Transformation in der MINT-Lehrkräftebildung – MOOCs als digitales und adaptives Fortbildungsformat
Chair(s): Steffen Schaal (Pädagogische Hochschule Ludwigsburg, Institut für Biologie)
Diskutant:in(nen): Christoph Thyssen (Pädagogische Hochschule Freiburg)
Zusammenfassung
Das digitale Zeitalter hat eine grundlegende Transformation der Bildungslandschaft bewirkt und somit den Bildungsauftrag sowie die Anforderungen an Lehrkräfte in Schulen erweitert und dynamisiert (Schulze & Eickelmann, 2024). In diesem Kontext sind die MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) von der Digitalisierung besonders betroffen, da diese Disziplinen eng mit technologischen Entwicklungen verknüpft sind und digitale Werkzeuge vielfältige Möglichkeiten bieten, komplexe Sachverhalte anschaulich und praxisnah zu vermitteln (vgl. Meßinger-Koppelt, Schanze & Groß, 2017). Die damit einhergehenden Herausforderungen bieten die Chance, professionelle Kompetenzen kontinuierlich weiterzuentwickeln und an die Anforderungen einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft anzupassen. Entsprechende Fortbildungsangebote können Lehrkräfte gezielt dabei unterstützen, indem bei der Konzeption der lernförderliche Einsatz digitaler Medien (Girwidz, 2020) mit pädagogischen Unterrichtsstrategien verknüpft wird. Das erleichtert den Transfer der Fortbildungsinhalte in den eigenen Unterricht (vgl. Runge et al., 2024).
Vor dem Hintergrund der digitalen Transformation rückt das Verbundprojekt ComeMINT die professionsorientierte Gestaltung digitaler Fortbildungsangebote für Lehrkräfte in den Fokus. Das Symposium versammelt drei Beiträge aus den Teilprojekten ComeNet Physik, ComeNet Chemie und ComeNet Biologie, die innovative Konzepte und empirische Befunde zur Professionalisierung von (angehenden) Lehrkräften in den Naturwissenschaften präsentieren. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie digitale Fortbildungsformate – insbesondere in Form von Massive Open Online Courses (MOOCs) – gestaltet sein müssen, um praxisnah, adaptiv und fachspezifisch die unterschiedlichen zeitlichen, inhaltlichen und motivationalen Voraussetzungen der Adressat:innen zu berücksichtigen.
Der erste Beitrag („ComeNet Physik“) adressiert gezielt Physiklehrkräfte im Schuldienst und geht von einer Bedürfnisanalyse aus. Diese offenbart den Wunsch nach praktischer Erprobung und das Vermitteln von didaktischen Einsatzmöglichkeiten über halbtägige Präsenzfortbildungen und kurze Selbstlernmodule. Das daraufhin entwickelte mehrphasige Fortbildungskonzept kombiniert einen digitalen Selbstlernkurs (MOOC) mit praxisorientierten Präsenzmodulen zu vielfältigen Themen wie Augmented Reality oder Smartphone-Experimente im Physikunterricht. Ergänzend hierzu wird eine freiwillige Eingangsdiagnose, verschiedene Möglichkeiten zum (a)synchronen Erfahrungsaustausch und zur langfristigen Vernetzung geboten.
Der zweite Beitrag („ComeNet Biologie“) thematisiert unter Berücksichtigung heterogener Lernvoraussetzungen den Einsatz (digital) gestufter Lernhilfen im Biologieunterricht (Stiller & Wilde, 2021). Die Entwicklung und Evaluation eines entsprechenden Fortbildungsangebots (MOOC) erfolgte theoriegeleitet, insbesondere unter Rückgriff auf das TPACK-Modell sowie die Theory of Planned Behavior (TPB). Nach Integration des digitalen Selbstlernkurses in die Hochschullehre zeigten sich in einer ersten Prä-Post-Studie mit Lehramtsstudierenden signifikante Zuwächse in zentralen Zielgrößen wie Einstellung, Intention und wahrgenommene Verhaltenskontrolle in Bezug auf den Einsatz digitaler Hilfsmittel. Die Ergebnisse legen nahe, dass digitale Selbstlernkurse geeignet sind, langfristige Veränderungsprozesse im professionellen Handeln zukünftiger Lehrkräfte anzustoßen.
