Veranstaltungsprogramm

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Sitzungsübersicht
Sitzung
21: Digitale Transformation in der hydrogeologischen Forschung und Praxis - Block 2
Zeit:
Freitag, 22.03.2024:
9:45 - 10:45

Chair der Sitzung: Zhao Chen, TUD
Chair der Sitzung: Holger Kaiser, BAUER Resources GmbH
Ort: Brüsselsaal

Sitzungsthemen:
21. Digitale Transformation in der hydrogeologischen Forschung und Praxis

Präsentationen
9:45 - 10:00
ID: 138 / Thema 21.2: 1
Vortrag
Themen: 21. Digitale Transformation in der hydrogeologischen Forschung und Praxis

Digitalisierung im Umwelt-Management: Wünsche, Licht und Schatten – oder „mal eben…“

Folke Diederich, Christian Authmann

GFM envign GmbH, Deutschland

Der Wunsch, komplexen Zusammenhängen mit modernen Mitteln der Digitalisierung immer besser entsprechen zu können, findet in der fachtechnischen und wissenschaftlichen Gemeinde der Hydrogeologen breite Entsprechung. Gleichzeitig scheinen den Ergebnissen der Umfrage des „AK Digitalisierung im Grundwasser“ zufolge deutliche Hemmnisse zu bestehen, über das bisher erreichte Maß hinausgehend in praxisnahe Entwicklungen zu investieren. Wir lesen die Rückläufe aus der Umfrage des AK so, dass der Grad der Digitalisierung in den Prozessen wissenschaftsnaher Dienstleistungen eng an den kurzfristigen wirtschaftlichen Nutzen gekoppelt ist und darüber hinaus an das persönliche Interesse der Bearbeiter, neue Werkzeuge einzusetzen und zu studieren. Moderne, gerade auch webbasierte Lösungsansätze erweisen sich auf dieser Grundlage zunehmend unzugänglich. Wir beobachten daher im stark KMU-geprägten Anbieterfeld eine gewisse Zögerlichkeit bis hin zur Stagnation in der Annäherung an moderne digitale Werkzeuge.

Im Industrie-Sektor und im Maßstab global tätiger Beratungsgesellschaften wird dagegen der Weg zu autonomen „Cyber Physical Systems“ langfristig verfolgt, wobei deren holistischer Ansatz hohe Aufwendungen mitbringt und damit einer Segmentierung im Markt Vorschub leistet.

Wegen der in der Breite dringenden Anforderungen in der Bereitstellung und ressourcengerechten Nutzung von (Grund-) Wasser, als Trinkwasser, als Grundstoff in der Getränkeindustrie, als Medium in industriellen Prozessen, in der Land- und Energiewirtschaft, wächst auch die Dringlichkeit, über Werkzeuge zu verfügen, die das „Analysieren, Prognostizieren und Gestalten“, aber auch die Beteiligung von Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden und der interessierten Öffentlichkeit auf flexible Weise - nämlich einerseits durchgängig, andererseits niederschwellig (schon einzelfallbezogen) unterstützen.

Als einen wesentlichen praxisrelevanten Baustein der Datenverarbeitung stellen wir Complex Event Processing (CEP) vor. Hierbei wird jeder online erfasste Messwert in Echtzeit ausgewertet, mit anderen Messwerten und externen Daten kombiniert und analysiert, und damit zu (domänenabhängig) relevanten Informationen transformiert.

Für die naturwissenschaftlich orientierte Beratungs- und Planungstätigkeit liegt eine praxisrelevante Hürde jedoch vorgelagert in der Frage, wie geeignete (zeitlich und räumlich hochdichte) Daten auf effiziente Weise für eine höherwertige Analyse integriert werden können – auf so komfortable Weise, dass Normalsterbliche eine verlässliche Datenbasis erreichen, ohne die der erwartete inhaltliche Mehrwert einer digitalen Verarbeitung tatsächlich nicht erreicht – und erst recht nicht marktgerecht angeboten werden kann.

Bisher kennt und scheut man häufig den „mal-eben“-Effekt, nämlich Zeit- und Arbeitsaufwand, der einer Integration von Mess-, Befund-, und Lagedaten entgegensteht und Projekte oft genug auch schon mit Blick auf die Erfassung vom Grundlagen-Daten unvorhersehbar in ökonomische Grenzzonen führen kann.

