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S10: Kommunikation – Partizipation – Führung in der digitalisierungsbezogenen Schulentwicklung: Zur Bedeutung von Research-Practice-Partnerships für Implementation und Transfer
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Kommunikation – Partizipation – Führung in der digitalisierungsbezogenen Schulentwicklung: Zur Bedeutung von Research-Practice-Partnerships für Implementation und Transfer Zusammenfassung Digitalisierung stellt eine der aktuell relevantesten gesellschaftlichen Veränderungen dar, die auch Schule maßgeblich betrifft und Entwicklungserwartungen unterschiedlicher gesellschaftlicher Ak-teur:innen erzeugt. Dabei sind Unterricht, das Lernen und Arbeiten der Schüler:innen, die kollegiale Zusammenarbeit und die Zusammenarbeit mit dem Elternhaus sowie die Zusammenarbeit zwischen Akteur:innen auf unterschiedlichen Ebenen des Bildungssystems Felder digitalisierungsbezogener Innovationen (Eickelmann & Gerick, 2017; Gerick, Eickelmann, & Rolff, 2017; Richter et al., 2024). Dabei wird deutlich, dass die Prozesse digitalisierungsbezogener Schulentwicklung eine hohe Kom-plexität aufweisen: Sie sind fachlich und technologisch komplex und setzen spezifische Expertisen und Haltungen voraus, sie sind für die Einzelschule systemisch relevant und bedürfen einer umfassenden Einbindung vielfältiger Akteur:innen, sie weisen über den Horizont der Einzelschule hinaus und erfor-dern ein umsichtiges Schnittstellenmanagement und eine Koordination von Akteur:innen auf unter-schiedlichen Systemebenen. Klassische Formen von Kooperation und Führung in Schule stoßen ange-sichts der angesprochenen Komplexität an ihre Grenzen. Neue Formate einer ebenenübergreifenden Kommunikation, einer Partizipation an Prozessen und Entscheidungen sowie neue Formen verteilter Führung (z.B. in Form einer Distributed Digital Leadership) sind notwendig (Holtappels & Rolff, 2010; Klein, 2017; Michalsky & Schechter, 2013; Pauli & Reusser, 2000). Nach diesen Konzepten liegt die Verantwortung für Schulentwicklung nicht allein bei der Schulleitung, sondern verteilt sich auf mehrere Akteur*innen innerhalb der Schule (Spillane, 2005, 2012). Durch die Verant-wortungsverteilung kann digitalisierungsbezogene Schulentwicklung effektiver erfolgen, Wider-stände im Kollegium abgebaut, Entwicklungsbedarfe aus der Praxis adressiert und ein breites Commitment für nachhaltige Veränderungen geschaffen werden. Das Modell einer Distributed Digital Leadership kann auch über die Einzelschule hinaus Wirkung entfalten und als Multilevel Distributed Leadership auf allen Ebenen des Schulsystems betrachtet werden (Spillane, Morel & Al-Fadala, 2023). In dem Symposium fokussieren wir auf digitalisierungsbezogene Schulentwicklungsprozesse, die für eine digitale Transformation von Schulen die Grundlage darstellen, als einen gemeinsamen Ge-genstand von Forschung und Entwicklung. Die Beiträge stammen aus dem Verbundprojekt „Digi-tal Leadership & Kommunikations- und Kooperationsentwicklung (LeadCom)“. Die zugrundlie-genden Teilprojekte arbeiten im Rahmen von Research-Practice-Partnerships (Coburn & Penuel, 2016; Asbrand & Martens, 2021; Reh 2004) mit Akteur:innen der Bildungspraxis zusammen. Aus der Zusammenarbeit in und der wissenschaftlichen Begleitung von Schulentwicklungsprozessen entstehen innovative Fortbildungsangebote, die die skizzierten Herausforderungen digitalisie-rungsbezogenener Schulentwicklung adressieren. Beitrag 1 bearbeitet die Schnittstelle von Bildungsadministration und Einzelschulen. Dabei wird die Weiterentwicklung von ebenenübergreifenden Kommunikationsformaten unterstützt und erforscht. Beitrag 2 fokussiert auf Schulentwicklungsprozesse in der Einzelschule und nimmt da-bei