsorge von Studierenden und hätten darüber hinaus volkswirtschaftliche Nachteile durch die Verkürzung der Erwerbstätigkeit und höhere Bildungsausgaben, so einige der weit verbreiteten Einschätzungen (Alesi et al. 2014, 13). Diese negativen Bewertungen werden durch den Umstand gestützt, dass sich Indikatoren zum Langzeitstudium als ein aussagekräftiger Prädiktor zum Studienabbruch erwiesen haben.

Während sich die Forschung bei der Untersuchung der Ursachen von langen Studiendauern zu Beginn eher auf individuelle Faktoren konzentriert hat, werden mittlerweile verstärkt standort-, hochschul- und fachbezogene Aspekte in den Blick genommen. Dieser Paradigmenwechsel ist zurückzuführen auf weitgehende Einigkeit in der Hochschulfoschung darüber, dass die Studiendauer ein Produkt des Zusammenspiels mehrerer und auf unterschiedlichen Ebenen angesiedelter Faktoren ist (Penthin et al. 2017, 11). Allerdings sind Untersuchungen, welche die Bedeutung des institutionellen Kontextes jenseits von Studienordnungen und Studiengangorganisation in den Blick nehmen, bislang wenig verbreitet.

Der vorgeschlagene Beitrag setzt an diesem Punkt an und referiert Ergebnisse einer noch laufenden Teilstudie aus dem Verbundprojekt „Bedeutung des institutionellen Kontextes für Studienabbruch und Langzeitstudium (BiK)“, das mit finanzieller Förderung durch das BMBF durchgeführt wird. Auf Basis von Daten der amtlichen Statistik wird zunächst eine hochschulbezogene Quantifizierung des Phänomens langer Studiendauern vorgenommen. Daran anschließend werden die Befunde mit den Ergebnissen von Untersuchungen zu institutionellen Kontextfaktoren verknüpft.

Neben Ausstattungs- und Größenmerkmalen spielen hierbei insbesondere studienrelevante Regelungen zur Durchführung von Prüfungen eine zentrale Rolle. Die Befunde hierzu wurden im Rahmen einer weiteren, am Zentrum für Europäische Sozialforschung (ZESF) angesiedelten Teilstudie des Projekts BiK erarbeitet. Hierbei stand die computerunterstützte Textanalyse von Dokumenten wie Rahmenprüfungsordungen und spezifischen Prüfungsordnungen im Vordergrund, die im Ergebnis eine Charakterisierung der „Prüfungsregime“ einzelner Hochschulen ermöglicht. Von dem hier gewählten Untersuchungsdesign, das bundesweite Daten auf Hochschulebene auswertet und einen Vergleich von Universität mit Hochschulen für Angewandte Wissenschaften beinhaltet, sind neue Befunde zu erwarten, welche unmittelbar Gestaltungsfragen in der Hochschulpraxis berühren.

Literaturverzeichnis

Alesi, Bettina; Neumeyer, Sebastian; Flöther, Choni (2014): Studium und Beruf in Nordrhein-Westfalen. Analysen der Befragung von Hochschulabsolventinnen und -absolventen des Abschlussjahrgangs 2011. Hg. v. International Centre for Higher Education Research Kassel. Kassel.

Krempkow, René (2020): Determinanten der Studiendauer – individuelle oder institutionelle Faktoren? In: ZfE 19 (1), S. 37–64.

Penthin, Marcus; Fritzsche, Eva S.; Kröner, Stephan (2017): Gründe für die Überschreitung der Regelstudienzeit aus Studierendensicht. In: Beiträge zur Hochschulforschung 39 (2), S. 8–31.

Oberschelp-Studiendauer an deutschen Hochschulen Welchen Einfluss haben Standort, Hochschultyp-125.pdf


Eine Frage der Zeit: Der Einfluss der sozialen Herkunft auf die Studiendauer.

Dr. Christina Haas, Sebastian Neumeyer

Leibniz-Institut für Bildungsverläufe, Deutschland

Die Studiendauer bis zum Bachelorabschluss beträgt an deutschen Universitäten 7,9 Semester (Median) – und ist somit deutlich länger als die gängige Regelstudienzeit von sechs Semestern (Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung, 2022). Während die Umstände und Gründe verlängerter Studiendauern angesichts der heterogenen Lebenslagen von Studierenden vielfältig sind, geht aus internationalen Studien hervor, dass der sozialen Herkunft eine zentrale Rolle bei der Studiendauer zukommt (Atherwood & Sánchez-Soto, 2023; Contini et al., 2018; Zarifa, et al., 2018).

Für den deutschen Hochschulkontext gibt es nur wenige Studien, die sich explizit mit den Determinanten von verlängerten Studiendauern beschäftigen sowie kaum empirische Evidenz zum Einfluss der sozialen Herkunft. Der vorliegende Beitrag möchte diese Forschungslücke schließen. Auf Basis der Studierendenkohorte des Nationalen Bildungspanels (NEPS SC5; Blossfeld & Roßbach, 2019) soll untersucht werden, ob ein Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft und der Studiendauer von Bachelorstudierenden in Deutschland besteht. Darüber hinaus werden theoretische Erklärungsmechanismen (Leistungsunterschiede, Unterschiede in den Zeitverfügbarkeiten aufgrund von Erwerbstätigkeit, Unterschiede in den Studienverläufen, weitere Kosten-Nutzen-Abwägungen und Zeitpräferenzen) für diesen Zusammenhang berücksichtigt.

Bei der Studierendenkohorte des Nationalen Bildungspanels handelt es sich um eine Stichprobe von Studienanfänger:innen, die im Studienjahr 2010/2011 ihr Studium begannen. In diesem Beitrag werden erste vorläufige Ergebnisse vorgestellt, basierend auf bivariaten deskriptiven Auswertungen und linearen Wahrscheinlichkeitsmodellen.

Referenzen

Atherwood, S., & Sánchez-Soto, G. (2023). Does Social Class Matter Equally for the Timely Transition Into and Out of College? Evidence from the NLSY97. Research in Higher Education, 64(1), 95–128. https://doi.org/10.1007/s11162-022-09692-w.

Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung. (2022). Bildung in Deutschland 2022. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zum Bildungspersonal. wbv media: Bielefeld.

Blossfeld, H.-P., & Roßbach, H.-G. (Hrsg.). (2019). Education as a lifelong process: The German National Educational Panel Study (NEPS). Edition ZfE (2nd ed.). Springer VS.

Contini, D., Cugnata, F., & Scagni, A. (2018). Social selection in higher education. Enrolment, dropout and timely degree attainment in Italy. Higher Education, 1–24.

Zarifa, D., Kim, J., Seward, B., & Walters, D. (2018). What’s Taking You So Long? Examining the Effects of Social Class on Completing a Bachelor’s Degree in Four Years. Sociology of Education, 91(4), 290–322.

Haas-Eine Frage der Zeit-122.docx


Im Wettbewerb um knappe Studienplätze: Wie soziale Herkunft die Wahl zwischen zulassungsbeschränkten und zulassungsfreien Studiengängen beeinflusst

Talke Cassing, Prof. Dr. Florian Hertel

Europa-Universität Flensburg, Deutschland

In Deutschland ist der Übergang von der Schule ins Studium sowohl von sozialer Ungleichheit beim Hochschulabschluss (Schindler and Lörz 2012) als auch bei der Studienfachwahl (Reimer and Pollak 2010) geprägt. Diese Arbeit fokussiert auf die Rolle von Zulassungsverfahren als möglicher institutionelle Mechanismus zur Erklärung sozialer Ungleichheit bei der Studiengangwahl (Jackson 2021; Alon 2009). Wir integrieren Zulassungsverfahren in die Theorie rationaler Bildungsentscheidungen und prüfen empirisch die hiervon abgeleiteten Hypothesen über den Zusammenhang von sozialer Herkunft und der Wahl zwischen zulassungsbeschränkten und zulassungsfreien Studiengängen in Deutschland.

Cassing-Im Wettbewerb um knappe Studienplätze-137.pdf
 
10:30 - 12:00Umgang mit Heterogenität
Ort: SL0214
Chair der Sitzung: Sude Peksen, TU Dortmund

Track 2: Gestaltungsfragen der Hochschulpolitik

 

Der Gender Visibility Gap und die Rolle der Hochschulkommunikation

Eva Wegrzyn, Anja Mallat, Prof. Dr. Ute Klammer, Dr. Maren Jochimsen

Universität Duisburg-Essen, Deutschland

Sichtbarkeit in der Wissenschaft erleichtert die Beschäftigungschancen im akademischen Feld und erhöht die Chancen, in der Öffentlichkeit als Expert*in adressiert zu werden. Auch die Fähigkeit, die eigene Forschung durch „Wissenschaftskommunikation“ in die Gesellschaft zu kommunizieren, wird für Wissenschaftler*innen bedeutsamer (BMBF 2019). Sowohl die Ebene der Sichtbarkeit innerhalb der Wissenschaft als auch die Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit sind vergeschlechtlicht und spiegeln strukturelle Ungleichheiten in den Geschlechterverhältnissen auf der symbolischen Ebene wider (Budrikis 2020; Prommer, Linke 2017).

Die Geschlechterunterschiede in der Publikationsaktivität (Lerchenmüller et al. 2021) und der Zitationshäufigkeit (Budrikis 2020) als Ausdruck einer geringeren Sichtbarkeit in der Wissenschaft (Gender Publication bzw. Citation Gap) sind gut erforscht. Zusammen mit den Unterschieden in der öffentlichen Kommunikation von Forschung (hier verstanden als möglicher Gender Science Communication Gap) weisen sie auf einen Gender Visibility Gap hin, den es in seinen vielfältigen Dimensionen zu untersuchen gilt.

An Hochschulen bilden die Abteilungen für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit die Schnittstelle zwischen wissenschaftsinterner (Fach-)Kommunikation und der öffentlichkeitsadressierenden Wissenschaftskommunikation. Diese Personengruppe könnte damit im Diskurs um die Stärkung der Sichtbarkeit von leistungsstarken Wissenschaftlerinnen eine bedeutende Rolle spielen und einen anschaulichen Anknüpfungspunkt für den Transfer von Ergebnissen der Hochschulforschung in die Hochschulpraxis bieten.

Wie wird das vielschichtige Konzept der „Sichtbarkeit“ in der Wissenschaft im Zusammenhang mit der Norm der Gleichstellung der Geschlechter diskutiert? Inwiefern sehen sich professionelle Hochschulkommunikator*innen als verantwortliche Akteur*innen auf dem Weg zu einer stärkeren Sichtbarmachung des wissenschaftlichen Beitrags von Forscherinnen zu gesellschaftlichen Herausforderungen und einer geschlechtergerechten Darstellung von wissenschaftlicher Exzellenz?

Der Vortrag stellt erste Ergebnisse des BMBF geförderten Forschungs- und Transferprojektes „Exzellenz entdecken und kommunizieren. Sensibilisierung und Kompetenzentwicklung zum Thema Exzellenz und Gender für PostDocs und Akteur*innen der Hochschulkommunikation“ (EXENKO) vor (FKZ 01FP21023).

Dazu wurden 2022 insgesamt 51 problemzentrierte Interviews mit männlichen und weiblichen Postdocs, Professorinnen, Akteur*innen der Hochschulkommunikation sowie Personen aus der hochschulischen Gleichstellungsarbeit an vier Hochschulen in NRW geführt. Gegenstand der Gespräche waren Fragen, wie die Interviewpartner*innen den Exzellenzbegriff wahrnehmen, wie sie für sich definieren, was Sichtbarkeit einer Forschungspersönlichkeit sowohl innerhalb der Fachcommunity als auch in der Öffentlichkeit bedeutet und wie Sichtbarkeit und Exzellenz zusammenhängen. Die Interviews wurden auf Grundlage des Integrativen Basisverfahrens ausgewertet (Kruse 2014).

Die erste Analyse der Interviews weist darauf hin, dass Hochschulkommunikator*innen ein Spannungsverhältnis zwischen Darstellung und Konstruktion der Wirklichkeit wahrnehmen. Der Vortrag gibt Einblicke zur Frage, inwiefern sie sich als "Gestaltende" einer geschlechtergerechten Wissenschaftskommunikation verstehen und welche diesbezüglichen eigenen Handlungsmöglichkeiten sie identifizieren, welche Erwartungen seitens der Wissenschaftler*innen an sie herangetragen werden und wo sie Handlungspotentiale von Forscherinnen ausmachen, ihre wissenschaftlichen Leistungen sichtbar(er) zu machen.

Literatur

BMBF (2019): Grundsatzpapier des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zur Wissenschaftskommunikation.

Budrikis, Z (2020): Growing citation gender gap. Nat Rev Phys 2, 346. https://doi.org/10.1038/s42254-020-0207-3.

Kruse, J (2014): Qualitative Interviewforschung. Ein integrativer Ansatz. Weinheim: Beltz Juventa.

Lerchenmüller C, Schmallenbach L, Lerchenmüller M J (2021): "Gender Publication Gap" 2020 größer geworden. https://www.forschung-und-lehre.de/forschung/gender-publication-gap-2020-groesser-geworden-4086 (28.03.2023).

Prommer E, Linke C (2017): Audiovisuelle Diversität? Geschlechterdarstellungen in Film und Fernsehen in Deutschland. https://malisastiftung.org/wp-content/uploads/Broschuere_din_a4_audiovisuelle_Diversitaet_v06072017_V3.pdf (28.03.2023).

Wegrzyn-Der Gender Visibility Gap und die Rolle der Hochschulkommunikation-132.pdf


Multidimensionale Geschlechterungleichheiten im akademischen Mittelbau – Forschungsergebnisse und Lösungsansätze

Dr. Lisa Mense, Dr. Heike Mauer

Universität Duisburg-Essen, Deutschland

Die Förderung und Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit ist eine grundgesetzliche Aufgabe der Hochschulen, die durch weitere Gesetzgebung wie die Landesgleichstellungs- und Hochschulgesetze konkretisiert wird. Wie Hochschulen den Gleichstellungsauftrag umsetzen, ist Gegenstand der angewandten gleichstellungsbezogenen Hochschulforschung. Ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse und Forschungsergebnisse zu Geschlechterungleichheiten und Gleichstellungspraxen an Hochschulen schaffen eine wichtige Wissensbasis für die Politik auf Bundes, Landes- und Hochschulebene.

In diesem Feld der hochschulbezogenen Geschlechterforschung verorten sich auch die Forschungen im Rahmen des Gender-Reports über die Geschlechter(un)gerechtigkeit an nordrhein-westfälischen Hochschulen, der im Dreijahresrhythmus von der Koordinations- und Forschungsstelle des Netzwerks Frauen- und Geschlechterforschung NRW veröffentlicht wird. Ausgehend von den in den Untersuchungen gewonnenen Forschungsergebnissen werden Handlungsempfehlungen für Gleichstellungspolitiken an den Hochschulen abgeleitet. Diese sollen dazu beitragen, Prozesse hin zu mehr Geschlechtergerechtigkeit anzustoßen. Das gilt ebenfalls für den aktuellen Gender-Report 2022, in dem in einer Teilstudie die Arbeitsbedingungen und Karriereoptionen der hauptberuflichen wissenschaftlichen und künstlerischen Beschäftigten ohne Professur an den Hochschulen in Trägerschaft des Landes NRW aus einer Geschlechterperspektive untersucht wurden (vgl. Kortendiek et al.). Damit hat sich die Studie einem derzeit hochaktuellen und umkämpften Thema gewidmet, das anhand der Stichworte Befristung und Prekarität kritisch diskutiert wird.

Mittels einer geschlechterbezogenen Sekundäranalyse hochschulstatistischer Daten des Landes NRW wurden die Beschäftigungsverhältnisse mit Blick auf Befristungen, Beschäftigungsumfang und Eingruppierung/Besoldung analysiert. Zudem wurden 5.695 Fragebögen ausgewertet, die im Rahmen einer teilstandardisierten Online-Befragung der hauptberuflichen Beschäftigten im akademischen Mittelbau an den Hochschulen in NRW (ohne Hochschulmedizin) gewonnen wurden. Im Fokus stehen Fragen nach den Arbeitsbedingungen und Berufsperspektiven, den persönlichen Erfahrungen im Arbeitsalltag, erlebter Unterstützung und Förderung sowie Benachteiligungen. Anhand der Selbstauskünfte der Befragten war es zudem möglich, Geschlecht nichtbinär und in Verbindung mit weiteren Dimensionen sozialer Ungleichheit (u. a. familiäre Migrationsgeschichte und rassifizierende Zuschreibungen sowie Bildungsherkunft) und somit aus einer multidimensionalen Geschlechterperspektive in den Blick zu nehmen.

Im Vortrag präsentieren wir zentrale Ergebnisse der Studie und möchten hiervon ausgehend hochschul- und gleichstellungspolitische Lösungsansätze diskutieren.

