Veranstaltungsprogramm
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E12: Fortbildungsevaluation
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Einblicke in die DigiProMIN Chemie Fortbildungspraxis und -evaluation 1Technische Universität München, Deutschland; 2Universität Potsdam; 3IPN Kiel Zusammenfassung Im modernen Alltag, im Klassenzimmer und daher folgerichtig auch der Lehrkräftebildung sind digitale Medien sehr präsent (Lachner et al., 2020; Bonnes, Wahl & Lachner, 2022). Die digitale Transformation bringt auch für den Chemieunterricht mit seinen fachspezifischen Methoden und Arbeitsweisen (vgl. Nerdel, 2017; Sommer, Wambach-Laicher & Pfeifer, 2018) vielfältige Potentiale für einen didaktisch wertvollen Einsatz digitaler Medien mit sich. Allerdings scheint das digitalisierungsbezogene themen- und fachspezifische Wissen von Lehrkräften in vielen Fällen (noch) unausgeprägt zu sein (vgl. ICILS-Studie; Eickelmann et al., 2019). Derartige Kompetenzen und positive Grundhaltungen gegenüber digitalen Anwendungen bilden jedoch die Grundlage für einen gewinnbringenden Nutzen im Unterricht. An dieser Stelle setzt das DigiProMIN (=Digitalisierungsbezogene und digital gestützte Professionalisierung von MIN-Lehrkräften) Chemie Projekt mit seinen insgesamt sechs neu konzipierten Lehrkräftefortbildungen zum Thema „digital gestützter Chemieunterricht“ an. Alle Fortbildungen wurden theoriegeleitet anhand empirisch validierter Empfehlungen entwickelt (vgl. Emden & Baur, 2017; Lipowsky & Rzejak, 2012, 2017, 2019) und beinhalten daher u.a. die Arbeit mit Best-Practice Beispielen, Diskussions- und Austauschphasen und die Erstellung eigener digital-gestützter Materialien im Präsenz-Halbtagsformat. Inhaltlich zielt das Angebot neben der Förderung digitalisierungsbezogener Kompetenzen insbesondere auch auf die Förderung der Nutzungsintentionen und der tatsächlichen Nutzung digitaler Medien im eigenen Chemieunterricht. Daher wurde vorrangig fachdidaktisches Wissen zu Umsetzungsformen und zu der lernförderlichen Einbettung digitaler Medien in verschiedenen typischen Situationen im Chemieunterricht thematisiert und nachhaltig an Lehrkräfte vermittelt. Das DigiProMIN Fortbildungsangebot teilt sich in eine einführende Orientierungsfortbildung und fünf vertiefende Fortbildungen, die verschiedene Facetten des Chemieunterrichts fokussieren. Die Angebote können unabhängig voneinander besucht werden und ermöglichen so eine große Wahlfreiheit für Lehrkräfte. Die Fortbildung „Chemieunterricht mit digitalen Medien innovieren“ (Orientierungsfortbildung) diskutiert Möglichkeiten zur theoriegeleiteten und kritischen Einordung verschiedener digital gestützter Unterrichtsbausteine, um digitale Medien für den eigenen Unterricht lernförderlich und reflektiert auszuwählen und zu gestalten. Die Fortbildung „Chemie im Kontext 2.0 - authentisch, motivierend und kollaborativ“ zeigt, wie authentische, schülernahe und motivierende Kontexte mit verschiedenen digitalen Medien für den Chemieunterricht aufgearbeitet werden können. Das Modul „Individuelle Lernverläufe aufzeigen“ thematisiert am Beispiel eines Moodle-Kurses Möglichkeiten zur digital gestützten Diagnose, formativen Assessment und dem Umgang mit Schülerschwierigkeiten. „Automatisierung im Chemieunterricht mit LEGO®-Titrationsrobotern“ setzt auf die Programmierung und den Aufbau automatisierter Titrationsroboter und verbindet informatische Grundkompetenzen mit dem Fach