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Sitzungsübersicht
Sitzung
Wissenschaftliche Autonomie und Personalgewinnung
Zeit:
Dienstag, 12.09.2023:
14:30 - 16:00

Chair der Sitzung: Prof. Dr. Susan Harris-Hümmert, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg
Ort: SL0202


Track 1: Gestaltungsfragen der Hochschulpraxis


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Präsentationen

Die Analyse von professoralen Personalgewinnungsprozessen – Problemstellung aus der Praxis, wissenschaftlich untersucht

Hanna Hettrich

Hochschule Kaiserslautern, Deutschland

Professorales Personal ist eine wichtige Qualitätsressource für Hochschulen. Aufgrund dieser hohen Bedeutung, aber auch aufgrund der Ausgestaltung der bestehenden, formalisierten und komplexen Verfahren, widmen sich einige Hochschulen in den letzten Jahren der Reflexion ihrer Personal-Gewinnungs-Prozesse (Frey, Braun, & Peus, 2015), darunter auch die Hochschule Kaiserslautern.

Aktuelle Erkenntnisse in der wissenschaftlichen Personalforschung können nicht ohne Weiteres auf einzelne Hochschulen übertragen werden (Becker, 2019). An der Hochschule Kaiserslautern fehlt das Wissen darüber, an welchen konkreten Prozessschritten für die unterschiedlichen Beteiligten Probleme entstehen bzw. welche Bedürfnisse die unterschiedlichen Statusgruppen in dem Prozess haben. Aus hochschulsteuerungsrelevanter Perspektive besteht das grundlegende Interesse darin, professorale Personalgewinnungsprozesse zügiger und transparenter zu gestalten, dabei die Rechtssicherheit der Verfahren zu gewährleisten.

Diese praktische Problemstellung wird an der Hochschule Kaiserslautern mit wissenschaftlichen Methoden untersucht, im Sinne der design based research, welche geeignet ist, um das Transferproblem zwischen Theorie und Praxis zu überwinden (Schmiedebach & Wegner, 2021) und praktische Interessen mit wissenschaftlichen zu verschränken (Raatz, 2016).

Problemzentrierte Interviews mit neuberufenen Professor*innen der Hochschule (n=7), durchgeführt im Rahmen der Konzeptphase eines Bundes-Förder-Programms (FH-Personal) dienten als Impuls für weiterführende Untersuchungen. Um möglichst viele weitere Perspektiven miteinzubinden, wurde das Personalgewinnungsverfahren unter Einbezug unterschiedlicher Befragtengruppen beleuchtet. In vier Gruppendiskussionen wurden die Dekane der fünf Fachbereiche (n=5), die Mitglieder von Berufungs-Kommissionen (überwiegend Professor*innen; n=9), Dekanatsmitarbeiterinnen (n=3) nach Herausforderungen, Chancen und besonderen Bedarfen befragt.

Als zentrale Dimensionen zu Herausforderungen im Personalgewinnungsprozess konnten die Verfahrensabläufe, das Thema Personalauswahl und das Thema Ansprache & Kommunikation mit den Bewerber*innen ausgearbeitet werden, die jeweils mehrere unterschiedliche Ausprägungen aufweisen. Daran anschließend wurden konkrete Handlungsbedarfe und Vorschläge zur Optimierung abgeleitet (Verfahrensabläufe: z.B. Einrichtung einer Gutachter*innen-Datenbank, Einsatz einer*s Berufungsmanager*in; Personalauswahl: z.B. Aufzeigen von best-practice-Strategien, Schulungen zu Personalauswahl; Kommunikation Bewerber*innen: z.B. zentraler Dokumentenpool, Vernetzung Dekanate, Schulungen zu Ansprache). Darüber hinaus wurden die besondere Rolle des Vorsitzes von Berufungskommissionen und die der Berufungskommissionen selbst erörtert und konkrete Unterstützungsbedarfe abgeleitet (Vorsitz: z.B. Vorbereitung, Coaching & Beratung, Bereitstellung von Templates; Kommission: z.B. Briefing & Einschwören, Zeitschiene, Beratung& Begleitung, lessons learnt-Gespräch).

