Veranstaltungsprogramm

Sitzung
E12: Fortbildungsevaluation
Zeit:
Dienstag, 30.09.2025:
10:30 - 12:00

Chair der Sitzung: Tanja Mutschler
Ort: S19

Seminarraum 1. Obergeschoss

Präsentationen

Einblicke in die DigiProMIN Chemie Fortbildungspraxis und -evaluation

Jenna Koenen1, Dominik Diermann1, Constantin Egerer2, Carolin Flerlage3, Stefanie Lenzer3, Amitabh Banerji2, Ilka Parchmann3, Sascha Bernholt3

1Technische Universität München, Deutschland; 2Universität Potsdam; 3IPN Kiel

Zusammenfassung

Im modernen Alltag, im Klassenzimmer und daher folgerichtig auch der Lehrkräftebildung sind digitale Medien sehr präsent (Lachner et al., 2020; Bonnes, Wahl & Lachner, 2022). Die digitale Transformation bringt auch für den Chemieunterricht mit seinen fachspezifischen Methoden und Arbeitsweisen (vgl. Nerdel, 2017; Sommer, Wambach-Laicher & Pfeifer, 2018) vielfältige Potentiale für einen didaktisch wertvollen Einsatz digitaler Medien mit sich. Allerdings scheint das digitalisierungsbezogene themen- und fachspezifische Wissen von Lehrkräften in vielen Fällen (noch) unausgeprägt zu sein (vgl. ICILS-Studie; Eickelmann et al., 2019). Derartige Kompetenzen und positive Grundhaltungen gegenüber digitalen Anwendungen bilden jedoch die Grundlage für einen gewinnbringenden Nutzen im Unterricht. An dieser Stelle setzt das DigiProMIN (=Digitalisierungsbezogene und digital gestützte Professionalisierung von MIN-Lehrkräften) Chemie Projekt mit seinen insgesamt sechs neu konzipierten Lehrkräftefortbildungen zum Thema „digital gestützter Chemieunterricht“ an. Alle Fortbildungen wurden theoriegeleitet anhand empirisch validierter Empfehlungen entwickelt (vgl. Emden & Baur, 2017; Lipowsky & Rzejak, 2012, 2017, 2019) und beinhalten daher u.a. die Arbeit mit Best-Practice Beispielen, Diskussions- und Austauschphasen und die Erstellung eigener digital-gestützter Materialien im Präsenz-Halbtagsformat. Inhaltlich zielt das Angebot neben der Förderung digitalisierungsbezogener Kompetenzen insbesondere auch auf die Förderung der Nutzungsintentionen und der tatsächlichen Nutzung digitaler Medien im eigenen Chemieunterricht. Daher wurde vorrangig fachdidaktisches Wissen zu Umsetzungsformen und zu der lernförderlichen Einbettung digitaler Medien in verschiedenen typischen Situationen im Chemieunterricht thematisiert und nachhaltig an Lehrkräfte vermittelt.

Das DigiProMIN Fortbildungsangebot teilt sich in eine einführende Orientierungsfortbildung und fünf vertiefende Fortbildungen, die verschiedene Facetten des Chemieunterrichts fokussieren. Die Angebote können unabhängig voneinander besucht werden und ermöglichen so eine große Wahlfreiheit für Lehrkräfte. Die Fortbildung „Chemieunterricht mit digitalen Medien innovieren“ (Orientierungsfortbildung) diskutiert Möglichkeiten zur theoriegeleiteten und kritischen Einordung verschiedener digital gestützter Unterrichtsbausteine, um digitale Medien für den eigenen Unterricht lernförderlich und reflektiert auszuwählen und zu gestalten. Die Fortbildung „Chemie im Kontext 2.0 - authentisch, motivierend und kollaborativ“ zeigt, wie authentische, schülernahe und motivierende Kontexte mit verschiedenen digitalen Medien für den Chemieunterricht aufgearbeitet werden können. Das Modul „Individuelle Lernverläufe aufzeigen“ thematisiert am Beispiel eines Moodle-Kurses Möglichkeiten zur digital gestützten Diagnose, formativen Assessment und dem Umgang mit Schülerschwierigkeiten. „Automatisierung im Chemieunterricht mit LEGO®-Titrationsrobotern“ setzt auf die Programmierung und den Aufbau automatisierter Titrationsroboter und verbindet informatische Grundkompetenzen mit dem Fach Chemie. „Interaktive eBooks als digitale Experimentierassistenten (DEANs)“ vermittelt Hilfestellungen zur Erstellung von interaktiven eBooks mit PowerPoint, die den Experimentierprozesses ganzheitlich und individualisiert unterstützen können. In der Fortbildung mit Namen „CHAMP: chemische Animationen mit PowerPoint – Modelle zum Leben erwecken“ lernen Lehrkräfte, wie sie mit PowerPoint theoriegeleitet Animationen selbst erstellen und damit chemische Prozesse auf der Teilchenebene visualisieren können.

