Veranstaltungsprogramm

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Sitzungsübersicht
Sitzung
Umgang mit Heterogenität
Zeit:
Dienstag, 12.09.2023:
10:30 - 12:00

Chair der Sitzung: Sude Peksen, TU Dortmund
Ort: SL0214


Track 2: Gestaltungsfragen der Hochschulpolitik


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Präsentationen

Der Gender Visibility Gap und die Rolle der Hochschulkommunikation

Eva Wegrzyn, Anja Mallat, Prof. Dr. Ute Klammer, Dr. Maren Jochimsen

Universität Duisburg-Essen, Deutschland

Sichtbarkeit in der Wissenschaft erleichtert die Beschäftigungschancen im akademischen Feld und erhöht die Chancen, in der Öffentlichkeit als Expert*in adressiert zu werden. Auch die Fähigkeit, die eigene Forschung durch „Wissenschaftskommunikation“ in die Gesellschaft zu kommunizieren, wird für Wissenschaftler*innen bedeutsamer (BMBF 2019). Sowohl die Ebene der Sichtbarkeit innerhalb der Wissenschaft als auch die Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit sind vergeschlechtlicht und spiegeln strukturelle Ungleichheiten in den Geschlechterverhältnissen auf der symbolischen Ebene wider (Budrikis 2020; Prommer, Linke 2017).

Die Geschlechterunterschiede in der Publikationsaktivität (Lerchenmüller et al. 2021) und der Zitationshäufigkeit (Budrikis 2020) als Ausdruck einer geringeren Sichtbarkeit in der Wissenschaft (Gender Publication bzw. Citation Gap) sind gut erforscht. Zusammen mit den Unterschieden in der öffentlichen Kommunikation von Forschung (hier verstanden als möglicher Gender Science Communication Gap) weisen sie auf einen Gender Visibility Gap hin, den es in seinen vielfältigen Dimensionen zu untersuchen gilt.

An Hochschulen bilden die Abteilungen für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit die Schnittstelle zwischen wissenschaftsinterner (Fach-)Kommunikation und der öffentlichkeitsadressierenden Wissenschaftskommunikation. Diese Personengruppe könnte damit im Diskurs um die Stärkung der Sichtbarkeit von leistungsstarken Wissenschaftlerinnen eine bedeutende Rolle spielen und einen anschaulichen Anknüpfungspunkt für den Transfer von Ergebnissen der Hochschulforschung in die Hochschulpraxis bieten.

Wie wird das vielschichtige Konzept der „Sichtbarkeit“ in der Wissenschaft im Zusammenhang mit der Norm der Gleichstellung der Geschlechter diskutiert? Inwiefern sehen sich professionelle Hochschulkommunikator*innen als verantwortliche Akteur*innen auf dem Weg zu einer stärkeren Sichtbarmachung des wissenschaftlichen Beitrags von Forscherinnen zu gesellschaftlichen Herausforderungen und einer geschlechtergerechten Darstellung von wissenschaftlicher Exzellenz?

Der Vortrag stellt erste Ergebnisse des BMBF geförderten Forschungs- und Transferprojektes „Exzellenz entdecken und kommunizieren. Sensibilisierung und Kompetenzentwicklung zum Thema Exzellenz und Gender für PostDocs und Akteur*innen der Hochschulkommunikation“ (EXENKO) vor (FKZ 01FP21023).

Dazu wurden 2022 insgesamt 51 problemzentrierte Interviews mit männlichen und weiblichen Postdocs, Professorinnen, Akteur*innen der Hochschulkommunikation sowie Personen aus der hochschulischen Gleichstellungsarbeit an vier Hochschulen in NRW geführt. Gegenstand der Gespräche waren Fragen, wie die Interviewpartner*innen den Exzellenzbegriff wahrnehmen, wie sie für sich definieren, was Sichtbarkeit einer Forschungspersönlichkeit sowohl innerhalb der Fachcommunity als auch in der Öffentlichkeit bedeutet und wie Sichtbarkeit und Exzellenz zusammenhängen. Die Interviews wurden auf Grundlage des Integrativen Basisverfahrens ausgewertet (Kruse 2014).

Die erste Analyse der Interviews weist darauf hin, dass Hochschulkommunikator*innen ein Spannungsverhältnis zwischen Darstellung und Konstruktion der Wirklichkeit wahrnehmen. Der Vortrag gibt Einblicke zur Frage, inwiefern sie sich als "Gestaltende" einer geschlechtergerechten Wissenschaftskommunikation verstehen und welche diesbezüglichen eigenen Handlungsmöglichkeiten sie identifizieren, welche Erwartungen seitens der Wissenschaftler*innen an sie herangetragen werden und wo sie Handlungspotentiale von Forscherinnen ausmachen, ihre wissenschaftlichen Leistungen sichtbar(er) zu machen.

Literatur

BMBF (2019): Grundsatzpapier des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zur Wissenschaftskommunikation.

Budrikis, Z (2020): Growing citation gender gap. Nat Rev Phys 2, 346. https://doi.org/10.1038/s42254-020-0207-3.