Schnittstellen zwischen Leitung, Lehrpersonen, Schüler:innen und Eltern in den Blick. For-schungsergebnisse werden in den Schulentwicklungsprozess zurückgemeldet und tragen zu einer reflexiven Schulentwicklungspraxis bei. In Beitrag 3 wird skizziert, wie die Erträge aus den For-schungs- und Entwicklungsprojekten im Rahmen von Fortbildungsmodulen für einen breiteren Transfer ausgelegt werden. Die Verknüpfung von Forschung und Entwicklung in diesem Symposi-um ermöglicht ein Verständnis der komplexen Dynamiken und nicht intendierten Effekte im Schulentwicklungshandeln als Bedingungen der erfolgreichen und nachhaltigen Implementation und des Transfers von Innovationen. Literaturverzeichnis Abs, H. J., et al. (Hrsg.). (2015). Governance im Bildungssystem. Springer VS. Altrichter, H., et al. (2007). Governance im Bildungsbereich Erträge, Desiderate und Potenziale der Forschung Springer. Asbrand, B., et al. (2019). Praxisforschung revisited – zum Potenzial rekonstruktiver Zugänge.Eine Bestandsaufnahme und eine Ideenskizze für ein Netzwerk „Qualitativ-rekonstruktive Schulfor-schung und Schulentwicklung“. WE_OS-Jahrbuch, (2), 42–54. Asbrand, B., & Martens, M. (2018). Dokumentarische Unterrichtsforschung. Springer VS. Asbrand, B. & Martens, M. (2021). Kollaboration von Wissenschaft und Schulpraxis. Zum Potenzial der dokumentarischen Evaluationsforschung für die Schul- und Unterrichtsentwicklung. In E. Zala-Mezö, J. Häbig, & N. Bremm (Hrsg.), Dokumentarische Methode in der Schulentwick-lungsforschung (S. 217-237). Münster: Waxmann Verlag. Backhaus, A., et al. (2009). „Blick über den Zaun“. Schulen lernen von Schulen. Schulverbund Blick über den Zaun Bohnsack, R. (2007). Die dokumentarische Methode und ihre Forschungspraxis (2. Aufl.). Verlag für Sozialwissenschaften. Bohnsack, R. (2017). Praxeologische Wissenssoziologie. Budrich. Bohnsack, R. et al. (2024). Konstituierende Rahmung und professionelle Praxis. Budrich. Brauckmann, S., & Eder, F. (2019). Führungsforschung im Bildungsbereich: Schulleitung im Span-nungsfeld erweiterter Rechte und Pflichten. Zeitschrift für Bildungsforschung, 9(1), 5–15. Breitschaft, J., et al (2023). Einleitung und Begriffserklärung. In Röhl, T., Breitschaft, J., Burri, E., & Wespi, N. (Hrsg.). Digital Leadership – Schulen im digitalen Wandel führen (S. 10–22). hep. Coburn, C. E. & Penuel, W. R. (2016). Research-Practice-Partnerships in education: Outcomes, dynam-ics, and open questions. Educational Researcher 1, 48-54. http://edr.sagepub.com/content/45/1/48.abstract. Diedrich, M. (2020). Die veränderte Rolle der intermediären Akteure. In. Klein, E. D., & Bremm, N. Unterstützung – Kooperation – Kontrolle (S. 263–285). Springer Fachmedien Wiesbaden. Eickelmann, B. & Gerick, J. (2017). Lehren und Lernen mit digitalen Medien – Zielsetzungen, Rahmen-bedingungen und Implikationen für die Schulentwicklung. Schulmanagement Handbuch, 4, 54-81. Fullan, M. (2015). Leadership from the middle. A system strategy. Canadian Education Association (CEA), 55(4), 22–26. Gerick, J., Eickelmann, B., & Rolff, H. G. (2017). Digitale Medien in Schule und Unterricht: Herausfor-derungen für die Schulentwicklung. Journal für Schulentwicklung, 21(3), 5-7. Hangartner, J., & Svaton, C. J. (2022). Distributed Leadership, Teacher Autonomy, and Power Relations Between Headteachers and Teachers Under Low-Stakes Accountability Conditions: An Ethno-graphic Account from Switzerland. Research in Educational Administration and Leader-ship, 7(2), 247–281. Hargreaves, A., & O’Connor, M. T. (2018). Collaborative Professionalism: When Teaching Together Means Learning for All. Corwin Press. Heinrich, M. (2015). Zur Ambivalenz der Idee evidenzbasierter Schulentwicklung. Das Beispiel „Schul-inspektion“—Fortschrittlicher Rückschritt oder Innovation? Zeitschrift für Pädagogik Holtappels, H. G., & Rolff, H.