Die geschlechterbezogenen Auswertungen zeichnen ein differenziertes Bild: Neben vielen Gemeinsamkeiten zwischen den Geschlechtern – wie die vorherrschende Befristung der Stellen – existieren Unterschiede nach Hochschulart und Fach. Hinsichtlich der Beteiligung von Frauen im akademischen Mittelbau zeigt sich, dass mit einem Anteil von 43 Prozent zwar annähernd Parität erreicht ist, Frauen über Fächergrenzen hinweg jedoch besonders häufig in Teilzeit beschäftigt sind. Die Daten der Online-Befragung ergeben zudem, dass Frauen sowie trans*, inter* und nichtbinäre Befragte deutlich häufiger als Männer Benachteiligungen bis hin zu sexueller Belästigung erfahren. Dabei verstärken rassifizierende Zuschreibungen oder eine familiäre Migrationsgeschichte die Häufigkeit der Benachteiligungen. Gleichzeitig gibt es viele positive Erfahrungen von Förderung und Kollegialität.

Die Ergebnisse der Studie machen deutlich, dass zur Förderung der Gleichstellung strukturelle Verbesserungen der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen unabdingbar sind. Zugleich bedarf es einer Gleichstellungs- und Hochschulpolitik, die über ein binäres Konzept von Geschlecht hinausgeht sowie ein multidimensionales und kooperatives Verständnis von Gleichstellung und Antidiskriminierung entwickelt.

Literatur:

Kortendiek, Beate/Mense, Lisa/Beaufaÿs, Sandra/Bünnig, Jenny/Hendrix, Ulla/Herrmann, Jeremia/Mauer, Heike/Niegel, Jennifer (2022): Gender-Report 2022. Geschlechter(un)gerechtigkeit an nordrhein-westfälischen Hochschulen. Hochschulentwicklungen, Gleichstellungspraktiken, Ungleichheiten im Mittelbau. Essen. https://netzwerk-fgf.nrw.de/fileadmin/media/media-fgf/download/Genderreport_2022_Langfassung.pdf.

Mense-Multidimensionale Geschlechterungleichheiten im akademischen Mittelbau – Forschungsergebnisse-159.pdf


Auszeiten, Umwege und aufgeschobene Übergänge: Biographische Diversität in deutschen Hochschulen

Dr. Nicole Tieben, Matthias Pohlig

Leibniz Universität Hannover, Deutschland

Hochschulzugänge haben sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert: Zugangswege zur Studienberechtigung und Übergänge in die Hochschule werden komplexer und diverser. So erreichet beispielsweise ein wachsender Anteil an Studierenden die Hochschule nicht direkt nach dem Verlassen der Sekundarstufe, sondern über alternative Aktivitäten und Umwege, wie z.B. berufliche Ausbildungen, Erwerbstätigkeit, Praktika, Wehr- und Freiwilligendienst oder Auszeiten.

Trotz dieser Vielfalt ist wenig darüber bekannt, welche Wege Schulabgängerinnen und Schulabgänger nach dem Verlassen der Sekundarstufe nehmen und wie viel Zeit diese in Anspruch nehmen. Ebenso ist bisher unklar geblieben, ob es gruppenspezifische Übergangsmuster gibt. Unser Beitrag will diese Forschungslücke schließen.

Wir widmen uns folgenden drei Fragestellungen:

  1. Wie nutzen Studierende die Zeit zwischen dem Abschlussjahr der Sekundarstufe 1 und dem ersten Übergang in die Hochschule?
  2. Welche Unterschiede in Typ und Dauer von Verzögerungen zwischen Männern und Frauen lassen sich beobachten?
  3. Welche Unterschiede in Typ und Dauer von Verzögerungen zwischen Schulabgängern und Schulabgängerinnen unterschiedlicher sozialer Herkunft lassen sich beobachten?

Für unsere Analysen nutzen wir die Daten der NEPS Startkohorte 5. Die Stichprobe umfasst knapp 16.000 Studierende, die im Wintersemester 2010/11 erstmals an einer deutschen Hochschule eingeschrieben waren. Sequenz- und Cluster-Analysen geben Aufschluss über die Wege vom Abschlussjahr der Sekundarstufe 1 in die Hochschule. So sind wir in der Lage, auch die Umwege zur Studienberechtigung zu erfassen und herauszuarbeiten, welche Aktivitäten für verzögerte Übergänge in die Hochschule verantwortlich sind. Wir unterscheiden “produktive” und “unproduktive” Aktivitäten. Erstere umfassen Episoden des Erwerbs weiterer formaler Qualifikationen oder Erwerbstätigkeit, letztere umfassen Aktivitäten außerhalb von Arbeitsmarkt oder Bildungssystem („NEET“).

Wir identifizieren sechs Cluster und zeigen, dass Studierende mit einer niedrigeren sozioökonomischen Herkunft insgesamt längere Übergangsdauern haben, aber absolut (Anzahl Monate) und relativ (% der Gesamtdauer) mehr Zeit mit „produktiven“ Aktivitäten verbringen als Studierende mit einer höheren sozioökonomischen Herkunft. Für das Geschlecht zeigen wir, dass Männer längere Übergangsdauern haben, es jedoch keine absoluten geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Dauer „unproduktiver“ Aktivitäten gibt. Frauen dagegen gehen im Verhältnis zur Gesamtdauer länger „unproduktiven“ Aktivitäten nach. Regressionen legen nahe, dass geschlechtsspezifische und sozioökonomische Unterschiede vollständig durch Militärdienst und Berufsausbildung erklärt werden. Unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeit zeigt sich, dass „unproduktive“ Gap-Years (im engeren Sinne) zwischen der Sekundarstufe II und der Hochschulbildung in Deutschland offenbar eine untergeordnete Rolle spielen.

Tieben-Auszeiten, Umwege und aufgeschobene Übergänge-155.pdf
 
10:30 - 12:00Wissenstransfer aus der Hochschulforschung
Ort: SL0008a/b
Chair der Sitzung: Prof. Dr. Uwe Wilkesmann, TU Dortmund

Track 3: Wissenstransfer und Wirkungen

 

Wissenstransfer zwischen Hochschulforschung, Hochschulentwicklung und Wissenschaftsministerien

Chair(s): Prof. Dr. Uwe Wilkesmann (Zentrum für Hochschulbildung (zhb), TU Dortmund)

Der Wissenschaftsrat hat in einem Positionspapier von 2014 konstatiert, dass es eine Aufgabe der Wissenschafts- und Hochschulforschung (WiHo-Forschung) ist, Erkenntnisse für die Gestaltung des laufenden Wandels bereitzustellen. Erkenntnisse der WiHo-Forschung sind nicht nur für die Scientific Community, sondern auch für die Entwicklung und das Management der Hochschulen selbst sowie für die Wissenschaftsministerien relevant, die wiederum die Rahmenbedingungen für zukünftiges wissenschaftliches Arbeiten schaffen.

In diesem Symposium soll deshalb der Frage nachgegangen werden, welche Voraussetzungen notwendig sind, damit der Wissenstransfer zwischen diesen Bereichen gelingt. Welche Kanäle werden genutzt? Welche organisationalen Voraussetzungen spielen eine Rolle? Was kann durch einen internationalen Vergleich gelernt werden?

Das Symposium besteht aus drei Teilen:

  • Zuerst werden in kurzer Form die ersten Ergebnisse von drei Projekten aus der BMBF-Förderlinie „Wissenstransfer“ vorgestellt: „SuRele - Auf der Suche nach Relevanz: Transfererwartungen und Transfereffekte zwischen Hochschulforschung und Hochschulentwicklung“ (HoF Institut für Hochschulforschung Halle-Wittenberg), „TransForM – Transfer von Erkenntnissen aus der Hochschul- und Wissenschaftsforschung in das Management von Hochschulen“ (CHE Centrum für Hochschulentwicklung) und „WiHoWiT - Wissenstransfer zwischen der Wissenschafts- und Hochschulforschung und den Wissenschaftsministerien“ (TU Dortmund, HIS-HE).
  • Danach findet eine Podiumsdiskussion statt zum Thema „Was macht gelungenen Wissenstransfer aus?“ Dabei wird auch das Plenum einbezogen werden. Ein zentrales Thema bei der Podiumsdiskussion soll u.a. das Engagement von WiHo-Forscher*innen im Wissenstransfer in Bereichen außerhalb der Scientific Community sein.

Ablauf:

10:30 - 10:35 Uhr: Einführung (Wilkesmann)

10:35 - 10:45 Uhr: WiHoWiT (Möller & Jäger)

10:45 - 10:55 Uhr: TransForM (Nickel & Reum)

10:55 - 11:05 Uhr: SuRele (Pasternack)

11:05 - 11:35 Uhr: Podiumsdiskussion (Wilkesmann, Pasternack, Nickel und offener Platz für das Publikum; Moderation: Möller)

11:35 - 12:00 Uhr: Zeit für Fragen aus dem Publikum (zu den Vorträgen und an das Podium)

 

Beiträge des Symposiums

 

Wissenstransfer zwischen der Wissenschafts- und Hochschulforschung und den Wissenschaftsministerien

Björn Möller1, Dr. Grit Würmseer1, Viktoria Jäger2, Dr. Sabine Lauer2
1HIS-HE, 2zhb, TU Dortmund

Der Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Gesellschaft ist ein relevanter Untersuchungsgenstand der Wissenschafts- und Hochschulforschung (WiHo-Forschung). Die WiHo-Forschung kann dabei eine Grundlage für eine evidenzbasierte Wissenschafts- und Hochschulpolitik bilden (Pellegrini & Vivanet, 2020; Wollscheid, Stensaker & Bugge, 2019), wenn der Wissenstransfer zwischen den Akteuren des wissenschaftlichen und politischen Systems gelingt.

Erfolgsfaktoren und Hemmnisse eines gelingenden Wissenstransfers werden in dem BMBF-Verbundprojekt „Wissenstransfer zwischen der Wissenschafts- und Hochschulforschung und den Wissenschaftsministerien“ (WiHoWiT) am Beispiel des Wissenstransfers zwischen der WiHo-Forschung und den Landeswissenschaftsministerien untersucht. Die übergeordnete Frage des Projektes lautet: Was begünstigt den Wissenstransfer zwischen der WiHo-Forschung und den Wissenschaftsministerien?

Zentral für die Untersuchung des Wissenstransfers ist, dass hier von einem wechselseitigen Wissensaustausch zu sprechen ist. In diesem Prozess werden neue Informationen in das Vorwissen der jeweiligen Akteure integriert (Wilkesmann & Wilkesmann, 2019). Daraus folgt das Verständnis von Wissenstransfer als Interaktionsmodell (Wilkesmann & Wilkesmann, 2019; Polanyi, 1967; Nonaka & Takeuchi, 1995), in welchem sich das Wissen beim Transfer verändert und nicht als ‚Paket‘ übergeben wird. Zu den Einflussgrößen auf den Wissenstransfer zählen individuelle und organisationale Faktoren sowie die Arenen, Formate und Kanäle, in denen der Transfer stattfindet.

Der Vortrag thematisiert erste Erkenntnisse aus der qualitativen Teilstudie des Projektes. In dieser werden leitfadengestützte Expert*inneninterviews mit Referatsleitungen der Landeswissenschaftsministerien sowie WiHo-Forscher*innen aus Hochschulen und intermediären Organisationen geführt. Empirisch werden sowohl die unterschiedlichen Formen des Wissenstransfers innerhalb der Ministerien als auch der Austausch mit WiHo-Forscher*innen außerhalb der Ministerien erfasst. Darauf aufbauend werden Einflussfaktoren auf den Wissenstransfer zwischen Ministerien und WiHo-Forschung identifiziert, die den Wissenstransfer fördern oder hemmen können.

Ein organisationaler Einflussfaktor auf den Wissenstransfer innerhalb der Ministerien ist die hierarchische Organisationsform und damit der Kommunikationsfluss, der auf vertikale Kommunikation ausgelegt ist. Als individuelle Einflussfaktoren können der fachliche Hintergrund, persönliche Netzwerke sowie ein ausgeprägtes Interesse an Themen der WiHo-Forschung genannt werden. Die empirischen Ergebnisse für den Wissenstransfer mit Akteuren außerhalb des Ministeriums werden ebenso dargestellt wie die Kanäle und Quellen, die die Referatsleitungen vorwiegend nutzen. Gespiegelt werden die Ergebnisse mit den ersten Erkenntnissen aus den Interviews mit WiHo-Forscher*innen aus Hochschulen und intermediären Organisationen, die voraussichtlich zwischen Mai und Juni 2023 geführt werden.

Literatur

Nonaka, I., & Takeuchi, H. (1995). The Knowledge-Creating Company: How Japanese Companies Create the Dynamics of Innovation. Oxford: Oxford University Press.

Polanyi, M. (1967). The Tacit Dimension. New York: Anchor Books.

Pellegrini, M., & Vivanet, G. (2020). Evidence-Based Policies in Education: Initiatives and Challenges in Europe. ECNU Review of Education, 4(1), 25–45.

Wilkesmann, U., & Wilkesmann, M. (2019). Wissensmanagement. (Wie) Lässt sich Wissen in der öffentlichen Verwaltung managen? In B. Werdes & T. Porsch (Hrsg.), Lehrbuch Verwaltungspsychologie (S. 312–348). Göttingen: Hogrefe.

Wollscheid, S.; Stensaker, B. & Bugge, M. M. (2019). Evidence-Informed Policy and Practice in the Field of Education: The Dilemmas Related to Organizational Design. European Education, 51(4), 270–290.

 

Analyse von Transferkanälen aus der Wissenschafts- und Hochschulforschung ins Hochschulmanagement

Dr. Sigrun Nickel, Dr. Nicolas Reum
CHE Centrum für Hochschulentwicklung

Im Mittelpunkt des BMBF-Forschungsprojekts „Transfer von Erkenntnissen aus der Hochschul- und Wissenschaftsforschung in das Management von Hochschulen“ (TransForM) steht die Frage, inwiefern Erkenntnisse aus der Wissenschafts- und Hochschulforschung (WiHo-Forschung) nicht nur rezipiert, sondern für Hochschulmanager*innen im Sinne einer Wissensintegration auch als handlungsrelevant für das eigene Arbeitsumfeld in der jeweiligen Hochschule eingestuft und genutzt werden (Menold 2008). Dabei wird Wissenstransfer als Interaktionsmodell (Wilkesmann & Wilkesmann 2019) verstanden, das von einem kommunikativen Austausch bis zu Prozessen der Co-Creation reichen kann, wie sie u.a. im Kontext sozialer Innovationen verbreitet sind (Voorberg, Bekkers & Trummers 2015). TransForM beschäftigt sich mit einer spezifischen Form des systemimmanenten Wissenstransfers, d.h. WiHo-Forscher*innen und Hochschulmanager*innen sind Teil desselben gesellschaftlichen Subsystems, wenn auch in unterschiedlichen Rollen. Der Begriff „Hochschulmanagement“ wird dabei breit gefasst: er beinhaltet die Leitungsebene und die mittlere Ebene nicht nur im administrativen, sondern auch im wissenschaftlichen Bereich (Nickel & Ziegele 2010).

In dem Vortrag werden Ergebnisse aus dem ersten von insgesamt drei aufeinander aufbauenden Teilprojekten von TransForM vorgestellt. Der Fokus liegt hier auf den Transferkanälen aus der deutschen Wissenschafts- und Hochschulforschung in das Management von drei zentralen Aufgabenbereichen von Hochschulen: Lehre und Studium, Forschung und Transfer. Untersucht werden unterschiedliche Arten von beobachtbaren Transferkanälen der WiHo-Forschung, und zwar nationale und internationale Publikationen, Tagungen und Social Media. Die empirische Erhebung erfolgt mittels Dokumentenanalyse. Im Ergebnis kann gezeigt werden, welche Transferkanäle von der WiHo-Forschung in welchem Ausmaß genutzt werden, um das Hochschulmanagement in den drei genannten Tätigkeitsfeldern zu adressieren und welche Themen dabei zur Sprache kommen. Dabei wird unterschieden zwischen organisationalen Akteuren der WiHo-Forschung im engeren Sinne (Ramirez, Beer & Pasternack 2021) und Akteuren im weiteren Sinne, z.B. nicht einschlägige Institute oder Lehrstühle der WiHo-Forschung sowie Hochschulmanagementeinrichtungen, deren Beschäftigte neben ihren Organisationsaufgaben ebenfalls wissenschaftlich tätig sind bzw. im Rahmen ihrer Managementtätigkeit Institutional Research betreiben. Der Beobachtungszeitraum erstreckt sich über zwei Jahre (August 2020 bis August 2022).

Literatur

Menold, N. (2008). Wissensintegration beim Entscheiden und Planen in Gruppen. Empirische

Ergebnisse mit Anwendungsmöglichkeiten für hochschulische Planungs- und Entscheidungsprozesse.

In: Scholkmann, A.; Roters, B.; Ricken, J. & Höckers, M. (Hrsg.): Hochschulforschung

und Hochschulmanagement im Dialog. Zur Praxisrelevanz empirischer Forschung über die Hochschule.

Münster: Waxmann, S. 39-53.

Nickel, S. & Ziegele, F. (2010). Karriereförderung im Wissenschaftsmanagement – nationale und internationale Modelle. Eine empirische Vergleichsstudie im Auftrag des BMBF. Band1. Gütersloh: Centrum für Hochschulentwicklung.