Die Fortbildungen wurden hinsichtlich Fortbildungsqualität, Akzeptanz und Wirksamkeitseinschätzung sowie den Einschätzungen von motivationalen bzw. volitionalen Hintergründen der teilnehmenden Lehrkräfte evaluiert. Dazu wurde als Grundlage das Modell der Unified Theory of Acceptance and Use of Technology (Šumak & Šorgo, 2016) verwendet. Die Fortbildungen wurden mit in Summe ungefähr N = 120 Lehrkräften evaluiert und im Sinne eines Design-Based-Research Ansatzes optimiert. Dazu wurden unterschiedliche geschlossene Items an verschiedenen Zeitpunkten im jeweiligen Fortbildungsverlauf eingebettet eingesetzt und durch offenes Feedback ergänzt, welches qualitativ codiert und analysiert wurde. Im Vortrag sollen Evaluationsergebnisse und Einblicke in die Fortbildungspraxis präsentiert werden. Die Daten ermöglichen einen Überblick über die Wirksamkeit bzw. Qualitätseinschätzung der Fortbildungen und Materialien, welche über das gesamte Fortbildungsangebot hinweg sehr positiv ausfallen. Die Ergebnisse bestätigen zudem erwartete Zusammenhänge, u.a. zwischen eingeschätzten Mehrwert, Nutzungsintention und der tatsächlichen Nutzung, deuten aber auch auf weitere Einflussfaktoren (z.B. Vorkenntnisse oder Fortbildungsfokus) hin.

Literaturverzeichnis

Bonnes, C., Wahl, J. & Lachner, A. (2022). Herausforderungen für die Lehrkräftefortbildung vor dem Hintergrund der digitalen Transformation. Zeitschrift für Weiterbildungsforschung, 45, S. 133–149, https://doi.org/10.1007/s40955-022-00212-y

Eickelmann, B., Bos, W. & Labusch, A. (2019). Die Studie ICILS 2018 im Überblick – Zentrale Ergebnisse und mögliche Entwicklungsperspektiven. In B. Eickelmann, W. Bos, J. Gerick, F. Goldhammer, H. Schaumburg, K. Schwippert, M. Senkbeil & J. Vahrenhold (Hrsg.), ICILS 2018 #Deutschland Computer- und informationsbezogene Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern im zweiten internationalen Vergleich und Kompetenzen im Bereich Computational Thinking. (S. 7–32). Münster: Waxmann. https://doi.org/10.25656/01:18319

Emden, M. & Baur, A. (2017) Effektive Lehrkräftebildung zum Experimentieren – Entwurf eines integrierten Wirkungs- und Gestaltungsmodells. Zeitschrift für Didaktik der Naturwissenschaften 23, S. 1–19. http://dx.doi.org/10.1007/s40573-016-0052-1

Lipowsky, F., & Rzejak, D. (2012). Lehrerinnen und Lehrer als Lerner - Wann gelingt der Rollentausch? Schulpädagogik heute, 3(5), S. 1–17.

Lipowsky, F. & Rzejak. D. (2017) Fortbildungen für Lehrkräfte wirksam gestalten – erfolgsversprechende Wege und Konzepte aus Sicht der empirischen Bildungsforschung. Bildung und Erziehung, 70(4), S. 379-400

Lipowsky, F., & Rzejak, D. (2019). Was macht Fortbildungen für Lehrkräfte erfolgreich? – Ein Update. In B. Groot-Wilken & R. Koerber (Hrsg.), Nachhaltige Professionalisierung für Lehrerinnen und Lehrer. Ideen, Entwicklungen, Konzepte. Beiträge zur Schulentwicklung. (S. 15–56). Bielefeld: wbv. http://dx.doi.org/10.3278/6004746w