Eine weitere Gruppendiskussion mit den Gleichstellungsbeauftragten der Fachbereiche ist geplant und wird hoffentlich weitere Erkenntnisse zur Optimierung der Verfahren liefern.

Die Untersuchungen bilden den Ausgangspunkt für die Optimierung des Prozesses an den sich der Entwurf eines neuen Verfahrens anschließt. Ob ein erfolgreicher Transfer, der entwickelten Konzepte in die Praxis stattgefunden hat, können Anschlussuntersuchungen zeigen.

Literaturverzeichnis

Becker, F. (2019). Akademisches Personalmanagement. Band 2: Berufungsverfahren, Personalbeschaffung und -auswahl an Hochschulen. (A. Hanft, Hrsg.) Münster New York: Waxmann.

Frey, D., Braun, S., & Peus, C. (2015). Herausforderungen der Personalwahl in der Wissenschaft: Berufungsverfahren an deutschen Universitäten. In C. Peus, S. Braun , T. Hentschel, & D. Frey, Personalauswahl in der Wissenschaft. Evidenzbasierte Methoden und Impulse für die Praxis. (S. 4-14). Heidelberg, Berlin: Springer -Verlag.

Raatz, S. (2016). Entwicklung von Einstellungen gegenüber verantwortungsvoller Führung.Eine Design-based Research Studie in der Executive Education. Wiesbaden: Springer VS. doi:https://doi.org/10.1007/978-3-658-11980-5

Schmiedebach, M., & Wegner, C. (2021). Design-Based Research als Ansatz zur Lösung praxisrelevanter Probleme in der fachdidaktischen Forschung. Bildungsforschung, 2, 1-10. doi:10.25656/01:23920

Hettrich-Die Analyse von professoralen Personalgewinnungsprozessen – Problemstellung aus der Praxis, w.pdf


Entscheidungsverhalten in der Ausgestaltung einer Grauzone – Hochschulpraktische Implikationen der Beforschung professoraler Personalauswahl

Valerie Hug

Hochschule Bremen, Deutschland

Berufungsverfahren sind als zentrale Steuerungsinstanz des Personalmanagements an staatlichen Fachhochschulen und Universitäten immer wieder in den Fokus der Hochschulforschung gerückt. Erkenntnisinteresse und Ausrichtung waren dabei verschieden – deutlich wird jedoch, dass Optimierungspotentiale bezüglich deren Ausgestaltung bestehen.

Vonseiten des Wissenschaftsrats wurde die Qualitätssicherung der Berufungsverfahren in Form konkreter Empfehlungen ebenfalls adressiert (WR 2005; 2022). Beobachtungen aus dem Hochschulkontext geben darüber hinaus Grund zur Annahme eines ‚Common Sense‘ darüber, dass Berufungsverfahren durch das Zusammentreffen verschiedener Interessen, Fachkulturen und Herangehensweisen nicht nur Konfliktpotential, sondern auch Raum für Mikropolitik bergen. Das implizite Wissen der beteiligten Akteur:innen über diesen Umstand, gepaart mit hochschulpolitischen Akzentsetzungen zur Professionalisierung der Berufungsverfahren, reicht jedoch bislang offensichtlich nicht aus, um die bereits bekannten Schwierigkeiten im Berufungsgeschehen zu adressieren. Aktuelle Reformbemühungen konzentrieren sich u.a. auf die Verschlankung und Digitalisierung der Verfahrensabwicklung sowie die Optimierung des Bewerber:innenmanagements. Sie vernachlässigen dabei jedoch die organisationstheoretische Untersuchung des Entscheidungsverhaltens der Beteiligten, welche sich in Ermangelung einer gezielten Vorbereitung auf die verantwortungsvolle Aufgabe der professoralen Personalauswahl (u.a. Becker, 2014) sowie handhabbare Handreichungen zur Ausgestaltung der Verfahren dazu gezwungen sehen, auf individuelle Strategien der Entscheidungsfindung zurückzugreifen. Diese entsprechen dann ihrer Realität und Zielsetzung, unterlaufen aber gegebenenfalls formale Vorgaben. Empirische Ergebnisse auf einer belastbaren Datengrundlage können daher Ausgangspunkt für die Ableitung von hochschulpraktischen Ansätzen zur Weiterentwicklung von Berufungsverfahren sein.

