Veranstaltungsprogramm

Sitzung
E23: Vorstellungen zu KI
Zeit:
Dienstag, 30.09.2025:
14:45 - 16:15

Chair der Sitzung: Christiane Kallenbach
Ort: H06

Hörsaal Erdgeschoss

Präsentationen

„Ein Hochgeschwindigkeitszug ohne Fahrplan?“ KI-Vorstellungen von Studierenden, Lehrenden und Mitarbeitenden im Kontext der Weiterentwicklung einer lehrkräftebildenden Universität

Franco Rau1, Kira Baresel2, Benjamin Möbus2

1FAU Erlangen-Nürnberg, Deutschland; 2Universität Vechta

Zusammenfassung

Theoretischer Hintergrund

Die digitale Transformation in der universitären Lehrer:innenbildung ist nicht nur mit der Implementierung neuer Technologien verbunden, sondern auch mit der Frage, wie diese von den beteiligten Akteur:innen wahrgenommen, bewertet und gerahmt werden. Künstliche Intelligenz (KI) stellt dabei nicht nur ein Werkzeug dar, sondern einen Anlass für hochschulische Aushandlungsprozesse, die sich auf Prüfungsformate, Eigenständigkeitserklärungen, technische Infrastruktur und pädagogische Leitbilder erstrecken. Vor dem Hintergrund aktueller Anforderungen an eine digitalisierungsbezogene Lehrer:innenbildung (EC:EACEA 2023, SWK 2024) versteht der Beitrag KI als sozio-kulturellen Diskursgegenstand im Spannungsfeld zwischen Unterstützung, Kontrolle und Teilhabe.

Die metaphorische Perspektive erlaubt es, Beliefs und Deutungsmuster sichtbar zu machen, die im Kontext institutioneller Entwicklungsprozesse wirksam werden – insbesondere dort, wo Lehrer:innenbildung als gemeinsame, partizipative Gestaltungsaufgabe verstanden wird. In der Bildungsforschung zeigen empirische Studieren bereits, dass sich über metaphorische Zuschreibungen grundlegende Orientierungen zu Lernen, Lehren (z.B. Saban et al. 2007; Kalra & Baveja 2012) und Technologie rekonstruieren lassen (z. B. Koc 2013; Rau & Kosubski 2019; Demir & Güraksın 2022; Lim 2024). Theoretisch fundiert sich der Beitrag in der kognitiven Metapherntheorie (Lakoff & Johnson 1980) sowie methodologisch in der qualitativen Metaphernanalyse (Schmitt 2017).

Fragestellung

  • Welche expliziten Vergleiche und Metaphern nutzen Studierende, wissenschaftliches Personal und Mitarbeitende in Verwaltung und Technik an einer lehrkräftebildenden Universität, um die Rolle von KI in der Hochschullehre zu beschreiben?
  • Wie unterscheiden sich diese Konzepte zwischen den Statusgruppen?
  • Wie lassen sich diese Vorstellungen in Beziehung zu den Erfahrungen und Nutzungsszenarien mit KI setzen?

Methode

Im Rahmen des Projekts „Digitale Zukunft verantwortungsvoll gestalten“ wurden an der Universität Vechta zwei Onlinebefragungen unter allen Hochschulangehörigen durchgeführt (Sommersemester 2024: n = 177; Wintersemester 2024/25: n = 193). Neben geschlossenen Fragen zur KI-Nutzung kamen offene Satzvervollständigungsaufgaben („KI in der Hochschullehre ist wie …“) zum Einsatz.

Die metaphorischen Zuschreibungen wurden mittels Metaphernanalyse anknüpfend an Rau & Kosubski (2019) in drei Schritten ausgewertet: (1) Identifikation sprachlicher Metaphern, (2) Rekonstruktion der Quell- und Zielbereiche, (3) Ableitung übergreifender metaphorischer Muster. Die Auswertung erfolgte statusgruppenspezifisch und vergleichend auf Basis der offenen Antworten.

Die nachfolgenden Ergebnisse beruhen auf dieser ersten, qualitativen Auswertung und sind als vorläufige Einblicke in die metaphorischen Konzepte der Statusgruppen zu verstehen. Eine systematische Triangulation mit den quantitativen Angaben zu Vorerfahrungen, Nutzungsszenarien und Bekanntheit institutioneller KI-Angebote steht noch aus. Ziel der weiteren Analyse ist es, diese metaphorischen Rahmungen mit konkreten Nutzungskontexten und Aneignungsprozessen in Beziehung zu setzen.