Nicht alle der genannten Widrigkeiten der Systemintegration können mit geeigneter Software gemindert werden, aber einige schon. Die Anforderungen, die sich aus technischer Sicht ergeben, wollen wir näher beleuchten und Lösungsansätze vorstellen.

 


10:00 - 10:15
ID: 259 / Thema 21.2: 2
Vortrag
Themen: 21. Digitale Transformation in der hydrogeologischen Forschung und Praxis

Erfahrungen aus dem Ingenieurbüro – Digitale Transformation in der Praxis

Daniela Fröhlich, Jörg Reuther

HPC AG, Deutschland

Die HPC AG geht schon seit mehreren Jahren aktiv den Weg der Digitalen Transformation. Im Rahmen der Strategie 2020 wurde das Ziel formuliert, bis Ende 2025 bisher analog dominierte Bereiche der Datenaufnahme und -verarbeitung zu digitalisieren und bestehende digitale Prozesse zu vereinheitlichen (90%). Neben der fachlichen Projektbearbeitung wurden und werden organisatorische Abläufe wie die Projekt- und Kundendatenführung vereinheitlicht und administrative, kaufmännische Prozesse digitalisiert. Die Innovationsförderung im Hinblick auf bestehende und neue Dienstleistungen ist ein weiteres Element.

Bei der täglichen Arbeit sind digitale Prozesse bei der Datenerfassung, Verarbeitung und Auswertung seit Jahrzehnten etabliert. So werden beispielsweise Pumpversuche seit den 1990er Jahren mit Sonden und Datenloggern aufgezeichnet. Inzwischen werden auch die Möglichkeiten der Fernüberwachung genutzt, so dass Daten laufender Pumpversuche an jedem beliebigen vernetzten Ort in Echtzeit empfangen und ausgewertet werden können. Bei der Verarbeitung sind digitale Tools, z.B. zur Pumpversuchsauswertung oder GIS-gestützte Datenauswertungen selbstverständlich, für komplexere Fragestellungen kommen analytische und numerische Modelle zum Einsatz.

Die Datenerfassung, wie die Schichtenaufnahme von Sondierungen und Bohrungen, Protokolle von Probenahmen oder Stichtagsmessungen, wurden hingegen noch weitgehend analog geführt. Kommunikation mit externen Dienstleistern wie Bohrfirmen und Labors erfolgte – trotz digitaler Kommunikationswege – nicht in weiterbearbeitbaren Formaten.

Die Vorteile digitaler Erfassung und Bearbeitung liegen auf der Hand: Übertragungsfehler werden vermieden, eine Plausibilisierung und Qualitätssicherung ist direkt im Gelände möglich, die Effizienz der Verarbeitung steigt und es kann schneller reagiert werden.

HPC geht den Weg auf unterschiedlichster Weise. Zur Datenerfassung im Feld wird mittlerweile die eigens entwickelte App „Smartwork Geo“ genutzt. So können Schichtenprofile, Wasserstandsmessungen und Probenahmen einheitlich erfasst und in einer globalen Datenbank abgelegt werden. Eine weitere Eigenentwicklung, das interaktive Webportal „WasserPortal“ wird intern und extern durch Kunden für die gesamtheitliche Betreuung von Grundwassergewinnungsanlagen genutzt. Darüber hinaus wurde von HPC die EU-patentierte Schadstoffdatenbank zur systematischen Erfassung und Verwaltung von Gebäudeschadstoffen entwickelt.

Ein weiterer wichtiger Part ist die Installation von Schnittstellen zwischen einzelnen Prozessen und zu externen Dienstleistern. Die Herausforderungen bei der täglichen Arbeit in einer organisch gewachsenen Firma, mit verschiedenen Fachbereichen, unterschiedlichen Auftraggebern und diverser Messtechnik sind vielfältig. Es ist es nicht immer möglich, Programme zu vereinheitlichen und vorzugeben, was die Anzahl an erforderlichen Schnittstellen anwachsen lässt.

Neben der Schaffung der technischen Voraussetzungen sind Motivation der Mitarbeiter sowie Schulung und Wissenstransfer wichtige Bausteine in der Umsetzung.