Kruse, J (2014): Qualitative Interviewforschung. Ein integrativer Ansatz. Weinheim: Beltz Juventa.

Lerchenmüller C, Schmallenbach L, Lerchenmüller M J (2021): "Gender Publication Gap" 2020 größer geworden. https://www.forschung-und-lehre.de/forschung/gender-publication-gap-2020-groesser-geworden-4086 (28.03.2023).

Prommer E, Linke C (2017): Audiovisuelle Diversität? Geschlechterdarstellungen in Film und Fernsehen in Deutschland. https://malisastiftung.org/wp-content/uploads/Broschuere_din_a4_audiovisuelle_Diversitaet_v06072017_V3.pdf (28.03.2023).

Wegrzyn-Der Gender Visibility Gap und die Rolle der Hochschulkommunikation-132.pdf


Multidimensionale Geschlechterungleichheiten im akademischen Mittelbau – Forschungsergebnisse und Lösungsansätze

Dr. Lisa Mense, Dr. Heike Mauer

Universität Duisburg-Essen, Deutschland

Die Förderung und Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit ist eine grundgesetzliche Aufgabe der Hochschulen, die durch weitere Gesetzgebung wie die Landesgleichstellungs- und Hochschulgesetze konkretisiert wird. Wie Hochschulen den Gleichstellungsauftrag umsetzen, ist Gegenstand der angewandten gleichstellungsbezogenen Hochschulforschung. Ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse und Forschungsergebnisse zu Geschlechterungleichheiten und Gleichstellungspraxen an Hochschulen schaffen eine wichtige Wissensbasis für die Politik auf Bundes, Landes- und Hochschulebene.

In diesem Feld der hochschulbezogenen Geschlechterforschung verorten sich auch die Forschungen im Rahmen des Gender-Reports über die Geschlechter(un)gerechtigkeit an nordrhein-westfälischen Hochschulen, der im Dreijahresrhythmus von der Koordinations- und Forschungsstelle des Netzwerks Frauen- und Geschlechterforschung NRW veröffentlicht wird. Ausgehend von den in den Untersuchungen gewonnenen Forschungsergebnissen werden Handlungsempfehlungen für Gleichstellungspolitiken an den Hochschulen abgeleitet. Diese sollen dazu beitragen, Prozesse hin zu mehr Geschlechtergerechtigkeit anzustoßen. Das gilt ebenfalls für den aktuellen Gender-Report 2022, in dem in einer Teilstudie die Arbeitsbedingungen und Karriereoptionen der hauptberuflichen wissenschaftlichen und künstlerischen Beschäftigten ohne Professur an den Hochschulen in Trägerschaft des Landes NRW aus einer Geschlechterperspektive untersucht wurden (vgl. Kortendiek et al.). Damit hat sich die Studie einem derzeit hochaktuellen und umkämpften Thema gewidmet, das anhand der Stichworte Befristung und Prekarität kritisch diskutiert wird.

Mittels einer geschlechterbezogenen Sekundäranalyse hochschulstatistischer Daten des Landes NRW wurden die Beschäftigungsverhältnisse mit Blick auf Befristungen, Beschäftigungsumfang und Eingruppierung/Besoldung analysiert. Zudem wurden 5.695 Fragebögen ausgewertet, die im Rahmen einer teilstandardisierten Online-Befragung der hauptberuflichen Beschäftigten im akademischen Mittelbau an den Hochschulen in NRW (ohne Hochschulmedizin) gewonnen wurden. Im Fokus stehen Fragen nach den Arbeitsbedingungen und Berufsperspektiven, den persönlichen Erfahrungen im Arbeitsalltag, erlebter Unterstützung und Förderung sowie Benachteiligungen. Anhand der Selbstauskünfte der Befragten war es zudem möglich, Geschlecht nichtbinär und in Verbindung mit weiteren Dimensionen sozialer Ungleichheit (u. a. familiäre Migrationsgeschichte und rassifizierende Zuschreibungen sowie Bildungsherkunft) und somit aus einer multidimensionalen Geschlechterperspektive in den Blick zu nehmen.

Im Vortrag präsentieren wir zentrale Ergebnisse der Studie und möchten hiervon ausgehend hochschul- und gleichstellungspolitische Lösungsansätze diskutieren.

Die geschlechterbezogenen Auswertungen zeichnen ein differenziertes Bild: Neben vielen Gemeinsamkeiten zwischen den Geschlechtern – wie die vorherrschende Befristung der Stellen – existieren Unterschiede nach Hochschulart und Fach. Hinsichtlich der Beteiligung von Frauen im akademischen Mittelbau zeigt sich, dass mit einem Anteil von 43 Prozent zwar annähernd Parität erreicht ist, Frauen über Fächergrenzen hinweg jedoch besonders häufig in Teilzeit beschäftigt sind. Die Daten der Online-Befragung ergeben zudem, dass Frauen sowie trans*, inter* und nichtbinäre Befragte deutlich häufiger als Männer Benachteiligungen bis hin zu sexueller Belästigung erfahren. Dabei verstärken rassifizierende Zuschreibungen oder eine familiäre Migrationsgeschichte die Häufigkeit der Benachteiligungen. Gleichzeitig gibt es viele positive Erfahrungen von Förderung und Kollegialität.

