Validierung eines generischen Modells von Forschungsdesigns in der Fachdidaktik durch Topic Modelling
Alexander Christ2, Ulrich Riegel1, Jens Röschlein2, Martin Rothgangel3
1Universität Siegen, Deutschland; 2DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation; 3Universität Wien
Bisher hat die Diskussion über Forschungsdesigns in der Fachdidaktik hauptsächlich innerhalb der Disziplinen dieses akademischen Bereichs stattgefunden (Bayrhuber et al., 2012; Rothgangel et al., 2020). Um die interdisziplinäre Diskussion anzuregen, wurde kürzlich in einer Delphi-Studie ein generisches Modell von Forschungsdesigns entwickelt (Riegel & Rothgangel, 2022, 2024). Zur Untermauerung dieses generischen Modells wird in diesem Papier die Frage aufgeworfen, ob das generische Modell in Doktorarbeiten im Bereich der Fachdidaktik validiert werden kann. Solche Dissertationen sind ein idealer Testfall, da die Nachwuchswissenschaftler:innen in solchen Arbeiten ihre Kompetenz für eine angemessene Forschung in ihrem akademischen Bereich unter Beweis stellen. Zur Beantwortung dieser Frage werden die Volltexte einer Stichprobe von N = 1680 Dissertationen mit Topic Modelling, einer Methode der Computerlinguistik zur Ermittlung latenter Themen in Textkorpora, analysiert. Mit dieser Methode werden die latenten theoretischen und methodischen Themen sowie die wichtigsten Forschungsziele über alle Dissertationen hinweg ermittelt (Blei & Jordan, 2003; Steyvers & Griffiths, 2007). Schließlich werden die charakteristischen Themen durch eine Inhaltsanalyse geclustert und mit den Kategorien des generischen Modells verglichen. Dieser Vergleich zeigt, inwieweit das durch eine Delphi-Studie gewonnene Modell die Praxis der fachdidaktischen Forschung erfassen kann.
Interdisziplinarität in gesellschaftswissenschaftlichen Fächer(verbünde)n der Sekundarstufe I aus der Lehrer:innenperspektive
Michell Dittgen
Universität Trier, Deutschland
Zurzeit werden in dreizehn Bundesländern an verschiedenen Schulformen der Sekundarstufe I gesellschaftswissenschaftliche Fächer(verbünde) unterrichtet, die geographische, historische und politisch-ökonomische Bildung zu verbinden suchen. Dabei bewegen sie sich sowohl auf theoretischer als auch auf praktischer Ebene in einem permanenten Spannungsfeld zwischen Interdisziplinarität und Fachlichkeit, das weder auf fachdidaktischer, noch auf bildungspolitischer Ebene bis dato eine eindeutige Zielklärung erfuhr (vgl. Sander 2017; Busch & Mönter 2019). Weite Teile der Lehrer:innenschaft beschreiben gelingende Interdisziplinarität als unterrichtliches Kernanliegen und berichten zugleich von erheblichen didaktischen Herausforderungen, bisweilen auch von Überforderung (vgl. Busch, Dittgen & Mönter 2020).
Welches fachliche Integrationsniveau Lehrer:innen erreichen möchten, wie sie sich gelingende Fächerintegration konkret vorstellen, woher sie diese Vorstellungen ableiten und wie sie gesellschaftswissenschaftliche Interdisziplinarität praktisch-methodisch zu realisieren suchen, wurde bis dato kaum untersucht, obwohl Lehrende eine Schlüsselrolle in schulischen Lehr-Lern- (vgl. Hattie 2015) und didaktischen Innovationsprozessen (vgl. Shulman 1997) einnehmen. Angesichts des Fehlens einer didaktischen Grundlegung der Fächer(verbünde) bei anhaltendem Unterrichtsbedarf „[eilt] [d]ie Praxis […] hier der Theorie gewissermaßen voraus“ (Sander 2017, S. 10). Sie war und ist gefordert, eigene Antworten auf die didaktischen Herausforderungen des Unterrichts zu entwickeln. Diese „wisdom of practice“ (Shulman 1986, S. 11) wissenschaftlich zu erschließen und sie für die Theoriebildung und didaktische Entwicklung anknüpfbar zu machen, ist Ziel eines Promotionsprojekts.