Ergebnisse

Die vorläufigen Ergebnisse zeigen erste, statusgruppenspezifische Unterschiede in der metaphorischen Rahmung von KI:

  • Studierende beschreiben KI sowohl als unterstützenden Lernbegleiter („Navigationshilfe“, „Professor“, „Lexikon“) als auch als ambivalentes oder widersprüchlich vermitteltes Phänomen („verbotene Frucht“, „Elefant im Raum“).
  • Wissenschaftliches Personal rahmt KI primär als hilfreiches Werkzeug („Thermomix“, „Werkzeugkasten“, „Hilfskraft“), zeigt aber auch technikskeptische oder ethisch motivierte Zuschreibungen („Glyphosat“, „Freifahrtschein des Nicht-Denkens“).
  • Mitarbeitende in Verwaltung und Technik sehen in KI eine potenziell entlastende Unterstützung („Assistent für jeden“), bringen aber zugleich Unsicherheit und Orientierungsbedarfe zum Ausdruck („Hochgeschwindigkeitszug ohne Fahrplan“, „Buch mit sieben Siegeln“).

Diese qualitativen Ergebnisse eröffnen erste Einblicke in die differenzierten Vorstellungswelten verschiedener Statusgruppen an einer lehrkräftebildenden Universität. Die metaphorischen Zuschreibungen machen sichtbar, wie vielfältig und teils widersprüchlich KI konzeptualisiert wird. Gleichzeitig steht die vertiefende Analyse, insbesondere die Verknüpfung mit den quantitativen Angaben zu Vorerfahrungen, Nutzungsszenarien und institutioneller Vertrautheit, noch aus.

Für die universitäre Lehrer:innenbildung ist diese Perspektive besonders relevant: Die metaphorischen Konzepte verweisen auf unterschiedliche Wissensbestände, Deutungsmuster und Positionierungen, die in partizipativen Gestaltungsprozessen – etwa bei der Formulierung von Eigenständigkeitserklärungen, der Bewilligung technischer Infrastruktur oder in der Gremienarbeit – aufeinandertreffen. KI wird dabei nicht als Einzelanwendung adressiert, sondern als Anlass für einen reflexiven, statusgruppenübergreifenden Entwicklungsprozess in Studium und Lehre.

Literaturverzeichnis

Demir, K. & Güraksın, G. E. (2022). Determining Middle School Students’ Perceptions of the Concept of Artificial Intelligence: A Metaphor Analysis. Participatory Educational Research, 9(2), 297–312. https://doi.org/10.17275/per.22.42.9.2

European Commission: European Education and Culture Executive Agency (EC:EACEA). (2023). AI Report by the European Digital Education Hub’s Squad on Artificial Intelligence in Education. Luxembourg: Publications Office of the European Union. https://op.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/9bb60fb1-b42a-11ee-b164-01aa75ed71a1

Kalra, M. B. & Baveja, B. (2012). Teacher Thinking about Knowledge, Learning and Learners: A Metaphor Analysis. Procedia – Social and Behavioral Sciences, 55, 317–326. https://doi.org/10.1016/j.sbspro.2012.09.509

Koc, M. (2013). Student Teachers’ Conceptions of Technology: A Metaphor Analysis. Computers & Education, 68, 1–8. https://doi.org/10.1016/j.compedu.2013.04.024

Lakoff, G. & Johnson, M. (1980). Metaphors We Live By. Chicago: University of Chicago Press.

Lim, E. M. (2024). Metaphor Analysis on Pre-service Early Childhood Teachers’ Conception of AI (Artificial Intelligence) Education for Young Children. Thinking Skills and Creativity, 51, 101455. https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1871187123002225

Rau, F. & Kosubski, I. (2019). „Digitale Medien sind wie Pilze“: Eine Analyse studentischer Metaphern zu digitalen Medien. MedienPädagogik, 36, 81–96. https://doi.org/10.21240/mpaed/36/2019.11.14.X

Saban, A., Koçbeker, B. N. & Saban, A. (2007). Prospective Teachers’ Conceptions of Teaching and Learning Revealed through Metaphor Analysis. Learning and Instruction, 17(2), 123–139. https://doi.org/10.1016/j.learninstruc.2007.01.003