Die Ergebnisse der Studie machen deutlich, dass zur Förderung der Gleichstellung strukturelle Verbesserungen der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen unabdingbar sind. Zugleich bedarf es einer Gleichstellungs- und Hochschulpolitik, die über ein binäres Konzept von Geschlecht hinausgeht sowie ein multidimensionales und kooperatives Verständnis von Gleichstellung und Antidiskriminierung entwickelt.

Literatur:

Kortendiek, Beate/Mense, Lisa/Beaufaÿs, Sandra/Bünnig, Jenny/Hendrix, Ulla/Herrmann, Jeremia/Mauer, Heike/Niegel, Jennifer (2022): Gender-Report 2022. Geschlechter(un)gerechtigkeit an nordrhein-westfälischen Hochschulen. Hochschulentwicklungen, Gleichstellungspraktiken, Ungleichheiten im Mittelbau. Essen. https://netzwerk-fgf.nrw.de/fileadmin/media/media-fgf/download/Genderreport_2022_Langfassung.pdf.

Mense-Multidimensionale Geschlechterungleichheiten im akademischen Mittelbau – Forschungsergebnisse-159.pdf


Auszeiten, Umwege und aufgeschobene Übergänge: Biographische Diversität in deutschen Hochschulen

Dr. Nicole Tieben, Matthias Pohlig

Leibniz Universität Hannover, Deutschland

Hochschulzugänge haben sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert: Zugangswege zur Studienberechtigung und Übergänge in die Hochschule werden komplexer und diverser. So erreichet beispielsweise ein wachsender Anteil an Studierenden die Hochschule nicht direkt nach dem Verlassen der Sekundarstufe, sondern über alternative Aktivitäten und Umwege, wie z.B. berufliche Ausbildungen, Erwerbstätigkeit, Praktika, Wehr- und Freiwilligendienst oder Auszeiten.

Trotz dieser Vielfalt ist wenig darüber bekannt, welche Wege Schulabgängerinnen und Schulabgänger nach dem Verlassen der Sekundarstufe nehmen und wie viel Zeit diese in Anspruch nehmen. Ebenso ist bisher unklar geblieben, ob es gruppenspezifische Übergangsmuster gibt. Unser Beitrag will diese Forschungslücke schließen.

Wir widmen uns folgenden drei Fragestellungen:

  1. Wie nutzen Studierende die Zeit zwischen dem Abschlussjahr der Sekundarstufe 1 und dem ersten Übergang in die Hochschule?
  2. Welche Unterschiede in Typ und Dauer von Verzögerungen zwischen Männern und Frauen lassen sich beobachten?
  3. Welche Unterschiede in Typ und Dauer von Verzögerungen zwischen Schulabgängern und Schulabgängerinnen unterschiedlicher sozialer Herkunft lassen sich beobachten?

Für unsere Analysen nutzen wir die Daten der NEPS Startkohorte 5. Die Stichprobe umfasst knapp 16.000 Studierende, die im Wintersemester 2010/11 erstmals an einer deutschen Hochschule eingeschrieben waren. Sequenz- und Cluster-Analysen geben Aufschluss über die Wege vom Abschlussjahr der Sekundarstufe 1 in die Hochschule. So sind wir in der Lage, auch die Umwege zur Studienberechtigung zu erfassen und herauszuarbeiten, welche Aktivitäten für verzögerte Übergänge in die Hochschule verantwortlich sind. Wir unterscheiden “produktive” und “unproduktive” Aktivitäten. Erstere umfassen Episoden des Erwerbs weiterer formaler Qualifikationen oder Erwerbstätigkeit, letztere umfassen Aktivitäten außerhalb von Arbeitsmarkt oder Bildungssystem („NEET“).

Wir identifizieren sechs Cluster und zeigen, dass Studierende mit einer niedrigeren sozioökonomischen Herkunft insgesamt längere Übergangsdauern haben, aber absolut (Anzahl Monate) und relativ (% der Gesamtdauer) mehr Zeit mit „produktiven“ Aktivitäten verbringen als Studierende mit einer höheren sozioökonomischen Herkunft. Für das Geschlecht zeigen wir, dass Männer längere Übergangsdauern haben, es jedoch keine absoluten geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Dauer „unproduktiver“ Aktivitäten gibt. Frauen dagegen gehen im Verhältnis zur Gesamtdauer länger „unproduktiven“ Aktivitäten nach. Regressionen legen nahe, dass geschlechtsspezifische und sozioökonomische Unterschiede vollständig durch Militärdienst und Berufsausbildung erklärt werden. Unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeit zeigt sich, dass „unproduktive“ Gap-Years (im engeren Sinne) zwischen der Sekundarstufe II und der Hochschulbildung in Deutschland offenbar eine untergeordnete Rolle spielen.

Tieben-Auszeiten, Umwege und aufgeschobene Übergänge-155.pdf


 
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