Lachner, A., Scheiter, K., & Stürmer, K. (2020). Digitalisierung und Lernen mit digitalen Medien als Gegenstand der Lehrerbildung. In C. Cramer, M. Rothland, J. König & S. Blömeke (Hrsg.), Handbuch Lehrerinnen- und Lehrerbildung (S. 67–75). Bad Heilbrunn: Klinkhardt. http://dx.doi.org/10.35468/hblb2020-007

Nerdel, C. (2017). Grundlagen der Naturwissenschaftsdidaktik - Kompetenzorientiert und aufgabenbasiert für Schule und Hochschule. Berlin: Springer Spektrum

Sommer, K., Wambach-Laicher, J. & Pfeifer, P. (2018). Konkrete Fachdidaktik Chemie – Grundlagen für das Lernen und Lehren im Chemieunterricht. Seelze: Friedrich Verlag.

Šumak, B., & Šorgo, A. (2016). The acceptance and use of interactive whiteboards among teachers: Differences in UTAUT determinants between pre-and post-adopters. Computers in Human Behavior, 64, 602-620.



Technologieunterstütztes adaptives Unterrichten: Integration von Nutzungsdaten eines intelligenten tutoriellen Systems mit quantitativen und qualitativen Lehrkräftebefragungen zur evidenzbasierten Fortbildungsentwicklung

Lisa Santjer, Katharina Holder, Holger Gärtner

Freie Universität Berlin, Deutschland

Zusammenfassung

Adaptiven Lerntechnologien, insbesondere Intelligent Tutoring Systems (ITS), wird ein großes Potential zugesprochen, das Lehren und Lernen und den Umgang mit Heterogenität an Schulen zu verbessern (KMK, 2021). Besonders im Hinblick auf die individuelle Förderung werden große Hoffnungen auf die digitale Transformation gesetzt (Eickelmann et al., 2019).

Die internationale Forschung zeigt mittlere bis große positive Effekte für den Einsatz von ITS auf den Lernerfolg (Kulik & Fletscher, 2016). Jedoch können diese Effekte nicht dadurch erklärt werden, ob sondern besonders wie die Lerntechnologie im Unterricht integriert wird (Fütterer et al., 2022). Die Qualität der Integration hängt davon ab, ob lediglich analoge Lehr- und Lernprozesse ersetzt werden, oder ob die technologischen Potentiale in neuen Unterrichtspraktiken ausgeschöpft werden (Puentedura et al., 2006). ITS können mithilfe stetiger Lerndiagnostik und Bereitstellung individualisierter Inhalte (z.B. individuelles Feedback) adaptives Unterrichten unterstützen, das in rein analogen Unterrichtssettings nur schwierig umsetzbar wäre.

Auf der Grundlage der Nutzungsdaten des ITS „bettermarks“ von 1.864 Berliner Lehrkräften können wir Aussagen darüber treffen, wie viel, jedoch besonders auch wofür Lehrkräfte das ITS nutzen. Lehrkräfte nutzen das ITS überwiegend, um Lernaktivitäten (z.B. Übungsaufgaben) an Schüler*innen auszuteilen, auf die die Schüler*innen zur individuellen Bearbeitung zugreifen können. Dabei teilen die untersuchten Lehrkräfte pro Schuljahr im Durchschnitt 104 Lernaktivitäten über das ITS an ihre Schüler*innen aus, wobei die Nutzung sehr stark zwischen Lehrkräften variiert (Min = 1, Max = 2.723, SD = 149.74). Mehrheitlich werden Wiederholungstests und Aufgabensets des ITS (n = 159.375) sowie von den Lehrkräften selbst erstellte Arbeitsblätter (n = 23.679) ausgeteilt. Die Tests, die als Diagnosetools (n = 5.015) und als Abschlusstests in jedem Kapitel (n = 3.571) im ITS angeboten werden, werden weniger genutzt. In einer Lehrkräftebefragung befragen wir Lehrkräfte zu der qualitativen Nutzung des ITS gezielt für das adaptive Unterrichten und untersuchen den Zusammenhang mit Lehrkräftemerkmale wie die Motivation und Kompetenz zum digitalen und adaptiven Unterrichten sowie weiteren (Kontext-)Variablen. Darüber hinaus erhalten wir in Interviews einen Einblick in Praxisbeispiele und in das datenbasierte Entscheiden (Verstehen / Interpretieren / Entscheiden; Endemann et al., in Druck) seitens der Lehrkräfte auf der Grundlage der Daten, die das ITS ihnen zum Lernprozess ihrer Schüler*innen liefert. Dabei werden sie auch zu ihrem individuellen Forschungsbedarf befragt.

