Veranstaltungsprogramm

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Sitzungsübersicht
Sitzung
19: Brunnen und Quellfassungen – Anforderungen, Untersuchungsmethoden, Erfahrungen
Zeit:
Freitag, 22.03.2024:
15:30 - 17:00

Chair der Sitzung: Uwe Hekel, HPC AG
Ort: Konferenzraum 2

Sitzungsthemen:
19. Brunnen und Quellfassungen – Anforderungen, Untersuchungsmethoden, Erfahrungen

Präsentationen
15:30 - 15:45
ID: 124 / Thema 19: 1
Vortrag
Themen: 19. Brunnen und Quellfassungen – Anforderungen, Untersuchungsmethoden, Erfahrungen

Die Skin-Schicht in Brunnen - Entstehung, Beschaffenheit und Bedeutung für die Hydraulik

Georg J. Houben

Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), Deutschland

Die Skin-Schicht ist ein wichtige, aber kaum bekannte und noch weniger untersuchte Größe in der hydraulik von Brunnen. Es handelt sich dabei um einen geringmächtigen, aber aufgrund seiner Feinkörnigkeit schwach durchlässigen Filterkuchen, der sich beim Bohrprozess an der Bohrlochwand bildet. Er kann aus künstlich zugegebene Spülungszusätzen (Bentonit, CMC), aber auch aus aufgenommenen Feinmaterial (z.B. Ton, Silt, Kohle) aus den durchteuften Schichten bestehen (bzw. einer Kombination von beidem).

Beim Bohren ist die Anwesenheit der Skin-Schicht wünschenswert, da sie Verluste der Bohrspülung in das umgebende Gebirge verringert und somit das Bohrloch stabilisiert. Wenn sie bei der Brunnenentwicklung nicht entfernt wird, kann sie im späteren Brunnenbetrieb aufgrund der geringen Durchlässigkeit jedoch größere Eintrittsverluste verursachen, da sie die Bohrlochwand abdeckt und das gesamte eintretende Wasser sie passieren muss. Die zusätzlichen Verluste machen sich als erhöhte Absenkung bemerkbar, was höhere Förderkosten verursacht (verringerte Energieeffizienz).

Zwar wird die Skin-Schicht sehr häufig in der Literatur diskutiert, es fehlt aber an echten Daten zu ihrer Typologie, Mächtigkeit, Zusammensetzung und besonders der hydraulischen Durchlässigkeit, da sie kaum zu erreichen ist. Eine der wenigen, aber bisher nicht genutzten Möglichkeiten die Skin-Schicht zu beproben ergibt sich in Tagebauen, wo die fortschreitende Abbaufront die Entwässerungsbrunnen im Vorfeld nach einigen Jahren freilegt. Daher wurde die Skin-Schicht solcher Brunnen aus Tagebauen im Rheinischen Braunkohlenrevier und in der Lausitz beprobt und detailliert hinsichtlich der Zusammensetzung und der hydraulischen Wirkung untersucht. Damit stehen erstmals quantitative Daten zur Skin-Schicht zur Verfügung, die für zukünftige Modellierungen der Brunnenhydraulik wichtig sind.


Houben-Die Skin-Schicht in Brunnen-124.jpg


15:45 - 16:00
ID: 316 / Thema 19: 2
Vortrag
Themen: 19. Brunnen und Quellfassungen – Anforderungen, Untersuchungsmethoden, Erfahrungen

Detection of faecal contamination sources in groundwater wells with molecular biological techniques: case Roodborn

Martin van der schans1, Renard Prevoo2

1KWR water research institute; 2Watermaatschappij Limburg

In recent years, various molecular biological techniques have been developed to identify and characterize faecal pollution sources. The aim of this research was to determine whether two of these techniques, MST-qPCR and MST-NGS, can be used in combination with chemical tracers in groundwater extraction.

Relevance

The monitoring of the microbiological safety of groundwater abstractions is currently based on a limited group of cultivable indicator organisms such as E. coli. In order to detect faecal sources of contamination, alternative molecular methods have been developed over the past decade that make use of other faecal indicator organisms that occur in higher concentrations in contamination sources. This increases the chance of being caught. These methods also provide additional information about the source of infection and are therefore referred to as "microbial source tracking" (MST). This research focuses on qPCR and next generation sequencing (NGS). So far, both MST methods have mainly been tested on surface water and dune water extractions.