Schmitt, R. (2017). Systematische Metaphernanalyse als Methode der qualitativen Sozialforschung. Wiesbaden: Springer VS. https://doi.org/10.1007/978-3-658-13464-8

Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK). (2023). Large Language Models und ihre Potenziale im Bildungssystem: Impulspapier der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz. https://doi.org/10.25656/01:28303



„KI in der Schule ist wie ein Spicker“ – Alltagsmetaphern als Zugang zu Beliefs von Schüler:innen und Lehrkräften zur Rolle Künstlicher Intelligenz in der Schule

Franco Rau1, Annekatrin Bock2, Lina Franken2

1FAU Erlangen-Nürnberg, Deutschland; 2Universität Vechta, Deutschland

Zusammenfassung

Theoretischer Hintergrund

Mit der zunehmenden Verbreitung generativer KI-Systeme in schulischen Kontexten gewinnen Fragen nach deren didaktischer, ethischer und gesellschaftlicher Bedeutung an Relevanz. Während bildungspolitische Diskurse KI vielfach funktional als „Werkzeug“ zur Effizienzsteigerung oder Kompetenzförderung rahmen (SWK 2023; EC:EACEA 2023), bleibt bislang weitgehend unbeleuchtet, welche subjektiven Vorstellungen, Überzeugungen (Beliefs) und Deutungsmuster Lehrkräfte und Schüler:innen mit der Nutzung von KI verbinden. Der vorliegende Beitrag greift diese Leerstelle auf und untersucht metaphorische Sprachverwendungen als Zugang zu diesen subjektiven Konzeptualisierungen.

Grundlage bildet die kognitive Metapherntheorie (Lakoff & Johnson 1980), der zufolge Metaphern nicht bloß sprachliche Bilder, sondern grundlegende Formen kognitiver Konzeptbildung sind. Im Sinne Schmitts (2017) werden sie als Bedeutungsübertragungen von einem konkreten Quellbereich auf einen abstrakteren Zielbereich verstanden. Während versprachlichte Metaphern einzelne Ausdrücke oder Vergleiche benennen, verweisen metaphorische Konzepte auf dahinterliegende kognitive Muster, die sich kulturell wie individuell ausprägen. Gerade in der Bildungsforschung sind solche Konzepte relevant, da sie subjektive Theorien, professionelle Vorstellungen und Beliefs von Lehrkräften und Schüler:innen sichtbar machen, wie diverse Metaphernstudien zu Beliefs und subjektiven Theorien von Lehramtsstudierenden und Lehrkräften zeigen (z. B. Saban et al. 2007; Guerrero & Villamil 2000, 2002; Kalra & Baveja 2012). Weitere Untersuchungen zeigen, dass sich über metaphorische Zuschreibungen grundlegende Orientierungen zu Lernen, Lehren und Technologie rekonstruieren lassen (u. a. Koc 2013; Rau & Kosubski 2019; Demir & Güraksın 2022; Lim 2024).

Fragestellung

Mit welchen expliziten Metaphern und Vergleichen beschreiben Schüler:innen und Lehrkräfte die Rolle von KI im schulischen Kontext? Welche metaphorischen Muster lassen sich rekonstruieren, und welche bildungsbezogenen Vorstellungen über Lernen und Technologie werden dabei sichtbar?

Methode

Im Projekt Beyond Prompting wurde ein exploratives Workshop-Format mit Satzvervollständigungsaufgaben („KI in der Schule ist wie…“) für Schüler:innen sowie ein entsprechendes Format für Lehrkräftefortbildungen konzipiert. Die metaphorischen Äußerungen aus sechs Workshops mit Schüler:innen und vier Fortbildungsveranstaltungen mit Lehrkräften wurden qualitativ analysiert. Anknüpfend an das Vorgehen einer systematischen Metaphernanalyse (Schmitt 2017) und der Adaption von Rau & Kosubski (2019) umfasst die Analyse drei Schritte: (1) Identifikation expliziter und impliziter metaphorischer Elemente, (2) Rekonstruktion der Bedeutungsübertragungen zwischen Quell- und Zielbereich, (3) Herausarbeitung metaphorischer Muster als kohärente Bedeutungsübertragungen.

Ergebnisse

Die metaphorischen Zuschreibungen der Schüler:innen lassen sich drei übergreifenden Mustern zuordnen:

  • KI als Werkzeug oder Tool – betont Funktionalität und Effizienz, ohne technologische Machtverhältnisse oder Datenabhängigkeiten zu reflektieren.