Das zugrundeliegende Forschungsprojekt zielt entsprechend darauf ab, verborgene Dynamiken im Feld der Berufungsverfahren zu rekonstruieren und bestehendes implizites Wissen auf einer empirischen Basis zu explizieren und zu systematisieren. Dabei wird der Umgang der Kommissionsmitglieder mit Auswahlkriterien wie Lehrkompetenz, Forschungsleistung, Persönlichkeit u.a. auf dem Weg zur fertigen Berufungsliste genauso in den Blick genommen wie die Frage, welche individuellen und kollektiven Entscheidungsstrategien zum Einsatz kommen, um die finale Berufungsauswahl zu treffen, wenn formale Leitfäden und Kriterienkataloge an die Grenzen ihrer Handhabbarkeit stoßen.

Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurden zwanzig problemzentrierte Interviews an staatlichen Fachhochschulen und Universitäten mit Kommissionsvorsitzenden und Mitarbeitenden des Berufungsmanagements geführt und inhaltsanalytisch ausgewertet. Theoretische Grundlage bildet das Konzept der Handlungsrationalität und Entscheidungsrationalität nach Brunsson (1985). Die bisher vorliegenden Ergebnisse verweisen darauf, dass sich hinter der Frage nach dem Umgang der Kommissionsmitglieder mit den latenten und manifesten Auswahlkriterien vielfältige Strategien des Entscheidungsverhaltens verbergen, wobei ein vermeintlich rationales Handeln nicht zwangsläufig zu einem zufriedenstellenden Ergebnis führen muss. Es zeigt sich, so die ersten Ergebnisse der Studie, dass im Feld der Berufungsverfahren eine Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit besteht, wenn die postulierte Objektivierbarkeit durch strenge Formalisierung im handlungsrationalen Vorgehen der Akteure keinen Widerhall finden kann.

Im vorliegenden Beitrag soll daher der Frage nachgegangen werden, wie erstens seitens der beteiligten Akteure mit den ‚Graubereichen‘ zwischen pragmatischem Vorgehen und Formalisierungserfordernissen umgegangen wird und zweitens, welche handlungsleitende Schlüsse aus dieser Beforschung der Berufungsverfahren im Sinne der Hochschulentwicklung gezogen werden können, um den Abbau von Handlungsunsicherheiten in diesem Aufgabenfeld und die Passung institutioneller Formalia zur tatsächlichen Berufungspraxis zu befördern.

Literatur

Becker, F. G. (2014). Berufungsverfahren für Universitätsprofessoren. Veränderung tut Not. Das Hochschulwesen, 62 (4+5), 111-115.

Brunsson, N. (1985). The Irrational Organization. Irrationality as a basis for organizational Action and change. Wiley.

Kleimann, B. & Hückstädt, M. (2018). Auswahlkriterien in Berufungsverfahren: Universitäten und HAWs im Vergleich. Beiträge zur Hochschulforschung 40 (2). 20-46.

Wissenschaftsrat (WR) (2005). Empfehlungen zur Ausgestaltung von Berufungsverfahren. Drs. 6709-05. https://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/6709-05.html

Wissenschaftsrat (WR) (2022). Empfehlungen für eine zukunftsfähige Ausgestaltung von Studium und Lehre. Drs. 9699-22. Köln.

Hug-Entscheidungsverhalten in der Ausgestaltung einer Grauzone – Hochschulpraktische Implikationen der B.pdf


Individuelle Autonomie von Wissenschaftler*innen – ein konzeptioneller Vorschlag

Tobias Bochmann

Leibniz Universität Hannover, Deutschland

Die Freiheit von Wissenschaft und Forschung ist – gerade an der Schnittstelle von Hochschulforschung und Hochschulentwicklung – ein gegenwärtig wieder viel diskutiertes Thema.