Der dritte Beitrag („ComeNet Chemie“) fokussiert die Förderung digitalisierungsbezogener Kompetenzen im Chemieunterricht. Ausgehend von der fachdidaktischen Relevanz digitaler Anwendungen – etwa bei Experimenten oder der Modellierung chemischer Prozesse (Becker et al., 2020) – wurde ein Onlinekurs entwickelt, der gezielt auf die Bedürfnisse von Chemielehrkräften abgestimmt ist. Im Zentrum steht ein modular aufgebauter Selbstlernkurs, der entweder unabhängig oder in Kombination mit synchronen Fortbildungsbausteinen genutzt werden kann. Ein integriertes Self-Assessment ermöglicht den Teilnehmenden eine passgenaue Auswahl relevanter Inhalte und eine adaptive Gestaltung ihres Lernprozesses. Der Beitrag präsentiert die Konzeption des Onlinekurses sowie erste Nutzungsdaten und zeigt, wie digitale Werkzeuge zur individuellen Professionalisierung im Chemieunterricht beitragen können.
Alle drei Beiträge veranschaulichen, wie fachdidaktisch fundierte Fortbildungskonzepte den Anforderungen digitaler Unterrichtsentwicklung gerecht werden. Digitale Lernumgebungen dienen dabei nicht nur der Wissensvermittlung, sondern unterstützen gezielt die reflexive und praxisnahe Professionalisierung. Zentrale Merkmale wirksamer Fortbildung – etwa Praxisnähe, kognitive Aktivierung, Feedback und Evidenzorientierung – werden systematisch umgesetzt. Das Symposium leistet auf diese Weise einen Beitrag zur empirisch gestützten Weiterentwicklung digitaler Professionalisierungsformate und zeigt auf, unter welchen Bedingungen diese nachhaltig in allen Phasen der Lehrkräftebildung verankert werden können. Eine fachdidaktische Diskussion soll Perspektiven für eine Fortbildungsstruktur eröffnen, die den Herausforderungen einer heterogenen und digitalisierten Bildungslandschaft begegnet.
Literaturverzeichnis
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Beiträge des Symposiums
Fortbildungskonzept zum Einsatz digitaler Medien für Physiklehrkräfte
Katja Plicht1, André Bresges2, Jan-Philipp Burde3, Kasim Costan4, Rike Gieshoff1, Jannik Henze2, Simon Höfting5, David Weiler3, Armin Lässer6, Josef Riese1, Thomas Schubatzky6, Sascha Moritz Therolf2 1Universität Paderborn, Didaktik der Physik,, 2Universität zu Köln, Institut für Physikdidaktik, 3Universität Tübingen, AG Didaktik der Physik, 4Universität Bremen, Didaktik der Physik, 5Universität zu Köln, Institut für PhysikdidaktikUniversität zu Köln, Institut für Physikdidaktik, 6Universität Innsbruck, Didaktik der Physik
Der Einsatz digitaler Medien kann, wenn er zielgerichtet erfolgt, einen positiven Einfluss auf das Lernen im naturwissenschaftlichen Unterricht haben (Hillmayr et al., 2020). Digitale Medien lernförderlich einsetzen zu können, ist daher eine wichtige Kompetenz für Lehrkräfte (Girwidz, 2020). Jedoch geben Lehrkräfte an, im Rahmen ihrer Ausbildung oftmals nicht die Gelegenheit gehabt zu haben, digitalisierungsbezogene Kompetenzen aufzubauen (Eickelmann et al., 2019). So ergibt sich vor allem für Lehrkräfte, die bereits im Schuldienst sind, ein Bedarf an Fortbildungsmaßnahmen (Endberg & Lorenz, 2022). Da insbesondere externe und institutionelle Bedingungen, wie fehlende Zeit und mangelnde Qualität der Fortbildungen, als Teilnahmebarrieren identifiziert werden können (Richter et al., 2018), stellt sich die Frage nach einem Fortbildungsformat, das mit den Bedürfnissen der Lehrkräfte vereinbar ist.
