15:30 - 16:00Fachdidaktische Diskurse zu digitalen Medien als Lerngegenständen in fachdidaktischen Zeit-schriften der Fächer Deutsch und Sozialwissenschaften
Anna Rebecca Hoffmann, Alexander Wohnig
Universität Siegen, Deutschland
Digitale Medien sind insbesondere in den sprachlichen wie gesellschaftswissenschaftlichen Fä-chern zu bedeutsamen Lerngegenständen avanciert. Allerdings reichen die damit verbundenen didaktischen Konzepte von bewahrpädagogischen Ansätzen, die einen kritischen Umgang mit digitalen Medien – bspw. in Form einer Fokussierung auf Fake News – fokussieren (vgl. Miething/Seo 2018, Kommer 2016, Hoffmann 2013), über integrative (vgl. Lewerenz 2023) bis hin zu solchen, die für eine Ersetzung bislang zentraler, sog. ‚kanonischer‘ Gegenstände des Fa-chunterrichts plädieren (vgl. Wampfler 2023). Dadurch geraten digitale Medien auch in Konkur-renz mit anderen Gegenständen. Die hierdurch entstehenden Konflikte ebenso wie Rechtferti-gungsstrategien für die Aufnahme oder den Ausschluss digitaler Medien in den Fachunterricht werden unter anderem in fachdidaktischen Zeitschriften nachvollziehbar.
Auf Basis einer ersten Sichtung des fachdidaktischen Diskurses zum Einbezug digitaler Medien in den Fächern Deutsch und Sozialwissenschaften ist zu konstatieren, dass dieser einen breiten Raum einnimmt, indem ihm nicht nur einzelne Beiträge in fachdidaktische Zeitschriften ge-widmet sind, sondern wiederholt ganze Hefte (vgl. z.B. Didaktik Deutsch 52/53/2022, WOCHEN-SCHAU 23/2023). Dabei scheint die Forderung nach einer (integrativen) Erweiterung der Leit-medien um digitale Medien in beiden Fächern zu überwiegen. Allerdings zeichnen sich bezüg-lich der jeweils vorgeschlagenen didaktischen Konzepte erste Differenzen zwischen den Fä-chern ab.
In unserem transdisziplinären fachdidaktischen Forschungsprojekt, das im Rahmen des Sonder-forschungsbereichs SFB 1472 „Transformationen des Populären“ angesiedelt ist, gehen wir der Frage nach, wie der didaktische Diskurs zur Integration von digitalen Medien als Lerngegenstän-den in fachdidaktischen Zeitschriften der Fächer Deutsch und Sozialwissenschaften zwischen 2000 und 2025 verlaufen ist. Mithilfe digitaler sowie diskursanalytischer Methoden (vgl. Keller 2011) untersuchen wir diesbezüglich, wie digitale Medien als potentielle Gegenstände des Un-terrichts thematisiert werden. Dabei stehen die Rechtfertigung für die Integration bzw. Exklusi-on digitaler Medien sowie die fachspezifischen Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Fokus.
16:00 - 16:30Halluzinationen als Chance: KI-Kompetenz mit Deleuze
Daniel Austerfield
Freie Universität Berlin, Deutschland
KI-Kompetenz kontextualisiert KI oft als Werkzeug, um etabliertes Wissen abzurufen und anzuwenden, wobei Halluzinationen als faktische oder technische Fehler abgetan werden. Dieser Ansatz tendiert dazu, den Fokus auf die Validierung bekannter Lösungen zu verengen, anstatt kritisches und kreatives Denken zu fördern. Indem sie das manchmal unvorhersehbare Potenzial von KI übersehen, könnten Pädagogen Chancen verpassen, innovative (begriffliche) Forschung zu kultivieren.
Während KI-Kompetenz [1] [2] ethische Nutzung und funktionale Anwendung thematisieren, positionieren sie diese mehrheitlich mit einer Betonung auf faktischer Genauigkeit. Selbst ohne jeglichen Wahrheitswert [3] bleibt die faktische Realität doch grundlegende Referenz. In Anlehnung an Deleuzes Konzepte des "Aktuellen" und "Virtuellen" [4] interpretiert dieser Beitrag Halluzinationen als besondere Inspiration neuer gedanklicher "Fluchtlinien".
So fragt dieser Beitrag: Inwieweit können Halluzinationen als produktive Ausgangspunkte für philosophische Erkundung und kritisches Denken dienen? Das Ziel ist die Auslotung eines Rahmens, in dem Halluzinationen als Katalysatoren für konzeptuelle Innovation gesehen werden. Begrifflich-analytisch setzt sich dieser Beitrag mit KI-Kompetenz auseinander und wendet die Theorie des Aktualen und des Virtuellen auf Halluzinationen an. Dieser Rahmen legt nahe, dass Halluzinationen das Virtuelle erschließen können und so unerwartete konzeptueller Verbindungen ermöglichen, gerade weil sie als Aktuelles ungenau sind.