Mit dem Academic Freedom Index (AFI) existiert auf Länderebene inzwischen ein (im Ansatz auch methodisch überzeugender) Datensatz, der es erlaubt, Wissenschaftsfreiheit international vergleichend in den Blick zu nehmen (Spannagel/Kinzelbach 2022).

Auf „Tatsachenwissen“ (Schimank 2021) abzielende Untersuchungen, die dezidiert die individuelle Ebene fokussieren, liegen dagegen bislang kaum vor. Das überrascht nicht zuletzt deshalb, weil – zumindest in Deutschland – Wissenschaftsfreiheit primär als individuelles Abwehrrecht im Grundgesetz verankert ist (Scholz 2017).

Auch wenn die Freiheit der Wissenschaft damit einem normatives Ideal gleichkommt (Özmen 2021), dürfen juristisch-normatives Sollen und empirisch beobachtbares Sein nicht gleichgesetzt werden (Zechlin 2017). Der vorliegende Beitrag nimmt die Freiheit von Wissenschaftler*innen daher aus der Perspektive des sozialwissenschaftlichen Konzepts der individuellen Autonomie in den Blick.

Ausgehend von einer professions- (Torka 2014) und wettbewerbssoziologischen (Krücken 2021) Fundierung, wird eine doppelte Unterscheidung vorgeschlagen, um das Konzept für empirische Untersuchungen fruchtbar zu machen: Auf inhaltlicher Ebene muss eine formale (de jure) Dimension von Autonomie von einer faktischen (de facto) Dimension abgegrenzt werden, auf methodischer Ebene ist zwischen wahrgenommener (geschilderter) und tatsächlich-praktischer (nur analytisch zugänglicher) Autonomie zu unterscheiden.

Erst eine solche mehrdimensionale Konzeption erlaubt es, die individuelle Autonomie von Wissenschaftler*innen umfassend rekonstruieren zu können.

Mithilfe von Interviewmaterial, das im Kontext der DFG-Forschungsgruppe „Multipler Wettbewerb im Hochschulsystem“ entstanden ist, sollen die konzeptionellen Überlegungen des Beitrags schließlich empirisch illustriert werden.

Literatur:

Krücken, Georg (2021): Multiple competitions in higher education. A conceptual approach, in: Innovation: Organization & Management, 23 (2), S. 163-181.

Özmen, Elif (2021): Wissenschaftsfreiheit. Normative Grundlagen und aktuelle Herausforderungen, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 71 (46), S. 4-8.

Schimank, Uwe (2021): Soziologische Schlussfolgerungen, in: D. Grimm; L. Zechlin; C. Möllers; U. Schimank (Hg.): Wissenschaftsfreiheit in Deutschland. Drei rechtswissenschaftliche Perspektiven, Berlin, S. 43-48.

Scholz, Rupert (2017): Art. 5 Abs. III GG, in: T. Maunz; G. Dürig (Hg.): Grundgesetz-Kommentar, München, Rn. 1-204.

Spannagel, Janika; Kinzelbach, Katrin (2022): The Academic Freedom Index and Its indicators: Introduction to new global time-series V-Dem data, in: Quality & Quantity (online first), DOI 10.1007/s11135-022-01544-0.

Torka, Marc (2014): Professionelle Autonomie. Zum analytischen Wert professionssoziologischer Autonomiebegriffe in der Wissenschaftsforschung, in: M. Franzen; A. Jung; D. Kaldewey; J. Korte (Hg.): Autonomie revisited. Beiträge zu einem umstrittenen Grundbegriff in Wissenschaft, Kunst und Politik, Weinheim, Basel, S. 88-114.

Zechlin, Lothar (2017): Wissenschaftsfreiheit und Organisation - Die „Hochschullehrermehrheit“ im Grundrechtsverständnis der autonomen Universität, in: Ordnung der Wissenschaft, 4 (3), S. 161-174.

Bochmann-Individuelle Autonomie von Wissenschaftlerinnen – ein konzeptioneller Vorschlag-176.pdf


 
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