Veranstaltungsprogramm

Sitzung
S05: LFB-Labs-digital: Zur Entwicklung und Evaluation wirksamer Lehrkräftefortbildungen in Schülerlaboren
Zeit:
Montag, 29.09.2025:
11:15 - 12:45

Ort: H08

Hörsaal Erdgeschoss Quergang

Präsentationen

LFB-Labs-digital: Zur Entwicklung und Evaluation wirksamer Lehrkräftefortbildungen in Schülerlaboren

Chair(s): Matthias Wilde (Universität Bielefeld, Deutschland), Tim Kirchhoff (Universität Bielefeld, Deutschland)

Diskutant:in(nen): Steffen Schaal (PH Ludwigsburg, Institut für Biologie, Reuteallee 46, 71634 Ludwigsburg)

Zusammenfassung

Schülerlabore sind prädestiniert, das Interesse von Schüler:innen an MINT-Fächern zu fördern. Zudem haben Sie sich als flexible Lernumgebungen erwiesen, die im Vergleich zu traditionellen Bildungseinrichtungen schneller auf die Anforderungen der digitalen Transformation reagieren können. Bisher wurde ihr Potenzial, als innovative Orte für die Fortbildung von Lehrkräften genutzt zu werden, nicht vollständig ausgeschöpft. Das Projekt LFB-Labs digital zielt darauf ab, Schülerlabore zu Lernorten für die digitale Fortbildung von Lehrkräften auszubauen (Kirchhoff et al., 2024). Dieses Projekt untersucht ganz konkret, wie geeignete fachbezogene Lehrkräftefortbildungen (LFB) aussehen können (Ebene 1), es erhebt fachübergreifend, welche motivationalen Wirkungen sich bei Lehrkräften und Schüler:innen entfalten können (Ebene 2) und es rekonstruiert die Wirkung von LFB auf systemischer Ebene, nämlich wie sich Einstellungen und Handlungspraktiken sowie das Verständnis von Digitalität in der schulbezogenen Praxis entwickeln (Ebene 3).

Beitrag zu Ebene 1: Der Transfer von LFB in die alltägliche Unterrichtspraxis ist oft nicht unproblematisch. Er hängt stark von den individuellen Voraussetzungen der Lehrkräfte, den schulischen Rahmenbedingungen und den Bedingungen der angebotenen Professionalisierungsmaßnahmen ab. Laut dem erweiterten Angebots-Nutzungs-Modell von Lipowsky (2014) sind wirksame LFB durch bestimmte strukturelle und inhaltliche Merkmale gekennzeichnet. In den hier entwickelten LFB wurden diese Strukturbedingungen möglichst berücksichtigt. Ein konkretes fachbezogenes Beispiel wird hier vorgestellt.

Beitrag zu Ebene 2: In den letzten Jahrzehnten sind zahlreiche MINT-Schülerlabore entstanden, um bei Schüler:innen Motivation und Interesse an MINT-Themen zu fördern (Euler & Schüttler, 2020; Scharfenberg et al., 2019). MINT-Schülerlabore bieten aber auch für Lehrkräfte authentische und innovative Lernumgebungen zur Beobachtung und Exploration, die bislang vorwiegend in der ersten Phase der Lehramtsausbildung genutzt wurden, jedoch kaum für LFB (Euler & Schüttler, 2020). Dieses Potenzial versuchen wir für Lehrkräftefortbildung zu nutzen und evaluieren, wie wirksam die LFB für die besuchenden Lehrkräfte hinsichtlich ihrer Motivation waren.

Beitrag zu Ebene 3: Das hier vorgestellte Teilprojekt untersucht die Herausforderungen, Chancen und Entwicklungen der Digitalisierung von Lehrkräftefortbildungen. Dabei werden zwei Perspektiven in den Blick genommen, nämlich zum einen die Perspektive der kriteriengeleiteten Entwicklung, Evaluierung und Optimierung von geplanten und planbaren LFB sowie die Perspektive der impliziten Dynamiken und nicht planbaren Wirkperspektiven, die der Kultur der Digitalität inhärenten Mechanismen. Abgebildet wird dies durch die Vorstellung einer substantiellen quantitativen Erhebung sowie einer qualitativen Studie mit Hilfe von Experteninterviews.