Ramirez, R.; Beer, A. & Pasternack, P. (2021). WiHoTop – Elemente einer Topografie der deutschen Wissenschafts- und Hochschulforschung. In: die hochschule 2/2021, S. 9-80.

Voorberg, W.H.; Bekkers V.J.J.M. & Tummers, L.G. (2015). A Systematic Review of Co-Creation and Co-Production: Embarking of the Social Innovation Journey. In: Public Management Review, Volume 17, S. 1333 – 1357.

Wilkesmann, U., & Wilkesmann, M. (2019). Wissensmanagement. (Wie) Lässt sich Wissen in der öffentlichen Verwaltung managen? In B. Werdes & T. Porsch (Hrsg.), Lehrbuch Verwaltungspsychologie. Göttingen: Hogrefe, S. 312–348.

 

Personalstrukturreform: eine Transferbiografie

Prof. Dr. Peer Pasternack
Institut für Hochschulforschung (HoF)

Das Projekt „Auf der Suche nach Relevanz: Transfererwartungen und Transfereffekte zwischen Hochschulforschung und Hochschulentwicklung“ (SuRele) stellt eine Transferbiografie der hochschulischen Personalstrukturreform in Deutschland vor. Diese Reform setzt sich aus unterschiedlichen Elementen zusammen, unter anderem Professorenbesoldungsreform, Wissenschaftszeitvertragsgesetz und dessen Novellierung, Einführung der Juniorprofessur, dann deren Ergänzung um die Tenure-Track-Option, Einführung von Lehrprofessuren, Ausbau strukturierter Promotionsverfahren. Analysiert wird, ob und auf welche Weise es der Hochschulforschung gelang, hierbei neue Problemstellungen und Horizonterweiterungen einzubringen und in Aushandlungs- oder Entscheidungsprozesse zwischen Hochschulpolitik und Hochschul­entwicklungspraxis zu intervenieren. Unter welchen Kontextbedingungen gelang oder misslang der Transfer hochschulforscherisch erzeugten Wissens, unter welchen Umständen verarbeitete die Hochschulforschung Wissen aus Praxis oder Politik? Auf Grundlage einer Analyse der relevanten Quellen werden erfolgte Transfers und ungenutzte Transferchancen rekonstruiert und so die Relevanz der Hochschulforschung im Rahmen der Personalstrukturreform untersucht.

Nickel-Wissenstransfer zwischen Hochschulforschung, Hochschulentwicklung-116_a.pdf
 
10:30 - 12:00Digitalisierung von Studium und Lehre
Ort: SL0203
Chair der Sitzung: Prof. Dr. Annika Boentert, FH Münster

Track 4: Herausforderungen der Studiengestaltung

 

Hausarbeit ade? Lehren und Prüfen im Zeitalter von Chat GPT und Co.

Prof. Dr. Vera Lenz-Kesekamp, Julia Jochim

Europäische Fernhochschule Hamburg, Deutschland

KI-Modelle, die auf Basis von Prompts Texte verfassen, die von menschengeschriebenen Erzeugnissen praktisch nicht zu unterscheiden sind, stellen unbeaufsichtigte Prüfungsformate wie Haus- und Projektarbeiten sowie die Thesis als Abschlussarbeit infrage, denn Studierende können ab sofort zumindest Teile der Schreibarbeit an die Software delegieren. Innovative Lösungen sind erforderlich, die die Vorteile künstlicher Intelligenz nutzen und gleichzeitig ein faires und transparentes Prüfungswesen gewährleisten (Weßels, 2022). Entsprechend rege gestaltet sich der fachliche Diskurs rund um die KI und ihre Auswirkungen auf den Hochschulbetrieb, wobei sowohl KI-robuste als auch KI-integrierende Prüfungsformen diskutiert werden (Huang, 2023). Zudem stellt sich die Frage, welche Kompetenzen Hochschulabsolventen künftig benötigen (Friedrich, 2023).

Der Beitrag widmet sich der Frage, welche Veränderungen sich durch Chat GPT und vergleichbare KI-Technologien für die Hochschullehre und insbesondere das Prüfungswesen ergeben. Das Forschungsprojekt nähert sich dieser Frage in einem nutzerzentrierten Mixed-Methods-Ansatz an:

  1. Auswertung einer Barcamp-Session im Februar 2023 zum Thema „Prüfen im Zeitalter von Chat GPT“ sowie von Workshops mit Lehrenden und Studierenden der Euro-FH im April/Mai 2023 mittels qualitativer Inhaltsanalyse.
  2. Standardisierte Umfrage unter den Studierenden der Euro-FH (ca. 8000 Personen) zu Nutzungsabsichten bezüglich KI im Studium sowie Wünschen für Prüfungsformen und Lehre
  3. Standardisierte Umfrage unter 450 Tutoren und Dozenten der Euro-FH zu Nutzungsabsichten von KI in der Lehre und möglichen Prüfungsformen.

Die Ergebnisse erlauben Einblick in die konkreten Bedarfslagen von Studierenden und Lehrenden, ihre Nutzungsabsichten, Vorbehalte und Erwartungen. Des Weiteren resultieren aus der Auswertung eine Vielzahl von Vorschlägen für neue Prüfungsformen unter Einbezug von KI, die auf Machbarkeit und Skalierbarkeit geprüft werden müssen.

Im Vortrag möchten wir die quantitativen und qualitativen Ergebnisse vorstellen und diskutieren und freuen uns auf einen Erfahrungsaustausch mit Kolleginnen und Kollegen zu diesem hochaktuellen Thema.

Quellen

Friedrich, J.-D. (2023). Zur Bedeutung von ChatGPT & der Notwendigkeit eines progressiven Umgangs mit neuen KI-Technologien im Hochschulbereich. Ein Zwischenstand in 6 Thesen. https://hochschulforumdigitalisierung.de/de/blog/chat-gpt-6-thesen

Huang, K. (2023). Alarmed by A.I. Chatbots, Universities Start Revamping How They Teach. https://www.nytimes.com/2023/01/16/technology/chatgpt-artificial-intelligence-universities.html

Weßels, D. (2022). ChatGPT ist erst der Anfang. https://hochschulforumdigitalisierung.de/de/blog/ChatGPT-erst-der-anfang

Lenz-Kesekamp-Hausarbeit ade Lehren und Prüfen im Zeitalter von Chat GPT und Co-149.docx


Studentische Einstellungen zu digitalen Lernumgebungen. Ergebnisse einer qualitativen Begleitforschung.

Julia Mertens, Prof. Dr. Kerstin Jürgens

Universität Kassel, Deutschland

Erfahrungen aus den Phasen des pandemiebedingten Lockdowns zeigten, dass neben der technischen Ausstattung von Bildungseinrichtungen auch angemessenen didaktischen Methoden sowie den Kompetenzen der Lehrkräfte im Umgang mit digitalen Medien eine fundamentale Rolle für die aktive Gestaltung des digitalen Wandels zukommt. Forschungsergebnisse der letzten Jahre zeigten zudem, dass nicht nur Kompetenzprofile von Lehrkräften entscheidend für Handlungen sind, sondern auch eine Vielzahl kognitiver und affektiver Merkmale. Betont wird dabei häufig die Rolle von Einstellungen und Deutungsmustern, da sich diese direkt handlungsleitend auswirken. Eine soziologisch ausgerichtete Perspektive kann dazu beitragen, die verinnerlichten und als schwer veränderlich geltenden Denkmuster von Lehramtsstudierenden sichtbar zu machen. Auf Grundlage des Bourdieus Habituskonzept (Bourdieu, 1987) erweiternden Konzepts des Orientierungsrahmens des Handelns (Bohnsack, 2014) lassen sich sozialstrukturelle Ursachen verinnerlichter Denkmuster ganzheitlich in den Blick nehmen; in subjektorientierter Perspektive können die Wirkweisen epistemologischer Überzeugungen und subjektiver Theorien (Schüssler et al., 2012) ausgeleuchtet werden.

Der Beitrag präsentiert dazu Ergebnisse einer qualitativen Begleitforschung des vom BMBF geförderten Forschungsverbundes PRONET-D an der Universität Kassel („Professionalisierung im Kasseler Digitalisierungsnetzwerk“). Das Projekt untersucht, inwiefern spezifisch auf die Förderung digitalisierungsbezogener Kompetenzen ausgelegte Lernumgebungen Einstellungen zur Digitalisierung sowie Überzeugungen von der eigenen Professionalität verändern können. Auch gilt es zu eruieren, inwiefern Digitalisierung als soziale Praxis im professionellen Selbstverständnis der Studierenden habitualisiert ist. Das Projekt zielt damit auf eine Erhebung zugrundeliegender Einstellungsmuster von Studierenden sowie deren potenzieller Veränderbarkeit ab.

Die Daten werden im Projekt durch leitfadengestützte, teilnarrative Interviews (Helfferich, 2014) in einem Prä-Post-Design erhoben, sodass individuelle Deutungsmuster und Einstellungen frei erzählt und in ihrem Wandel rekonstruiert werden können. Auf der Basis der Prä-Interviews vor Besuch der digitalisierungsbezogenen Lehrveranstaltung konnten durch vergleichende Fallinterpretation (Kelle & Kluge, 2010) verschiedene Dimensionen identifiziert werden, entlang derer die Studierenden heterogene Merkmale bezüglich ihrer subjektiven Deutung des digitalen Wandels, ihrer Bereitschaft des Erwerbs digitaler Kompetenzen und des Einsatzes im Beruf sowie ihren Vorstellungen der eigenen Rolle im Beruf aufweisen. Entlang dieser Dimensionen wurden Typisierungen klassifiziert, die sich zwischen den Merkmalen annehmend und ablehnend zum digitalen Wandel eingestellt sowie eines eher aktiven bzw. passiven Charakters in den Handlungsweisen einordnen lassen.

Die vorzustellenden Ergebnisse können wichtige Impulse für die Gestaltung der Lehrkräfteausbildung sowie für die Entwicklung von Lehrangeboten im Studium geben, da das Projekt fächerübergreifend aufzeigt, welche Faktoren den studentischen Lernerfolg begünstigen, aber auch welche heterogenen Einstellungen sich unter den Studierenden finden, auf die Lehrende an Hochschulen zu reagieren haben.

Literatur

Bohnsack, R. (2014). Habitus, Norm und Identität. In: Helsper, W., Kramer, R. T., Thiersch, S. (Hrsg.). Schülerhabitus. Theoretische und empirische Analysen zum Bourdieuschen Theorem der kulturellen Passung, Wiesbaden: Springer VS. S. 33-55.

Bourdieu, P. (1987 [1980]). Die feinen Unterschiede. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Helfferich, C., 2014: Leitfaden- und Experteninterviews. In: Baur, N. & Blasius, J. (Hrsg.): Handbuch Methoden der empirischen Sozialforschung. Wiesbaden: Springer VS. S. 559-574.

Kelle, U., & Kluge, S. (1999). Vom Einzelfall zum Typus. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Schüssler, R., Keuffer, J., Günnewig, K. & Scharlau, I. (2012). „Praxis nach Rezept?“ – Subjektive Theorien von Lehramtsstudierenden zu Praxisbezug und Professionalität. Reform der Lehrerbildung in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Teil 1: 141-164.

Mertens-Studentische Einstellungen zu digitalen Lernumgebungen Ergebnisse einer qualitativen Begleitforschung-.docx


Von der Entropie zur Strategie? Organisationsmuster der Digitalisierung von Hochschulbildung nach dem Ende der Pandemie

Dr. Roland Bloch1, Dr. Sylvi Mauermeister2

1Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Deutschland; 2Universität Paderborn, Deutschland

Durch die Pandemie wurde die Hochschullehre abrupt und nahezu komplett von Präsenz- auf Online-Lehre umgestellt. Unter den Bedingungen des „emergency remote teaching“ (Hodges et al. 2020) fand Digitalisierung nicht als behutsames Testen von Modellen statt und digitale Technologien wurden nicht im Rahmen von mittel- bis langfristigen Reformprozessen implementiert, sondern unter den Bedingungen erheblicher Unsicherheit. Politisch wurde diese Entwicklung als erwünschter ‚Digitalisierungsschub‘ dargestellt. An den Hochschulen begrüßten die einen die neuen Möglichkeiten in der Hochschullehre durch die Digitalisierung (Kerres 2020), andere betonten ihre Grenzen (Watermeyer et al. 2021). Nach dem Ende der Pandemie stellt sich nun die Frage, wie die Hochschulen Digitalisierung nach der ad-hoc-Einführung gestalten.

Nachdem während der Pandemie fast alle Lehrveranstaltungen online angeboten worden waren, sind die Hochschulen inzwischen größtenteils wieder zur Präsenzlehre zurückgekehrt. Eine von uns durchgeführte Erhebung des kompletten Lehrangebots von 17 staatlichen Universitäten zeigt allerdings erhebliche Unterschiede: Im Sommersemester 2022 reichten die Anteile von Online-Lehrveranstaltungen am gesamten Lehrangebot dieser Universitäten von 0,6 bis 61,6 Prozent. Diese Ergebnisse werfen die Frage auf, welche Bedeutung der organisationalen Ebene für die Gestaltung der Digitalisierung zukommt.

In Anlehnung an Nils Brunssons (1989) Organisationstheorie haben wir organisationsbezogene Merkmale der Digitalisierung an 74 staatlichen Universitäten erhoben. Diese umfassen das Vorhandensein und die Ausgestaltung von Digitalisierungsstrategien (als Selbstbeschreibung im Sinne von talk), die Verankerung der Digitalisierung als Leitungsaufgabe (als Formalstruktur im Sinne von decisions) sowie die Beteiligung relevanter Organisationseinheiten an der Digitalisierung (als faktische Operationen im Sinne von actions). Anschließend wurden mittels einer Clusteranalyse vier Organisationsmuster identifiziert, die sich hinsichtlich der Kopplungen von talk, decisions und actions voneinander unterscheiden. Enge Kopplungen dieser drei Ebenen weisen jene Universitäten auf, die über eine Digitalisierungsstrategie verfügen, Digitalisierung als Leitungsaufgabe definieren und eine hohe Zahl von Organisationseinheiten beteiligen („Vorreiter“), und jene, bei denen dies durchgängig nicht der Fall ist („Minimalisten“). Die beiden anderen Organisationsmuster sind von partiellen Entkopplungen gekennzeichnet: Entweder sind formulierte Strategien und Zuständigkeiten auf Leitungsebene nicht mit einer breiten Beteiligung von Organisationseinheiten verbunden („Strategen“) oder es gibt eine breite Beteiligung innerhalb der Hochschule, aber ohne dass die Leitungsebene involviert ist („Aktivisten“). Der eingeschlagene Governance-Pfad der Universitäten steht auch im Zusammenhang mit strukturellen Faktoren wie der Größe der Universität oder dem Anteil ausländischer Studierender.

Insgesamt erweitern die Befunde das Wissen über die organisationalen Ausgestaltungen der Digitalisierung und deren strukturellen Bedingungen an den Universitäten in Deutschland. Sie zeigen, dass Unterschiede in der Digitalisierung nicht allein fachkulturell, sondern auch organisational bedingt sind.

Literatur

Brunsson, N. (1989): The organization of hypocrisy. Talk, decisions and actions in organizations. New York: Wiley.

Hodges, C; Moore, S.; Lockee, B.; Trust, T.; Bond, A. (2020): The Difference between Emer-gency Remote Teaching and Online Learning. In: Educause Review. https://er.edu-cause.edu/articles/2020/3/thedifference-between-emergency-remote-teaching-and-online-learning

Kerres, M. (2020): Against All Odds: Education in Germany Coping with Covid-19. In: Postdigital Science and Education 2 (3), S. 690–694.

Watermeyer, R.; Crick, T.; Knight, C.; Goodall, J. (2021): COVID-19 and digital disruption in UK universities: afflictions and affordances of emergency online migration. Higher Education 81, S. 623–641.

Bloch-Von der Entropie zur Strategie Organisationsmuster der Digitalisierung von Hochschulbildung nach dem.pdf
 
10:30 - 12:00Impulse für die Hochschulentwicklung
Ort: SL0206
Chair der Sitzung: Dr. Marc Hüsch, CHE Centrum für Hochschulentwicklung

Track 6: Impulse für die Hochschulentwicklung

 

Empirisch informierte Hochschulentwicklung – ein Beispiel aus der Praxis

Dr. René Krempkow, Angela Weißköppel

HTW Berlin, Deutschland

Wie kann empirische Hochschulforschung mit Hochschulentwicklung verzahnt werden? Das ist auch die zentrale Frage in einem Projekt, in dem für Maßnahmen rund um Curriculum­entwicklung Datenerhebungen und Analysen mit dem Ziel der Weiterentwicklung der Lehre erfolgen. Dies steht im Spannungsverhältnis des Einsatzes wissenschaftlich-empirischer Methoden zur Datengewinnung und der Ansprüche an eine gewisse methodische Strenge einerseits, und dem Erfordernis der Bereitschaft zu Kompromissen sowie pragmatischer Herangehens­weise aufgrund kurzer Projektlaufzeit und weiterer Rahmenbedingungen andererseits.