Die Digitale Transformation ist ein kontinuierlicher Prozess, Systeme müssen so gestaltet sein, dass wandelnde Anforderungen und Entwicklungen einbezogen werden können.

 


10:15 - 10:30
ID: 304 / Thema 21.2: 3
Vortrag
Themen: 21. Digitale Transformation in der hydrogeologischen Forschung und Praxis
Stichworte: Neue Techniken in der Grundwassermodellierung

Customizing Groundwater Models with Dynamic Boundary Conditions

Mike Müller1, Lúcia Pedrosa2, Christian Engelmann2, Martin Binder2,3

1hydrocomputing GmbH & Co. KG, 04158 Leipzig, Deutschland; 2Technische Universität Bergakademie Freiberg, Hydrogeologie und Hydrochemie, 09599 Freiberg (Sachsen), Deutschland; 3Universität Basel, Hydrogeologie / Angewandte und Umweltgeologie, 4056 Basel, Schweiz

Numerical groundwater models are established and robust tools for the prediction of flow and transport processes in the subsurface. The typical workflow consists of preparing input data, running a simulation program such as MODFLOW, and eventually evaluating model results. An important part of this entire procedure are boundary conditions (BCs). For complex scenarios, these BCs may need to be adaptively adjusted, e.g. based on previous model results, to better reflect real-world conditions. Given complex mutual dependencies between BCs, this workaround may require multiple iterative model runs and can lead to unsolvable optimization strategies.

A solution to this problem can be found in the definition of dynamic BCs, i.e., BCs that can change their value based on pre-defined rules and depending on the values of other BCs and / or process variables. For example: An injection well can only infiltrate the amount of water which was previously pumped from an hydraulically connected extraction well. At the same time, the groundwater level in the extraction well should not fall below a certain level in order to protect the well and the installed pump from falling dry. This scenario, although still comparably simple, already requires both an adaptive adjustment of the pumping rate of the extraction well (based on the process variable of hydraulic head) and of injection well’s rate (based on the BC value of the coupled extraction well). This scenario can become even more complex if multiple extraction and / or injection wells are involved. From the technical point of view, dynamic behaviors such as the described one could be achieved by modifying the source code of the numerical model. While possible, this would require a considerable effort and understanding of the inner workings of the code (in case of MODFLOW: Fortran).

The latest version of MODFLOW 6 offers a novel approach by exposing a programming interface which can be externally accessed during runtime via scripting languages, e.g., Python. In our contribution, we introduce pymf6, a new open-source Python package that allows a simplified usage of the aforementioned programming interface. Using pymf6, a model user with basic Python knowledge can write a program in Python that can achieve a highly dynamic model, i.e., the implementation of dynamic BC behavior becomes now possible for MODFLOW-based models. Such programs can be short and are much simpler to implement than modifying the source code of the numerical model itself. Even very complex conditions can be represented with comparably short Python programs.

The contribution shows how pymf6 can enable users to solve complex groundwater modeling problems with reasonable effort. Among others, examples for flow and solute transport models involving dynamic BCs will be shown. The examples will demonstrate how pymf6 can be used to define problem-specific groundwater models that can help solve complex interactions between BCs. These examples will, among others, also involve advanced technical BCs such as a hydraulic barrier used for containing subsurface contaminations. In the presented example the hydraulic barrier is formed by multiple wells, each equipped with dynamic pumping rates which are adaptively regulated by defining not-to-be-exceeded threshold for the process variable of solute concentration.

 


10:30 - 10:45
ID: 197 / Thema 21.2: 4
Vortrag
Themen: 22. Künstliche Intelligenz und Machine Learning in der Grundwasserforschung
Stichworte: 21

Entwicklung von Algorithmen zur Anomalieerkennung und -korrektur in Grundwasser-Zeitreihen bei einem Wasserversorger – Die Data Challenge 2023

Karen Hüske1, Siri Hoppenau1, Marius Wybrands2, Andreas Solsbach2, Jorge Marx Gómez2

1Oldenburgisch-Ostfriesischer Wasserverband (OOWV), Abteilung Wasserwirtschaftliche Information, Georgstraße 4, 26919 Brake; 2Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Abteilung Wirtschaftsinformatik (VLBA), Ammerländer Heerstr. 114-118, 26129 Oldenburg