Im Rahmen des Symposiums soll also ein substantieller Einblick in das Projekt LFB-Labs digital gegeben werden, indem Ergebnisse aus den drei Projektebenen gemeinsam vorgestellt werden. Ziel soll es sein, Ansätze zu entwickeln, die die Prozessqualität der Fortbildungen in der digitalen Ära zu verbessern (Stalder, 2016), um so einen Beitrag zur Weiterentwicklung professioneller Lehrkräftefortbildung im Kontext der digitalen Transformation zu leisten.

Literaturverzeichnis

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Beiträge des Symposiums

 

Simulationen im Biologieunterricht sinnstiftend einbinden

Mahdi El Tegani, Claas Wegner
Universität Bielefeld,

Im Sinn der naturwissenschaftliche Grundbildung ist das Verständnis von naturwissenschaftlichen Erkenntnismethoden ein zentrales Element (Gräber & Nentwig, 2002). Durch seine starke Anlehnung an den naturwissenschaftlichen Erkenntnisweg bietet sich das forschende Lernen insbesondere wegen seiner lernendenzentrierten Art und Weise für den Biologie Unterricht an (Bruckermann et al., 2017). Dabei stehen das selbständige und aktive Arbeiten zum Zwecke des individuellen Erkenntnisgewinns im Mittelpunkt (Bruckermann et al., 2017; Huber et al., 2009). Eine der wichtigsten naturwissenschaftlichen Methoden zur Überprüfung von Hypothesen ist das Experiment (Schulz et al., 2012), dessen Einsatz in Schule jedoch aufgrund verschiedener Hürden auf seine Grenzen stößt. Simulationen können hier als Ergänzung oder Ersatz für Experimente eingesetzt werden (Rutten et al., 2012). Empirische Arbeiten zeigen, dass der Einsatz von Simulationen viele Chancen für den naturwissenschaftlichen Unterricht bietet. So können Simulationen durch die visuelle Repräsentation wissenschaftliche Konzepte leichter verständlich (Bell et al., 2013; Liu & Hmelo‐Silver, 2009; Ryoo & Linn, 2012), und unsichtbare Phänomene sichtbar machen (Yoon et al., 2018). Zudem zeigen Arbeiten, dass der Einsatz von Simulationen positive Effekte auf das Interesse (Makransky et al., 2020; Reilly et al., 2021; Tapola et al., 2013; Thisgaard & Makransky, 2017), das räumliche Denken (Tolentino et al., 2009), die naturwissenschaftlichen Denk- und Arbeitsweisen (Cayvaz et al., 2020) sowie auf das konzeptionelle und deklarative Wissen (Cayvaz et al., 2020; Eskrootchi & Oskrochi, 2010; Krüger et al., 2022; Shegog et al., 2012; Tolentino et al., 2009; Urhahne, 2002) haben kann. Die gemeinsamen Eigenschaften von Experiment und Simulation (Jebeile, 2017) sowie die Möglichkeit, individuell neues Wissen zu generieren, machen Simulationen als digitales Medium für den sinnstiftenden didaktischen Einsatz im Sinne des forschenden Lernens geeignet.