Im geplanten Beitrag soll der Umgang mit gegenläufigen Ansprüchen anhand der Vorstellung des Konzeptes und von Datenerhebungen/-analysen für eine formative Evaluation reflektiert und diskutiert werden. Dabei stellt sich das Erhebungsdesign auch dem Anspruch, Ansätze zur Erfassung von Wirkungszusammenhängen und zur Reflektion von Wirkungs­vermutungen zu formulieren. Beim Projekt handelt es sich um das an der HTW Berlin angesiedelte durch die Stiftung "Innovation in der Hochschullehre" geförderte Curriculum Innovation Hub (CIH), welches mit acht Teilprojekten eine didaktisch durchdachte sowie technisch/räumlich weiter untermauerte Basis an den Schnittstellen der Fachbereiche für zukunftsfähige blended Curricula schaffen soll.

Ziel ist es, digitales Lehren/Lernen an der HTW Berlin stärker als bisher evidenzbasiert – oder zumindest empirisch informiert – weiterzuentwickeln. Hierbei sollen Maßnahmen und Prozesse des CIH formativ auf ihre Wirkungsorientierung hin reflektiert und überprüft werden. Es werden sowohl die Ebene des Gesamtprojekts als auch die der Teilprojekte bzw. Arbeitspakete einbezogen. Der Fokus der Wirkungsüberprüfung liegt dabei auf Zielen, Ergebnissen und Nachhaltigkeit. Für den theoretischen Rahmen soll ein Qualitätsmodell entlang der Dimensionen Ziel-, Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität genutzt werden, wobei wir uns an bereits früher entwickelte Modelle (vgl. z.B. Pasternack 2004, Krempkow 2009) anlehnen, was als Analyse- und Reflexionsraster fungieren soll. Die formative Wirkungsüberprüfung soll das CIH bzw. dessen Maßnahmen/Teilprojekte während der Durchführung konzeptionell begleiten und unterstützen (im Sinne von Begleitforschung) sowie Rahmenbedingungen schaffen, die die Wirksamkeit der Maßnahmen/Teilprojekte wahrscheinlicher machen.

Ein großer Teil der Datenerhebungen erfolgt qualitativ (v.a. Leitfaden-/ Fokusgruppen­interviews), um die Wahrnehmung von Maßnahmen und Verbesserungsvorschläge durch die Beteiligten direkt zu erfassen und in die Weiterentwicklung/Umsetzung einzubeziehen. Ein Evaluationsdesign i.S.v. Wirkungsanalysen mit Treatment- und Kontrollgruppe sowie als Prä-Post-Design lässt sich aufgrund verfügbarer Ressourcen und Datenschutz­bedingungen nur für bestimmte Ziele des CIH umsetzen (vgl. zu Anforderungen und Realisierungsmöglichkeiten Schmidt & Jongmanns 2021). Allerdings lassen sich auch z.B. bei statistischer Kontrolle der Zusammensetzung von Probanden und ansonsten ähnlicher Kontextbedingungen Wirkungs­aussagen ableiten (z.B. Krempkow, Mayweg & Reinecke 2018).

Hier sollen die entwickelten digitalen und hybriden Lehr- und Prüfungsformate konkret z.B. durch Auswertung von Prüfungsdaten und gruppenspezifische Interviews sowie Befragungen evaluiert werden. So ist geplant, für die Einführung digitalisierter Mathematik-Übungs­aufgaben Wirkungsaussagen abzuleiten, indem die Studierenden zufällig einer Treatment- und einer Kontrollgruppe zugeteilt werden. So soll ermöglicht werden, die späteren Mathematik-Klausurergebnisse beider Gruppen zu vergleichen, und in Gruppeninterviews subjektive Einschätzungen und Weiterentwicklungsvorschläge hierzu zu erfassen, vor und nach o.g. Maßnahme. Ähnliches ist für die Informatik angedacht. Ein mögliches Ergebnis könnte in diesem konkreten Fall sein, bei digitalen Mathematik- bzw. Informatik-Übungsaufgaben an den jeweils bewältigten Schwierigkeitsgrad angepasstes Feedback zu geben und Aufgaben weiterzuentwickeln, um so den Lern-/Lehrerfolg zu fördern.

Abschließend soll diskutiert werden, inwieweit solche Ansätze auch auf ähnliche Maßnahmen andernorts übertragbar wären.

Krempkow-Empirisch informierte Hochschulentwicklung – ein Beispiel aus der Praxis-110.pdf


Fachzentren und ihr Beitrag zur Hochschulentwicklung

Dr. Sarah Schmidt

Goethe-Universität Frankfurt, Deutschland

Die Goethe-Universität Frankfurt hat im Rahmen des Qualitätspakt-Lehre-Projektes vier Fachzentren zur Verbesserung von Studium und Lehre eingerichtet: das Zentrum Naturwissenschaften, das Zentrum Geisteswissenschaften, das Zentrum für Lehrerbildung sowie das Methodenzentrum Sozialwissenschaften. Durch verschiedene Mechanismen können die Fachzentren dazu beitragen, die Qualität von Studium und Lehre zu verbessern und die Kommunikation zwischen den Fachbereichen und darüber hinaus zu optimieren.

Das Methodenzentrum Sozialwissenschaften befragt alle zwei Jahre die Studierenden der zugehörigen Fachbereiche zu den Angeboten des Zentrums und ihren eigenen Kompetenzen. Die Ergebnisse fließen regelmäßig in die Weiterentwicklung des Methodenzentrums und seiner Angebote ein. So wurde zum Beispiel das Konzept der Methodenwoche auf Grund der Rückmeldungen überarbeitet.

Die Methodenwoche war ein Workshop-Angebot und umfasste Grundlagenkurse für Einsteiger*innen und vertiefende Veranstaltungen für fortgeschrittene Methodenanwender*innen. Es deckte quantitative und qualitative Ansätze ab und war interdisziplinär angelegt.

Ziel der Methodenwoche war, das Lehrangebot im Methodenbereich über das Pflichtcurriculum hinaus zu erweitern und die Methodenkompetenz der Studierenden zu stärken. Dabei richtete sich das Angebot sowohl an Studienanfänger*innen als auch an fortgeschrittene Studierende. Denn sowohl im Verlauf von Lehrveranstaltungen als auch bei eigenständigen Literaturrecherchen, Hausarbeiten und Abschlussarbeiten können sie von breiten Methodenkenntnissen und einem umfassenden Methodenverständnis profitieren. Das Workshop Angebot im Rahmen der Methodenwoche umfasste Grundlagenkurse und vertiefende Veranstaltungen für fortgeschrittene Methodenanwender*innen. Es deckte quantitative und qualitative Ansätze ab und war ebenso interdisziplinär angelegt. Aus dem Angebot konnten bis zu zwei Workshops ausgewählt werden.

Die Studierenden gaben in diversen Evaluationen die Rückmeldung, dass sie sich ein breiteres Angebot wünschen, bei dem sie mehr Workshop besuchen können. Daher wurde das Programm - jetzt WoMepS (Workshops zu Methoden der empirischen Sozialforschung) - über das gesamte Jahr 2023 gestreckt und insgesamt 50 Workshops zu verschiedenen Themen angeboten. Zudem wurden Workshopreihen zu bestimmten Themen angeboten, so dass Studierende die Möglichkeit haben, innerhalb eines Jahres zum Beispiel die Software R vom Öffnen des Programms bis zu komplexen statistischen Verfahren zu erlernen oder verschiedene Möglichkeiten der Interviewführung auszuprobieren.

Diese Entwicklung strahlt in die ganze Hochschule, da nicht nur die Rückmeldungen von Studierenden in die Planung eingeflossen sind, sondern auch das Feedback von Lehrenden außerhalb der Fachbereiche des Methodenzentrums. So konnten wir unter anderem auch Angebote für die empirischen Sprachwissenschaftler generieren und auf Geisteswissenschaftler zuschneiden.

Ähnliche Prozesse finden datengestützt auch in den anderen Fachzentren statt. Der Vortrag wird über die Möglichkeit solcher Prozesse und der Einflussnahme auf die Hochschulentwicklung berichten und konkrete Beispiele aus dem Methodenzentrum vorstellen.

Schmidt-Fachzentren und ihr Beitrag zur Hochschulentwicklung-164.pdf


Die Rolle der Identifikation als Gelingensbedingung von Verbünden zur Hochschulentwicklung: Eine empirische Untersuchung im Mixed-Methods-Design

Johnny Hartmann1, Dr. Sarah Berndt1, Johanna Ruge2

1Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (OVGU), Deutschland; 2Universität Hamburg (UHH), Hamburger Zentrum für Universitäres Lehren und Lernen (HUL), Deutschland

Lehrbezogene Qualitätsentwicklungsaktivitäten finden zunehmend in Hochschulverbünden statt. Das grundlegende inhaltliche Motiv dafür ist, dass Qualitätsentwicklung von Zusammenarbeit und Austausch profitiert. Aus hochschuldidaktischer Perspektive bietet die Verbundarbeit das Potential der Etablierung einer community of practice [CoP] (vgl. Wenger 1998), die nachhaltig zu Entwicklungen an den jeweiligen Hochschulen beitragen kann. Daneben existieren aber auch Herausforderungen in derartigen Kooperationen, bspw. im Hinblick auf die Kommunikation, das Management sowie das Commitment gegenüber dem Verbund und seinen Zielen, die für das Gelingen der Verbünde zur Hochschulentwicklung hinderlich sein können (vgl. Fuest 2004, Hückstädt et al. 2022). Eine umfassende empirische Untersuchung von Gelingensbedingungen und hinderlichen Bedingungen der Verbundarbeit im Bereich Qualitätsentwicklung in Studium und Lehre steht bisher jedoch aus. Der Beitrag greift diese Forschungslücke auf, indem er die Bedeutung der Identifikation als Gelingensbedingung von Verbünden fokussiert. Er beschäftigt sich – theoretisch eingebettet in Subjektivierungstheorien (vgl. Bröckling 2007) und den CoP-Ansatz (vgl. Wenger 1998) sowie angelehnt an den Forschungsstand zum Erfolg von Forschungsverbünden (vgl. Hückstädt et al. 2022) – insofern mit folgenden Fragen:

1) Welche Bedingungen begünstigen bzw. hemmen die Identifikation der Akteur:innen mit dem Verbund im Bereich Hochschulentwicklung? Wie wird die Identifikation gefördert?

2) In welchen Ausprägungsformen tritt die Identifikation auf?

3) Welchen Mehrwert hat die Identifikation für die Verbundarbeit und die jeweiligen Akteur:innen? Inwiefern beeinflusst die Identifikation der Akteur:innen mit dem Verbund dessen Erfolg?

Methode

Es kommen sowohl quantitative wie auch qualitative Forschungsmethoden zum Einsatz, die mittels Triangulation miteinander verwoben werden. Die quantitative Untersuchung basiert auf Querschnittsdaten von 160 Akteur:innen in 62 deutschen Hochschulverbünden zur Entwicklung von Studium und Lehre, die im Jahr 2022 mittels einer teil-standardisierten Onlinebefragung erhoben wurden. Die Auswertung erfolgt hierbei mittels deskriptiver Verfahren sowie multipler Regressionsanalysen.

In der qualitativen Untersuchung wird eine exemplarische Betrachtung von drei ausgewählten Verbünden vorgenommen. Hier wurde beim Sampling darauf geachtet, dass verschiedene Verbundkonstellationen vertreten sind. Es wurden narrative Interviews mit unterschiedlichen Akteursgruppen durchgeführt. Die Auswertung orientiert sich am Grounded Theory Ansatz (Mey & Mruck 2011).

Erste Ergebnisse

Aus den Ergebnissen der multiplen Regressionsanalysen kristallisiert sich auf mehreren Zieldimensionen (z.B. inhaltliche Zielerreichung, Wichtigkeit des Verbunds für den Erfolg des Teilprojekts) heraus, dass diese in einem signifikant positiven Zusammenhang mit der Identifikation der Befragten hinsichtlich ihres Verbundes zur Hochschulentwicklung stehen. Außerdem zeigt sich anhand der Daten, dass die Identifikation durch bestimmte Kooperationsaspekte bedingt wird (z. B. ein offener und transparenter Austausch). Die qualitativ-rekonstruktiven Analysen zeigen darüber hinaus, dass es ein vielfältiges Spektrum an Identifikationsformen mit dem Verbund gibt. Die Identifikation mit dem Verbund wird durch Maßnahmen des communitybuildings aktiv durch die Verbundkoordination gefördert.

Literatur

Bröckling, U. (2007): Das unternehmerische Selbst. Soziologie einer Subjektivierungsform. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.

Fuest, V. (2004): „Alle reden von Interdisziplinarität, aber keiner tut es“. Anspruch und Wirklichkeit interdisziplinären Arbeitens in Umweltforschungsprojekten. URL: http://www.heidelberger-lese-zeiten-verlag.de/archiv/online-archiv/fuestneu.pdf.

Hückstädt, M., Janßen, M., Oberschelp, A., Wagner, N., Weinmann, C. & Winde, M. (2022): Forschungskooperation im Verbund. Future Lab: Kooperationsgovernance – Diskussionspapier 6. URL: https://www.stifterverband.org/sites/default/files/forschungskooperation_im_verbund.pdf.

Mey, G. & Mruck, K. (2011): Grounded Theory Reader. Wiesbaden: Springer VS.

Wenger, E. (1998): Communities of practice: Learning, meaning and identity. New York: Cambridge University Press.

Hartmann-Die Rolle der Identifikation als Gelingensbedingung von Verbünden-106.pdf
 
12:00 - 13:00Mittagspause (inkl. Posterpräsentation)
Ort: Mensa
13:00 - 14:00Keynote
Ort: SL0008a/b
Chair der Sitzung: Prof. Dr. Frank Ziegele, CHE Centrum für Hochschulentwicklung

Reflexives Hochschulmanagement: Welche Theorie braucht die Praxis?

Prof. Dr. Lothar Zechlin | Universität Duisburg-Essen und Autor des Buches „Die selbstreflexive Universität“

14:00 - 14:30Kaffeepause
Ort: Foyer
14:30 - 16:00Wissenschaftliche Autonomie und Personalgewinnung
Ort: SL0202
Chair der Sitzung: Prof. Dr. Susan Harris-Hümmert, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg

Track 1: Gestaltungsfragen der Hochschulpraxis

 

Die Analyse von professoralen Personalgewinnungsprozessen – Problemstellung aus der Praxis, wissenschaftlich untersucht

Hanna Hettrich

Hochschule Kaiserslautern, Deutschland

Professorales Personal ist eine wichtige Qualitätsressource für Hochschulen. Aufgrund dieser hohen Bedeutung, aber auch aufgrund der Ausgestaltung der bestehenden, formalisierten und komplexen Verfahren, widmen sich einige Hochschulen in den letzten Jahren der Reflexion ihrer Personal-Gewinnungs-Prozesse (Frey, Braun, & Peus, 2015), darunter auch die Hochschule Kaiserslautern.

Aktuelle Erkenntnisse in der wissenschaftlichen Personalforschung können nicht ohne Weiteres auf einzelne Hochschulen übertragen werden (Becker, 2019). An der Hochschule Kaiserslautern fehlt das Wissen darüber, an welchen konkreten Prozessschritten für die unterschiedlichen Beteiligten Probleme entstehen bzw. welche Bedürfnisse die unterschiedlichen Statusgruppen in dem Prozess haben. Aus hochschulsteuerungsrelevanter Perspektive besteht das grundlegende Interesse darin, professorale Personalgewinnungsprozesse zügiger und transparenter zu gestalten, dabei die Rechtssicherheit der Verfahren zu gewährleisten.

Diese praktische Problemstellung wird an der Hochschule Kaiserslautern mit wissenschaftlichen Methoden untersucht, im Sinne der design based research, welche geeignet ist, um das Transferproblem zwischen Theorie und Praxis zu überwinden (Schmiedebach & Wegner, 2021) und praktische Interessen mit wissenschaftlichen zu verschränken (Raatz, 2016).

Problemzentrierte Interviews mit neuberufenen Professor*innen der Hochschule (n=7), durchgeführt im Rahmen der Konzeptphase eines Bundes-Förder-Programms (FH-Personal) dienten als Impuls für weiterführende Untersuchungen. Um möglichst viele weitere Perspektiven miteinzubinden, wurde das Personalgewinnungsverfahren unter Einbezug unterschiedlicher Befragtengruppen beleuchtet. In vier Gruppendiskussionen wurden die Dekane der fünf Fachbereiche (n=5), die Mitglieder von Berufungs-Kommissionen (überwiegend Professor*innen; n=9), Dekanatsmitarbeiterinnen (n=3) nach Herausforderungen, Chancen und besonderen Bedarfen befragt.