In sechs kontrastierend ausgewählten Bundesländern mit sehr unterschiedlichen Gesellschaftslehre-, Gesellschaftswissenschaften- bzw. Weltkunde-Lehrplänen (Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein) wurde unter den betreffenden Lehrpersonen eine onlinegestützte Fragebogenstudie durchgeführt (n = 427). Welche Konzepte von fachlichem und fächerverbindendem Lernen und Arbeiten sie verfolgen, welche Unterrichts- und sonstigen beruflichen Praktiken sich in dieser Hinsicht herausgebildet haben und wie sich Ziel- und Handlungsunterschiede zwischen Lehrpersonen erklären lassen, steht im Fokus der Analyse.
Das Poster gibt Einblicke in die Konzeption und den aktuellen Stand der Studie.
Sind Musikklassen sozial kompetenter? - Soziale Netzwerkanalysen in der weiterführenden Schule
Johannes Hasselhorn1, Miriam Knebusch1, Andreas Sander2, Björn Hermstein2
1Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg; 2Ostfalia - Hochschule für angewandte Wissenschaften
Soziale Kompetenzen sind essenziell für angemessenes Verhalten in sozialen und schulischen Kontexten (Lohaus & Domsch, 2020) sowie für den Erwerb weiterer fachlicher und überfachlicher Fähigkeiten. Ihr Erwerb und die daraus resultierende Handlungsfähigkeit stellen einen zentralen Kompetenzbereich dar, der im schulischen Unterricht sowie in intra- und extracurricularen Angeboten gefördert werden sollte.
Empirische Studien und gesellschaftlich tradierte Annahmen geben Hinweise darauf, welche schulischen Settings die Entwicklung sozialer Kompetenzen begünstigen. So zeigte die Ganztagsschulforschung (Fischer et al., 2011), dass eine kontinuierliche Teilnahme an Ganztagsangeboten problematisches Verhalten reduzieren kann. Im Fach Musik existiert traditionell die Annahme, dass musikalische Aktivitäten positive Effekte auf Persönlichkeitsentwicklung und soziale Kompetenz haben. Gembris (2015) weist jedoch darauf hin, dass wissenschaftliche Belege für eine direkte Verbindung zwischen Musizieren und erhöhter Sozialkompetenz bislang fehlen. Unklar bleibt zudem, ob die subjektiven Beobachtungen von Praktiker:innen eine breitere empirische Realität widerspiegeln – etwa, ob in Musikprofilklassen ein positiveres soziales Gefüge besteht als in anderen Klassen.
Diese Studie untersucht anhand eines Datensatzes von über 2.000 Schüler:innen aus 23 Schulen mit drei Messzeitpunkten, ob soziale Netzwerke in Musikprofilklassen positiver beurteilt werden als in anderen Klassen – unabhängig von kausalen Zusammenhängen. Hierfür werden Kennwerte der sozialen Netzwerkanalyse auf Individual- und Klassenebene genutzt und in latenten Entwicklungsmodellen überprüft, ob die Zugehörigkeit zu einer Musikprofilklasse einen positiven Einfluss auf die soziale Entwicklung hat. Berücksichtigt werden unter anderem Dichte- und Zentralitätsmaße sowie typische Rollenbilder innerhalb der Netzwerke.
Erste Ergebnisse zeigen nur geringe Unterschiede zwischen Musikprofilklassen und anderen Klassen. Auffällig ist jedoch, dass in Musikprofilklassen tendenziell weniger Einzelgänger:innen und zentrale Persönlichkeiten existieren, dafür aber mehr Vermittler:innen, die verschiedene Subnetzwerke verbinden.
Die Ergebnisse werden im Kontext von fachbezogenen Mythen, institutionellen Profilierungsabsichten und methodischen Herausforderungen diskutiert.
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