Um die Digitalisierung in Schulen voranzutreiben, wurden bundesweite Förderinitiativen, wie der DigitalPakt Schule initiiert und resultierten in einer, wenn auch ungleichen, Zunahme an digitalen Endgeräten an den Schulen (forsa, 2023). Die reine Ausstattung führte jedoch nicht dazu, dass sinnstiftende Digitalisierung in Schule gelang. Vielmehr stellten Mußmann und Kolleg:innen (2021) fest, dass die digitalen Medien von vielen Lehrkräften nur zur Projektion von Lerninhalten und Arbeitsblättern genutzt wurden und damit das neu entstehende Potenzial durch die digitalen Medien (SAMR-Modell; Puentedura, 2020) nicht nutzten. Mögliche Gründe hierfür fanden Mußmann und Kolleg:innen (2021) in den niedrigen Selbsteinschätzungen der TPACK-Kompetenzen der Lehrkräfte (Mußmann et al., 2021). Weiter machten Kabaum und Anders (2020) zwei Faktoren für das Scheitern der Digitalisierung an Schule aus. Zum einen würden Innovationen häufig Top-Down durch außerschulische Akteure initiiert. Zum anderen fehle es den Lehrkräften an Ressourcen zur Professionalisierung für die Bedienung und die passgenaue Einbettung der Innovation in den eigenen Unterricht. Trotz der empirischen Belege für die positive Wirkung zeigte eine Erhebung von Stinken-Rösner (2020), dass selbst der bekannteste Anbieter für Simulationen nur 56% der Biologielehrkräfte bekannt war und noch weniger (40%) diese Simulationen auch nutzten. Qualitativ hochwertige und wirksame Fortbildungen könnten dabei helfen, die sinnstiftende Einbindung von Simulationen in den Biologieunterricht niederschwelliger zu gestalten und diese bekannter zu machen. Beide Probleme wurden im Teilprojekt 1.2 des Verbundprojekt „LFB-Labs-digital“ adressiert. Ziel des Projektes war es, in einem ko-konstruktiven Prozess eine Lehrkräftefortbildung zur sinnstiftenden Einbindung von Simulationen in den Biologieunterricht zu konzipieren, durchzuführen und dabei Implementationshürden zu identifizieren und abzubauen sowie die TPACK-Kompetenzen und Technikakzeptanz der Lehrkräfte zu steigern. Hierzu wurden bereits in der Konzeption Praktiker:innen aus der Schule eingebunden und Bedarfe an Simulationen für den Unterricht adressiert. Zusätzlich wurden, im Sinne der Qualitätssicherung und Sicherstellung der Wirksamkeit der Fortbildung, empirisch fundierte und empfohlene Gestaltungsmerkmale für wirksame Lehrkräftefortbildungen von Rzejak und Lipowsky (2019) sowie Richter und Richter (2024) umgesetzt. Die Evaluation der Fortbildungen wird im Vortrag „Prädiktoren der intrinsischen Motivation von MINT-Lehrkräften während Fortbildungen in Schülerlaboren: Eine Untersuchung aus Perspektive der Selbstbestimmungstheorie“ vorgestellt.

 

Prädiktoren der intrinsischen Motivation von MINT-Lehrkräften während Fortbildungen in Schülerlaboren: Eine Untersuchung aus der Perspektive der Selbstbestimmungstheorie

Tim Kirchhoff, Matthias Wilde
Universität Bielefeld, Deutschland

Für den Erfolg transferstarker Fortbildungen sind neben Voraussetzungen der Lehrkräfte und schulischen Kontextbedingungen vor allem die Konzeption und Wahrnehmung des Fortbildungsangebotes von Bedeutung (Krille, 2020; Lipowsky, 2014). Eine wesentliche Variable stellt hierbei die intrinsische Motivation der Lehrkräfte dar (Andreitz et al., 2017; Lipowsky, 2014; Rank et al., 2012). Intrinsische Motivation bedeutet, dass Handlungen „um ihrer selbst willen“ erfolgen und aus Interesse und Vergnügen an der Tätigkeit selbst ausgeführt werden (Ryan & Deci, 2020). In verschiedenen Kontexten (z.B. Schule und Arbeit) wird die intrinsische Motivation mit positiven Effekten auf Leistungen und Wohlbefinden verbunden (Ryan & Deci, 2017). Demnach sollten Lehrkräftefortbildungen diese Motivationsqualität von Lehrkräften adressieren.