-G. (2010). Einführung: Theorien der Schulentwicklung. In T. Bohl, W. Helsper, H. G. Holtappels, & C. Schelle (Eds.), UTB Schulpädagogik: Vol. 8443. Handbuch Schulentwicklung: Theorie – Forschungsbefunde – Entwicklungsprozesse – Methodenreper-toire (pp. 73–78). Julius Klinkhardt. Ilomaki, L., & Lakkala, M. (2018). Digital Technology and Practices for School Improvement: Innova-tive Digital School Model. Research and Practice in Technology Enhanced Learning, 13, Artic-le No. 25. https://doi.org/10.1186/s41039-018-0094-8 Klein, E. D. (2017). Bedingungen und Formen erfolgreicher Schulentwicklung in Schulen in sozial deprivierter Lage: Eine Expertise im Auftrag der Wübben (SHIP Working Paper No. 01). https://doi.org/10.17185/duepublico/4438 Kramer, R.-T. (2016). Der Ansatz „Schulkultur“: Theoretische und empirische Perspektiven zum Ver-ständnis von Bildungssytem und Bildungsinstititution. In M. S. Maier (Hrsg.), Organisation und Bildung: Theoretische und empirische Zugänge (S. 33–50). Springer Fachmedien. Kultusministerkonferenz. (2021, Januar 1). Lehren und Lernen in der digitalen Welt: Die ergänzende Empfehlung zur Strategie „Bildung in der digitalen Welt“. Kussau, J. (2007). Schulische Veränderung als Prozess des „Nacherfindens“. In J. Kussau & T. Brüse-meister (Hrsg.), Governance, Schule und Politik: Zwischen Antagonismus und Kooperation (1. Aufl., Bd. 2, S. 287–304). VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH Wies-baden. Laloux, F. (2015). Reinventing Organizations. Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit. Vahlen. Malin, J. R., Brown, et al. (2020). World-wide barriers and enablers to achieving evidence-informed practice in education. What can be learnt from Spain, England, the United States, and Germa-ny? Humanities and Social Sciences Communications, 7 (1), 1–14. Michalsky, T., & Schechter, C. (2013). Preservice teachers’ capacity to teach self-regulated learning: Integrating learning from problems and learning from successes. Teaching and Teacher Edu-cation, 30, 60–73. https://doi.org/10.1016/j.tate.2012.10.009 Muslic, B., Brauckmann, S., & Basold, K. (2015). Distributed Leadership: Why does it matter? In A. Grimm & D. Schoof-Wetzig, Was wirklich wirkt!? Effektive Lernprozesse und Strukturen in Lehrerfortbildung und Sclentwicklung(Bd. 26/14, S. 107–124). Loccumer Protokolle. Pauli, C., & Reusser, K. (2000). Zur Rolle der Lehrperson beim kooperativen Lernen [On the role of the teacher in cooperative learning]. Schweizerische Zeitschrift für Bildungswissenschaften, 22(3), 421–442. https://doi.org/10.25656/01:3747 Preuß, B., et al. (2015). Einführung der Schulinspektion: Struktur und Wandel regionaler Governance im Schulsystem. In Abs, H.J. et al. (Hrsg.), Governance im Bildungssystem (S. 117–141). Sprin-ger. Reh, S. (2004). Welches Wissen benötigt die „pädagogische Praxis“? In U. 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Beiträge des Symposiums Kommunikation und Zusammenarbeit im Mehrebenensystem neugestalten: Eine Governance-Perspektive auf Ebenen übergreifende Zusammenarbeit in der datengestützten Schulentwicklung Das LeadCom-Teilprojekt „Datengestützte Kommunikations- und Kooperationsentwicklung“ (Komm-Koop) untersucht leitende Orientierungen von Fach- und Führungspersonen in der Zusammenarbeit an der Schnittstelle zwischen Schulen, Schulaufsichtsbehörden und Evaluation. Die Einführung der externen Evaluation nach PISA 2000 zielte darauf, Evidenz für die Steuerung und Gestaltung von Schulentwicklung bereitzustellen. Innerhalb des Mehrebenensystems wurden die neuen Akteur:innen teilweise als übergeordnet wahrgenommen, wodurch asymmetrische Machtverhältnisse zwischen den Akteur:innen im Bildungssystem entstehen können (Diedrich, 2020). 