Als größter Flächenversorger Deutschlands betreibt der Oldenburgisch-Ostfriesische Wasserverband (OOWV) 15 Wasserwerke, um die Trinkwasserversorgung von über einer Million Menschen im Nordwesten Deutschlands sicherzustellen. Im Bereich dieser Wasserwerke wird an ca. 2600 Messstellen mindestens monatlich der Grundwasserstand gemessen. In der Regel erfolgt die Messung bisher mit einem Kabellichtlot; nur an etwa 10% der Grundwassermessstellen wird mit einem Datenlogger täglich gemessen. Bei den Messungen treten verschiedene Arten von Fehlertypen auf, z.B. entstehen Messlücken, weil die Messung nicht möglich war oder es werden falsche Messwerte abgelesen. Für die Beweissicherung der Wasserrechte sowie weiterführende Auswertungen wie Trendanalysen, Machine Learning und KI-Anwendungen werden vollständige und plausible Grundwasserstandsganglinien benötigt, wobei vollständig definiert wird als mindestens ein Messwert pro Monat und plausibel bedeutet, dass keine offensichtlichen Fehler mehr vorhanden sind.

Genau diese Anforderung an die Grundwasserganglinien beschreibt die Aufgabenstellung der Data Challenge 2023 im Rahmen eines Hackathon, der jährlich von der Abteilung Wirtschaftsinformatik der Universität Oldenburg (VLBA) unter der Leitung von Professor Jorge Marx Gómez ausgerichtet wird. Die Teilnehmenden lösen in Teams von zwei oder drei Personen innerhalb von zwei Wochen eine datengetriebene Problemstellung aus der Praxis, die in 2023 vom OOWV gestellt wurde. Die Teilnehmenden erhielten Stamm-, Grundwasserstands- und Niederschlagsdaten von ca. 1000 Messstellen von vier der 15 Wasserwerke. Aufgabe war es, einen Algorithmus zu entwickeln, der die oben beschriebene Problemstellung löst. Bewertet wurde die Qualität des Algorithmus mit Hilfe eines strengen Scores, der verschiedene Metriken zur Modellbewertung kombiniert und für 20 vorab manipulierte Ganglinien berechnet wurde.

Dreizehn Teams haben am Ende der zwei Wochen eine Lösung präsentiert. Sie haben jeweils unterschiedliche Herangehensweisen für die automatisierte Zeitreihenkorrektur gewählt, von „einfachen“ Algorithmen über Machine Learning-Ansätze wie Random-Forest Modelle bis hin zu neuronalen Netzen (LSTM-Modelle) oder Kombinationen von verschiedenen Ansätzen für zuvor klassifizierte Typen von Ganglinien. Neun der dreizehn Teams konnten mit Hilfe ihres Algorithmus die Qualität der Daten deutlich verbessern, wobei das beste Team einen Score von 48 von 60 möglichen Punkten erreichen konnte. Der Algorithmus des Siegerteams war in der Lage 98% der Meterfehler (häufigster Fehlertyp) und über 50% der Lücken von bis zu 6 Monaten richtig zu erkennen und den Grundwasserstand bis auf 3cm genau vorherzusagen.

Die Algorithmen können als Prototypen angesehen werden, die nun im nächsten Schritt vom OOWV zu einem Algorithmus vereint werden sollen. Ziel ist es, zukünftig Anomalien in Grundwasserganglinien automatisiert zu erkennen und zu bereinigen und so eine Zeitersparnis gegenüber der bisher durchgeführten visuellen Kontrolle zu erreichen sowie die Datenqualität deutlich zu verbessern. Neben den messbaren Qualitätsverbesserungen konnten die Teams mit ihren Lösungsansätzen auch dazu beitragen, weitere Fragestellungen zu beantworten. So wurden für die Algorithmen z.B. Messstellen mit vergleichbaren Grundwasserganglinien bestimmt oder die Ganglinien wurden in förderbeeinflusste und -unbeeinflusste Ganglinien kategorisiert. Die Data Challenge 2023 war somit für den OOWV ein voller Erfolg.