Endsprechend der Selbstbestimmungstheorie (Ryan & Deci, 2020) wird die intrinsische Motivation von den drei psychologischen Grundbedürfnissen nach Autonomie, Kompetenz und sozialer Eingebundenheit beeinflusst. Autonomie beschreibt das Bestreben, sich selbst als Verursacher einer freiwillig und aus Interesse gewählten Handlung zu erleben. Kompetenz bezieht sich auf das Bedürfnis, sich wirksam zu fühlen und die eigenen Fähigkeiten auszudrücken und zu erweitern. Soziale Eingebundenheit beschreibt den Wunsch, einer sozialen Gemeinschaft anzugehören und mit den anderen Individuen zu interagieren (Reeve, 2015; Ryan & Deci, 2020). In vorangehenden Studien stellten sich die wahrgenommene Autonomie und soziale Eingebundenheit (Schellenbach-Zell & Gräsel, 2010) sowie die Unterstützung von Autonomie, Kompetenz und sozialer Eingebundenheit (Andreitz et al., 2017) als bedeutsame Prädiktoren der selbstbestimmten Motivation von Lehrkräften heraus.

Aufgrund des Mangels an Studien (Andreitz et al., 2017; Müller et al., 2018) sowie der besonderen Bedingungen von Schülerlaboren als Lehrerfortbildungsorte (Kirchhoff et al., 2024) wurden folgende Forschungsfragen untersucht:

1. Welchen Einfluss haben die wahrgenommene Autonomie, Kompetenz und soziale Eingebundenheit auf die intrinsische Motivation von MINT-Lehrkräften während digitalisierungsbezogenen Fortbildungen in Schülerlaboren?

2. Welche Gelingensbedingungen und Implementationshürden für Lehrkräftefortbildungen in Schülerlaboren lassen sich hieraus ableiten?

Es nahmen insgesamt 108 MINT-Lehrkräfte (Alter: M=41.26 Jahre, SD=9.89 Jahre; Geschlecht: 71% weiblich) an den Fortbildungsangeboten des Projektes (siehe Kirchhoff et al., 2024) teil (nMathematik=37, nRobotik=3, nBiologie=7, nChemie=7, nPhysik=16, nBiotechnologie=32, nSachunterricht-Technik=3, nSachunterricht-Klima=3). Vor der Fortbildung wurden die Lehrkräfte nach ihrer habituellen intrinsischen Motivation beim Unterrichten befragt (Thomas et al., 2018). Im Anschluss an die Fortbildung wurden die wahrgenommene Autonomie, Kompetenz und sozialen Eingebundenheit (Van den Broeck et al., 2010) sowie die intrinsische Motivation (Wilde et al., 2009) während der Fortbildung erhoben. Für alle Skalen wurde eine 6-stufige Ratingskala von 1 („stimme gar nicht zu“) bis 6 („stimme voll zu“) verwendet.

Es wurde eine multiple lineare Regressionsanalyse mit der habituellen intrinsischen Motivation (M=5.16, SD=0.57) sowie der wahrgenommenen Autonomie (M=4.83, SD=0.88), Kompetenz (M=4.73, SD=0.88) und sozialen Eingebundenheit (M=4.19, SD=1.44) als Prädiktoren für die intrinsische Motivation während der Fortbildung (M=5.02, SD=1.02) durchgeführt. Hierbei konnten 63% der Varianz aufgeklärt werden (F(4,77)=34.97, p<.001). Die wahrgenommene Autonomie (β=.59, p<.001) und soziale Eingebundenheit (β=.32, p<.001) waren starke, signifikante Prädiktoren der intrinsischen Motivation während der Fortbildung. Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit den Annahmen der Selbstbestimmungstheorie (Ryan & Deci, 2020) und den Befunden von Schellenbach-Zell und Gräsel (2010). Die wahrgenommene Kompetenz hatte keinen signifikanten Einfluss (β=.10, p=.964), war aber stark mit der Autonomie korreliert (r=.64, p<.001), was auf einen mediierenden Effekt hindeuten kann. Die habituelle intrinsische Motivation der Lehrkräfte war auch kein signifikanter Prädiktor (β=.01, p=.835). Dies könnte bedeuten, dass die intrinsische Motivation während der Fortbildung größtenteils von der situativen Wahrnehmung der Lehrkräfte beeinflusst wurde.

