Digitalisierung durch OER in der Lehrkräftebildung im Dreieck von Qualitätsstrategien, Community-Building und Wissenssupport
Chair(s): Gesina Seyfert (Hochschule Neubrandenburg, Deutschland), Matthias Müller (Hochschule Neubrandenburg), Immanuel Pereira Delgado (Hochschule Neubrandenburg), Chris Dömlang (Hochschule Neubrandenburg)
Diskutant:in(nen): Matthias Müller (Hochschule Neubrandenburg), Immanuel Pereira Delgado (Hochschule Neubrandenburg)
Zusammenfassung
Mantel-Abstract zum Symposium
(Prof. Dr. M. Müller - Hochschule Neubrandenburg)
Open Education Ressource (OER) sind ein zentraler Bestandteil der digitalen Transformation von Schule und Lehrkräftebildung. Die UNESCO definiert OER wie folgt: „Open Educational Resources (OER) are learning, teaching and research materials in any format and medium that reside in the public domain or are under copyright that have been released under an open license, that permit no-cost access, re-use, re-purpose, adaptation and redistribution by others.” (Butcher, N., Malina, B, Neumann, J. 2013, S. 31).
Das Forschungsprojekt Co-WOERK (Community zum Wissenstransfer OER: Netzwerk von Bildungsakteur:innen) wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und ist Teil der „im Juli 2022 veröffentlichten Open Educational Resources Strategie (OER-Strategie)“ (BMBF o. J.) des BMBF, die das Ziel der „Schaffung eines nachhaltigen OER-Ökosystems aus Technologien, Dienstleistungs- und Vernetzungsangeboten […], um das deutsche Bildungssystem nachhaltig zu stärken und zu modernisieren.“ (BMBF o. J.) hat.
In dem Symposium werden die Potentiale von OER für die Digitalisierung in Schule und Lehrkräftebildung im Dreieck von Qualitätsstrategien, Community-Building und Wissenssupport thematisiert. Die digitale Transformation in Schule und Lehrkräftebildung kann letztlich nur bewältigt werden, wenn Digitalität auf vielen Ebenen thematisiert und angegangen wird. OER kann dabei als zentrales Mittel verstanden werden, die Hochschulausbildung (1. Phase der Lehrkräftebildung), das Referendariat (2. Phase der Lehrkräftebildung), die Fort -und Weiterbildung (3. Phase der Lehrkräftebildung) sowie die Hochschul- und Schulentwicklung zu adressieren. Dies wird allerdings nur gelingen, wenn die produzierten OER über eine den unterschiedlichen Kontexten entsprechenden Qualität verfügen (Beitrag 1, Qualitätsstrategien). Die Qualität von OER wird aber zu oft nur auf die Einhaltung der Metadatenanforderung der verschiedenen Repositorien (z.B. ZOERR, ORCA.nrw, twillo) reduziert. Damit OER in Schule und Lehrkräftebildung gelingt, ist es dringend notwendig, differenzierte und praktikable Qualitätsindikatoren zu entwickeln. Da die OER-Nutzung gemeinsame trägerübergreifende Praxen und die OER-Produktion kollaborative Arbeitsformen nahelegt, ist das Community-Building ein zweites zentrales Moment der Realisierung von Digitalität durch OER
(Beitrag 2, Community-Building). Durch Community-Building können die o.g. verschiedenen Ebenen zusammengeführt und die Übergänge zwischen den Ebenen gestaltet werden. Letztlich ist die Produktion von OER mit neuen Praxen der Vorbereitung, der Entwicklung neuer didaktischer Formate sowie dem Selbstverständnis der Veröffentlichung und der Weitergabe von produzierten Bildungsmaterialien verbunden. Diesen Veränderungen sollte gleich mit einem Konzept des OER von Anfang an verknüpft sein (Beitrag 3, Wissenssupport). Dies ist nicht zuletzt von Relevanz, weil so nachhaltige Effekte Hochschul- und Schulentwicklung erzeugt werden können und diese Hürden der OER-Produktion gesehen und konstruktiv angegangen werden können.
Vor diesem Hintergrund wird in dem Symposium die Frage bearbeitet: Welche Potentiale haben OER für die Digitalisierung in der Lehrkräftebildung im Dreieck von Wissenssupport, Community-Building und Qualitätsstrategien?
Literaturverzeichnis
Gemeinsames Literaturverzeichnis des gesamten Symposiums:
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), (o. J.): Hintergrund. URL: https://www.oer-strategie.de/hintergrund/ [Stand 28.05.2025].
Butcher, Neil; Malina, Barbara; Neumann, Jan (2013): Was sind Open Educational Resources? Und andere häufig gestellte Fragen zu OER. Bonn: UNESCO.
Esslinger-Hinz, I., Wigbers, M., Giovannini, N., Hannig, J., Herbert, L., Jäkel, L., Klingmüller, C., Lange, B., Neubrech, N., Schnepf-Rimsa. E. (2013): Der ausführliche Unterrichtsentwurf. Weinheim: Beltz.