Im Rahmen des Verbundprojekts ComeMINT verfolgt das ComeNet Physik daher das Ziel, Physikehrkräfte durch ein adaptives digitalisierungsbezogenes Fortbildungskonzept zu unterstützen. Um den tatsächlichen Bedürfnissen der Lehrkräfte nachzukommen, wurde in einem ersten Schritt eine Bedürfnisanalyse anhand eines Online-Fragebogens durchgeführt, an dem 𝑁=122 Lehrkräfte teilgenommen haben. Dabei zeigte sich, dass bei der inhaltlichen Ausrichtung des Angebots vor allem ein praktisches Ausprobieren der Medien sowie das Aufzeigen didaktischer Einsatzmöglichkeiten gewünscht war. Als Organisationsform bevorzugten die Lehrkräfte vor allem halbtägige Präsenzfortbildungen, sowie kurze Selbstlernmodule von etwa 30 Minuten. Für die thematische Gestaltung wurden Schülerexperimente mit digitalen Medien, Augmented und Virtual Reality und Smartphone-Experimente als interessanteste Inhaltsbereiche identifiziert (Weiler et al., 2024).
Ausgehend von diesen Ergebnissen wurde im ComeNet Physik ein mehrphasiges Fortbildungskonzept entwickelt. Die erste Phase besteht aus einem Online-Selbstlernkurs zum Einsatz digitaler Medien. In einer zweiten Phase findet eine Vertiefung durch Präsenzfortbildungen zum praktischen Einsatz in der Schule statt. Der Online-Selbstlernkurs stellt verschiedene Basis- und Vertiefungsmodule für den Einsatz digitaler Medien im Physikunterricht bereit und wurde auf der Plattform iMooX implementiert.
Die Module umfassen dabei die Themenbereiche Einführung zum Einsatz digitaler Medien, Simulationen und Animationen, Erklärvideos, digitale Messwerterfassung, Videoanalyse, Smartphones im Physikunterricht, Augmented Reality, interaktive Bildschirmexperimente, Mikrocontroller, mathematische Modellbildung, 3D-Druck und Künstliche Intelligenz.
Nach einer freiwilligen Eingangsdiagnose wird den Teilnehmenden eine Empfehlung für einzelne Module gegeben, sodass beispielsweise fortgeschrittene Lehrkräfte gezielt mit Vertiefungsmodulen beginnen können. Die Empfehlungen sind nicht verpflichtend, sodass ebenfalls eine Belegung nach Interesse oder Selbsteinschätzung möglich ist. Durch den modularen Aufbau können auch nur einzelne Themen des Kurses erarbeitet werden, sodass eine flexible Berücksichtigung der zeitlichen Ressourcen der Lehrkräfte möglich ist. Neben grundlegenden Informationen, empirischen Befunden, Hinweisen zu Gestaltungsmerkmalen und Einsatzmöglichkeiten im Unterricht umfassen die meisten Module eine Anwendungsaufgabe für die Unterrichtsplanung, sodass ein unmittelbarer Bezug zur Praxis hergestellt wird. Diese Aufgaben können in Foren diskutiert werden, die für die einzelnen Module angelegt sind. Nach jedem Modul können die Teilnehmenden sich mittels eines Quizzes selbst testen und so ein Zertifikat erwerben, welches die abgeschlossenen Module angibt.
Aufbauend auf dem Online-Selbstlernkurs werden Präsenzfortbildungen an den beteiligten Standorten angeboten, die eine Vertiefung von einzelnen Modulen ermöglichen und einen stärkeren Praxisbezug verfolgen. Der Fokus liegt auf der Erarbeitung von konkreten Unterrichtsszenarien sowie dem Austausch vorhandener Erfahrungen, sodass diese im Anschluss in der eigenen Unterrichtspraxis erprobt werden können. Abschließend wird ein freiwilliges, digitales Nachtreffen zur Reflexion angeboten, das den Teilnehmenden ermöglicht, ihre Erfahrungen zu reflektieren und ein Netzwerk zum Austausch von Erfahrungen und Unterrichtsmaterialien zu schaffen. Der Beitrag stellt sowohl den Online-Selbstlernkurs als auch das Konzept der Präsenzfortbildungen näher vor. Es werden sowohl Nutzungsdaten des MOOCs als auch Erfahrungen aus den Präsenzfortbildungen reflektiert.