Methods

For this study, water quality samples were taken from contaminated wells, non-contaminated wells (collectively referred to as "Sinks") and various sources around the extraction including surface water, sewerage, WWTP and observation wells in nature and agricultural areas (referred to as "Sources"). The samples were analyzed for chemical parameters (nutrients, macro-ions, trace metals, organic micropollutants), traditional faecal indicator organisms (such as E.coli) and molecular biological parameters (qPCR on humans, dogs, ruminants, birds and pigs DNA markers and with next generation sequencing). Subsequently, the contribution of the Sources to the Sinks was determined by analysis of the mixing ratios.

Results

Natural tracers (bromide/chloride ratio) and an earlier artificial tracer test showed that the minimum travel time from the stream bank to one of the extraction wells was only a few days, due to the occurrence of preferential flow paths in the limestone. The MST-qPCR and MST-NGS showed that a number of extraction wells contained humanly contaminated water from the neighboring stream (the Eijserbeek). The stream, in turn, is fed by a combination of WWTP effluent, sewage overflows and runoff of animal faeces from the ground level around the stream. The MST-NGS results indicate that more wells in Roodborn sewage contain bacteria than appears on the basis of the traditional indicator organisms that WML (and other water companies) regularly measure. The measurements do not rule out the possibility that contamination also occurs from other sources.

Potentials

The MST methods provided an enrichment compared to the information obtained from the artificial and natural chemical tracers. Together, they can therefore be used to detect faecal contamination sources around groundwater extractions. The natural chemical tracers mainly provided insight into the origin of the total amount of groundwater extracted. The molecular MST methods mainly provided insight into which sources are likely to make a major contribution to the population of microorganisms.


van der schans-Detection of faecal contamination sources in groundwater wells with molecular biological.jpg


16:00 - 16:15
ID: 330 / Thema 19: 3
Vortrag
Themen: 19. Brunnen und Quellfassungen – Anforderungen, Untersuchungsmethoden, Erfahrungen

Rückspülung eines Schluckbrunnens in der ungesättigten Zone

Fritz Kalwa1,2

1Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Deutschland; 2Institut für Grundwasserwirtschaft, Technische Universität Dresden, Deutschland

Schluckbrunnen stellen seit Jahrzehnten eine der hydraulisch effizientesten Lösungen dar, um Regenwasser von der Oberfläche abzuführen und mit möglichst geringem Flächenbedarf in kurzer Zeit in den Untergrund zu verbringen. Insbesondere das Konzept des Aquifer Storage and Recovery (ASR) erfreut sich in weiten Teilen der Welt großer Beliebtheit, weil durch den Wechsel zwischen Infiltrations- und Pumpphase der Kolmation des Brunnens durch eingebrachte Trübstoffe entgegengewirkt wird. In Deutschland allerdings ist die direkte Einspeisung von Regenwasser ins Grundwasser untersagt. DWA-A 138 schreibt einen Abstand der Unterkante jeglicher Infiltrationseinheit von mindestens einem Meter vor. Dementsprechend können Schluckbrunnen für Regenwasser nur in der ungesättigten Zone verfiltert werden, wo eine Rückspülung bisher nicht möglich war, womit auch ein großer Teil anderer Regenerierungsmethoden (Ultraschallall, chemische Hilfsstoffe) verunmöglicht wird. Kolmatiert ein solcher Brunnen, ist er in der Regel nicht mehr regenerierbar.

In diesem Vortrag wird eine Methode zur Rückspülung eines Brunnens in der ungesättigten Zone und ihre Erprobung auf Technikumskala vorgestellt. Hierbei wird ein bestimmter Abschnitt der Filterstrecke isoliert. Oberhalb wird Wasser infiltriert, und nach Aufsättigung des Porenraums in Filternähe wird schlagartig ein Unterdruck aus einem Vorratsbehälter auf den isolierten Filterbereich appliziert. Der Vorgang wird mehrmals wiederholt, wobei das dem Brunnen zufließende Wasser sich im Vorratsbehälter sammelt, welcher vor jedem Durchgang geleert und mit Unterdruck (-0.7 - -0.8 bar) versehen wird.

Das Verfahren wurde an Brunnenmodellen mit und ohne Kiesschüttung und einem Brunnenrohr mit 2“ (50.8 mm) Durchmesser erprobt. Es stellte sich heraus, dass die Methode an Brunnen ohne Filterkiesschüttung keine nachhaltige Regenerierung ermöglichte. Stattdessen nahm die Infiltrationsleistung im Laufe von zehn Verblockung-Rückspülungs-Zyklen kontinuierlich ab. Die Brunnen mit Kiesschüttung hingegen zeigten zwar bereits nach der ersten Rückspülung nur eine Wiederherstellung von 40-50% der initialen Infiltrationsleistung. Diese konnten jedoch auch in den darauffolgenden neun Verblockung-Rückspülungs-Zyklen weitgehend stabil wiederhergestellt werden.