Grimm, S., Rödel, B., Bundesinstitut für Berufsbildung (Hg.) (2019): Open Educational Resources (OER) für die Berufsbildung. Bonn: Verlag Barbara Budrich.
Mayrberger, K., Zawacki-Richter, O. (2017): Qualität von OER. Internationale Bestandsaufnahme von Instrumenten zur Qualitätssicherung von Open Educational resources (OER) – Schritte zu einem deutschen Modell am Beispiel der Hamburg Open Online University. URL: https://www.synergie.uni-hamburg.de/media/sonderbaende/qualitaet-von-oer-2017.pdf [Stand 09.05.2025].
McDermott, R. & Archibald, D. (2010): Die Kraft informeller Netzwerke. Communities of Practice. Harvard Business Manager. 32 (8), S. 59-66.
Städeli, C., Maurer, M., Caduff, C., Pfiffner, M. (2024): Das AVIVA-Modell: Kompetenzorientiert unterrichten und prüfen. Bern: hep.
Stepper, J. (2020): Working out loud. Wie Sie Ihre Selbstwirksamkeit stärken und Ihre Karriere und Ihr Leben nach eigenen Vorstellungen gestalten. München: Verlag Franz Vahlen.
Unveröffentlichte Werke:
Dömlang, C., Pereira Delgado, I., Hochschule Neubrandenburg (2025): Begleitmodul „offene digitalisierte Lehrmaterialien“. Ein Grundlagenseminar zu Open Educational Resources für die Lehrkräftebildung. Unter CC BY-SA
Beiträge des Symposiums
„Qualitätscheck von offenen Bildungsmaterialien in der Lehrkräftebildung“
Gesina Seyfert Hochschule Neubrandenburg
Die Diskussion um die Qualität von Offenen Bildungsmaterialien (OER) wurde lange nachrangig betrachtet, da sie im Spannungsfeld zwischen Offenheit und Ausgrenzung steht. Im Zentrum stand zunächst der Aufbau einer Kultur des Teilens, der Offenheit und Kollaboration – die Idee, möglichst viele Akteur:innen für OER zu begeistern. Eine zu frühe oder zu strenge Auseinandersetzung mit Qualitätsfragen erschien dabei vielen als Widerspruch zum Openness-Prinzip: Denn wer Kriterien definiert, macht Unterschiede sichtbar – zwischen „besseren“ und „schlechteren“ Materialien – und läuft Gefahr, partizipative Potenziale von OER durch Ausschlussmechanismen zu schwächen. Gerade im Vergleich zu traditionellen Bildungsmedien wird aber die fehlende Qualitätssicherung von OER oft als zentrales Defizit benannt. Inzwischen ist klar: Ohne Qualitätsbewusstsein verlieren Offene Bildungsmaterialien an Akzeptanz. Die HOOU (Hamburg Open Online University) identifizierte in ihrem umfassenden Review zu Qualitätsmodellen sechs Evaluationsmodelle, die im Kontext von OER unterschiedliche Qualitätsdimensionen unterscheiden. Dabei stellten sie fest, dass die Dimensionen zur Qualitätserfassung der Lernmaterialien/ OER folgende vier Aspekte enthalten: 1. Inhalt,
2. Didaktisches Design und Support, 3. Usability und Access sowie 4. Assessment. (vgl. Mayrberger, K., Zawacki-Richter, O. 2017, S. 18)
Der Beitrag setzt sich mit der Frage auseinander, wie Qualität bei OER im Spannungsfeld von Openness und (über)differenzierten Qualitätsmodellen systematisch in der Praxis der OER Produktion gesichert, bewertet und weiterentwickelt werden kann. Dafür wir der Qualitätscheck der Hochschule Neubrandenburg vorgestellt, der Lehrkräfte sowie Studierende in ihrer professionellen Urteilsbildung stärkt. Bewertet werden dafür unter anderem didaktische Passung, technische Zugänglichkeit und rechtliche Klarheit. Ziel ist also nicht die Objektivierung von Qualität, sondern deren transparente Reflexion im pädagogischen Alltag und vor dem Hintergrund der kontextuellen Passung. Der Qualitätscheck soll sowohl Souveränität als auch Vertrauen im Umgang mit OER fördern. Im Rahmen des Co-WOERK Projektes wird die Verwendung des Qualitätschecks erprobt und die empirische Überprüfung gegenwärtig entwickelt. Vor diesem Hintergrund entwickelt der Beitrag ein reflexives Qualitätsverständnis für OER in der schulischen Praxis und Lehrkräftebildung und lädt zur Diskussion darüber ein, wie substantielles Qualitätsverständnis von OER in der Lehrkräftebildung verankert werden kann.