Chemie. „Interaktive eBooks als digitale Experimentierassistenten (DEANs)“ vermittelt Hilfestellungen zur Erstellung von interaktiven eBooks mit PowerPoint, die den Experimentierprozesses ganzheitlich und individualisiert unterstützen können. In der Fortbildung mit Namen „CHAMP: chemische Animationen mit PowerPoint – Modelle zum Leben erwecken“ lernen Lehrkräfte, wie sie mit PowerPoint theoriegeleitet Animationen selbst erstellen und damit chemische Prozesse auf der Teilchenebene visualisieren können. Die Fortbildungen wurden hinsichtlich Fortbildungsqualität, Akzeptanz und Wirksamkeitseinschätzung sowie den Einschätzungen von motivationalen bzw. volitionalen Hintergründen der teilnehmenden Lehrkräfte evaluiert. Dazu wurde als Grundlage das Modell der Unified Theory of Acceptance and Use of Technology (Šumak & Šorgo, 2016) verwendet. Die Fortbildungen wurden mit in Summe ungefähr N = 120 Lehrkräften evaluiert und im Sinne eines Design-Based-Research Ansatzes optimiert. Dazu wurden unterschiedliche geschlossene Items an verschiedenen Zeitpunkten im jeweiligen Fortbildungsverlauf eingebettet eingesetzt und durch offenes Feedback ergänzt, welches qualitativ codiert und analysiert wurde. Im Vortrag sollen Evaluationsergebnisse und Einblicke in die Fortbildungspraxis präsentiert werden. Die Daten ermöglichen einen Überblick über die Wirksamkeit bzw. Qualitätseinschätzung der Fortbildungen und Materialien, welche über das gesamte Fortbildungsangebot hinweg sehr positiv ausfallen. Die Ergebnisse bestätigen zudem erwartete Zusammenhänge, u.a. zwischen eingeschätzten Mehrwert, Nutzungsintention und der tatsächlichen Nutzung, deuten aber auch auf weitere Einflussfaktoren (z.B. Vorkenntnisse oder Fortbildungsfokus) hin. Literaturverzeichnis Bonnes, C., Wahl, J. & Lachner, A. (2022). Herausforderungen für die Lehrkräftefortbildung vor dem Hintergrund der digitalen Transformation. Zeitschrift für Weiterbildungsforschung, 45, S. 133–149, https://doi.org/10.1007/s40955-022-00212-y Eickelmann, B., Bos, W. & Labusch, A. (2019). Die Studie ICILS 2018 im Überblick – Zentrale Ergebnisse und mögliche Entwicklungsperspektiven. In B. Eickelmann, W. Bos, J. Gerick, F. Goldhammer, H. Schaumburg, K. Schwippert, M. Senkbeil & J. Vahrenhold (Hrsg.), ICILS 2018 #Deutschland Computer- und informationsbezogene Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern im zweiten internationalen Vergleich und Kompetenzen im Bereich Computational Thinking. (S. 7–32). Münster: Waxmann. https://doi.org/10.25656/01:18319 Emden, M. & Baur, A. (2017) Effektive Lehrkräftebildung zum Experimentieren – Entwurf eines integrierten Wirkungs- und Gestaltungsmodells. Zeitschrift für Didaktik der Naturwissenschaften 23, S. 1–19. http://dx.doi.org/10.1007/s40573-016-0052-1 Lipowsky, F., & Rzejak, D. (2012). Lehrerinnen und Lehrer als Lerner - Wann gelingt der Rollentausch? Schulpädagogik heute, 3(5), S. 1–17. Lipowsky, F. & Rzejak. D. (2017) Fortbildungen für Lehrkräfte wirksam gestalten – erfolgsversprechende Wege und Konzepte aus Sicht der empirischen Bildungsforschung. Bildung und Erziehung, 70(4), S. 379-400 Lipowsky, F., & Rzejak, D. (2019). Was macht Fortbildungen für Lehrkräfte erfolgreich? – Ein Update. In B. Groot-Wilken & R. Koerber (Hrsg.), Nachhaltige Professionalisierung für Lehrerinnen und Lehrer. Ideen, Entwicklungen, Konzepte. Beiträge zur Schulentwicklung. (S. 15–56). Bielefeld: wbv. http://dx.doi.org/10.3278/6004746w