Als zentrale Dimensionen zu Herausforderungen im Personalgewinnungsprozess konnten die Verfahrensabläufe, das Thema Personalauswahl und das Thema Ansprache & Kommunikation mit den Bewerber*innen ausgearbeitet werden, die jeweils mehrere unterschiedliche Ausprägungen aufweisen. Daran anschließend wurden konkrete Handlungsbedarfe und Vorschläge zur Optimierung abgeleitet (Verfahrensabläufe: z.B. Einrichtung einer Gutachter*innen-Datenbank, Einsatz einer*s Berufungsmanager*in; Personalauswahl: z.B. Aufzeigen von best-practice-Strategien, Schulungen zu Personalauswahl; Kommunikation Bewerber*innen: z.B. zentraler Dokumentenpool, Vernetzung Dekanate, Schulungen zu Ansprache). Darüber hinaus wurden die besondere Rolle des Vorsitzes von Berufungskommissionen und die der Berufungskommissionen selbst erörtert und konkrete Unterstützungsbedarfe abgeleitet (Vorsitz: z.B. Vorbereitung, Coaching & Beratung, Bereitstellung von Templates; Kommission: z.B. Briefing & Einschwören, Zeitschiene, Beratung& Begleitung, lessons learnt-Gespräch).

Eine weitere Gruppendiskussion mit den Gleichstellungsbeauftragten der Fachbereiche ist geplant und wird hoffentlich weitere Erkenntnisse zur Optimierung der Verfahren liefern.

Die Untersuchungen bilden den Ausgangspunkt für die Optimierung des Prozesses an den sich der Entwurf eines neuen Verfahrens anschließt. Ob ein erfolgreicher Transfer, der entwickelten Konzepte in die Praxis stattgefunden hat, können Anschlussuntersuchungen zeigen.

Literaturverzeichnis

Becker, F. (2019). Akademisches Personalmanagement. Band 2: Berufungsverfahren, Personalbeschaffung und -auswahl an Hochschulen. (A. Hanft, Hrsg.) Münster New York: Waxmann.

Frey, D., Braun, S., & Peus, C. (2015). Herausforderungen der Personalwahl in der Wissenschaft: Berufungsverfahren an deutschen Universitäten. In C. Peus, S. Braun , T. Hentschel, & D. Frey, Personalauswahl in der Wissenschaft. Evidenzbasierte Methoden und Impulse für die Praxis. (S. 4-14). Heidelberg, Berlin: Springer -Verlag.

Raatz, S. (2016). Entwicklung von Einstellungen gegenüber verantwortungsvoller Führung.Eine Design-based Research Studie in der Executive Education. Wiesbaden: Springer VS. doi:https://doi.org/10.1007/978-3-658-11980-5

Schmiedebach, M., & Wegner, C. (2021). Design-Based Research als Ansatz zur Lösung praxisrelevanter Probleme in der fachdidaktischen Forschung. Bildungsforschung, 2, 1-10. doi:10.25656/01:23920

Hettrich-Die Analyse von professoralen Personalgewinnungsprozessen – Problemstellung aus der Praxis, w.pdf


Entscheidungsverhalten in der Ausgestaltung einer Grauzone – Hochschulpraktische Implikationen der Beforschung professoraler Personalauswahl

Valerie Hug

Hochschule Bremen, Deutschland

Berufungsverfahren sind als zentrale Steuerungsinstanz des Personalmanagements an staatlichen Fachhochschulen und Universitäten immer wieder in den Fokus der Hochschulforschung gerückt. Erkenntnisinteresse und Ausrichtung waren dabei verschieden – deutlich wird jedoch, dass Optimierungspotentiale bezüglich deren Ausgestaltung bestehen.

Vonseiten des Wissenschaftsrats wurde die Qualitätssicherung der Berufungsverfahren in Form konkreter Empfehlungen ebenfalls adressiert (WR 2005; 2022). Beobachtungen aus dem Hochschulkontext geben darüber hinaus Grund zur Annahme eines ‚Common Sense‘ darüber, dass Berufungsverfahren durch das Zusammentreffen verschiedener Interessen, Fachkulturen und Herangehensweisen nicht nur Konfliktpotential, sondern auch Raum für Mikropolitik bergen. Das implizite Wissen der beteiligten Akteur:innen über diesen Umstand, gepaart mit hochschulpolitischen Akzentsetzungen zur Professionalisierung der Berufungsverfahren, reicht jedoch bislang offensichtlich nicht aus, um die bereits bekannten Schwierigkeiten im Berufungsgeschehen zu adressieren. Aktuelle Reformbemühungen konzentrieren sich u.a. auf die Verschlankung und Digitalisierung der Verfahrensabwicklung sowie die Optimierung des Bewerber:innenmanagements. Sie vernachlässigen dabei jedoch die organisationstheoretische Untersuchung des Entscheidungsverhaltens der Beteiligten, welche sich in Ermangelung einer gezielten Vorbereitung auf die verantwortungsvolle Aufgabe der professoralen Personalauswahl (u.a. Becker, 2014) sowie handhabbare Handreichungen zur Ausgestaltung der Verfahren dazu gezwungen sehen, auf individuelle Strategien der Entscheidungsfindung zurückzugreifen. Diese entsprechen dann ihrer Realität und Zielsetzung, unterlaufen aber gegebenenfalls formale Vorgaben. Empirische Ergebnisse auf einer belastbaren Datengrundlage können daher Ausgangspunkt für die Ableitung von hochschulpraktischen Ansätzen zur Weiterentwicklung von Berufungsverfahren sein.

Das zugrundeliegende Forschungsprojekt zielt entsprechend darauf ab, verborgene Dynamiken im Feld der Berufungsverfahren zu rekonstruieren und bestehendes implizites Wissen auf einer empirischen Basis zu explizieren und zu systematisieren. Dabei wird der Umgang der Kommissionsmitglieder mit Auswahlkriterien wie Lehrkompetenz, Forschungsleistung, Persönlichkeit u.a. auf dem Weg zur fertigen Berufungsliste genauso in den Blick genommen wie die Frage, welche individuellen und kollektiven Entscheidungsstrategien zum Einsatz kommen, um die finale Berufungsauswahl zu treffen, wenn formale Leitfäden und Kriterienkataloge an die Grenzen ihrer Handhabbarkeit stoßen.

Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurden zwanzig problemzentrierte Interviews an staatlichen Fachhochschulen und Universitäten mit Kommissionsvorsitzenden und Mitarbeitenden des Berufungsmanagements geführt und inhaltsanalytisch ausgewertet. Theoretische Grundlage bildet das Konzept der Handlungsrationalität und Entscheidungsrationalität nach Brunsson (1985). Die bisher vorliegenden Ergebnisse verweisen darauf, dass sich hinter der Frage nach dem Umgang der Kommissionsmitglieder mit den latenten und manifesten Auswahlkriterien vielfältige Strategien des Entscheidungsverhaltens verbergen, wobei ein vermeintlich rationales Handeln nicht zwangsläufig zu einem zufriedenstellenden Ergebnis führen muss. Es zeigt sich, so die ersten Ergebnisse der Studie, dass im Feld der Berufungsverfahren eine Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit besteht, wenn die postulierte Objektivierbarkeit durch strenge Formalisierung im handlungsrationalen Vorgehen der Akteure keinen Widerhall finden kann.

Im vorliegenden Beitrag soll daher der Frage nachgegangen werden, wie erstens seitens der beteiligten Akteure mit den ‚Graubereichen‘ zwischen pragmatischem Vorgehen und Formalisierungserfordernissen umgegangen wird und zweitens, welche handlungsleitende Schlüsse aus dieser Beforschung der Berufungsverfahren im Sinne der Hochschulentwicklung gezogen werden können, um den Abbau von Handlungsunsicherheiten in diesem Aufgabenfeld und die Passung institutioneller Formalia zur tatsächlichen Berufungspraxis zu befördern.

Literatur

Becker, F. G. (2014). Berufungsverfahren für Universitätsprofessoren. Veränderung tut Not. Das Hochschulwesen, 62 (4+5), 111-115.

Brunsson, N. (1985). The Irrational Organization. Irrationality as a basis for organizational Action and change. Wiley.

Kleimann, B. & Hückstädt, M. (2018). Auswahlkriterien in Berufungsverfahren: Universitäten und HAWs im Vergleich. Beiträge zur Hochschulforschung 40 (2). 20-46.

Wissenschaftsrat (WR) (2005). Empfehlungen zur Ausgestaltung von Berufungsverfahren. Drs. 6709-05. https://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/6709-05.html

Wissenschaftsrat (WR) (2022). Empfehlungen für eine zukunftsfähige Ausgestaltung von Studium und Lehre. Drs. 9699-22. Köln.

Hug-Entscheidungsverhalten in der Ausgestaltung einer Grauzone – Hochschulpraktische Implikationen der B.pdf


Individuelle Autonomie von Wissenschaftler*innen – ein konzeptioneller Vorschlag

Tobias Bochmann

Leibniz Universität Hannover, Deutschland

Die Freiheit von Wissenschaft und Forschung ist – gerade an der Schnittstelle von Hochschulforschung und Hochschulentwicklung – ein gegenwärtig wieder viel diskutiertes Thema.

Mit dem Academic Freedom Index (AFI) existiert auf Länderebene inzwischen ein (im Ansatz auch methodisch überzeugender) Datensatz, der es erlaubt, Wissenschaftsfreiheit international vergleichend in den Blick zu nehmen (Spannagel/Kinzelbach 2022).

Auf „Tatsachenwissen“ (Schimank 2021) abzielende Untersuchungen, die dezidiert die individuelle Ebene fokussieren, liegen dagegen bislang kaum vor. Das überrascht nicht zuletzt deshalb, weil – zumindest in Deutschland – Wissenschaftsfreiheit primär als individuelles Abwehrrecht im Grundgesetz verankert ist (Scholz 2017).

Auch wenn die Freiheit der Wissenschaft damit einem normatives Ideal gleichkommt (Özmen 2021), dürfen juristisch-normatives Sollen und empirisch beobachtbares Sein nicht gleichgesetzt werden (Zechlin 2017). Der vorliegende Beitrag nimmt die Freiheit von Wissenschaftler*innen daher aus der Perspektive des sozialwissenschaftlichen Konzepts der individuellen Autonomie in den Blick.

Ausgehend von einer professions- (Torka 2014) und wettbewerbssoziologischen (Krücken 2021) Fundierung, wird eine doppelte Unterscheidung vorgeschlagen, um das Konzept für empirische Untersuchungen fruchtbar zu machen: Auf inhaltlicher Ebene muss eine formale (de jure) Dimension von Autonomie von einer faktischen (de facto) Dimension abgegrenzt werden, auf methodischer Ebene ist zwischen wahrgenommener (geschilderter) und tatsächlich-praktischer (nur analytisch zugänglicher) Autonomie zu unterscheiden.

Erst eine solche mehrdimensionale Konzeption erlaubt es, die individuelle Autonomie von Wissenschaftler*innen umfassend rekonstruieren zu können.

Mithilfe von Interviewmaterial, das im Kontext der DFG-Forschungsgruppe „Multipler Wettbewerb im Hochschulsystem“ entstanden ist, sollen die konzeptionellen Überlegungen des Beitrags schließlich empirisch illustriert werden.

Literatur:

Krücken, Georg (2021): Multiple competitions in higher education. A conceptual approach, in: Innovation: Organization & Management, 23 (2), S. 163-181.

Özmen, Elif (2021): Wissenschaftsfreiheit. Normative Grundlagen und aktuelle Herausforderungen, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 71 (46), S. 4-8.

Schimank, Uwe (2021): Soziologische Schlussfolgerungen, in: D. Grimm; L. Zechlin; C. Möllers; U. Schimank (Hg.): Wissenschaftsfreiheit in Deutschland. Drei rechtswissenschaftliche Perspektiven, Berlin, S. 43-48.

Scholz, Rupert (2017): Art. 5 Abs. III GG, in: T. Maunz; G. Dürig (Hg.): Grundgesetz-Kommentar, München, Rn. 1-204.

Spannagel, Janika; Kinzelbach, Katrin (2022): The Academic Freedom Index and Its indicators: Introduction to new global time-series V-Dem data, in: Quality & Quantity (online first), DOI 10.1007/s11135-022-01544-0.

Torka, Marc (2014): Professionelle Autonomie. Zum analytischen Wert professionssoziologischer Autonomiebegriffe in der Wissenschaftsforschung, in: M. Franzen; A. Jung; D. Kaldewey; J. Korte (Hg.): Autonomie revisited. Beiträge zu einem umstrittenen Grundbegriff in Wissenschaft, Kunst und Politik, Weinheim, Basel, S. 88-114.

Zechlin, Lothar (2017): Wissenschaftsfreiheit und Organisation - Die „Hochschullehrermehrheit“ im Grundrechtsverständnis der autonomen Universität, in: Ordnung der Wissenschaft, 4 (3), S. 161-174.

Bochmann-Individuelle Autonomie von Wissenschaftlerinnen – ein konzeptioneller Vorschlag-176.pdf
 
14:30 - 16:00Hochschulsteuerung
Ort: SL0214
Chair der Sitzung: Prof. Dr. Eva Cendon, FernUniversität in Hagen

Track 2: Gestaltungsfragen der Hochschulpolitik

 

Forschungsverständnis und -politik der Hochschulen im Blick von Professor:innen. Perspektiven zur Förderung von Forschung an Hochschulen

Prof. Dr. Stefanie Kessler

IU Internationale Hochschule, Deutschland

Hochschulen sollen, gemäß den Vorstellungen der Bundes- und Landespolitik in Deutschland, regional in der Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern aus der Praxis „kreative Lösungen für die drängenden Herausforderungen unserer Zeit“ (BMBF 2019, S.4) entwickeln. Hochschulen sollen innovativ sein und einen „forschungsbasierten Ideen-, Wissens- und Technologietransfer“ (ebd., S. 6) vorantreiben. Gerade der anwendungsorientierten Forschung wird hier hohe Relevanz zugemessen sowie ein konkreter Nutzen im Umgang mit diversen Problemlagen (u.a. Lackner 2022; Eicker 2014) zugeschrieben. Gleichwohl gelten gerade die Forschungsstrukturen für Wissenschaftler:innen an Hochschulen als verbesserungsbedürftig (u.a. Sommer & Thiessen 2018; Hachmeister et al. 2015). Dazu wie Professor:innen unter den bestehenden Bedingungen forschen, wissen wir bisher nur wenig.

Im Rahmen des explorativen Forschungsprojektes ‚Forschungspraxis von Professor:innen Sozialer Arbeit an Hochschulen‘ bin ich den Fragen nachgegangen, wie forschungsinteressierte bzw. -aktive Professor:innen die Bedingungen an ihren Hochschulen erleben (1) und wie sie mit diesen in ihrer Forschungspraxis umgehen (2). Dafür habe ich bislang fünf Gruppendiskussionen mit forschungsinteressierten bzw. -aktiven Professor:innen aus dem Fach Soziale Arbeit an staatlichen und privaten Hochschulen geführt; geplant ist eine weitere kontrastierende Gruppendiskussion mit Professor:innen aus Wirtschaft/Technik. Die Gruppendiskussionen werden mit der Dokumentarischen Methode der Interpretation ausgewertet (vgl. Bohnsack 2021; Przyborski & Wohlrab-Sahr 2021, S. 348 ff.). Dieses qualitativ-rekonstruktive Vorgehen erlaubt es, einerseits ihr kommunikativ-generalisiertes Wissen zu analysieren, d.h. bewertende und normative Aussagen über für ihre Forschungspraxis unterstützende bzw. hinderliche organisationale Strukturen und Angebote (z.B. neg.: hohes Lehrdeputat, mangelnde Anerkennung durch Kolleg:innen; pos.: Informationen über Ausschreibungen, Hilfen bei der Antragsstellung) sowie bewusste Strategien im Umgang damit (z.B. Mitarbeiter:innen über Drittmittel einwerben oder Forschen im Urlaub). Andererseits können anhand des Austauschs zu Umgangs- und Forschungspraktiken ihre implizit hier angelegten Orientierungen, also ihr konjunktives Wissen, rekonstruiert werden (z.B. proaktives, eigenverantwortliches Handeln; Nutzen und Gestalten vorhandener Möglichkeiten; Erweitern organisationaler Handlungsspielräume).

Im Rahmen meines Beitrages möchte ich ausgewählte Ergebnisse vorstellen und hier insbesondere die eigenen, praxisbasierten Forschungsorientierungen der Professor:innen ihren Perspektiven auf das Forschungsverständnis ihrer Hochschule und deren Förderpolitik gegenüberstellen. Dabei werden sowohl Passungsverhältnisse als auch Differenzen deutlich. Mit Blick auf die Differenzen zeigt sich, dass Anforderungen der Hochschule oder aber vorherrschende Vorstellungen der Kolleg:innen (im Sinne einer Organisationskultur) als Anpassungsdruck hinsichtlich der eigenen Forschungsorientierung wahrgenommen werden; und zwar sowohl in Richtung eines Verdrängens von Forschungstätigkeit aus der hauptberuflichen Tätigkeit als Professor:in als auch in Richtung der Übernahme der Praxis eines:r Forschungsmanagers:in (Einwerben und Verwalten von Drittmitteln, Führung von Mitarbeitenden etc.).

Anhand der Ergebnisse soll diskutiert werden, welche Implikationen sich hieraus für die Hochschulpolitik allgemein ableiten lassen und inwiefern Forschung an Hochschulen organisational unterstützt werden kann.

Literatur

Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) (2019). Innovative Hochschule. Bonn.

Bohnsack, R. (2021). Rekonstruktive Sozialforschung. 10. Auflage. Opladen/Toronto.