„Communitybuilding – informelle Netzwerke in der Bildung zur Stärkung der Open Educational Practice“
Chris Dömlang Hochschule Neubrandenburg
Offene Bildungspraktiken (Open Educational Practices, OEP) sind auf Gemeinschaften angewiesen, die den Gedanken der Offenheit nicht nur technisch, sondern auch kulturell und sozial mittragen. Während institutionelle und damit formale OER-Strategien in Hochschulen häufig im Fokus der OER-Förderung stehen, bleibt die Rolle informeller Netzwerke als Träger und Treiber von Offenheit oft unbeachtet. Informelle Netzwerke spielen aber eine zentrale Rolle in der Verbreitung von OEP, da sie durch ihre niedrigschwellige Zugänglichkeit, Flexibilität und intrinsisch motivierte Beteiligung der Teilnehmenden Räume für lebendige, partizipative Lernkultur schaffen. In formalisierten Bildungskontexten treffen informelle Netzwerke jedoch auf Spannungsverhältnisse. So besteht etwa der Gegensatz zwischen Selbstorganisation und institutioneller Steuerung oder zwischen informeller Anerkennung unformaler Sichtbarkeit. Während formale Strukturen Standardisierung und Qualitätssicherung verlangen, leben informelle Netzwerke von Vielfalt, Dezentralität und sozialem Vertrauen. Die Unterschiede zwischen formalen Strukturen und informellen Netzwerken erzeugen Reibung in der OER-Produktion, eröffnen aber auch Potenzial für innovative Kooperationsformate. Informelle Netzwerke gelten als ein zentraler Treiber für die OER-Produktion, weil sie quer zu formalen internen und externe Strukturen interessengeleitetet Kollaboration ermöglichen und auch Mulitidisziplinarität und Transdisziplinarität organisch fördern können. Entscheidend ist dabei, informelle Netzwerke nicht zu integrieren, sondern partnerschaftlich zu stärken und ihre Beiträge sichtbar und wirksam zu machen. (vgl. McDemott & Achibald, 2010)
Der Beitrag beleuchtet, wie informelle Netzwerke als Communitys of Practice (CoP) – sei es in sozialen Medien, in kollegialen Arbeitsgruppen oder in offenen Online-Formaten – zur Verbreitung von OEP beitragen können und welche Faktoren zu deren Etablierung von Bedeutung sind. Ziel ist es, die intrinsische Motivation der CoP-Mitglieder zu finden und zu aktivieren und so zu einer OEP beizutragen, die eine Verselbstständigung der Netzwerkstrukturen und damit die langfristige Arbeitsfähigkeit der CoP sicherstellt. Beispielhaft sollen dazu die Ziele und Maßnahmen von Co-WOERK vorgestellt werden und Einblicke in die Arbeit des CoP-Managements zur Initiation solcher informellen Netzwerke gegeben werden. Dabei ist die dezentrale Umsetzung über Bundesländergrenzen (Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern) hinweg Teil der Betrachtung. Des Weiteren wird die fachliche Binnendifferenzierung zur adäquaten Adressierung der Zielgruppen thematisiert. Diese ist bei der doppelten Heterogenität von Co-WOERK aus den regionalen (Bundesländer) und den fachlichen Unterschieden der beteiligten Disziplinen von Relevanz. Das Beispiel fokussiert insbesondere die berufliche Bildung und den Hochschulkontext.
„OER von Anfang an – Vermittlung von Kompetenzen zu offenen digitalisierten Lehrmaterialien in der ersten Phase der Lehrkräftebildung“
Immanuel Pereira Delgado Hochschule Neubrandenburg
Die systematische Integration der Kompetenzvermittlung zur Erstellung von Open Educational Resources (OER) in die hochschulische Lehrkräftebildung stellt eine zentrale Voraussetzung dar, um zukünftige Lehrkräfte frühzeitig in die Auseinandersetzung für die Potenziale und Herausforderungen digitaler Offenheit zu bringen. Co-WOERK verfolgt daher die Strategie des „OER von Anfang an“, mit dem Ziel OER-Kompetenzvermittlung durch die OER-Praxen sicherzustellen.
Der Beitrag präsentiert das von Co-WOERK entwickelte modulare Lehrkonzept „OER von Anfang an – Vermittlung von Kompetenzen zu offenen digitalisierten Lehrmaterialien in der ersten Phase der Lehrkräftebildung“, das OER-Kompetenzen bereits in der ersten Phase der Lehrkräftebildung vermittelt. Dafür werden anhand von fünf Seminarbausteinen zentrale Aspekte adressiert
(1. rechtliche Grundlagen, 2. offene Lizenzen, 3. didaktische Gestaltung von OER sowie 4. kollaborative Erstellung und 5. kritische Reflexion offener Lehrmaterialien). Erste Erfahrungen aus der Erprobung des Begleitmoduls zeigen, dass die OER-Produktion als Bestandteil des Studiums nicht nur digitale Kompetenzen stärkt, sondern auch ein Bewusstsein für kollaborative Wissenskultur und nachhaltige Bildungspraktiken schafft. Die Produktion von OER realisiert sich damit zwischen technischen oder rechtlichen Vorgängen, neuen Praxen in der Unterrichtsvorbereitung, in der Entwicklung didaktischer Formate sowie im professionellen Selbstverständnis von Veröffentlichung und Weitergabe. Das Lehrkonzept muss somit nicht nur Wissen über OER vermitteln, sondern gerade auch Räume schaffen, in denen Studierende sich als aktiv Beteiligte einer offenen Bildungskultur erleben können.
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