Lachner, A., Scheiter, K., & Stürmer, K. (2020). Digitalisierung und Lernen mit digitalen Medien als Gegenstand der Lehrerbildung. In C. Cramer, M. Rothland, J. König & S. Blömeke (Hrsg.), Handbuch Lehrerinnen- und Lehrerbildung (S. 67–75). Bad Heilbrunn: Klinkhardt. http://dx.doi.org/10.35468/hblb2020-007 Nerdel, C. (2017). Grundlagen der Naturwissenschaftsdidaktik - Kompetenzorientiert und aufgabenbasiert für Schule und Hochschule. Berlin: Springer Spektrum Sommer, K., Wambach-Laicher, J. & Pfeifer, P. (2018). Konkrete Fachdidaktik Chemie – Grundlagen für das Lernen und Lehren im Chemieunterricht. Seelze: Friedrich Verlag. Šumak, B., & Šorgo, A. (2016). The acceptance and use of interactive whiteboards among teachers: Differences in UTAUT determinants between pre-and post-adopters. Computers in Human Behavior, 64, 602-620. Technologieunterstütztes adaptives Unterrichten: Integration von Nutzungsdaten eines intelligenten tutoriellen Systems mit quantitativen und qualitativen Lehrkräftebefragungen zur evidenzbasierten Fortbildungsentwicklung Freie Universität Berlin, Deutschland Zusammenfassung Adaptiven Lerntechnologien, insbesondere Intelligent Tutoring Systems (ITS), wird ein großes Potential zugesprochen, das Lehren und Lernen und den Umgang mit Heterogenität an Schulen zu verbessern (KMK, 2021). Besonders im Hinblick auf die individuelle Förderung werden große Hoffnungen auf die digitale Transformation gesetzt (Eickelmann et al., 2019). Die internationale Forschung zeigt mittlere bis große positive Effekte für den Einsatz von ITS auf den Lernerfolg (Kulik & Fletscher, 2016). Jedoch können diese Effekte nicht dadurch erklärt werden, ob sondern besonders wie die Lerntechnologie im Unterricht integriert wird (Fütterer et al., 2022). Die Qualität der Integration hängt davon ab, ob lediglich analoge Lehr- und Lernprozesse ersetzt werden, oder ob die technologischen Potentiale in neuen Unterrichtspraktiken ausgeschöpft werden (Puentedura et al., 2006). ITS können mithilfe stetiger Lerndiagnostik und Bereitstellung individualisierter Inhalte (z.B. individuelles Feedback) adaptives Unterrichten unterstützen, das in rein analogen Unterrichtssettings nur schwierig umsetzbar wäre. Auf der Grundlage der Nutzungsdaten des ITS „bettermarks“ von 1.864 Berliner Lehrkräften können wir Aussagen darüber treffen, wie viel, jedoch besonders auch wofür Lehrkräfte das ITS nutzen. Lehrkräfte nutzen das ITS überwiegend, um Lernaktivitäten (z.B. Übungsaufgaben) an Schüler*innen auszuteilen, auf die die Schüler*innen zur individuellen Bearbeitung zugreifen können. Dabei teilen die untersuchten Lehrkräfte pro Schuljahr im Durchschnitt 104 Lernaktivitäten über das ITS an ihre Schüler*innen aus, wobei die Nutzung sehr stark zwischen Lehrkräften variiert (Min = 1, Max = 2.723, SD = 149.74). Mehrheitlich werden Wiederholungstests und Aufgabensets des ITS (n = 159.375) sowie von den Lehrkräften selbst erstellte Arbeitsblätter (n = 23.679) ausgeteilt. Die Tests, die als Diagnosetools (n = 5.015) und als Abschlusstests in jedem Kapitel (n = 3.571) im ITS angeboten werden, werden weniger genutzt. In einer Lehrkräftebefragung befragen wir Lehrkräfte zu der qualitativen Nutzung des ITS gezielt für das adaptive Unterrichten und untersuchen den Zusammenhang mit Lehrkräftemerkmale wie die Motivation und Kompetenz zum digitalen und adaptiven Unterrichten sowie weiteren (Kontext-)Variablen. Darüber hinaus erhalten wir in Interviews einen