  • KI als Helfer oder Assistent – vermenschlichte Zuschreibung, die sowohl Entlastung und produktive Unterstützung hervorhebt.

  • KI als Cheat oder Spicker – verweist auf die Umgehung schulischer Leistungsnormen und thematisiert Leistung und Authentizität.

Die Perspektiven der Lehrkräfte werden aktuell in einer vergleichenden Analyse ausgewertet und sollen im Vollbeitrag kontrastiv den Schüler:innenmustern gegenübergestellt werden. Dabei zeichnet sich ab, dass auch bei Lehrkräften eine ambivalente Rahmung von KI zwischen didaktischer Unterstützung und professioneller Skepsis vorliegt.

Diskussion

Der Beitrag versteht KI als sozio-technisches System, dessen Bedeutung in schulischen Diskursen sprachlich gerahmt und pädagogisch verhandelt wird. Die Analyse metaphorischer Sprache eröffnet damit einen Zugang zu impliziten Orientierungen von Bildungsakteur:innen, die über anwendungsbezogene Kompetenzmodelle hinausreichen.

Die metaphorischen Muster zeigen, dass KI nicht nur als technisches Hilfsmittel begriffen wird, sondern in tiefgreifende Bildungsnarrative eingebettet ist. Sie spiegeln unterschiedliche mediale Erfahrungswelten, technologische Wissensbestände und Bildungsvorstellungen wider. Indem alltagsweltliche und wissenschaftliche Sprachverwendungen kontrastiert werden (Kerres 2017; Weller 2022), leistet der Beitrag einen medienpädagogisch fundierten Beitrag zur reflexiven Auseinandersetzung mit digitalen Transformationsprozessen in Schule und Lehrkräftebildung.

Literaturverzeichnis

Demir, K. & Güraksın, G. E. (2022): Determining Middle School Students’ Perceptions of the Concept of Artificial Intelligence. A Metaphor Analysis. Participatory Educational Research, 9(2), 297–312.

European Commission: European Education and Culture Executive Agency (EC:EACEA) (2023): AI Report by the European Digital Education Hub’s Squad on Artificial Intelligence in Education. Luxembourg: Publications Office of the European Union. https://op.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/9bb60fb1-b42a-11ee-b164-01aa75ed71a1

Guerrero, M. C. M. de & Villamil, O. S. (2000): Exploring ESL Teachers’ Roles through Metaphor Analysis. TESOL Quarterly, 34(2), 341–351. https://doi.org/10.2307/3587960

Guerrero, M. C. M. de & Villamil, O. S. (2002): Metaphorical Conceptualizations of ESL Teaching and Learning. Language Teaching Research, 6(2), 95–120. https://doi.org/10.1191/1362168802lr101oa

Kalra, M. B. & Baveja, B. (2012): Teacher Thinking about Knowledge, Learning and Learners: A Metaphor Analysis. Procedia – Social and Behavioral Sciences, 55, 317–326. https://doi.org/10.1016/j.sbspro.2012.09.509

Kerres, M. (2017): Lernprogramm, Lernraum oder Ökosystem? Metaphern in der Mediendidaktik. In: Mayrberger, K., Fromme, J., Grell, P. & Hug, T. (Hrsg.), Jahrbuch Medienpädagogik 13: Vernetzt und entgrenzt – Gestaltung von Lernumgebungen mit digitalen Medien, S. 15–28. Wiesbaden: Springer VS. https://doi.org/10.1007/978-3-658-16432-4_2

Koç, M. (2013): Student Teachers’ Conceptions of Technology: A Metaphor Analysis. Computers & Education, 68, 1–8. https://doi.org/10.1016/j.compedu.2013.04.024

Lakoff, G. & Johnson, M. (1980): Metaphors We Live By. Chicago: University of Chicago Press.