 


16:15 - 16:30
ID: 283 / Thema 19: 4
Vortrag
Themen: 19. Brunnen und Quellfassungen – Anforderungen, Untersuchungsmethoden, Erfahrungen

Einblicke in die Sanierung von Quellfassungen

Freya Fünfgeld, Uwe Hekel

HPC AG, Niederlassung Rottenburg am Neckar

Neben Brunnen sind Quellfassungen die wichtigsten Bauwerke zur Grundwassererschließung. Da Aufgrabungen von Quellen jedoch eher selten sind, haben selbst erfahrene Hydrogeolog:innen kaum Einblicke in den Aufbau von Quellfassungen.

Anhand eines Praxisbeispiels aus dem Nordschwarzwald werden Untersuchungen zur Feststellung des Sanierungsbedarfes, die Erfordernisse der Genehmigungsplanung sowie der schrittweise Aufbau einer Quellfassung nach der Technischen Regel DVGW W127 vorgestellt.

Feststellung des Sanierungsbedarfs

Bei fachtechnisch korrekter Ausführung und regelmäßigen Unterhaltsmaßnahmen sind Quellfassungen langlebige Bauwerke zur Wassergewinnung. Allerdings lassen viele Quellenbetreiber häufig aus Unkenntnis ihren Quellfassungen nicht das notwendige Maß an Kontrolle und Pflege zukommen. Besonders sichtbar wird dies, wenn das Umfeld einer Quellfassung einen tiefwurzenden Baumbestand aufweist.

Spätestens beim Rückgang der Quellschüttung oder beim Auftreten von Eintrübungen und Keimbelastungen werden ein akuter Untersuchungs- und Handlungsbedarf deutlich. Für ein zielgerichtetes Vorgehen ist ein grundlegendes Verständnis des Aquifersystems und der Quellfassung erforderlich. Dazu gehören u.a. die Kenntnis des Einzugsgebiets und die Differenzierung unterschiedlich schneller Abflusskomponenten anhand von Schüttungsmessungen. Falls keine technischen Zeichnungen der Quellfassung vorhanden sind, müssen die Ablauf- und Fassungsleitungen geortet werden. Untersuchungen wie Kamerabefahrungen oder Tracergasmessungen geben Aufschluss über den Zustand der Leitungen und der Oberflächenabdichtung.

Hieraus ist eine Vorstellung zu möglichen Ursachen für den Rückgang des Wasserdargebots oder den Eintrag von Verunreinigungen zu entwickeln. Abhängig von den Ergebnissen der Voruntersuchungen ergibt sich ein Sanierungsbedarf der Quellfassung, der Rohrleitungen, des Quellsammelbehälters oder der gesamten Anlage.

Genehmigungsplanung

Die Aufgrabung und Fassung eines Quellaustritts sowie die Nutzung des Quellwassers für die Wasserversorgung stellen meist einen gravierenden Eingriff in das Ökosystem und den Wasserhaushalt dar. Häufig sind geschützte Feuchtbiotope mit entsprechenden Tier- und Pflanzenarten auf das Quellwasser angewiesen. Im Genehmigungsverfahren für den Bau und die Nutzung von Quellfassungen sind daher neben einem hydrogeologischen Gutachten auch eine detaillierte Bauplanung sowie eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich.

Sanierung

Nach der Aufgrabung und dem Rückbau der Quellfassung werden die freigelegten Wasserzutritte eingemessen und untersucht. Dabei zeigen sich häufig oberflächennahe Zutritte mit geringerer Mineralisierung, die in Abwehrfassungen oder Drainagen gefasst und abgeleitet werden. Die Wasserzutritte, die genutzt werden sollen, müssen fachgerecht gefasst werden. Fehler beim Aufbau einer Quellfassung, z.B. bei der Auswahl von Materialien und Körnungen oder bei der Anordnung von Dränagen und Abdichtungen, führen häufig zu Einbußen bei der Standzeit der Fassungsanlage und der Wasserqualität. Die fachgerechte Ausführung der Quellensanierung erfordert daher eine gut abgestimmte Zusammenarbeit einer erfahrenen Wasserbaufirma und eines Fachgutachters für die hydrogeologischen, technischen und ökologischen Belange des Quellenbaus.


