Digitale Medien im Sportunterricht – Bisherige Nutzung und Intention zur zukünftigen Nutzung aus der Perspektive von Schüler:innen
Juliane Mackenbrock, Jens Kleinert
Deutsche Sporthochschule Köln, Deutschland
Zusammenfassung
Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass der Einsatz digitaler Medien (DM) im Sportunterricht positive Auswirkungen haben kann, z.B. auf das Bewegungslernen (Jastrow et al., 2022) und auf die Motivation der Schüler:innen (Mackenbrock & Kleinert, 2023). Entscheidend für die Nutzung von DM im Sportunterricht ist die Akzeptanz der Nutzenden. Während zur DM-Akzeptanz von Lehrkräften bereits Forschungsarbeiten vorliegen (vgl. Übersichtsarbeit von Kleinert & Mackenbrock, 2025), ist die Forschungslage mit Schüler:innen begrenzt. Die wenigen vorliegenden Studien (z.B. Koh et al., 2022; Merino-Campos et al., 2023) untersuchen die Akzeptanz von DM vornehmlich retrospektiv, d.h. bezogen auf einen von den Schüler:innen erlebten Einsatz von DM. Ein Vergleich verschiedener DM-Einsatzformen im Sportunterricht liegt bislang nicht vor. Daher ist das Ziel der vorliegenden Studie zu untersuchen, wie der Einsatz von DM im Sportunterricht (im Vergleich zu anderen Fächern) ausgeprägt ist und wie sich die Akzeptanz (d.h. die Intention zur zukünftigen Nutzung) zwischen verschiedenen DM-Einsatzformen (abgeleitet aus Mackenbrock & Kleinert, 2023) unterscheidet bzw. welche Prädiktoren sie erklären.
Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurde eine Querschnittsstudie mit n = 291 Schüler:innen (M = 15.78; SD = 1.23; weiblich = 153; männlich = 138) durchgeführt. Im Fragebogen wurden sozio-demografische Daten, Angaben zum DM-Einsatz in verschiedenen Fächern (1 "nie" bis 6 "immer“), Angaben zur Intention für DM-Nutzung im Sportunterricht (1 "auf keinen Fall" bis 6 "auf jeden Fall") sowie Angaben zu Prädiktoren für Intention (u.a. Freude, Identität, Nützlichkeit) abgefragt. Analytisch wurden drei Schritte umgesetzt: (1) Häufigkeitsanalyse des DM-Einsatzes im (Sport-)Unterricht, (2) Varianzanalyse für Unterschiede der Intention zur zukünftigen Nutzung verschiedener DM-Einsatzformen, (3) Regressionsanalyse für Prädiktoren der Intention zur zukünftigen DM-Nutzung im Sportunterricht.
Ad 1) DM werden am häufigsten in Fächern wie Informatik/Computerwissenschaften (M = 4.94; SD = 1.72) sowie sozialwissenschaftlichen Fächern (M = 4.07; SD = 1.54) und am seltensten im Fach Sport (M = 1.74; SD = 1.12) eingesetzt. Wenn DM im Sportunterricht eingesetzt werden, dann am häufigsten für Unterhaltungszwecke (z.B. Musik während Übungen) (M = 3.60; SD = 1.79) und am seltensten für Wissensvermittlung (z.B. Hintergrundwissen über Sport) (M = 1.73; SD = 1.11). Ad 2) Die Varianzanalyse zeigt signifikante Unterschiede in der Intention zur zukünftigen Nutzung zwischen den DM-Einsatzformen (F(3.79, 1087.90) = 6.71, p < .001, partial η2 = .023). Am stärksten ausgeprägt ist die Nutzungsintention für Unterhaltungszwecke (M = 5.00; SD = 1.68) und am geringsten für die Unterrichtsorganisation (z.B. Auslosung von Teams) (M = 3.04; SD = 1.72). Ad 3) Die Regressionsanalyse F(9, 264) = 32.532, p < .001, adj. R2 = .51) zeigt, dass Nützlichkeit (ß = .337) und Freude (ß = .264) die Intention zur zukünftigen Nutzung von DM im Sportunterricht positiv vorhersagen, während die sozialen Erwartungen (ß = -.106) und Sinnlosigkeit (ß = -.155) die Intention negativ vorhersagen.