Lim, E. M. (2024): Metaphor Analysis on Pre-service Early Childhood Teachers’ Conception of AI (Artificial Intelligence) Education for Young Children. Thinking Skills and Creativity, 51, 101455. https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1871187123002225

Rau, F. & Kosubski, I. (2019): „Digitale Medien sind wie Pilze“: Eine Analyse studentischer Metaphern zu digitalen Medien. MedienPädagogik, 36, 81–96. https://doi.org/10.21240/mpaed/36/2019.11.14.X

Saban, A., Koçbeker, B. N. & Saban, A. (2007): Prospective Teachers’ Conceptions of Teaching and Learning Revealed through Metaphor Analysis. Learning and Instruction, 17(2), 123–139. https://doi.org/10.1016/j.learninstruc.2007.01.003

Schmitt, R. (2017). Systematische Metaphernanalyse als Methode der qualitativen Sozialforschung. Wiesbaden: Springer VS. https://doi.org/10.1007/978-3-658-13464-8

Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK) (2023): Large Language Models und ihre Potenziale im Bildungssystem. Impulspapier. http://dx.doi.org/10.25656/01:28303

Weller, M. (2022): Metaphors of Ed Tech. Athabasca: Athabasca University Press.



KI in der Grundschule: Sensibilisierung von Lehramtsstudierenden für Chancen und Risiken von KI-Tools

Alisa Véronique Münsterberg, Eva Katharina Jansohn, Adrian Völker, Ute Schmid

Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Deutschland

Zusammenfassung

Anwendungen von Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) sind spätestens seit ChatGPT im Bildungsbereich angekommen. Bei Lehrkräftefortbildungen liegt der Fokus aktuell überwiegend auf der Vermittlung von Nutzungskompetenz. Im Sinne des Dagstuhl-Dreiecks für digitale Bildung [1] ist jedoch ein grundsätzliches Verständnis der digitalen Technologien zugrundeliegenden Konzepte und Methoden eine Voraussetzung für die sichere und souveräne Anwendung. Zudem werden fast ausschließlich Anwendungen generativer KI adressiert und Lehrkräften damit ein verengter Blick auf im Unterricht sinnvoll einsetzbare KI-Tools gegeben. Hierzu gehören verschiedene Formen der individualisierten Lernprozessunterstützung, etwa beim Schreiben lernen mit einem intelligenten Stift [2], oder bei kognitiven Aufgaben in der Mathematik [3].
Solche Anwendungen für KI-gestützten Unterricht werden als Intelligente Tutorsysteme (ITS) bereits seit den 1980er Jahren entwickelt [4]. ITS bieten eine individuelle Übungsumgebung für spezifische Lerninhalte. Dabei wird das für den jeweiligen Lerninhalt relevante Wissen in einem Domänenmodell repräsentiert. Das Lernendenmodell erfasst Information über typische Fehler sowie aktuelle diagnostische Information im konkreten Problemlösekontext. Das Didaktikmodul steuert die Reihenfolge der vermittelten Inhalte sowie die Generierung von spezifischem Feedback. Ziel ist nicht, Lehrkräfte zu ersetzen, sondern sie angesichts fehlender Zeit zur individuellen Übungsbetreuung in der Durchführung von didaktischen Interventionen zu unterstützen.
Ein erster Vorschlag für Veranstaltungen im Rahmen des Lehramtstudiums mit dem Ziel, KI-Tools kritisch zu reflektieren und fachdidaktisch fundiert anzuwenden, wurde von Leifheit et al. [5] präsentiert, die ITS und generative KI im Bezug auf Sprachunterricht betrachteten.
Unsere Arbeitsgruppe entwickelt ITS für Grundschulmathematik zum Üben der schriftlichen Grundrechenarten (der Rechenzoo). Dort werden Aufgabenlösungen anhand von Fehlerbibliotheken auf typische Fehlerfälle analysiert. Im Fehlerfall wird ein strukturanaloges Beispiel zur aktuellen Aufgabe generiert, an dem die Lösungsschritte gezeigt werden. So können Lernende die eigentliche Aufgabe unter Rückbezug auf diese demonstrierten Schritte selbst lösen. Dadurch kann Selbstwirksamkeitserleben und verstehensbasiertes Lernen gefördert werden. Textaufgaben, die neben dem Verstehen des Rechenalgorithmus die Rechnung in einen Problemlösekontext einbetten und Lernende zur Problemanalyse befähigen [6], sind ebenfalls in den Rechenzoo integriert.
Die im Beitrag vorgestellte Intervention wurde konzipiert, um zu prüfen, ob sich der Rechenzoo neben dem Einsatz zum Üben von Rechenaufgaben auch dazu eignen, Lehramtsstudierende mit KI-Tools vertraut zu machen und sie dafür zu sensibilisieren, angemessene Anwendungsgebiete im Unterricht zu identifizieren und mögliche Effekte des Lernens mit KI zu reflektieren.
Die Intervention ist dreiteilig: Auf einen Vortrag zu Grundlagen der KI, insbesondere KI als Bildungsgegenstand und Bildungswerkzeug, folgt eine kurze Einführung in die ITS für Subtraktion und Addition, gefolgt von einer freien Explorationsphase. Die Intervention wurde im Rahmen eines dreitätigen Blockseminars für Grundschullehramtsstudierende zum Thema KI in der Grundschule an der Universität Bamberg durchgeführt. Die Evaluation erfolgte mittels Fragebögen: vor der Intervention, direkt danach und zum Seminarabschluss. Insbesondere wurden verschiedene Items (11-Punkt Likert-Skalen (0-10)) zur Bewertung des Einsatzes von KI in der Grundschule erhoben.
Generell war die Einstellung zur Nutzung von KI-Tools in der Grundschule - entsprechend dem durch die Seminarwahl gezeigten Interesse - bereits vor der Intervention positiv (M1=5.25, SD1=2.408). Diese wurde zusätzlich von der Intervention stark positiv beeinflusst (F(2,30)=13.344, p<.001, η2=.471). Desweiteren wurden Einstellungen zur Nutzung von ITS sowie ChatGPT erfragt. Die Nutzung von ChatGPT im Unterricht wurde über die drei Messzeitpunkte vergleichbar sinnvoll eingeschätzt (M1=7.07, SD1=2.219; M2=7.69, SD2=2.414; M3=6.63, SD3=2.156; rmANOVA nicht signifikant). ITS Nutzung wurde eingangs etwa gleich sinnvoll bewertet wie ChatGPT, die Intervention führte zu einer höheren Bewertung (M1=7.00, SD1=2.138; M2=8.13, SD1=1.821; M3=8.19, SD1=1.905; nicht signifikant). Ziel der Intervention war die Vermittlung eines differenzierten und auf Wissen über grundlegende Konzepte und Methoden von KI basierenden Umgangs mit KI-Werkzeugen. Am Beispiel des Rechenzoos hatten die Lehramtsstudierenden die Möglichkeit, unmittelbar Erfahrung mit ITS für die Grundschule zu machen, und konnten gleichzeitig aus ihrer didaktischen Perspektive Rückmeldungen zur Verbesserung und Weiterentwicklung geben. Das qualitative Feedback der Teilnehmenden war durchweg positiv und brachte hilfreiche Gestaltungshinweise.