Unsere Ergebnisse geben damit Aufschluss über die qualitative Umsetzung der technologischen Integration von ITS in den Unterricht für die Realisierung adaptiven Unterrichtens. Auf der Tagung werden die Einzelergebnisse integrativ dahingehend diskutiert, Erkenntnisse für die Lehrkräftefortbildung abzuleiten. Ziel ist es, auf der Grundlage der Analysen von Lehrkräftemerkmalen, die mit einer qualitativ hochwertigen Umsetzung im Zusammenhang stehen, Schlussfolgerungen für die gezielte Förderung in Lehrkräftefortbildungen zu ziehen. Darüber hinaus können exemplarisch Best-Practice-Ansätze herausgearbeitet werden, die für Fortbildungen genutzt werden können. Gerade vor dem Hintergrund der Entwicklung eines bundesweiten adaptiven intelligenten Systems (FWU, 2024) erscheint es gewinnbringend, konkrete Unterrichtskonzepte mit dieser Form von Lerntechnologien zu entwickeln und Lehrkräfte zur lernwirksamen Integration dieser Technologien zu motivieren und fortzubilden.

Literaturverzeichnis

Eickelmann, B., Bos, W., Gerick, J., Goldhammer, F., Schaumburg, H., Schwippert, K., & Vahrenhold, J. (Hrsg). (2019). ICILS 2018# Deutschland: computer- und informationsbezogene Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern im zweiten internationalen Vergleich und Kompetenzen im Bereich Computational Thinking. Waxmann Verlag.

Eickelmann, B., Fröhlich, N., Bos, W., Gerick, J., Goldhammer, F., Schaumburg, H., Schwippert, K., Snkbeil, M. & Vahrenhold, J. (2024). ICILS 2023# Deutschland. Computer-und informationsbezogene Kompetenzen und Kompetenzen im Bereich Computational Thinking von Schüler* innen im internationalen Vergleich. Münster; New York: Waxmann.

Endemann, D., Holder, K. & Gärtner, H. (im Druck). Teachers’ data-competent use of results from standardized achievement tests – construct definition and operationalization. In C. Schumacher & D. Ifenthaler (Hrsg.), International Perspectives on Educational Data Literacy: Frameworks, Contexts, and Practices. Routledge.

Fütterer, T., Scheiter, K., Cheng, X., & Stürmer, K. (2022). Quality beats frequency? Investigating students’ effort in learning when introducing technology in classrooms. Contemporary Educational Psychology, 69, 102042.

FWU Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht. Adaptives Intelligentes System – die persönliche Unterstützung für Lernende und Lehrende. Zugriff am 09.04.2025, auf https://fwu.de/projekte/ais/

Kulik, J. A., & Fletcher, J. D. (2016). Effectiveness of intelligent tutoring systems: a meta-analytic review. Review of educational research, 86(1), 42-78.

Kultusministerkonferenz (2021). Lehren und Lernen in der digitalen Welt. Die ergänzende Empfehlung zur Strategie „Bildung in der digitalen Welt “. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 09.12.

Mishra, P., & Koehler, M. J. (2006). Technological Pedagogical Content Knowledge: A Framework for Teacher Knowledge. Teachers College Record, 108(6), 1017–1054.

Puentedura, R. R. (2006). Transformation, technology and education: A model for technology and transformation. Zugriff am 09.04.2025, auf http://hippasus.com/resources/tte/puentedura_tte.pdf