Die Ergebnisse bestätigen die Annahme, dass DM im Sportunterricht im Vergleich zu anderen Schulfächern weniger und wenn dann hauptsächlich zu Unterhaltungszwecken eingesetzt werden. Die bisherige Nutzung von DM im Sportunterricht kann auch als Erklärung dafür herangezogen werden, dass die Akzeptanz (d.h. die Intention zur zukünftigen Nutzung) für Unterhaltungszwecken am stärksten ist, da Schüler:innen damit am ehesten vertraut sind. Dass hingegen die Akzeptanz der anderen Einsatzformen geringer ist, kann damit zusammenhängen, dass der Mehrwert dabei aus der Schüler:innen-Perspektive nicht deutlich wird bzw. die Schüler:innen sich den Einsatz nicht vorstellen können. Damit verbunden wird bestätigt, dass relevante Konstrukte der Technologieakzeptanzforschung wie Nützlichkeit und Freude (vgl. Kleinert & Mackenbrock, 2025) auch bezüglich der Schüler:innen Akzeptanz von DM im Sportunterricht die entscheidenden Faktoren sind. Die Ergebnisse der Studie sind sowohl für die Forschung (z.B. weiterführende Akzeptanzanalysen zu DM-Einsatzformen oder dem Vergleich der Akzeptanz von Lehrkräften und Schüler:innen) als auch für die Praxis, insbesondere für einen zielgruppengerechten DM-Einsatz im Sportunterricht von Bedeutung.
Literaturverzeichnis
Jastrow, F., Greve, S., Thumel, M., Diekhoff, H., & Süßenbach, J. (2022). Digital technology in physical education: A systematic review of research from 2009 to 2020. German Journal of Exercise and Sport Research, 52(4), 504–528. https://doi.org/10.1007/s12662-022-00848-5
Kleinert, J. & Mackenbrock, J. (2025). Technologieakzeptanz und Zufriedenheit mit digitalen Anwendungen im Sport. In D. Memmert (Hrsg.), Digitalisierung und Innovation im Sport und in der Sportwissenschaft: Handbuch Sport und Sportwissenschaft. Springer Spektrum. https://doi.org/10.1007/978-3-662-68241-8_32-1
Koh, K. T., Tan, L. Q. W., Camiré, M., Paculdar, M. A. A., & Chua, W. G. A. (2022). Teachers’ and students’ perceptions of factors influencing the adoption of information and communications technology in physical education in Singapore schools. European Physical Education Review, 28(1), 100–119. https://doi.org/10.1177/1356336X211017949
Mackenbrock, J., & Kleinert, J. (2023). Motivational effects of digital media on students in physical education: a scoping review. Journal of Physical Education and Sport, 23(8), 2115 – 2126. https://doi.org/10.7752/jpes.2023.08243
Merino-Campos, C., del-Castillo, H., & Medina-Merodio, J.-A. (2023). Factors affecting the acceptance of video games as a tool to improve students’ academic performance in physical education. Education and Information Technologies, 28(5), 5717–5737. https://doi.org/10.1007/s10639-022-11295-y
Bewegungserfahrungen in Virtual Reality begleiten. Ein Fortbildungskonzept zur Professionalisierung von Lehrkräften für sonderpädagogische Förderung
Dorina Rohse, Caterina Schäfer, David Wiesche
Universität Duisburg-Essen, Institut für Sport- und Bewegungswissenschaften
Zusammenfassung
Virtual Reality (VR) in Bildungsprozessen ist von multisensorischen Erfahrungen geprägt (Mills et al. 2022). Studien zeigen erste Erkenntnisse zu Potenzialen und Grenzen für Schüler:innen mit sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf (Rohse und Schäfer, 2024), aus denen Anfragen zu Einsatz und Nutzung in einem inklusiven Bildungssystem deutlich werden. Die Nachfrage aus der Schulpraxis nach praxisorientierten Fortbildungsangeboten bestehen (Schäfer et al. 2023), um der Aufforderung der Kultmusministerkonferenz nachzukommen, „unterstützende Techniken wie [...] VR zu beachten, zu reflektieren und einzubeziehen, wobei [...] dem Aspekt der Lernbegleitung und der (Selbst-)Reflexion eine besondere Bedeutung zukommt“ (Kultusministerkonferenz, 2021, S. 12).