20 Jahre nach ihrer Einfüh-rung ist die Wirksamkeit evidenzbasierter Steuerung wissenschaftlich nicht nachgewiesen (Preuß et al., 2015; Malin et al., 2020). In den Bundesländern wurden Evaluationspraktiken überarbeitet und teils vollständig eingestellt. Während die Einführung zunächst als Reaktion auf die „Krise der Schulauf-sicht“ galt, wird Evaluation mittlerweile selbst als Akteur in der Krise betrachtet (Preuß et al., 2015; Heinrich, 2015). Im Projekt KommKoop wird das Gesprächssetting für Evaluationsdaten-Feedback-Prozess in einem Bundesland neu gestaltet, um größere Partizipation und Anschlussfähigkeit für die Schulentwicklung zu ermöglichen. Wissenschaftler:innen unterstützen Praktiker:innen als Workshopleiter:innen bei die Neugestaltung ihrer Feedbackgespräche. Ziel der Workshops ist es, Prototypen für ein Gesprächsfor-mat zu entwickeln, in dem Akteur:innen aus Schulpraxis und Schuladministration gemeinsam Evalua-tionsergebnisse diskutieren und für die Schulentwicklung nutzbar machen. Aus governanceanalyti-scher Perspektive wird die Zusammenarbeit zwischen Akteur:innen der verschiedenen Steuerungs-ebenen untersucht. Das Projekt eröffnet eine doppelte Perspektive auf die Orientierungen von Füh-rungspersonen, indem (1) in Workshops die bereichsübergreifende Kooperation gefördert und (2) in der Arbeit an einem neuen Feedback-Format die Gestaltung von Kommunikation und Kooperation thematisiert wird. Aus einer Governance-Analyse-Perspektive (Altrichter et al., 2007; Abs et al., 2015) bietet das Projekt einen geeigneten Rahmen, um die Koordination des Handelns von Akteur:innen im Mehrebenensys-tem genauer zu untersuchen. Der Fokus liegt auf den Orientierungen, Akteurs- und Organisationslogi-ken sowie den Dynamiken von Macht und Einfluss innerhalb der Workshops. Ein praxistheoretischer Forschungsansatz untersucht, wie Aushandlungsprozesse zwischen Akteuren verlaufen. Konzepte wie Leading from the Middle (Fullan, 2015), Distributed Digital Leadership oder Collaborative Pro-fessionalism (Hargreaves & O’Connor, 2018) betonen die Notwendigkeit hochentwickelter Kooperati-on zwischen den Akteur:innen. Das neue Feedback-Format soll gemeinsame Verantwortung im Sinne von Distributed Leadership ermöglichen. Die Interpretation von In-situ-Dokumentationen mit der Dokumentarischen Methode (Bohnsack et al., 2007; Zala-Mezö et al., 2021) untersucht, wie Governance an Steuerungsschnittstellen sowie beim Umgang mit Evaluationsdaten praktisch vollzogen wird. Die Dokumentarische Methode basiert auf der praxeologischen Wissenssoziologie (Bohnsack, 2017, 2024) und legt implizite Strukturen und Muster sozialen Handelns offen, die über die expliziten Perspektiven der Teilnehmenden hinausgehen. Im Jahr 2024 haben wir in drei Workshops Audioaufzeichnungen der Zusammenarbeit im Plenum und in Arbeitsgruppen gemacht. Unser Forschungsfokus liegt auf der Rekonstruktion leitender Orien-tierungen in den Aushandlungs- und Entscheidungsprozessen. An den Workshops nahmen 21 Perso-nen aus folgenden Gruppen teil: (a) Schulleitungen, (b) Lehrkräfte, (c) Personal für die außerunter-richtliche Betreuung in Ganztagsschulen, (d) Schulaufsichten, (e) administrative Systemberater:innen und (f) externe Evaluator:innen. Die Auswertung der Daten zeigt, dass die Projektarbeit von den Teilnehmenden als offene, ko-konstruktive und kreative Arbeitsumgebung wahrgenommen wird. Auf der kommunikativen Ebene wird dies als Chance für Zusammenarbeit positiv bewertet. Auf der konjunktiven (performativen) Ebe-ne zeigt sich jedoch, dass die hierarchischen und abteilungsorientierten Strukturen des Organisations-systems weiterhin präsent sind und an entscheidenden