Erkenntnisse aus dem Teach-R-Labor - Lehren lernen durch reflektierte Handlung

Christina Hildebrandt, Amitabh Banerji

Universität Potsdam, Deutschland

Zusammenfassung

Dass Professionalisierung praxisnah und am realen Unterrichtsgeschehen orientiert erfolgen sollte, belegen empirische Studien schon seit vielen Jahren [1]. Jedoch zeigt die Ausbildung gerade hinsichtlich der Praxisorientierung noch immer deutliche Defizite. Angehende Lehrkräfte müssen unbedingt befähigt werden, eigene Unterrichtsplanungen und Durchführungen selbstkritisch zu hinterfragen und ihr unterrichtliches Handeln zu analysieren, damit sie eine positive Progression in ihrer Kompetenzentwicklung erfahren. Die Reflexionskompetenz besetzt hierbei im Hinblick auf Entwicklung, Anpassung und Verbesserung von Unterricht eine Schlüsselposition [2] und muss daher ein zentraler Bestandteil der Ausbildung sein, welchen es jedoch im Hinblick auf Unterrichtsdurchführung noch zu schärfen gilt. Denn Studien zeigen, dass Studierende Unterricht oftmals stark deskriptiv und wenig systematisch sowie wenig kritisch-reflektierend analysieren [3], [4]. Auch die Verknüpfung von deklarativem und prozeduralem Wissen aus Studium und Anwendung wird oftmals nicht hinreichend ermöglicht, da hierfür echte Lehr-Lern-Gelegenheiten geschaffen werden müssen, die wiederholendes Üben am Lerngegenstand „Unterricht“ ermöglichen.

Virtuelle Realität (VR) weist in diesem Zusammenhang ein großes Potenzial auf. In der nachfolgend vorgestellten Studie (im Rahmen des BMBF-Projekts DigiProMIN konzipiert und durchgeführt), wurde das VR-Szenario „Teach-R“ als virtuelles Laborklassenzimmer für den Chemieunterricht für die Ausbildung von angehenden Lehrkräften genutzt, um praxisnahe Lehr-Lern-Gelegenheiten zu ermöglichen, die im Vergleich zu text- oder videobasierten Unterrichtsvignetten keine Distanz zum Geschehen aufweisen und ein weit geringeres Maß an Abstraktionsfähigkeit benötigen [5], [6]. In der virtuellen Trainingsumgebung unterrichten die Studierenden in einer ca. 8-minütigen Unterrichtsphase virtuelle Schüler*innen (vS*S), die in Partnerarbeit ein Experiment am Gasbrenner durchführen. Verhaltensweisen der vS*S und auftretende herausfordernde Unterrichtssituationen basieren dabei auf Praxisbeispielen und werden von einem Strukturmodell grundlegend gesteuert, welches spezifisch für das Szenario erstellt wurde und variabel gestaltbar ist [7]. Das Szenario wird von den Dozierenden über eine Webanwendung begleitet und beeinflusst; u.a. werden bspw. die vS*S im Hinblick auf die Handlungsentscheidungen der angehenden Lehrkräfte gelenkt, wodurch sich spezifische Unterrichtssituationen ergeben, die im Nachgang diskutiert und reflektiert werden sollen.

Um dies zu ermöglichen, wurde eine Lehrveranstaltung für angehende Chemielehrkräfte konzipiert, die das Teach-R Szenario (mehrfach) integriert und welche auf Grund ihres phasierten und modularen Aufbaus in verschiedenen Ausbildungsphasen angewendet werden kann. Die inhaltlichen und methodischen Komponenten der Lehrveranstaltung können hierbei entsprechend des Ausbildungsstands und der jeweiligen organisatorischen Rahmenbedingungen auf verschiedene Weise erweitert bzw. angepasst werden. Die Lehrveranstaltung kann entsprechend als ein zwei- oder mehrteiliges Seminar mit variabler Dauer an eine Praxisphase gekoppelt oder in eine weitere semesterbegleitende Lehrveranstaltung integriert werden. Dabei wird das Teach-R Szenario einerseits als Übungsraum für aktiv im Szenario handelnde Studierende sowie andererseits als Beobachtungsraum für die weiteren an der Lehrveranstaltung teilnehmenden Studierenden genutzt. Es werden so Reflexionsprozesse angestoßen, die für zielführende und überlegte Unterrichtshandlungen notwendig sind und welche anhand eines Reflexionsmodells strukturiert und angeleitet fokussiert werden. Das Modell beschreibt eine vollständige Reflexion über fünf Elemente unter Bezugnahme auf eine gegliederte Wissensbasis. Es ermöglicht einerseits die Anwendung als Forschungsinstrument und kann andererseits als Reflexionsleitlinie für Studierende sowie als Instrument zur Einschätzung der Güte von Reflexionen dienen [8].