Literaturverzeichnis

[1] Brinda, T., Diethelm, I., Gemulla, R., Romeike, R., Schöning, J., and Schulte, C. (2016). Dagstuhl-Erklärung: Bildung in der digitalen vernetzten Welt.
[2] Harbaum, T., Serdyuk, A., Kreß, F., Hamann, T., Barth, J., Kämpf, P., Imbert, F., Soullard, Y., Tavenard, R., Anquetil, ´E., and Delahaie, J. (2024). KIHT: Kaligo-based intelligent handwriting teacher. In Design, Automation & Test in Europe Conference & Exhibition (DATE 2024), pages 1–6. IEEE.
[3] Zeller, C. and Schmid, U. (2016). Automatic generation of analogous problems to help resolving misconceptions in an intelligent tutor system for written subtraction. In Coman, A. and Kapetanakis, S., editors, Workshops Proceedings for the Twenty-fourth International Conference on Case-Based Reasoning (ICCBR 2016), volume 1815 of CEUR Workshop Proceedings, pages 108–117. CEUR-WS.org.
[4] Graesser, A. C., Conley, M. W., and Olney, A. (2012). Intelligent tutoringsystems. In Harris, K. R., Graham, S., Urdan, T., Bus, A. G., Major, S., and Swanson, H. L., editors, APA Educational Psychology Handbook, volume 3, page 451–473. American Psychological Association.
[5] Leifheit, L., Loefflad, D., Belschner, S., Beuttler, B., Winkelmann, J., Meurers, W. D., and Holz, H. (2024). KI im Unterricht: Entwicklung von Lehrveranstaltungen für Lehramtsstudierende der Sprach-und MINT-Fächer. Ludwigsburger Beiträge zur Medienpädagogik, 24:1–19.
[6] Thiede, B. (2020). Textaufgaben im Mathematikunterricht. In Der Prozentstreifen als Hilfsmittel bei Prozentaufgaben: Eine Interventionsstudie zu Visualisierungen in der Prozentrechnung, pages 39–63. Springer.