Hebelpunkten die Projektstruktur dominie-ren. Dynamiken der Hierarchiestruktur werden häufig in Form von Erfahrungen und Metaphern als Verteidigung oder Konfrontation thematisiert. Auf kommunikativer und performativer Ebene werden Anstrengungen unternommen, diese Routinen zu durchbrechen und partizipative Praktiken oder neue Perspektiven zu etablieren. Die Teilnehmenden reflektieren dabei ihre eigenen Erfahrungen und ver-weisen auf erfolgreiche Ansätze. Obwohl diese Prozesse eine Gegenthese zur Hierarchie darstellen, beziehen sich die gefundenen Lösungen und Kompromisse häufig weiterhin auf die bestehende Hie-rarchie. Trotz partieller Widersprüche bleibt die Hierarchie die prägende Orientierung für die Akteure an der Schnittstelle der Schulentwicklungssteuerung. Partizipatorische Autoritäten. Verteiltes Führen in der Entwicklung digitaler Schulen Befördert durch die Covid-19 bedingten Schulschließungen und den damit verbundenen Angeboten einer digitalen Schule (auf Distanz) haben die bildungspolitischen Impulse (Bildung sowie Lehren und Lernen in der digitalen Welt, DigitalPakt Schule 1.0 und 2.0, Digitaloffensive Schule NRW) die Transformation des Schulsystems in eine „Kultur der Digitalität“ (Stalder, 2016) zu einer obligatori-schen Aufgabe erklärt. Der intendierte Digitalisierungsschub für das deutsche Bildungssystem fasst die Entwicklung und Gestaltung digitaler Schulen als eine „zentrale pädagogische Führungsaufgabe“ (KMK 2021, 18) und positioniert auf der Referenzebene der Einzelschule insbesondere die Schullei-tungen als diejenigen, die aus einer umfassenden Verantwortung heraus „Veränderungsprozesse […] initiieren und durchsetzen können“ (Brauckmann & Eder, 2019, 7) sollen. Die damit verbundene Vor-stellung einer zentralisierten Selbststeuerbarkeit einzelner Schulen aktiviert die schuleigenen formali-sierten wie informellen Beteiligungsstrukturen in einer bürokratischen Subordinationslogik (Han-gartner & Svaton 2022). Dabei erscheint das themenabhängige Engagement einzelner Personen aus der Schulgemeinschaft als eine gegenüber den Reform- und Entwicklungsambitionen widerständige oder gehorsame Umsetzungsbedingung. Jüngere Entwicklungs- und Innovationsstudien (u.a. Muslic et al., 2015; Zala-Mezö et al., 2020; Stralla et al., 2022; Reuther et al., 2024) verdeutlichen, dass ein Zusammenspiel zwischen engagierten Lehrer:innen und Schulleitungen in der Nacherfindung (Kussau, 2008) von Transfer und Implementation ein generatives Merkmal ist, dass die differenten Eigenlogiken (Dietrich, 2019) und die kulturelle Vielfalt (Kramer, 2016) in einer Schule integriert. Die Prozesse der Entwicklung digitaler Transformation basieren auf einem Anerkennungsverhältnis von Autoritäten (Sofsky & Paris, 1994), in dem eine Mehrzahl an Akteur:innen „Verantwortung und Entscheidungsho-heit übernehmen“ (Breitschaft et al., 2023) und auch ablehnen, (re-)delegieren und arrangieren kön-nen. Im LeadCom-Teilprojekt Partizipative Digitale Schulentwicklung wird der Entstehungsprozess von Medienkonzepten an einer Grund- und einer Gesamtschule im Rahmen einer Research-Practice-Kollaboration untersucht. Im Fokus der Studie steht die Koordination und Aushandlung von Beteili-gung und Eingebundenheit zwischen Akteur:innen (Leitungspersonen, Lehrer:innen, Digitalbe-auftragte, Pädagogische Fachkräfte, Eltern, Schüler:innen), die sich für diesen Anlass zusammenfinden und den Veränderungsprozess organisieren. Ziel ist es mit der Dokumentarischen Methode (Asbrand & Martens, 2018), die habitualisierten Handlungsroutinen als schulische Entwicklungsarrangements in der Digitalisierung zu explizieren (Asbrand & Martens, 2021) und diese „über die Reflexion der Ver-änderung zugänglich“ (Asbrand et al., 2019, 49) zu