Die Lehrveranstaltung wurde mehrfach in verschiedenen zeitlichen und organisatorischen Formaten im Bachelor- und Masterstudium sowie im Referendariat durchgeführt. Begleitend wurden Daten zu u.a. Technikakzeptanz, Selbstwirksamkeit sowie Reflexions- und Handlungskompetenz im Mixed-Methods-Ansatz erhoben (u.a. mittels Prä-Post-Fragebögen, Reflexionskurztexten, Bewertungsbögen für Expert:innen, retrospektive Interviews, informatische Prozessdaten) [9], [10], [11], [12]. Es sollte grundlegend untersucht werden, inwiefern angeleitete Unterrichtsreflexionen ausgelöst durch das virtuelle Setting zu einer signifikanten Steigerung von Reflexions- und Handlungskompetenz führen und inwiefern sich dies objektiv, reliabel und valide erheben lässt. Erhebungsmethodisches Vorgehen sowie zentrale Erkenntnisse der Untersuchung werden neben der variablen Lehrveranstaltungskonzeption vorgestellt.

Literaturverzeichnis

[1] Borchert, J., Knopf-Jerchow, H. & Dabashi, A. (1992). Testdiagnostische Verfahren in Vor-, Sonder- und Realschulen. Heidelberg: Asanger.

[2] Helmke, A. (2012). Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität. Diagnose, Evaluation und Verbesserung des Unterrichts. Franz Emanuel Weinert gewidmet. 4. Aufl. (F. E. Weinert, Hrsg.). Kallmeyer.

[3] Rothland, M., & Zorn, S. (2015). Viel hilft viel? Forschungsbefunde und -perspektiven zum Praxissemester in der Lehrerbildung. Lehrerbildung auf dem Prüfstand, 8, 112–134.

[4] Hatton, N., & Smith, D. (1995). Reflection in teacher education: Towards definition and implementation. Teaching and Teacher Education, 11(1), 33–49. https://doi.org/10.1016/0742-051X(94)00012-U.

[5] Wiepke, A., Richter, E., Zender, R., & Richter, D. (2019a). Einsatz von Virtual Reality zum Aufbau von Klassenmanagement-Kompetenzen im Lehramtsstudium. Gesellschaft für Informatik e.V. https://doi.org/10.18420/delfi2019_319.

[6] Wiepke, A., Richter, E., Zender, R., & Richter, D. (2019b). Einsatz von Virtual Reality zum Aufbau von Klassenmanagement-Kompetenzen im Lehramtsstudium. Gesellschaft für Informatik e.V. https://dl.gi.de/handle/20.500.12116/24390.

[7] Wiepke, A., Hildebrandt, C., Hagen, N., Krüger, A., Lucke, U., & Banerji, A. (2022). Das VR-Labor-Klassenzimmer zur Professionalisierung von Lehramtsstudierenden der Chemie. https://doi.org/10.18420/delfi2022-030

[8] Nowak, A., Kempin, M., Kulgemeyer, C., & Borowski, A. (2019). Reflexion von Physikunterricht (S. 838–841).

[9] Groß, J., & Paul, J. (2019). Die Methode der Retrospektiven Befragung zum Lernprozess zur Erfassung von Vorstellungsänderungen. In K. Sommer, J. Wirth, & M. G. Vanderbeke (Hrsg.), Handbuch Forschen im Schülerlabor: Theoretische Grundlagen, empirische Forschungsmethoden und aktuelle Anwendungsgebiete (S. 223-234). Waxmann Verlag GMBH

[10] Lohse-Bossenz, H., Schönknecht, L. & Brandtner, M. (2019). Entwicklung und Validierung eines Fragebogens zur Erfassung Reflexionsbezogener Selbstwirksamkeit von Lehrkräften im Vorbereitungsdienst. Empirische Pädagogik, 33(2), 164–179.

[11] Schlesinger, L., Jentsch, A. & Kaiser, G. (2018). Subject-specific characteristics of instructional quality in mathematics education. ZDM: The International Journal on Mathematics Education. 50(3), pp. 475 - 490. https://doi.org/10.1007/s11858-018-09175

[12] Krause, M., & Eilks, I. (2015). Lernen über digitale Medien in der Chemielehrerausbildung. CHEMKON, 22(4), 173-178. https://doi.org/10.1002/ckon.201410259