Einblick in Praxisbeispiele und in das datenbasierte Entscheiden (Verstehen / Interpretieren / Entscheiden; Endemann et al., in Druck) seitens der Lehrkräfte auf der Grundlage der Daten, die das ITS ihnen zum Lernprozess ihrer Schüler*innen liefert. Dabei werden sie auch zu ihrem individuellen Forschungsbedarf befragt. Unsere Ergebnisse geben damit Aufschluss über die qualitative Umsetzung der technologischen Integration von ITS in den Unterricht für die Realisierung adaptiven Unterrichtens. Auf der Tagung werden die Einzelergebnisse integrativ dahingehend diskutiert, Erkenntnisse für die Lehrkräftefortbildung abzuleiten. Ziel ist es, auf der Grundlage der Analysen von Lehrkräftemerkmalen, die mit einer qualitativ hochwertigen Umsetzung im Zusammenhang stehen, Schlussfolgerungen für die gezielte Förderung in Lehrkräftefortbildungen zu ziehen. Darüber hinaus können exemplarisch Best-Practice-Ansätze herausgearbeitet werden, die für Fortbildungen genutzt werden können. Gerade vor dem Hintergrund der Entwicklung eines bundesweiten adaptiven intelligenten Systems (FWU, 2024) erscheint es gewinnbringend, konkrete Unterrichtskonzepte mit dieser Form von Lerntechnologien zu entwickeln und Lehrkräfte zur lernwirksamen Integration dieser Technologien zu motivieren und fortzubilden. Literaturverzeichnis Eickelmann, B., Bos, W., Gerick, J., Goldhammer, F., Schaumburg, H., Schwippert, K., & Vahrenhold, J. (Hrsg). (2019). ICILS 2018# Deutschland: computer- und informationsbezogene Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern im zweiten internationalen Vergleich und Kompetenzen im Bereich Computational Thinking. Waxmann Verlag. Eickelmann, B., Fröhlich, N., Bos, W., Gerick, J., Goldhammer, F., Schaumburg, H., Schwippert, K., Snkbeil, M. & Vahrenhold, J. (2024). ICILS 2023# Deutschland. Computer-und informationsbezogene Kompetenzen und Kompetenzen im Bereich Computational Thinking von Schüler* innen im internationalen Vergleich. Münster; New York: Waxmann. Endemann, D., Holder, K. & Gärtner, H. (im Druck). Teachers’ data-competent use of results from standardized achievement tests – construct definition and operationalization. In C. Schumacher & D. Ifenthaler (Hrsg.), International Perspectives on Educational Data Literacy: Frameworks, Contexts, and Practices. Routledge. Fütterer, T., Scheiter, K., Cheng, X., & Stürmer, K. (2022). Quality beats frequency? Investigating students’ effort in learning when introducing technology in classrooms. Contemporary Educational Psychology, 69, 102042. FWU Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht. Adaptives Intelligentes System – die persönliche Unterstützung für Lernende und Lehrende. Zugriff am 09.04.2025, auf https://fwu.de/projekte/ais/ Kulik, J. A., & Fletcher, J. D. (2016). Effectiveness of intelligent tutoring systems: a meta-analytic review. Review of educational research, 86(1), 42-78. Kultusministerkonferenz (2021). Lehren und Lernen in der digitalen Welt. Die ergänzende Empfehlung zur Strategie „Bildung in der digitalen Welt “. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 09.12. Mishra, P., & Koehler, M. J. (2006). Technological Pedagogical Content Knowledge: A Framework for Teacher Knowledge. Teachers College Record, 108(6), 1017–1054. Puentedura, R. R. (2006). Transformation, technology and education: A model for technology and transformation. Zugriff am 09.04.2025, auf http://hippasus.com/resources/tte/puentedura_tte.pdf | ||