Eicker, U. (2014). Profilierung durch exzellente, anwendungsorientierte Forschung. In Baden-Württemberg Stiftung. (Hrsg.), Gleichartig - aber anderswertig? Zur künftigen Rolle der (Fach-)Hochschulen im deutschen Hochschulsystem (S. 74-92). Bielefeld: Bertelsmann.

Hachmeister, C.-D., Duong, S., & Roessler, I. (2015). Forschung an Fachhochschulen aus der Innen- und Außenperspektive: Rolle der Forschung, Art und Umfang. Arbeitspapier Nr. 181. Gütersloh: CHE gemeinnütziges Centrum für Hochschulentwicklung.

Lackner, H. (2022). Zum Wesen und Zukunftspotenzial angewandter Forschung. In J. Cai, H. Lackner & Q. Wang (Hrsg.), Jahrbuch Angewandte Hochschulbildung 2020 (S. 149-162). Wiesbaden: Springer VS.

Przyborski, A., & Wohlrab-Sahr, M. (2021). Qualitative Sozialforschung: ein Arbeitsbuch. 5. Auflage. Oldenbourg: München.

Sommer, E. & Thiessen, B. (2018). Forschungsaktivitäten in der Sozialen Arbeit. Mauerblümchen oder Graswurzelbewegung. In Soziale Arbeit, 12, S. 438-444.

Kessler-Forschungsverständnis und -politik der Hochschulen-151.pdf


Sinkende Zahl an Studienanfänger*innen in Deutschland – mögliche Erkenntnisse für Hochschulpolitik und Hochschulentwicklung auf Basis einer detaillierten Datenanalyse

Dr. Marc Hüsch, Cort-Denis Hachmeister

CHE Centrum für Hochschulentwicklung, Deutschland

Nach einem knappen Jahrzehnt mit einer kontinuierlich hohen Zahl an Studienanfänger*innen ist in den vergangenen drei Jahren in Deutschland wieder ein Rückgang festzustellen. Ein Grund dafür sind unter anderem sinkende Geburtenzahlen im Zeitraum von 1990 bis 2011. Eine detaillierte Auswertung des CHE Centrum für Hochschulentwicklung von Daten des Statistischen Bundesamtes zeigt auf, dass sich hinter der Gesamtentwicklung jedoch unterschiedliche Trends verbergen. Der CHECK – Entwicklung der Studienanfänger*innen in Deutschland (Hachmeister und Hüsch, 2023) untersucht dabei die Entwicklungen in einzelnen Studienbereichen, für unterschiedliche Hochschultypen und Trägerschaften und beleuchtet zudem regionale Unterschiede. Besonders auffallend ist, dass einzelne Studienbereiche wie der Bereich Maschinenbau deutliche Verluste hinnehmen müssen und dass vor allem die staatlichen Universitäten in den vergangenen Wintersemestern (WS 2019/20 – WS 2021/22) eine durchschnittlich geringere Zahl an Studienanfänger*innen als im vorherigen Vergleichszeitraum (WS 2011/12 – WS 2018/19) verzeichnen. Im Gegensatz profitieren jedoch auch einige Studienbereiche wie etwa das Fach Soziale Arbeit und es ist ein deutlicher Zuwachs bei den privaten Hochschulen erkennbar.

Im Vortrag werden die wichtigsten Ergebnisse aus der Studie vorgestellt. Zudem werden mögliche Vor- und Nachteile einer geringeren Zahl an Studienanfänger*innen diskutiert. Darauf aufbauend werden potenzielle Konsequenzen für die Hochschulpolitik und die Hochschulentwicklung datenbasiert in den Blick genommen. Insbesondere wird ein Fokus darauf gerichtet, wie mit einer sinkenden Zahl an Studienanfänger*innen umgegangen werden kann und welche Erkenntnisse möglicherweise aus gegenläufigen Entwicklungen in einzelnen Fächern gezogen werden können. Abschließend wird beleuchtet, wie das Studium für junge Studieninteressierte möglichst attraktiv gestaltet werden kann und welche Rahmenbedingungen dazu notwendig sind.

Literatur:

Hachmeister, Cort-Denis; Hüsch, Marc: CHECK – Entwicklung der Studienanfänger*innen in Deutschland, 2023, Gütersloh, CHE, 23 Seiten, ISBN 978-3-947793-75-4.

Hüsch-Sinkende Zahl an Studienanfängerinnen in Deutschland – mögliche Erkenntnisse für Hochschulpolitik-163.pdf


Studienerfolg in der österreichischen Universitätsfinanzierung: Empirische Evidenzen, widersprüchliche Ziele und politische Praxis

Bianca Thaler, Martin Unger

Institut für Höhere Studien (IHS), Österreich

Die Verbesserung von Studienerfolg, etwa die Verringerung von Abbruchsquoten und die Verkürzung der Studiendauer, ist ein verbreitetes politisches Ziel. Die Hochschulforschung kann mit einem breiten Repertoire theoretischer Überlegungen und empirischer Evidenzen zu diesem Thema aufwarten. Im Vortrag wird das Zusammenspiel der beiden Bereiche – Forschung und politische Praxis – am Beispiel Studienerfolg an österreichischen Universitäten aufgezeigt.

In der Forschung wird Studienerfolg als multikausales Phänomen beschrieben, unterschiedliche individuelle und institutionelle Faktoren haben Einfluss darauf. Dabei gibt es keine einheitliche und eindeutige Definition von Studienerfolg; vielmehr kommen unterschiedliche Operationalisierungen zum Einsatz (Bornkessel, 2018; Kuh et al., 2007).

Ein vorgelagerter Indikator für Studienerfolg sind positiv absolvierte Lehrveranstaltungen. Der Indikator „prüfungsaktive Studien“ an österreichischen Universitäten gibt an, ob eine Person in einem Studium mindestens 16 ECTS pro Studienjahr erworben hat. In einer umfangreichen Studie haben wir Faktoren für Prüfungs(in)aktivität untersucht. Die Perspektive der Studierenden wurde anhand von narrativen Interviews beleuchtet, womit individuelle und persönliche Gründe aufgedeckt wurden. Basierend auf Registerdaten wurden mehrere logistische Regressionen berechnet, in denen individuelle und institutionelle Einflussfaktoren – die in Form von Registerdaten vorliegen – berücksichtigt wurden. Die Ergebnisse der Regressionen legen (gemeinsam mit anderen Studien) nahe, dass bestimmte Personengruppen erfolgreicher studieren als andere. Beispielsweise geht ein höheres Alter bei Studienbeginn mit einer geringeren Erfolgswahrscheinlichkeit einher. Zudem gibt es heterogene Effekte von individuellen Merkmalen in unterschiedlichen Studienrichtungen. Zum Beispiel sind in manchen Studienfächern Frauen erfolgreicher und in anderen Männer (dies steht auch mit der unterschiedlichen schulischen Vorbildung in Zusammenhang).

Die Prüfungsaktivität wird vom Wissenschaftsministerium als Indikator für den Vergleich von Universitäten herangezogen, seit einiger Zeit ist dies auch der zentrale Indikator zur Finanzierung der Lehre an Universitäten. Allerdings ignoriert eine Finanzierung der Universitäten nach einer Formel, die schlicht die Anzahl (oder den Anteil) erfolgreicher Studierender berücksichtigt, implizit die aus der Forschung bekannten individuellen Einflussfaktoren auf Studienerfolg.

Die empirischen Ergebnisse könnten von den Hochschulen genutzt werden, um Studienanfänger:innen nach gewissen Merkmalen zu selektieren. Mit einem solchen Vorgehen können Studienerfolgsindikatoren verbessert werden, allerdings kann es dadurch auch zu unerwünschten Nebeneffekten kommen. Zum Beispiel kann dies dazu führen, dass weniger Personen, deren Eltern nicht studiert haben, oder weniger Personen mit nicht-traditionellen Zugängen ein Studium aufnehmen. Solche Effekte stehen anderen politischen Zielen, wie z.B. breitere Teilhabe in der Hochschulbildung und Life-Long-Learning, entgegen.

Der Zielkonflikt, der sich daraus für die Politik ergibt, lässt sich auch nicht durch empirische Evidenzen auflösen, sondern erfordert politische Entscheidungen. Eine Möglichkeit, wie individuelle Faktoren für Studienerfolg in der Finanzierung österreichischer Universitäten Niederschlag finden könnten, wäre, diese Faktoren in einer entsprechenden Finanzierungsformel zu berücksichtigen. Dies kann bspw. in Form einer zusätzlichen Gewichtung erfolgen, sodass Universitäten für weniger privilegierte Personengruppen höhere finanzielle Mittel erhalten. Ein Beispiel hierfür ist das irische Finanzierungssystem.

Der Vortrag wird die geschilderte Diskussion kurz zusammenfassen, empirische Evidenzen aus verschiedenen Studien für das österreichische Beispiel darstellen und die hier angedeuteten Schlussfolgerungen für die Hochschulpolitik sowie die Hochschulen selbst diskutieren.

Bornkessel, P. (Hrsg.), 2018: Erfolg im Studium. Konzeptionen, Befunde und Desiderate. wbv.

Kuh, G. D., et al., 2007: Piecing Together the Student Success Puzzle. Research, Propositions, and Recommendations. ASHE Higher Education Report: 32 (5). Wiley/Jossey-Bass.

Thaler-Studienerfolg in der österreichischen Universitätsfinanzierung-148.pdf
 
14:30 - 16:00Wirkungsforschung
Ort: SL0008a/b
Chair der Sitzung: Prof. Dr. Michael Hölscher, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer

Track 3: Wissenstransfer und Wirkungen

 

Soziale Innovationen aus Hochschulen durch Indikatoren befördern

Dr. Isabel Roessler, Cort-Denis Hachmeister, Bianca Brinkmann, Saskia Ulrich, Melanie Rischke

CHE Centrum für Hochschulentwicklung, Deutschland

Forschung und Lehre reichen nicht mehr aus, um den von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft an die Hochschulen gestellten Erwartungen und Ansprüchen gerecht zu werden. Die Third Mission an den Hochschulen gewinnt daher seit einigen Jahren zunehmend an Bedeutung (Roessler, Duong, & Hachmeister, 2015). Teilweise betrachten die Hochschulen Third Mission ganzheitlich, teilweise legen sie Schwerpunkte. Klassischerweise auf Wissens- oder Technologietransfer, auf gesellschaftliches Engagement oder Weiterbildung (Roessler, Hachmeister, & Scholz, 2016). Seit kurzem rückt ein weiteres Thema in den Fokus: Soziale Innovationen. Dabei handelt es sich um Praktiken, Handlungsweisen oder Werte, die Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen mit sich bringen.

Allerdings stammen nur 15 Prozent der Sozialen Innovationen aktuell aus Hochschulen (Majewski Anderson, Domanski, & Howaldt, 2018). Wie also können Soziale Innovationen aus Hochschulen gefördert werden?

Dieser Forschungsfrage gingen wir im Forschungsprojekt WISIH, Wege und Indikatoren Sozialer Innovationen aus Hochschulen, nach. Auf Basis von Literaturrecherchen, quantitativen und qualitativen Befragungen unter Professor*innen aus der Pflegewissenschaft sowie der Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie und Stakeholdern, zeigten Wege auf, wie mehr Soziale Innovationen in Hochschulen entstehen können.

Wir konnten nachweisen, dass 68 Prozent der Befragten den Begriff „Soziale Innovation“ kannten, stellen zugleich jedoch deutliche Fächerunterschiede fest. Ebenso konnten wir feststellen, dass ein mit 64 Prozent hoher Anteil an Wissenschaftler*innen de facto an Sozialen Innovationen arbeitete, jedoch nicht zwingend wusste, dass es sich dabei um potentielle Sozialen Innovationen handelt. Besondere Aufmerksamkeit muss dem Fakt gewidmet werden, dass zwar 72 Prozent eine Idee entwickelten, die zu einer Sozialen Innovation führen könnte, jedoch nur 39 Prozent der Befragten angaben, dass ihre Idee in einem begrenzten Rahmen in die Praxis übertragen wurde, bspw. in ein einzelnes Unternehmen (Hachmeister & Roessler, 2020).

Die Ergebnisse zeigen, dass an Hochschulen das Potential besteht, mehr Soziale Innovationen zu generieren: ihre Mitglieder forschen zu Themen, die zu Soziale Innovationen führen können, können die Idee jedoch nicht in ausreichendem Maße in die Praxis überführen.

Ein Aufwuchs Sozialer Innovationen kann auch durch ein unterstützendes Hochschulmanagement erreicht werden. Dafür müssen jedoch Rahmenbedingungen ggf. optimiert, Weichen gestellt und benötigte Netzwerke etabliert werden.

Indikatoren kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu. In unserem Indikatorenportal (Hachmeister & Roessler, 2020) sind Indikatoren enthalten, mit denen sowohl der Status Quo Sozialer Innovationen an Hochschulen erhoben als auch die Generierung Sozialer Innovationen gezielt gefördert werden kann (https://indikatorenportal.che.de).

Die Indikatorik umfasst den Gesamtprozess Sozialer Innovationen, um jeden Schritt zu unterstützen und letztlich zu einer Wirkungsmessung zu führen.

Im Vortrag werden die Kernergebnisse des Projekts beleuchtet, die Indikatoren vorgestellt; und erläutert, wie das Indikatorenportal von unterschiedlichen Stakeholdern und zu verschiedenen Zwecken genutzt werden kann.

Literaturverzeichnis

Hachmeister, C.-D., & Roessler, I. (Oktober 2020). Soziale Innovationen aus Hochschulen - Prozesse, Phasen und Wege. Gütersloh. Abgerufen am 30. 08 2021 von https://www.che.de/download/wege-sozialer-innovationen-aus-hochschulen/

Majewski Anderson, M., Domanski, D., & Howaldt, J. (2018). Social Innovation as a chance and a challenge for higher education institutions. In J. Howald, C. Kaletka, A. Schröder, & M. Zirngiebl (Hrsg.), Atlas of Social Innovation (S. 50-54). Dortmund.

Roessler, I., Duong, S., & Hachmeister, C.-D. (Februar 2015). Welche Missionen haben Hochschulen? Third Mission als Leistung der Fachhochschulen für die und mit der Gesellschaft. Gütersloh. Abgerufen am 01. 03 2017 von http://www.che.de/downloads/CHE_AP_191_Profilierung_durch_Third_Mission.pdf

Roessler, I., Hachmeister, C.-D., & Scholz, C. (2016). Positionierung durch Profilierung - Stärkung der Third Mission an HAW. Gütersloh. Abgerufen am 5. Dezember 2016 von http://www.che.de/downloads/CHE_AP_191_Profilierung_durch_Third_Mission.pdf

Roessler-Soziale Innovationen aus Hochschulen durch Indikatoren befördern-183.docx


Bedeutung und Anwendungspotential des impliziten Assoziationstests im Hochschulkontext

Clemens Klinke1, Marc Schipper1,2, Marcus Eckert1, Katharina Fischer1, Johanne Pundt1

1Apollon Hochschule für Gesundheitswirtschaft: Apollon Hochschule der Gesundheitswirtschaft, Deutschland; 2Hochschule für Künste im Sozialen, Ottersberg

Hochschulen nutzen als methodischen Zugang im Qualitätsmanagement vermehrt Fragebögen, um die subjektive Wahrnehmung ihrer Studierenden zu erfassen. Allerdings sind Fragebögen durch die individuelle Interpretation der Fragen und dem sozial erwünschten Antwortverhalten nicht vollends verlässlich. Vor allem in der Voraussage von Verhalten haben sich deshalb implizite Verfahren als erfolgsversprechend erwiesen. Eines der bekanntesten Instrumente zur Messung subjektiver Wahrnehmungen ist der implizite Assoziationstest (IAT; Greenwald et al., 1998). Dieser Test misst - basierend auf Reaktionszeiten - die Assoziation von psychologischen Konzepten und erlangte Bekanntheit durch das Aufzeigen impliziter Vorurteile. Der Test kann aber auch weniger kontroverse Assoziationen messen und Verhalten vorhersagen. Im Hochschulkontext wurde er bereits eingesetzt, um den Abbruch von Studierenden vorherzusagen, indem er untersucht hat, inwiefern die Studierenden sich selbst mit ihrem Studienbereich assoziieren (Roland et al., 2018). Der IAT zeigte sich hierbei als der beste Prädiktor im Hinblick auf den Studienabbruch.

Auch in einer Studie des von der APOLLON Hochschule und Euro-FH durchgeführten Forschungsprojekts „Studienerfolge und -abbrüche im Fernstudium“ (SaFe) wurde ein IAT eingesetzt. Das Forscherteam nutzte ihn, um das Einreichen von Prüfungsleistungen vorherzusagen. Dabei stellte sich der IAT erfolgreich und ebenbürtig zu expliziten Verfahren dar. Er unterschied zudem verschiedene Studierendengruppen und ermöglichte eine zusätzliche theoretische Perspektive. Im geplanten Vortrag möchte das Forscherteam die Ergebnisse dieser Studie als Beispiel nutzen, um von ihnen die Übertragbarkeit auf andere Themenbereiche, wie beispielsweise die der dritten Mission zu diskutieren. Zur Messung der wahrgenommenen Leistung der Hochschulen in der dritten Mission oder der Nachhaltigkeit könnte die Hochschule selbst als Zielkategorie des IATs dienen, während verschiedene andere Themen als Assoziationen zum Tragen kommen könnten. Eine Möglichkeit wäre, dass untersucht werden könnte, wie innovativ, nachhaltig oder divers die Hochschulinstitutionen subjektiv assoziiert werden. Der IAT könnte zudem auch in Screening-Tools, die Studienabbruch entgegenwirken sollen, zum Einsatz kommen.