machen. Ausgehend von in-situ Daten (aktuell Aufzeichnung von 13 Sitzungen der Schulentwicklungsgruppen, von zwei Schulentwicklungstagen und einem Leitungstreffen) und digitalen Artefakten aus der Schulpraxis wird der Forschungsfrage nachgegangen, in welchem Verhältnis Führung und Partizipation in der digitalisierungsbezogenen Schulentwicklung zueinander stehen. Der Beitrag zeigt Befunde zu den Autoritätsaushandlungen in den beiden untersuchten Schulentwicklungsgruppen. Im Fallvergleich zeigt sich, dass die Lehrperso-nen mit Funktionsstellen im Bereich Digitalisierung eine sachorientiere Verantwortung (resultatbezo-gener Pragmatismus und individuumszentrierte Autonomismus) annehmen, der eine Auftragsbear-beitung im Rekurs auf ministeriale Vorgaben zugrunde liegt. Die überantwortete Prozessautorität im Organisieren und Managen der Entwicklungsarbeit wird durch die Schulleitungen in den Momenten kontrolliert und korrigiert, an denen eine funktionsbezogene Verantwortung im Sinne einer Normali-sierung des Entwicklungsprojekts in die schulischen Erwartungshorizonte (Protektismus und Partizi-pation) sichtbar wird. Die Befunde zeigen eine Hierarchisierung sich wechselseitig einbindender und begrenzender Autoritäten. Die Bereitschaft engagierter Lehrer:innen und Schulleitungen in der Ent-wicklungsarbeit zu führen geht mit schulinternen und -externen Konfrontierungen (i.S.v. Ein- und Übergriffen in die schulkulturelle Wertigkeit der Unversehrtheit der Individuen) einher, denen die Personen sich nur durch ein Beschränken allumfassender Erwartungen entziehen können. Reformen, wie die Digitalisierung, die so tiefgreifend in die Struktur der Schulen hineinwirken, werden so herun-tergebrochen und zugleich bearbeitbar gemacht. Konzeption und Umsetzung von Lernbausteinen zur Gestaltung von und Strategien für digitalisierungsbezogene Schulentwicklung Die digitale Transformation stellen neue Rahmenbedingungen und Herausforderungen für die Steue-rung und Koordination von Schul(system)entwicklung dar. Unterschiedliche Akteur:innen aus Schule müssen beteiligt, ihre diversen Erwartungen anerkannt werden, damit der Komplexität der Verände-rung Rechnung getragen und für Nachhaltigkeit gesorgt werden kann. Digitalisierungsbezogene Schulentwicklung braucht Kommunikation, Kooperation, geteilte Verantwortung und abgestimmte Entscheidungen. Auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse und der praktischen Arbeit mit Lehrkräften und mit Steuerungsverantwortlichen aus Schule und Administration in Wissenschafts-Praxis-Kooperationen wurden gemeinsam kokonstruktiv zwischen drei an LeadCom beteiligten Teil-projekten (Braunschweig, Köln, Nürnberg-Erlangen) Lernbausteine konzeptioniert, entwickelt und umgesetzt. Im Rahmen dieses Beitrags werden anknüpfend an die beiden ersten Beiträge des Sympo-siums kurz die theoretischen Grundlagen und wissenschaftlichen Bezüge der Lernbausteine skizziert, u.a. das „innovative digital school model“ (Ilomäki und Lakkala 2018) und das Promotorenmodell (Witte 1973). Daran anknüpfend werden die Entwicklung der Lernziele sowie der damit verbundenen Analyse- und Reflexionstools und -anlässe erläutert. Das Ziel der Lernbausteine liegt darin, Ak-teur:innen in der Schul(system)entwicklung dabei zu unterstützen, Rollen, Dynamiken und Beteili-gungsstrukturen in digitalisierungsbezogenen Schulentwicklungsprozessen zu erkennen, analysieren und abgestimmt zu planen, Kommunikation und Partizipation bewusst zu gestalten, relevante Ak-teursgruppen und erfolgskritische Hebelpunkte zu identifizieren und Entscheidungsprozesse transpa-rent vorzubereiten und umzusetzen. Der Beitrag endet mit einem Blick auf Umsetzungsszenarien und Erkenntnissen aus einer praktischen Erprobungsphase der Lernbausteine. |