Fünfgeld-Einblicke in die Sanierung von Quellfassungen-283.jpg


16:30 - 16:45
ID: 201 / Thema 19: 5
Vortrag
Themen: 19. Brunnen und Quellfassungen – Anforderungen, Untersuchungsmethoden, Erfahrungen
Stichworte: 22

Erfahrungen eines Wasserversorgers beim Aufbau eines Alterungsmodells für Förderbrunnen basierend auf Methoden des Maschinellen Lernens

Siri Hoppenau1, Karen Hüske1, Mathias Riechel2

1Oldenburgisch-Ostfriesischer Wasserverband (OOWV), Georgstraße 4, 26919 Brake; 2Fichtner Water & Transportation GmbH, Franklinstr. 26a, 10587 Berlin

Als größter Flächenversorger Deutschlands betreibt der Oldenburgisch-Ostfriesische Wasserverband (OOWV) 15 Wasserwerke mit insgesamt über 260 Förderbrunnen, um die Trinkwasserversorgung von über einer Million Menschen sicherzustellen. Alterungsprozesse innerhalb der Förderbrunnen wie z.B. Eisenverockerung führen mit der Zeit zu einer Verschlechterung der Leistungsfähigkeit und können in Folge dessen zu höheren Kosten oder sogar Einschränkungen in der Trinkwasserversorgung führen.

Um diesen Alterungsprozessen mit geeigneten Maßnahmen wie Regenerierungen oder Sanierungen entgegenwirken zu können, ist es wichtig den Zustand einzelner Brunnen möglichst gut zu verstehen und auch prognostizieren zu können. Da keine kontinuierliche Erfassung des Brunnenzustandes stattfinden kann und eine Vielzahl an Einflussfaktoren für die Alterungsprozesse eine Rolle spielen, ist eine Prognose der Entwicklung nur mit Hilfe von Modellen möglich. Im Rahmen des EU-Projektes Digital Water City wurden durch das Kompetenzzentrum Wasser Berlin (KWB) bereits verschiedene Modellansätze des maschinellen Lernens entwickelt und für die Stadt Berlin getestet. In einem gemeinsamen Projekt zwischen dem OOWV, dem KWB und Fichtner IT Consulting GmbH (FIT) wurden diese Ansätze auf die Brunnen des OOWV übertragen und weiterentwickelt.

Im ersten Schritt wurde durch den OOWV eine umfangreiche Datenrecherche und ‑aufbereitung durchgeführt. Dabei wurde ein Datensatz aus über 3000 Messdaten zur Leistungsfähigkeit der Brunnen sowie über 30 verschiedenen baulichen, betrieblichen, chemischen und standortbezogenen Brunneneigenschaften wie z.B. Alter, Filtertiefe oder Eisengehalt der Brunnen erarbeitet. Damit wurde die Möglichkeit geschaffen, Daten z.B. brunnenspezifisch, oder wasserwerksübergreifend systematisch auszuwerten.

Die durch den OOWV aufbereitenden Daten wurden durch FIT hinsichtlich ihres Einflusses auf die Ergiebigkeit der Brunnen untersucht. Dabei wurde deutlich, dass neben dem Brunnenalter sowohl betriebliche Größen wie die tägliche Brunnenlaufzeit, als auch die Wasserqualität einen Einfluss auf die Ergiebigkeit haben.

Für die Prognose der relativen Ergiebigkeiten wurden verschiedene Modellansätze wie multivariate Regressionsmethoden, baumbasierte Ensemble-Modelle und künstliche neuronale Netze untersucht. Als besonders genau wurde ein baumbasiertes-Ensemble-Modell („Gradient Boosting“) identifiziert, das die relative Ergiebigkeit der Brunnen mit einem mittleren Fehler von ±5% vorhersagen und bei knapp 9 von 10 Brunnen einen kritischen Leistungsrückgang von über 20% (DVGW Arbeitsblatt W130) korrekt klassifizieren kann. Mit dem Modell wurden Ergiebigkeitsprognosen bis zum Jahr 2050 für verschiedene Szenarien (keine bzw. regelmäßige Regenerierungen) erstellt.

Im nächsten Schritt sollen die Modellergebnisse beim OOWV verwendet werden, um verschiedene Fragestellungen des operativen Asset-Managements z.B. zur Optimierung der betrieblichen Kosten für die Regenerierung und Vorhersage der Brunnen-Lebenszykluskosten zu beantworten und die vorausschauende Planung von Regenerierungen und Sanierungen zu unterstützen. Auch sollen die Erkenntnisse aus dem Projekt zur Datenerhebung, Neubauplanung und zum Brunnenbetrieb weiter untersucht und in die Praxis übertragen werden. Das trainierte und validierte Modell liegt beim OOWV in der Programmiersprache R vor und kann somit neu trainiert, aber auch hinsichtlich der zu beantwortenden Fragestellungen weiterentwickelt werden.