Die Neuformulierung von Halluzinationen auf diese Weise fordert Ziele der KI-Kompetenz heraus, die sich primär auf Korrektheit und Faktizität richten. Stattdessen unterstreicht sie – insbesondere in der Philosophie-Didaktik - die Bedeutung explorativer Lernstrategien, die die unvorhersehbaren Ausgaben der KI nutzen, um neue Gedanken anzuregen. Diese Perspektive fördert zudem ein tieferes Bewusstsein für algorithmische Verzerrungen und die Begrenzung des Aktuellen durch die Trainingsdaten.
Ferner veranschaulicht dieser Beitrag Schnittstellen zwischen der Philosophie-Didaktik und dem Querschnittsthema Digitalisierung und bietet eine produktive Perspektive auf KI über technische oder funktionale Paradigmen hinaus. Im Zusammenspiel der Aktuellen und Virtuellen Dimensionen der KI können Pädagogen verschiedener Disziplinen das kritische, spekulative und adaptive Denken fördern, das im digitalen Zeitalter zunehmend unerlässlich ist.
16:30 - 17:00Kompetenzen für den Unterricht mit und über Künstliche Intelligenz – Der Orientierungsrahmen DiKoLAN KI
Johannes Huwer1,2, Lars-Jochen Thoms1,2, Nikolai Maurer1,2, Mathea Brückner1,2, Sandra Berber1,2, Lena Von Kotzebue3, Till Bruckermann4, Sebastian Becker-Genschow5, Alexander Finger6, Erik Kremser7, Christiph Thyssen8
1Universität Konstanz, Deutschland; 2Pädagogische Hochschule Thurgau; 3Paris Lodron Universität Salzburg; 4Leibniz Universität Hannover; 5Universität zu Köln; 6Universität Leipzig; 7Technische Universität Darmstadt; 8Pädagogische Hochschule Freiburg
Um Unterricht mit digitalen Technologien zu planen und durchzuführen, sind technologiebezogene fachdidaktische Kompetenzen der Lehrkräfte von zentraler Bedeutung. Mit dem Orientierungsrahmen „Digitale Basiskompetenzen für das Lehramt der Naturwissenschaften“ (DiKoLAN) steht für das Lehramtsstudium ein Rahmen mit konkret operationalisierten Kompetenzen inklusive eines Selbsteinschätzungsinstruments (DiKoLAN-Grid; von Kotzebue et al., 2021) zur Verfügung, der zumindest die im Studium zu erwerbenden Kompetenzen adressiert.
Künstliche Intelligenz erhält rasend schnell impliziten und expliziten Einzug in nahezu alle Bereiche des Lebens, Wissenschaft und Bildung. Bisher wurde KI als spezielle Technologie weder im DiKoLAN noch in Modellen und Rahmen wie TPACK oder DigCompEdu nicht explizit berücksichtigt, sodass KI-bezogene Kompetenzen von Lehrpersonen ergänzend zu den bereits in DiKoLAN formulierten Kompetenzen beschrieben werden müssen.
Auf der Grundlage der Strukturierung von DiKoLAN (Tätigkeit unterrichtlichen Handelns) wurden in einem iterativen Verfahren mit Expert*innenbefragungen Kompetenzen im Umgang mit und in der Nutzung von KI im naturwissenschaftlichen Unterricht beschrieben werden. Als Ergebnis dieses Prozesses entstand in Kooperation mit der Deutsche Telekom Stiftung der Orientierungsrahmen ist der DiKoLAN KI (Huwer et al., 2024). Zusammen mit DiKoLAN KI wurden ebenso 20 Praxisbeispiele von Expert*innen der Bio-, Chemie-, Physik-, Informatik-, und Sachunterrichtsdidaktik oder auch Computerlinguistik publiziert.
Im Vortrag wird DiKoLAN KI und dessen Herleitung präsentiert. Ebenso werden erste Perspektiven auf und exemplarische Einblicke aus den 20 Praxisbeispielen zur Integration der DiKoLAN KI Kompetenzen in die Bildung vorgestellt.
Referenzen
Von Kotzebue, L., Meier, M., Finger, A., Kremser, E., Huwer, J., Thoms, L.-J., Becker, S., Bruckermann, T., & Thyssen, C. (2021). The Framework DiKoLAN (Digital Competencies for Teaching in Science Education) as Basis for the Self-Assessment Tool DiKoLAN-Grid. Education Sciences, 11(12), 775.
Huwer, J., Becker-Genschow, S., Thyssen, C., Lars-Jochen Thoms, Kotzebue, L. v., Finger, A., Kremser, E., Meier, M., & Bruckermann, T. (2024). Kompetenzen für den Unterricht mit und über Künstliche Intelligenz. Waxmann. https://doi.org/10.31244/9783830999317
|