Ein Teilprojekt von ComeSport greift dies auf und fokussiert in einem ko-konstruktiven Prozess gemäß Design-Based-Research mit (angehenden) Lehr- und Fachkräften für sonderpädagogische Förderung die Entwicklung eines Fortbildungskonzeptes. Dabei wurden im iterativen Prozess die folgenden Schritte befolgt:
- Vorprüfung
- Prototypenentwicklung
- Beurteilungsphase
- Lösung
(Reinmann, 2005; Schmiedebach und Wegner, 2021)
Zunächst wurde auf Grundlage wissenschaftlicher Vorarbeiten (1) die Thematik des zu entwickelnden Konzepts festgelegt: „Bewegungserfahrungen in VR begleiten“. Anschließende (2) Bedarfsabfragen in Form von qualitativen Interviews (n=15) und schriftlichen Befragungen (n=16) begründen die Entwicklung von vier Modulvorschlägen. (3) Lehrkräfte für sonderpädagogische Förderung und Lehramtsanwärter*innen erprobten diese in Form von Workshops (n=9) und validierten diese kommunikativ. Dies hatte eine stetige Überarbeitung der Modulinhalte und des didaktischen Aufbaus zur Folge. Eine abschließende Evaluierung in Form eines fundierten Fragebogens (n=15) führt schließlich zu (4) folgenden finalen Fortbildungskonzept mit drei Modulen: 1. VR als Bildungsmedium, 2. VR und Bewegung, 3. VR und Begleitung.
Diese folgen einem wiederkehrenden Ablauf bestehend aus einer themenbezogenen VR-Selbsterfahrung mit anschließender Reflexion in Form von Gruppendiskussionen oder -werkstätten, die von einer Begrüßung und Verabschiedung gerahmt werden.
Der Vortrag fokussiert die Entwicklung des Fortbildungskonzepts und fasst zentrale Inhalte der einzelnen Module zusammen.
Literaturverzeichnis
Kultusministerkonferenz. (2021). Lehren und Lernen in der digitalen Welt: Die ergänzende Empfehlung zur Strategie "Bildung in der digitalen Welt". https://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2021/2021_12_09-Lehren-und-Lernen-Digi.pdf
Mills, K. A., Scholes, L. & Brown, A. (2022). Virtual Reality and Embodiment in Multimodal Meaning Making. Written Communication, 39(3), 335–369.
Reinmann, G. (2005). Innovation ohne Forschung? Ein Plädoyer für den Design-Based Research-Ansatz in der Lehr-Lernforschung. Unterrichtswissenschaft, 33(1), 52-69. https://doi.org/10.25656/01:5787
Rohse, D. & Schäfer, C. (2024). "VR in der Schule ist für mich eine Revolution!": Potenziale und Grenzen von Virtual Reality im Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung aus der Perspektive von Schüler/innen. Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete, 93(4), 271–287.
Schäfer, C., Rohse, D., Gittinger, M. & Wiesche, D. (2023). Virtual Reality in der Schule: Bedenken und Potenziale aus Sicht der Akteur:innen in interdisziplinären Ratingkonferenzen. MedienPädagogik: Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung, 51(AV/Part 2), 1–24. https://doi.org/10.21240/mpaed/51/2023.01.10.X
Schmiedebach, M. & Wegner, C. (2021). Design-Based Research als Ansatz zur Lösung
praxisrelevanter Probleme in der fachdidaktischen Forschung. Vorab-Onlinepublikation
https://doi.org/10.25656/01:23920
Virtual Reality im Tanzunterricht: Eine systematische Betrachtung von Bedarfsanalyse, Praxisimplementierung und Professionalisierung von Lehrkräften
Luisa Heyn, Helena Rudi
Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Deutschland
Zusammenfassung
Einleitung
Im Zuge der digitalen Transformation eröffnen VR-Technologien neue Perspektiven für bewegungs- und bildungsbezogene Erfahrungsräume, die das Körpererleben intensivieren und zugleich Reflexionsprozesse anregen (Wendeborn et al., 2022). Insbesondere im Kontext der Tanzpädagogik, in dem digitale Medien bereits zunehmend Einzug in die Vermittlungspraxis gefunden haben (Howahl & Kieltyka, 2023), lassen sich durch immersive virtuelle Umgebungen innovative didaktische Zugänge realisieren. Diese ermöglichen es Lernenden, sich jenseits normativer Zuschreibungen mit dem eigenen Körper auszudrücken und individuelle Bewegungserfahrungen zu sammeln – ein Potenzial, das insbesondere im schulischen Sportunterricht von Relevanz ist, wo Scham und Unsicherheit häufig Teilhabeprozesse hemmen (Wiesche & Klinge, 2017).