Im geplanten Vortrag möchte das Forscherteam generell die Bedeutung und das Anwendungspotential des IAT im Hochschulkontext vorstellen. Er könnte einerseits, wie oben beschrieben, die subjektive Wahrnehmung der Leistung von Hochschulen in relevanten Themenbereichen messen. Andererseits lässt er sich als digitale Anwendung aber auch perspektivisch in die Hochschulpraxis integrieren und könnte den Hochschulen in Zukunft bei Gestaltungsfragen wertvolle Erkenntnisse liefern. Die Anwendung des IATs erfordert zudem größte Sorgfalt, da der Test falsch eingesetzt und seine Messungen fehlinterpretiert werden können. Der IAT sollte außerdem idealerweise zusammen mit expliziten Fragebögen eingesetzt werden, da er auf diese Weise deren Ergebnisse ergänzen kann. Das Forscherteam wird in der Präsentation deshalb auch die Aspekte vorstellen, auf die es bei der präzisen Anwendung des IATs zu achten gilt.

Literatur

Greenwald, A. G., McGhee, D. E., & Schwartz, J. L. (1998). Measuring individual differences in implicit cognition: the implicit association test. Journal of personality and social psychology, 74(6), 1464.

Roland, N., Mierop, A., Frenay, M., & Corneille, O. (2018). Field-Identification IAT Predicts Students' Academic Persistence over and above Theory of Planned Behavior Constructs. Frontline Learning Research, 6(1), 19-30.

Klinke-Bedeutung und Anwendungspotential des impliziten Assoziationstests-145.pdf


Forschungsergebnisse – und dann? Promotoren als Schlüssel für den Transfer von Forschungsergebnissen in die Hochschulpraxis

Linda Vogt

Hochschule Biberach, Deutschland

Wie lassen sich Ergebnisse aus der Hochschulforschung in die Hochschulpraxis transferieren? Diese Frage hat sich vor dem Hintergrund des pandemiebedingten Digitalisierungsschubs besonders gestellt. Während der durch die Beschränkungen erforderlichen Schließung der Hochschulen und auch noch danach haben sich viele Forschungsansätze mit der Frage beschäftigt, wie die Ad hoc-Umstellung auf digitale Lehr-Lern- und Arbeitssettings in neue Strukturen und Prozesse überführt werden kann. Aber wie gelangen die vielfältigen Ergebnisse dieser Forschungen tatsächlich in die Hochschulpraxis?

Um die Situation der Beteiligten in der Lehr-Lern-Arbeitswelt während der digitalen Semester zu untersuchen, wurde auch am Institut für Bildungstransfer der Hochschule Biberach in Zusammenarbeit mit der Geschäftsstelle für Hochschuldidaktik BW die qualitative Studie „Entwicklungspfade für Hochschule und Lehre nach der Corona-Pandemie“ (Sälzle et al., 2021) durchgeführt. Dabei wurden in digitalen Einzelinterviews und Fokusgruppen Fragen zur veränderten Situation in Studium und Beruf sowie im Privaten beantwortet. Daraus wurden verschiedene Handlungsimpulse erarbeitet.

Nach den Beschränkungen durch die Pandemie zeigt sich, dass ein Transfer der Forschungsergebnisse und auch die Umsetzung dieser Handlungsimpulse in den Hochschulstrukturen große Herausforderungen mit sich bringen, wenn gleich deren Nutzen in der Theorie erkannt und anerkannt wird. Eine wichtige Feststellung ist, dass die Befragten oft nicht zurück zur alten Normalität woll(t)en (Sälzle et al., 2021). Leider zeigte sich nach der vergleichenden Auswertung einer zweiten Erhebung in Form einer vom Verbund der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften Baden-Württemberg (HAW BW, 2022) durchgeführten qualitativen schriftlichen Befragung, dass die Umsetzung der Verstetigung der neuen bzw. umgebildeten Strukturen ins Stocken geraten ist. Ein wesentlicher Aspekt, der tatsächlich zu einer Veränderungen in der Praxis während der Corona-Pandemie führte, war, dass treibende Personen, sogenannte Promotoren, identifiziert und mit entsprechender Handlungsbefugnis ausgestattet werden müssen. Dies wurde auch in der Analyse der zweiten Daten deutlich, denn treibende Personen bzw. Promotoren müssen identifiziert werden und ihnen müssen Raum und Ressourcen zur gemeinsamen Arbeit gegeben werden, damit Handlungsimpulse nachhaltig in die Hochschulpraxis transferiert werden können (Vogt et al., 2023).

Der Vortrag soll einen Überblick über die Ergebnisse des Vergleichs der beiden Erhebungen zeigen. Herausforderungen im Transfer in die Hochschulpraxis und kritische Betrachtungen der Umsetzung in den unterschiedlichen Hochschulen werden ebenfalls abgebildet.

Literaturverzeichnis

HAW BW. (2022, 5. April). Hochschulen für Angewandte Wissenschaften - HAW BW. https://hochschulen-bw.de/

Sälzle, S., Vogt, L., Blank, J., Bleicher, A., Scholz, I., Karossa, N., Stratmann, R. & D'Souza, T. (2021). Entwicklungspfade für Hochschule und Lehre nach der Corona-Pandemie: Eine qualitative Studie mit Hochschulleitungen, Lehrenden und Studierenden (1. Auflage). Tectum Verlag.

Vogt, L., Blank, J. & Bleicher, A. (2023). Promotoren für die Hochschulentwicklung post Corona. Hochschulmanagement. Im Erscheinen

Vogt-Forschungsergebnisse – und dann Promotoren als Schlüssel für den Transfer von Forschungsergebnissen-117.pdf
 
14:30 - 16:00Gesundheit & Inklusion
Ort: SL0203
Chair der Sitzung: Florian Hoffmann, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer

Track 4: Herausforderungen der Studiengestaltung

 

Psychosoziale Studierendengesundheit in Sachsen im Kontext organisationaler Digitalität und studentischer Partizipation

Jan Schuhr1, Tanja Brock1, Sabrina Baldofski2, Juliane Hug2

1Zentrum für Forschung, Weiterbildung & Beratung an der ehs Dresden gGmbH, Deutschland; 2Universität Leipzig, Medizinische Fakultät

In unserem Forschungs- und Praxisentwicklungsprojekt ENHANCE (Mental Health im Kontext von Digitalisierungsprozessen an Hochschulen) verfolgen wir die Ziele das psychosoziale Gesundheitserleben von Studierenden in Sachsen mit Hinblick auf ihre Studien- und Digitalisierungserfahrungen zu untersuchen und sie in diesen Belangen zu unterstützen. Wir reagieren damit auf die akute Bedarfslage von Studierenden, von denen trotz hoher psychopathologischer Prävalenzen nur wenige eine professionelle gesundheitliche Begleitung wahrnehmen (können) und auf einen Hochschulapparat, der sich nach der „Quick-and-Dirty-Digitalisierung“ 2020/21 im Aufbruch zu neuen digitalen Gestaltungswegen befindet (Deinmann, 2021; Kohls et al., 2023). Unsere Untersuchung beinhaltet eine repräsentative Befragung von Studierenden sechs sächsischer Hochschulen sowie problemzentrierte Einzel- und Gruppeninterviews mit Studierenden und Dozierenden. Auf dieser Grundlage entwickeln wir Online-Angebote für zur psychischen Gesundheitsförderung an Hochschulen und richten Entwicklungsworkshops als interdisziplinäres Austauschformat zwischen Studierenden und Hochschulpersonal (z.B. Lehre, Verwaltung, Hochschulpolitik) aus. Das Online-Angebot umfasst dabei eine App und einen Web-Browser über diese Studierende Zugang zu Gesundheitsübungen für den Alltag sowie zu psychosozialer Beratung via Mail, Chat und Video-Call erhalten. Die Workshops werden über drei Semester an verschiedenen Hochschulstandorten ausgerichtet und fokussieren die Weiterentwicklung der Hochschuldidaktik-, -kommunikation und -organisation. Die Forschungs- und Praxisformate wurden und werden dabei im engen Austausch mit sechs sächsischen Partnerhochschulen erarbeitet und als ko-kreative Arbeitsprozesse über den Projektzeitraum (2022-2024) stetig weiterentwickelt. Unser wichtigster Partner sind jedoch die Studierenden, deren Perspektive wir sichtbar machen wollen und als zentrale Impulsgeber*innen für die Themensetzung und Angebotsgestaltung in unser Projekt einbeziehen. So liegt eine wesentliche Herausforderung für uns darin, die spezifischen Interessen, Arbeitsweisen und Handlungsziele der verschiedenen Akteursgruppen und Institutionen zusammenzuführen und die dabei entstehenden Synergien mit unserer eigenen Forschungs- und Praxisexpertise in die jeweilige Hochschulpraxis zu transferieren. Hierbei begegnen uns sowohl tradierte Problemlagen wie bspw. die Divergenzen zwischen den Kommunikationskulturen von Lehrenden, Verwaltung und Studierenden bei der Formulierung und Identifikation von Gestaltungszielen (bspw. zur adäquaten Adressierung von Mental Health-Themen). Daran anknüpfend, jedoch durch die Infektionsmaßnahmen re-formuliert, stehen die von uns betrachteten Hochschulen weiterhin vor der Aufgabe, eine wirksame Reaktionsweise auf die Erweiterung studentischer Partizipationsräume um den digitalen Bereich zu finden. Diese wird darin sichtbar, dass Studierende weiterhin an einer Verbesserung der paritätischen Hochschulgestaltung interessiert sind, in ihrer Beteiligung an partizipativen Organen wie AStAs, Fachschaftsräte und in Seminarkontexten jedoch nicht an die Arbeitsweisen vor der Pandemie anknüpfen können. Hier bedarf es nach unserer Ansicht nun an einer Weiterentwicklung von (digitaler) Praxis und Prozessen, in der insbesondere informelle Kommunikationsstrukturen (bspw. das Flurgespräch nach dem Seminar) fokussiert werden. Wie sich diese Prozesse anregen, weiter beforschen und realisieren lassen oder bereits realisiert werden möchten wir gerne zum Thema des im gemeinsamen Austausches bei der diesjährigen GfHf-Jahrestagung und auf dem damit verbundenen Netzwerktreffen machen und dabei die vielen verschiedenen Expertisen verknüpfen und um unsere Erfahrungen in der gesundheitsorientierten Transferforschung erweitern.

Quellen:

Kohls, E., Günthner, L., Baldofski, S., Brock, T., Schuhr, J., Rummel-Kluge, C (2023) Two years COVID-19 Pandemic: Development of University Students' Mental Health 2020- 2022. Front. Psychiatry

Deimann, M. (2021). Hochschulbildung und Digitalisierung – Entwicklungslinien und Trends für die 2020er-Jahre. In: Digitalisierung in Studium und Lehre gemeinsam gestalten. Springer VS, Wiesbaden.

Schuhr-Psychosoziale Studierendengesundheit in Sachsen im Kontext organisationaler Digitalität-161.pdf


Der Nachteilsausgleich an deutschen Hochschulen - Zu wenig, zu spät?

Pascal Angerhausen, Dr. Shweta Mishra

Uni Kassel, Deutschland

Neben der Anpassung von baulichen Gegebenheiten ist der sogenannte „Nachteilsausgleich“ ein zentrales Instrument der Inklusion an deutschen Hochschulen (Gattermann-Kasper 2016). Dass Nachteilsausgleiche Studierenden mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen bei ihrem Studium unterstützen können, haben verschiedene internationale Studien bereits aufgezeigt (vgl. Hoos et al. 2019 für eine kurze Übersicht). Gleichzeitig wurde jedoch festgestellt, dass der Nachteilsausgleich in Deutschland nicht in vollem Umfang genutzt wird. So zeigte die BEST 2 Studie mit Daten aus den Jahren 2016 und 2017, dass „nur 29% der Studierenden mit Schwierigkeiten bei der Studiendurchführung“ den Nachteilausgleich beantragen (Deutsches Studentenwerk 2018:10). Für diese Nichtinanspruchnahme wurden auch bereits Vielfältige Gründe identifiziert (Lyman et al. 2016).

Inwiefern die Inanspruchnahme eines Nachteilsausgleichs unterschiedliche Personengruppen bei ihrem Studium unterstützt und wie der Nachteilausgleich als Instrument der Inklusion erfahren wird, wurde bisher nur nachrangig untersucht. An diese Forschungslücke knüpft diese Untersuchung an. Im Rahmen des BMBF geförderten Forschungsprojektes ErfolgInklusiv wurden narrative Interviews mit mehr als 30 Personen geführt, welche den Nachteilausgleich an der Universität Kassel in Anspruch genommen haben. Diese Interviews werden mit dem Grounded Theory Verfahren ausgewertet, um das Studienerleben mit Nachteilausgleich zu rekonstruieren. Hierbei wird insbesondere auf das Wissen um den Nachteilausgleich, den Prozess der Beantragung und die angepasste Prüfungssituation eingegangen.

Erste Ergebnisse zeigen, dass das Wissen um den Nachteilausgleich die zentrale Barriere zur Wahrnehmung des Anspruchs darstellt. Dies schließt an bisherige Erkenntnisse an (Bauer 2021). Es zeigte sich weiterhin, dass der Anspruch auf einen Nachteilsausgleich nicht nur einer institutionellen bzw. rechtlichen Logik folgt. Bei allen Studierenden war und ist die Beantragung sowie die Wahrnehmung von Nachteilausgleichen stets mit einem Aushandlungsprozess verbunden. Vor dem Hintergrund der Wahrnehmung der eigenen Fähigkeiten und der Interaktion mit anderen Personen werden gesellschaftliche Gleichheits- und Gerechtigkeitsgedanken herangezogen, um den eigenen Anspruch zu legitimieren. Dies kann dazu führen, dass Nachteilsausgleiche auch bei bestehendem Anspruch nicht wahrgenommen oder in reduzierter Form beantragt werden.

Auch wenn der Anspruch auf Seiten der Studierenden als legitim betrachtet und der Nachteilausgleich realistisch eingeschätzt wird, zeigt sich, dass der Nachteilausgleich die Nachteile nicht immer in vollem Umfang ausgleicht. Informiert durch die Erzählungen der Studierenden wird somit abschließend diskutiert, inwiefern der Nachteilsausgleich die bestehenden Nachteile ausgleicht bzw. ausgleichen kann.

Bauer J F (2021) Nachteilsausgleich? Dazu wurde ich 14 nicht informiert! Wissen, Erfahrungen und Informationsbedarfe von Hochschullehrenden zum Thema Nachteilsausgleiche für Studierende mit Behinderungen. In: S. 187 - 197

Deutsches Studentenwerk (Hrsg.) (2018). beeinträchtigt studieren - best2. Datenerhebung zur Situation Studierender mit Behinderung und chronischer Krankheit 2016/17. Berlin.

Gattermann-Kasper M (2016) Nachteilsausgleiche – Alles klar … oder? Kritischer Blick auf ein etabliertes Instrument im Lichte der UN-BRK. In: Klein U (Hrsg.) Inklusive Hochschule. Neue Perspektiven für Praxis und Forschung. Weinheim: Beltz, S. 104-122

Hoos O, Loose J, Bünner L (2019) Zentrale Gelingensbedingungen inklusiver Hochschulbildung für Studierende mit Behinderung und chronischer Erkrankung. Würzburg: Würzburg University Press

Lyman M, Beecher M E, Griner D, Brooks M, Call J, Jackson A (2016). What Keeps Students with Disabilities from Using Accommodations in Postsecondary Education? A Qualitative Review. In: Journal of Postsecondary Education and Disability, 29 (2), S. 123–140

Angerhausen-Der Nachteilsausgleich an deutschen Hochschulen-135.pdf


Ich habe was, was du nicht siehst – Wie entscheiden Studierende mit nicht sichtbaren Beeinträchtigungen über die Offenlegung ihrer Beeinträchtigung und die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen?