Als mögliche Gelingensbedingungen von digitalisierungsbezogenen Lehrkräftefortbildungen in Schülerlaboren lassen sich Maßnahmen zur Unterstützung von Autonomie (z.B. Wahlmöglichkeiten) und sozialer Eingebundenheit (z.B. kooperative Arbeitsformen; Reeve, 2015) ableiten. Die relativ hoch ausgeprägte intrinsische Motivation zum Unterricht der Teilnehmenden stellt eine Limitation dar und kann zugleich als Implementationshürde identifiziert werden. Eine zukünftige Herausforderung stellt die Rekrutierung von weniger intrinsisch motivierten Lehrkräften dar.

 

Evidenzbasierte Lehrkräftefortbildung zwischen Technik und Kultur der Digitalität

Kris-Stephen Besa1, Lisa Dreisbach2, Karen Geipel2, Sergey Mukhametov1, Sebastian Strauß2, Janne Stricker2, Dan Verständig3
1Universität Münster / Deutschland, 2Universität Bielefeld, Deutschland, 3Technische Universität Berlin / Deutschland

Der Beitrag gibt Einblicke in die Bedeutung und Wirkung digitalisierungsbezogener Lehrkräftefortbildungen im Rahmen des Verbundvorhabens LFB-labs-digital (Kirchhoff et al., 2024). In unserem Teilprojekt wurden systematisch-theoretische Reflexionen über Vorstellungen von Digitalität und Digitalisierungsprozesse bei Lehrkräftefortbildungen (LFB) durch Expert:inneninterviews mit Konzepter:innen von LFB (N=8, November 2023 - April 2024) sowie eine breit angelegte Fragebogenerhebung unter Lehrkräften (N=986) durchgeführt. Ziel war es, digitale Einstellungen, Handlungspraktiken und das Verständnis von Digitalität in der schulischen Praxis zu rekonstruieren und die Effekte digitalisierungsbezogener Fortbildungsangebote empirisch zu überprüfen.

Die Interviews verdeutlichen, dass digitale Technologien in der Fortbildungspraxis vor allem zielorientiert und instrumentell betrachtet werden, während kulturelle Einschreibungen der Digitalität (Stalder 2021) eher en passant thematisiert werden. Hier zeigt sich ein Spannungsverhältnis zwischen technikzentrierten Konzepten und einem umfassenderen kulturellen Verständnis von Digitalität. Diese Differenz zeigt sich auch in den diskursiven Rahmungen: Anstelle einer kritischen Auseinandersetzung mit digitalen Medien als kulturellen Praxen erfolgt schließlich eine Reproduktion bestehender Strukturen sowie digitale Ungleichheitsverhältnisse (Verständig & Stricker, 2025). Die quantitative Erhebung unter Lehrkräften zeigt, dass diejenigen ohne LFBs die geringste Berufszufriedenheit aufweisen, während deutliche Unterschiede in TPACK-Scores zwischen den Gruppen mit und ohne digitalisierungsbezogene Fortbildungen sichtbar werden.

Die Befunde werfen zentrale Fragen zur Gestaltung digitalisierungsbezogener LFB und ihrer Evidenzorientierung auf (Runge et al., 2024). Der Beitrag fokussiert die Ergebnisse und ihren Transfer in die Bildungspraxis und bietet diskursive Anschlüsse an empirische Befunde zur intrinsischen Motivation von Lehrkräften sowie Konzeptionen zur Überbrückung der Kluft zwischen technischer Wissensvermittlung und kultureller Reflexion.