Digitaler Selbstlernkurs zum heterogenitätssensiblen Biologieunterricht: Eine theoriebasierte Evaluation mit der Theory of Planned Behavior
Rebekka Karbstein1, Nadine Großmann2, Lea Gussen2, Jörg Großschedl2, Svea Isabel Kleinert3, Ricarda Lohrsträter2, Margit Offermann4, Pascal Schaldach4, Matthias Wilde4, Steffen Schaal1 1Pädagogische Hochschule Ludwigsburg, Institut für Biologie, 2Universität zu Köln, Institut für Biologiedidaktik, 3Universität Duisburg-Essen, Biology Education Research and Learning Lab, 4Universität Bielefeld, Institut für Biologiedidaktik
Nicht die Heterogenität selbst ist neu, sondern ihre Bedeutung für schulisches Handeln – ebenso wie die digitale Transformation stellt sie Lehrkräfte vor wachsende Herausforderungen. Der professionelle Umgang mit digitalen Technologien und binnendifferenzierenden Strategien gilt als zentrale Kompetenzanforderung des modernen Unterrichts (Budde, 2015; Heinen & Kerres, 2015). Die Nutzung digital gestufter Lernhilfen (dgLh) kann zum Kompetenzerwerb in beiden Bereichen beitragen, um Heterogenität zu adressieren, individualisiertes Lernen zu fördern und schrittweise die eigenständige Bearbeitung komplexer Aufgabenstellungen zu unterstützen (Karbstein et al., 2024; Schmidt-Weigand et al., 2008; Stiller & Wilde, 2021). Vor diesem Hintergrund wurde im ComeNet-Biologie als Teilprojekt des ComeMINT-Netzwerks ein digitaler Selbstlernkurs für (angehende) Biologielehrkräfte in Form eines Massive Open Online Course (MOOC) entwickelt. Dieser Selbstlernkurs zeigt den Teilnehmenden die Grundlagen und Einsatzbereiche dgLh als adaptive Unterstützungsmaßnahme in heterogenen Lernsettings (Stiller & Wilde, 2021). Die Fortbildungskonzeption berücksichtigt dabei die zehn Merkmale wirksamer Fortbildung (Lipowsky & Rzejak, 2021) wie (a)synchrone Austauschformate, Übungs- und Reflexionsanteile; sowie das theoretische TPACK-Rahmenmodell (Mishra & Koehler, 2006) und die Theory of Planned Behavior (TPB; Ajzen, 1991), um eine Wirksamkeit des Selbstlernkurses in verschiedenen Zielbereichen (z.B. Professionswissenserwerb, Unterrichtshandeln) zu gewährleisten. Untersucht wird, ob der Selbstlernkurs digitalitätsbezogene Kompetenzen stärkt und Lehrkräfte beeinflusst, dgLh in ihrem Unterricht einzusetzen.
Der digitale Selbstlernkurs wurde in verschiedene Seminare der beteiligten Hochschulstandorte (Ludwigsburg, Köln und Bielefeld) integriert. Im WiSe 24/25 nahmen 52 Biologie-Lehramtsstudierende (MAlter = 23,84 Jahre; SDAlter = 3,45) asynchron teil. Die erste theoriebasierte Evaluation mit der TBP erfolgte im Prä-Posttest-Design mit standardisierten Skalen (Francis et al., 2004; Sadaf et al., 2012) zur Einstellung (6 Items, α = .48), subjektiven Norm (4 Items, α = .71), wahrgenommenen Verhaltenskontrolle (7 Items, α = .65) und Intention (5 Items, α = .87). Zusätzlich wurden digitalitätsbezogene Kompetenzen über eine Kurzskala (21 Items, 3 je TPACK-Facette) erhoben.
Die Einstellung gegenüber dem Einsatz dgLh veränderte sich positiv und signifikant (MPre = 2,45, SD = 0,58; MPost = 2,81, SD = 0,43; F[1, 52] = 20,40, p < .001, 𝜂𝑝2 = .29). Auch die Bewertung der subjektive Norm – also die wahrgenommene soziale Unterstützung – nahm signifikant zu (MPre = 2,36, SD = 0,88; MPost = 2,83, SD = 0,64; F[1, 52] = 12,98, p < .001, 𝜂𝑝2 = .20). Nach Kursabschluss stieg die wahrgenommenen Verhaltenskontrolle und damit die eingeschätzte Fähigkeit zur Anwendung dgLh besonders signifikant an (MPre = 2,03, SDPre = 0,75; MPost = 3,00, SDPost = 0,57; F[1, 52] = 90,77, p < .001, 𝜂𝑝2 = .64). Auch die Intention, dgLh künftig im eigenen Unterricht einzusetzen, erhöhte sich signifikant (MPre = 3,05, SDPre = 0,58; MPost = 3,43, SDPost = 0,50; F[1, 52] = 34,87, p < .001, 𝜂𝑝2 = .40).