Dr. Jana F. Bauer1, Yvonne Kirsch2, Prof. Dr. Mathilde Niehaus1

1Universität zu Köln, Lehrstuhl für Arbeit und berufliche Rehabilitation; 2Stiftung die gute Hand

Relevanz und Forschungsfrage

Elf Prozent der deutschen Studierenden leben mit mindestens einer studienerschwerenden Beeinträchtigung (Middendorf et al., 2017). Die Hochschulen müssen dafür Sorge tragen, dass diese Studierenden in ihrem Studium nicht benachteiligt werden und die Angebote der Hochschule möglichst ohne fremde Hilfe in Anspruch nehmen können (Hochschulrahmengesetz § 2, Abs. 4). Ein wichtiges Mittel um dies zu ermöglichen, ist die Gewährung von Nachteilsausgleichen (Bauer, 2021). Obwohl der Großteil der Hochschulen Nachteilsausgleiche zumindest für Prüfungen vorsieht (Hochschulrektorenkonferenz, 2013), hat weniger als ein Drittel der anspruchsberechtigten Studierenden bereits einen Nachteilsausgleich beantragt (Poskowsky et al., 2018). Insbesondere für die große Gruppe der Studierenden mit nicht unmittelbar sichtbaren Beeinträchtigungen (96% aller beeinträchtigten Studierenden), ist ein wichtiger Grund für die Nichtinanspruchnahme, dass sie ihre Beeinträchtigung nicht offenlegen möchten (Poskowsky et al., 2018). Dieses Phänomen wird als Etikettierungs-Ressourcen-Dilemma bezeichnet (Bauer, Chakraverty & Niehaus, 2017). Die Studierenden befinden sich in einem Entscheidungskonflikt, bei dem der Aussicht auf Unterstützung durch Nachteilsausgleiche die Angst vor möglichen negativen Folgen (z.B. Diskriminierung) gegenübersteht. Aufgrund der hohen Relevanz der Offenlegungsentscheidung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen und damit die chancengerechte Teilhabe beeinträchtigter Studierender, untersucht die vorliegende Studie, wie Studierende mit nicht sichtbaren Beeinträchtigungen die Offenlegungsentscheidung treffen und welcher Zusammenhang zur Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen besteht.

Methodik

Bundesweit wurden Studierende mit nicht sichtbaren Beeinträchtigungen zu einer Onlinebefragung eingeladen, in der sie zu ihrer (Nicht-)Offenlegungsentscheidung, Nachteilsausgleichen und behinderungsbezogenen Studienerfahrungen befragt wurden. Es nahmen N = 361 Studierende verschiedener Universitäten und Fachrichtungen in unterschiedlichen Studienphasen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen teil.

Ergebnisse

Während 68% der Befragten mindestens einer Person (v.a. Kommiliton*innen oder Dozierenden) zumindest Teilaspekte ihrer Beeinträchtigung offengelegt hatten, hatten 32% niemandem von ihrer Beeinträchtigung erzählt. Dabei müssen mögliche Selbstselektionseffekte in Betracht gezogen werden. Die Studie beleuchtet Motive sowie positive und negative Folgen der (Nicht-)Offenlegung. Sie zeigt auch, dass insbesondere diejenigen, die ihre Beeinträchtigung nicht offengelegt haben, Nachteilsausgleiche nicht kennen. Erwartungsgemäß nehmen jedoch auch diejenigen, die ihre Rechte kennen, diese nicht unbedingt in Anspruch. Die Ergebnisse bieten Ansatzpunkte für die Gestaltung der Hochschulpraxis, um die chancengerechte Teilhabe Studierender mit nicht sichtbaren Beeinträchtigungen zu verbessern.

Literatur

Bauer, J. F. (2021). Nachteilsausgleich? Dazu wurde ich nicht informiert! Wissen, Erfahrungen und Informationsbedarfe von Hochschullehrenden zum Thema Nachteilsausgleiche für Studierende mit Behinderungen. In C. Bohndick, M. Bülow-Schramm, D. Paul & G. Reinmann (Hrsg.), Hochschullehre im Spannungsfeld zwischen individueller und institutioneller Verantwortung. Tagungsband der 15. Jahrestagung der Gesellschaft für Hochschulforschung (S. 187–197). Wiesbaden: Springer Fachmedien.

Bauer, J. F., Chakraverty, V. & Niehaus, M. (2017). Betriebliche Inklusion: Arbeitnehmer mit dauerhaften gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Etikettierungs-Ressourcen-Dilemma. Public Health Forum, 25(4), 315–317.

Hochschulrektorenkonferenz (2013). „Eine Hochschule für Alle“. Empfehlung der 6. Mitgliederversammlung der HRK am 21. April 2009 zum Studium mit Behinderung/chronischer Krankheit. Ergebnisse der Evaluation.

Middendorff, E., Apolinarski, B., Becker, K., Bornkessel, P., Brandt, T., Heißenberg, S. & Poskowsky, J. (2017). Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2016. 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks. Berlin: BMBF.

Poskowsky, J., Heißenberg, S., Zaussinger, S. & Brenner, J. (2018). beeinträchtigt studieren – best2. Datenerhebung zur Situation Studierender mit Behinderung und chronischer Krankheit 2016/17. Berlin: Deutsches Studentenwerk

Bauer-Ich habe was, was du nicht siehst – Wie entscheiden Studierende-146.pdf
 
14:30 - 16:00HoFoNa-Ideenforum
Ort: SL0206
Chair der Sitzung: Dr. Cornelia Driesen, Universität Bremen

Track 7: HoFoNa-Ideenforum

 

Mentoring-Programme an Hochschulen im Spannungsverhältnis zwischen Habitus und wissenschaftlichen Feld. Strategien von Promovierenden aus nicht-akademischen Elternhäusern zur Bewältigung der Promotionsphase und ihre Erfahrungen in und mit Mentoring-Programmen

Aline Fuß

Universität Bremen Institut Arbeit und Wirtschaft, Deutschland und Eberhard Karls Universität Tübingen

Die soziale Herkunft beeinflusst maßgeblich den Bildungsverlauf und somit den Bildungserfolg im Feld der Wissenschaft. 1 Nehmen Studierende und Promovierende aus nicht-akademischen Elternhäusern ein Studium oder eine Promotion auf, setzen sich an Hochschulen, als Ungleichheit reproduzierendes System, die herkunftsspezifische Herausforderungen fort. Vermehrt werden Rufe nach Mentoring-Programmen für Bildungsaufsteigende für den Erwerb und Ausbau informeller Verhaltensregeln an Hochschulen, des kulturellen Kapitals und eines akademischen Habitus laut.2 In dem eingereichten Vortrag wird das Dissertationsvorhaben vorgestellt, dass sich der Frage widmet, wie Promovierende aus nicht-akademischen Elternhäusern die Auseinandersetzung mit dem Feld der Wissenschaft und etwaige habituelle Passungsprobleme bewältigen und welche Rolle dabei Erfahrungen im Rahmen der interaktiven Praxis des Mentorings an Hochschulen spielen. Die Hoffnung Mentoring-Programm und Mentoring zur Bearbeitung von Differenzen im akademischen Feld wird in der Dissertation in Frage gestellt. In dem geplanten Vortrag wird das Forschungsvorhaben sowie Auszüge des zweiten Kapitels Begriffliche und theoretische Annäherung an den Forschung(gegen)stand vorgestellt. Es wird versucht Mentoring-Programme an Hochschulen entlang der Bourdieuschen Theorie der Praxis in das wissenschaftliche Feld einzubetten. Außerdem werden erste Ergebnisse zweier Gruppendiskussionen, ausgewertet mit der dokumentarischen Methode nach Bohnsack präsentiert, um anschließend gemeinsam zu diskutieren, welche Schwerpunkte in dem Kapitel 2 gesetzt werden sollten.

1 Vgl. Möller, Christina et al., Vom Arbeiterkind zur Professur, in: Reuter, Julia et al. (Hrsg.), Vom Arbeiterkind zur Professur. Sozialer Aufstieg in der Wissenschaft. Autobiographische Notizen und soziobiographische Analysen, Bielefeld 2020, S. 10 f. und S. 14.
2 Vgl. Hartmann, Michael, Vom ‚Arbeiterkind’ zur Professur – Merkmale eines erfolgreichen Aufstiegs, in: Reuter, Julia et al. (Hrsg.), VomArbeiterkind zur Professur. Sozialer Aufstieg in der Wissenschaft. Autobiographische Notizen und soziobiographische Analysen, Bielefeld 2020, S. 387; vgl. dazu auch Vgl. Reuter, Julia et al., „Auch der Homo academicus hat eine Herkunft!“, in: Reuter, Julia et al. (Hrsg.), Vom Arbeiterkind zur Professur. Sozialer Aufstieg in der Wissenschaft. Autobiographische Notizen und soziobiographische Analysen, Bielefeld 2020, S. 423; vgl. dazu auch Pflaum, Stephan, Mentoring beim Übergang vom Studium in den Beruf, Wiesbaden 2007, S. 56



Evaluationskriterien in the making: Eine organisationssoziologische Analyse der Ausgestaltung von Tenure-Verfahren

Julia Röwert

Universität Kassel, Deutschland

Als zentrale wissenschaftspolitische Antwort auf die #ichbinhanna-Debatte um prekäre Beschäftigungsbedingungen in der Wissenschaft gilt der Tenure-Track, der seit 2016 im Rahmen des Bund-Länder-Programms zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses mit 1000 Professuren gefördert wird. Das neue Professurmodell basiert in der Regel auf einer sechsjährigen Bewährungsphase, in der sich die Wissenschaftler:innen entlang individueller, vorab definierter Evaluationskriterien in den Bereichen Forschung, Lehre, Selbstverwaltung sowie in der Entwicklung von Führungskompetenzen für eine Lebenszeitprofessur qualifizieren müssen (Borgwardt, 2021). Die geförderten Hochschulen regeln in Form von Satzungen und Handreichungen, unter Beteiligung welcher Akteur:innen die Evaluationskriterien vereinbart werden, ob hierbei der oder die Professuranwärter:in im Sinne einer Verhandlung eingebunden wird, ob innerhalb der Bewährungsphase Änderungen vorgenommen werden können und setzen, in der Regel, einen Rahmen für die Ausgestaltung der Evaluationskriterien. Nach Professurantritt erhalten die Tenure-Track-Professor:innen durch Statusgespräche mit Dekan:innen und/oder Hochschulleitungen, Mentoring und zumeist durch eine Zwischenevaluation regelmäßig Feedback hinsichtlich der Erfüllung der Evaluationskriterien auf dem Weg zur Tenure-Evaluation (Borgwardt, 2021). Schon die Vielfalt der Bezeichnungen, seien es Leistungs-, Evaluations- oder Entwicklungs-vereinbarungen, macht die strukturellen Ausgestaltungsunterschiede der Tenure-Track-Evaluationskriterien und ihrer subsequenten Anwendung in der Bewährungsphase an den Hochschulen deutlich. Outputorientierte Zielvereinbarungen wurden im Wissenschaftssystem bislang vordergründig auf übergeordneten Ebenen etabliert und stellen in einer individuellen Ausgestaltungsform bislang noch kein flächendeckend genutztes Instrument dar (Ziegele & Riefler, 2022), sodass eine nähere Analyse ihrer Implementierung an den Universitäten sowie ihrer Wirkungsweise lohnenswert wäre, insbesondere, da das neue Instrument als Eingriff in die Freiheit von Forschung und Lehre wahrgenommen werden kann (Weißenborn, 2023).

Unter Rückgriff auf die soziologische Handlungstheorie (vgl. Esser, 1996; Schimank, 2010) sowie Theorien der Hochschul- und Wissenschaftsforschung (u.a. Cohen et al., 1972; Weick, 1976; Mintzberg, 1979; Krücken, 2017) untersucht das Dissertationsprojekt, wie Universitäten als Organisationen mit dem neuen Governance-Instrument Tenure-Track-Kriterien umgehen. In Unterfragen sollen zum einen die am Prozess beteiligten Akteur:innen sowie die sie motivierenden Handlungslogiken betrachtet werden. Zum anderen soll analysiert werden, wie die satzungsförmigen Regulierungen das Handeln der Akteur:innen prägen. Ein weiterer Fokus soll auf die Rückwirkungen des Governance-Instruments auf die Organisation und die individuelle Karriere gelegt werden.

Im Plenum möchte ich meinen Gegenstandsbereich sowie meine theorieinformierten Wirkungsannahmen näher vorstellen und eine Diskussion über passende organisationstheoretische Erweiterungen führen, um meine Forschungsfragen zu schärfen. In der Exposéphase meines Forschungsvorhabens bietet das diesjährige HoFoNa-Ideenforum einen vielversprechenden Zeitpunkt, um aus der GfHf- und HoFoNa-Fachcommunity wertvolle Impulse für mein Promotionsprojekt zu erhalten.

Literatur

Borgwardt, A. (2021). Die Tenure-Track-Professur: Impulsgeberin für das deutsche Wissenschaftssystem (U. Cantner, R. van Dick, J. Escher, G. Krausch, & H.-J. Schiewer, Hrsg.). Friedrich-Schiller-Universität Jena. https://doi.org/10.22032/DBT.49262

Cohen, M. D., March, J. G., & Olsen, J. P. (1972). A Garbage Can Model of Organizational Choice. Administrative Science Quarterly, 17(1), 1. https://doi.org/10.2307/2392088

Esser, H. (1996). Die Definition der Situation. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 48, 1–34.

Krücken, G. (2017). Die Transformation von Universitäten in Wettbewerbsakteure. Beiträge zur Hochschulforschung, 39(3–4), 10–29.

Mintzberg, H. (1979). The structuring of organizations: A synthesis of the research. Prentice-Hall.

Schimank, U. (2010). Handeln und Strukturen: Einführung in die akteurtheoretische Soziologie (4., völlig überarbeitete Auflage). Beltz Juventa.

Weick, K. E. (1976). Educational Organizations as Loosely Coupled Systems. Administrative Science Quarterly, 21(1), 1. https://doi.org/10.2307/2391875

Weißenborn, L. (2023). Neue Governanceanforderungen an Berufungen: Auf welche Widerstände trifft das Tenure-Track-Verfahren? Beiträge zur Hochschulforschung, Ausgabe 1/2023.

Ziegele, F., & Riefler, M. (2022). Stand der Zielvereinbarungen an deutschen Universitäten—Eine Erhebung zur Verwendung interner Zielvereinbarungen (CHE Impulse Nr. 10). https://www.che.de/download/zielvereinbarungen/



Hierarchical relations in large research clusters of the Social Sciences and Humanities

Lautaro Vilches1,2

1DZHW; 2HU Berlin

Paper – work in progress

The ‘collaborative turn’ in STEM and particularly in Big Sciences is well-consolidated and has been in-depth studied. More recently, however, this turn has reached the SSH (Olechnicka et al., 2019) and the collaborative model based on large research cluster has been translated – if not imposed – onto the SSH. This study approaches collaborations by interviewing 30 participants across all academic ranks. It deploys an asymmetrical research design (Stöckelová, 2016) as it focuses on three research clusters belonging to the SSH and one STEM cluster. It assumes that collaborations are neither bad nor good, and that ‘multiplicities’ of doing of collaborations and articulations – yet unexplored for the SSH – are possible (Mol, 2002).

Remarkably, preliminary findings reveal the ubiquitously presence of ‘hierarchies’ in the doing of collaborations. This occurs amidst apparently contradictory findings. For instance, participants widely refer to the research cluster as a competition-free space, while being aware of the structural competition outside the cluster and describing conflictive, ‘hierarchical’ relations within. What are the components of these hierarchical relations? How are these hierarchical relations performed?

Through a grounded theory analysis, it is possible it is possible to preliminary structure hierarchical around the following types:

- ‘Authority relations at mid-distance’, associated to the audit culture or New Public Management discourses, and related to the delegation of responsibilities across ranks within the research cluster.

- The particular hierarchical relations between supervisors and doctoral researchers, which differs from the previous delegation of authority as no authority is delegated.

- ‘Disciplinary hierarchies’ associated with the pre-eminence certain disciplines have over others within the research cluster.

- Gender issues, related mainly to formal collaborative situations.

By ‘opening’ the research cluster in the SSH, relations that may have remained hidden in the traditional university structures become visible when professors, postdoctoral and doctoral researchers are encourage collaborate.

 
16:00 - 16:30Schlussrunde
Ort: SL0008a/b
Chair der Sitzung: Prof. Dr. Frank Ziegele, CHE Centrum für Hochschulentwicklung
Chair der Sitzung: Prof. Dr. Edith Braun, Universität Giessen

Resümee der zurückliegenden beiden Tage und Ausblick auf Aktivitäten der GfHf

Datum: Mittwoch, 13.09.2023
8:30 - 9:00Welcome mit Kaffee & Fingerfood
Ort: Foyer
9:00 - 9:15Begrüßung
Ort: SL0202
9:15 - 10:20Dialogforum: Karrierewege nach der Promotion
Ort: SL0202

Prof. Dr. Frank Ziegele | Geschäftsführer CHE, Sprecher des Kompetenzzentrums Hochschul- und Wissenschaftsmanagement der HS Osnabrück

10:20 - 12:00Workshop 1: Quantitative Methoden
Ort: SL0202

Ulrike Schwabe

10:20 - 12:00Workshop 2: Systematic Literature Review
Ort: SL0203

Dr. Christina Haas

12:00 - 12:45Mittagspause
Ort: Mensa
12:45 - 13:20HoFoNa Vorstandssitzung
Ort: SL0202
13:20 - 13:30Kaffeepause
Ort: Foyer
13:30 - 15:00Workshop 3: Qualitative Methoden
Ort: SL0202

Dr. Stephanie Beyer

13:30 - 15:00Workshop 4: Publikationspraxis
Ort: SL0203

Dr. Eike Wolf

15:00 - 15:30Verabschiedung
Ort: SL0202

 
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