 


16:45 - 17:00
ID: 319 / Thema 19: 6
Vortrag
Themen: 19. Brunnen und Quellfassungen – Anforderungen, Untersuchungsmethoden, Erfahrungen

Erschließung ungenutzter Dargebotsreserven im Klimawandel durch Weiterentwicklung der Uferfiltration

Michael Stilling1, Jörg Bork1, Natalie Wick1, Ronald Roepke1, Christoph Schüth2

1Wasserversorgung Rheinhessen-Pfalz GmbH; 2Institut für Angewandte Geowissenschaften Darmstadt

Die Klimawandelfolgen sind bereits heute eine komplexe Herausforderung für die öffentliche Trinkwasserversorgung. Eine der Auswirkungen ist die regional unterschiedlich starke Abnahme des nutzbaren Wasserdargebots (u.a. bei Niedrigwasser). Parallel wächst der Wasserbedarf durch die sozio-ökonomische und landwirtschaftliche Entwicklung vor allem während extremer Hitzeperioden. Der Handlungsspielraum von Wasserversorgungsunternehmen zur Resilienzsteigerung wird durch die Notwendigkeit einer nachhaltigen Anpassung und durch sich verschärfende Raum- und Nutzungskonflikte weiter eingeengt. In diesem Spannungsfeld rücken bisher wasserwirtschaftlich nicht nutzbare Dargebotsreserven in den Fokus.

Vor diesem Hintergrund wurde bei der Wasserversorgung Rheinhessen-Pfalz GmbH (wvr) das Konzept „Nordgalerie“ entwickelt, das neben der bestehenden Uferfiltratbrunnengalerie in Guntersblum eine zweite Gewinnung am Rhein, jedoch mit Schutzbrunnen- und Infiltrationskonzept vorsieht (Abbildung). Durch die Kombination verschiedener Bewirtschaftungssysteme greift die Nordgalerie die Methodik Sequential Managed Aquifer Recharge Technology (SMART) auf, welche bislang primär eine Verbesserung der Rohwasserqualität anstrebt, und entwickelt diese Gewinnungsform auch aus quantitativer und betrieblicher Sicht weiter.

Durch den Bau einer weiteren Uferfiltratbrunnengalerie wird unter anderem dem erhöhten Ausfallrisiko vulnerabler Gewinnungen (z. B. Quellen) im Klimawandel begegnet. Das Schutzbrunnenkonzept dient in erster Linie dem Schutz der Trinkwasserqualität bei Hochwasser, bei dem möglicherweise schadstoffbelastetes Infiltrat abgepumpt und in den Rhein abgegeben wird, bevor es die tieferen Uferfiltratbrunnen erreicht.

Aquifere in Gewässernähe sind wasserwirtschaftlich besonders ergiebig, werden jedoch unter anderem wegen sensibler Ökosysteme oft untergeordnet genutzt. Das Ziel der Nordgalerie ist daher eine nachhaltige Ressourcenbewirtschaftung zur Schaffung wasserwirtschaftlicher Redundanzen mit synergetischen Effekten (Naturschutz, Landwirtschaft). Hierfür wird neben der Uferfiltratgewinnung die Etablierung einer künstlichen Grundwasseranreicherung nach dem Prinzip Aquifer Storage, Transfer and Recovery (ASTR) sowie eine naturnahe Infiltration von Rheinwasser in einem überwiegend trocken gefallenem Rheinaltarm angestrebt. Dadurch wird eine Art Saisonalspeicher geschaffen, durch den trotz intensiver Förderung in sommerlichen Hitzephasen der Grundwasserspiegel stabilisiert, die Gewinnungskapazitäten aufrecht gehalten und Ökosysteme gestützt werden. Zudem könnte Wasser für landwirtschaftliche Zwecke bereitgestellt werden.

Die Nordgalerie trägt als Bestandteil eines nachhaltigen Gebietswassermanagements zur Lösung von Klimawandel getriebener Wassernutzungskonflikte bei und ist ein Beispiel für die Erschließung bisher wasserwirtschaftlich ungenutzter Dargebotsreserven in sensiblen Räumen. Über die Einbindung in ein angestrebtes, überregionales Verbundsystem wird die Grundlage einer interregionalen Mengenbereitstellung geschaffen. Damit leistet die wvr mit dem Konzept Nordgalerie einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung der Resilienz der öffentlichen Trinkwasserversorgung in Rheinhessen, der Nord- und Vorderpfalz sowie zur Zielerreichung der Nationalen Wasserstrategie (2023) der Bundesrepublik Deutschland.

Abbildung: Das Konzept der Nordgalerie nach dem Prinzip von SMART.


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