Die signifikanten Zuwächse in allen vier TPB-Komponenten deuten darauf hin, dass die angehenden Lehrkräfte in ihrem Unterrichtshandeln positiv beeinflusst wurden. Die Auswertung liefert Hinweise darauf, dass der digitale Selbstlernkurs in Form eines MOOCs das Potenzial hat, die Intention zur Nutzung dgLh im Sinne eines heterogenitätssensiblen Biologieunterrichts zu fördern. Limitierend zu berücksichtigen bleibt, dass erstens eine Kontrollgruppe fehlte, die im selben Zeitraum eine analoge Fortbildung oder keine Intervention besuchte und an der Evaluation teilnahm. Dadurch lässt sich nicht eindeutig klären, ob die beobachteten Effekte ausschließlich auf die Intervention zurückzuführen sind. Zweitens bestand die Stichprobe ausschließlich aus Lehramtsstudierenden mit keiner bis wenig Unterrichtserfahrung. Fraglich bleibt, ob sich die positive Veränderung der Intention auf zukünftige Unterrichtssituationen übertragen lässt. Weitere Untersuchungen werden daher auch praktizierende Lehrkräfte einbeziehen. Im Rahmen des Symposiums werden der Fortbildungskurs sowie die bisherige und laufende Evaluation aus dem WiSe 24/25 und SoSe 25 anhand der TPB-Skala und der TPACK-Kurzskala präsentiert und identifizierte Optimierungspotentiale und Gelingensbedingungen des MOOCs vorgestellt.
Digitalisierungsbezogene Kompetenzen im Chemieunterricht fördern – ein Onlinekurs für Lehrkräfte
Sabine Fechner1, Soraya Cornelius2, Pascal Pollmeier1, Karin Siepmann2, Isabel Rubner2 1Universität Paderborn, 2Pädagogische Hochschule Ludwigsburg
Die Bedeutung digitalisierungsbezogener Kompetenzen von Lehrkräften nimmt stetig zu (Bos et al., 2017), während aktuelle Ergebnisse aus der Bildungsforschung Schüler:innen ein geringes Niveau digitalisierungsbezogener Kompetenzen attestieren (Fraillon, 2024). Im Chemieunterricht spielen hierbei fachspezifische Ausprägungen u.a. bei der Durchführung und Auswertung von Experimenten und Modellierung von chemischen Prozessen eine besondere Rolle (Becker et al., 2020). Entsprechend hat es sich das ComeNet Chemie im Rahmen des Projekts ComeMINT-Netz-werk zur Aufgabe gemacht, digitalisierungsbezogene Kompetenzen von Lehrkräften im Rahmen von Lehrkräftefortbildungen zu fördern.
Innerhalb des ComeNets Chemie sind 13 unterschiedliche Fortbildungsbausteine entstanden, die Aspekte von Digitalität thematisieren (z.B. digitale Messwerterfassung, EduEscape Games, etc.) und die miteinander kombinierbar sind. In Ergänzung zu diesen Fortbildungsbausteinen, die hauptsächlich aus synchronen Veranstaltungen in Präsenz oder als Videokonferenz bestehen, ist ein Online-Selbstlernkurs entstanden. Dieser Kurs kann zur Vor- und Nachbereitung der Fortbildungsveranstaltungen oder zum Selbststudium genutzt werden. Um die Selbstlernphasen möglichst adaptiv an den eigenen Kompetenzstand anzupassen, steht zusätzlich ein Online-Self-Assessment zur Verfügung. Die Teilnehmenden können an der Umfrage teilnehmen und erhalten ein individuelles Feedback zu besonders relevanten Fortbildungsinhalten des Kurses.
Im Rahmen dieses Beitrags wird die Struktur und Ausrichtung des Online-Selbstlernkurses vorgestellt sowie erste Einblicke in die tatsächliche Nutzung ermöglicht. Dazu können sowohl Daten zum bisherigen Nutzungsverhalten der Teilnehmenden, als auch des Online-Self-Assessments präsentiert werden.
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