Ein subjektorientierter, kreativer Umgang mit Bewegung (Rudi, 2021), kann in virtuellen Räumen gefördert werden, indem selbstbestimmte und reflexive Bewegungspraxen fokussiert werden. VR-gestützte Lernumgebungen schaffen hierbei einen geschützten Raum, der explorative Bewegungsformen sowie die sensomotorische Wahrnehmung unterstützt und gleichzeitig zur kritischen Auseinandersetzung mit Körperbildern einlädt. Um diese Potenziale jedoch pädagogisch wirksam zu erschließen, bedarf es seitens der Lehrkräfte umfassender digitaler Kompetenzen (Huwer et al., 2019). Entsprechende Fortbildungskonzepte müssen daher technologische Fertigkeiten, pädagogisches Wissen und Reflexionskompetenz gleichermaßen adressieren, um den komplexen Anforderungen digitaler Bildungsprozesse gerecht zu werden.
Methode
Eine auf die Ausgestaltung von Fortbildungen und die Vermittlung digital gestützter Lehr-/Lernprozesse ausgerichtete Bedarfsanalyse untersucht den Einsatz digitaler Technologien im Sportunterricht auf mehreren Ebenen. Neben leitfadengestützten Interviews mit Fachleitenden (N = 20) und einer Fragebogenbefragung von Sportlehrkräften (N = 317; offene und geschlossene Fragen) zum Einsatz und den Bedarfen bezüglich Fortbildungen, fließen ebenfalls qualitative Daten aus Unterrichtsbeobachtungen[HL1] abgeschlossener Schulprojekte sowie die leitfadengestützten Interviews mit Lehrkräften und Schüler*innen[HL2] , die im Rahmen der Projektevaluation stattfanden, mit ein.
Ergebnisse
Neben der Darstellung zentraler Bedarfe im Kontext digital gestützter Unterrichtsformate werden exemplarische Best-Practice-Beispiele zur Integration von Virtual Reality in eine persönlichkeitsbildende, explorative Tanzvermittlung vorgestellt (Steinberg & Rudi, 2024). Die Ergebnisse zeigen, dass virtuelle Räume Schüler*innen ermöglichen, Bewegungen frei zu gestalten und individuell zu reflektieren. Unterrichtsbeobachtungen und Interviews mit Lehrkräften und Schüler*nnen belegen, dass VR-gestützte Lernsettings insbesondere bei bewegungsunsicheren Jugendlichen die Motivation steigern, Schamgefühle reduzieren und zu einem experimentierfreudigeren Umgang mit dem eigenen Körper beitragen. Schüle*rinnen hoben hervor, dass sie sich im virtuellen Raum weniger bewertet fühlten und dadurch freier in ihrer Bewegung agieren konnten.
Auf dieser Grundlage werden Fortbildungsmodule präsentiert, die Lehrkräfte darin unterstützen, VR-Technologien didaktisch fundiert in den Sportunterricht zu integrieren und ihre medienbezogenen Kompetenzen gezielt weiterzuentwickeln. Abschließend werden praxisnahe Anwendungen sowie Potenziale und Herausforderungen des VR-Einsatzes im Tanzunterricht reflektiert.
Literaturverzeichnis
Howahl, S. & Kieltyka, S. C. (2023). Von der Bewegungsform zum Sinn mit YouTube und LernBar. Basics einer Tanz-vermittlung postdigital. Sportunterricht 73 (2): 81–86.
Huwer, J., Irion, T., Kuntze, S., Schaal, S. & Thyssen, C. (2019). Von TPaCK zu DPaCk – Digitalisierung im Unterricht erfordert mehr als technisches Wissen. MNU-Journa, 72 (5), S. 358-364.
Rudi, H. (2021). Persönlichkeitsbildung durch Tanz. Theoretische Herleitung und empirische Analyse des tänzerischen Selbstkonzepts bei Kindern. Wiesbaden: Springer Fachmedien. https://doi.org/10.1007/978-3-658-33717-9
Steinberg, C. & Rudi, H. (2024). Tanzpädagogik und Tanzvermittlung. In Tanzpädagogik - Tanzvermittlung. Grundbegriffe. Methoden. Anwendungsbereiche, herausgegeben von Michael Obermaier, Claudia Steinberg, Rita Molzberger, und Krystyna Obermaier, 1. Aufl., 103–20. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhard. https://doi.org/10.36198/9783838559223.
Wendeborn, T., Drogge, L., und Kühn, A. (2022) Sportliche Bildung in der Digitalen Welt. In: Fachliche Bildung in der digitalen Welt. Digitalisierung, Big Data und KI im Forschungsfokus von 15 Fachdidaktiken. Allgemeine Fachdidaktik Band 3., herausgegeben von Volker Frederking und Ralf Romeike. Bd. 14. Fachdidaktische Forschungen. Münster: Waxmann.
Wiesche, D. & Klinge, A. (2017). Scham und Beschämung im Schulsport. Facetten eines unbeachteten Phänomens. Aachen: Meyer & Meyer.
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