Förderung digitaler Kompetenzen in der Lehrkräftefortbildung: Entwicklung und Evaluation eines evidenzbasierten Selbstlernkurses für Multiplikator:innen
Cindy Bärnreuther, Melanie Stephan, Ruth Maloszek
FAU, Deutschland
Zusammenfassung
Einleitung:
Die digitale Transformation stellt Lehrkräfte und Bildungseinrichtungen vor neue Herausforderungen und erfordert eine umfassende Professionalisierung pädagogisch Tätiger im Umgang mit digitalen Medien. Insbesondere Fortbildungen für Multiplikator:innen und Lehrkräfte spielen eine zentrale Rolle, um evidenzbasierte Konzepte in die Praxis zu überführen.
Theoretischer Hintergrund, Forschungsstand und Fragestellung:
Bisherige Studien zeigen, dass digitale Medien das Lernen nur dann effektiv unterstützen, wenn sie didaktisch sinnvoll eingebunden sind (Mayer und Fiorella 2021). Der Fokus liegt auf kognitiver Aktivierung, Praxis- sowie Wissenschaftsorientierung und der Qualität digitaler Fortbildungsformate (Scheiter et al. 2020; Mayer und Fiorella 2021; Lipowsky und Rzejak 2021). Unter der Voraussetzung einer durchdachten Entwicklung, können Fortbildungen Wissen und Einstellungen von Lehrkräften positiv beeinflussen und dies wirkt sich wiederum auf das Lernen der Schüler:innen aus (Capparozza et al. 2023; Desimone 2009).
Vor diesem Hintergrund wurde der Selbstlernkurs „Digitale Kompetenzen in der Lehrkräftebildung fördern“ im Kontext der Projekte DiSo-SGW (Digitale Souveränität in der Lehrkräftebildung für Sprachen, Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaften in der digitalen Welt) und DiäS (Digital-ästhetische Souveränität in der Lehrkräftebildung für künstlerische, musikalische, poetische und sportliche Bildung in der digitalen Welt) entwickelt.
Der Kurs richtet sich an Multiplikator:innen und Fortbildende der zweiten und dritten Phase der Lehrkräftebildung und zielt darauf ab, theoretische und evidenzbasierte Ansätze zur Vermittlung digitaler Kompetenzen zu etablieren und praxisrelevante Implikationen anzuregen.
Hierfür werden zentrale theoretische Modelle und empirische Erkenntnisse einerseits vermittelt und andererseits bei der Kursgestaltung angewendet. Für die Praxis der Lehrkräftefortbildung bildet beispielsweise der DigCompEdu-Rahmen (Redecker und Punie 2017) in vielen Bundesändern die Grundlage für die Vermittlung digitaler Kompetenzen. Er definiert sechs Kompetenzbereiche, darunter berufliches Engagement, digitale Ressourcen und die Förderung digitaler Kompetenzen der Lernenden. Das Community of Inquiry-Modell (Garrison 2009) unterstützt die Gestaltung von Lernangeboten durch die drei Dimensionen kognitive, soziale und Lehrpräsenz. Ergänzend dazu wurden multimediale Prinzipien nach Mayer und Fiorella (2021) und das SAMR (Puentedura 2006) sowie ICAP-Modell (Chi und Wylie 2014) herangezogen, um den effektiven Einsatz digitaler Technologien zu reflektieren.
Die Passung der Kursgestaltung an die Zielgruppenbedarfe und -wünsche wurde in nacheinander geschalteten Bedarfserhebungs- und Erprobungsphasen sichergestellt. Im Rahmen der Tagung soll der Blick auf die Erprobungsphase gerichtet werden. Vor diesem Hintergrund formuliert die Studie drei Forschungsfragen:
(1) Qualität des Lernangebotes: Wie bewerten Teilnehmende die Qualität der Kursgestaltung in Bezug auf kognitive Aktivierung, Klarheit und Struktur, Praxis- und Wissenschaftsorientierung sowie Qualität der Online-Lernumgebung?
(2) Akzepteanz des Angebots: Wie wird der Kurs im Hinblick auf Zufriedenheit, Relevanz, Nützlichkeit und selbstberichteten Lernertrag eingeschätzt?
(3) Verbesserungsansätze: Welche konkreten Verbesserungswünsche benennen die Teilnehmenden?
Methode:
Die Evaluation erfolgt von März bis Juni 2025 und umfasst eine quantitative Befragung der in lehrkräftefortbildenden Instituten tätigen Multiplikator:innen. Die Einladung zur Umfrage richtet sich an alle 16 Bundesländer Deutschlands. Der Fragebogen orientiert sich an etablierten Erhebungsinstrumenten beispielsweise zur kognitiven Aktivierung, Klarheit und Strukturierung sowie der Praxisorientierung (Richter und Richter 2023) und Wissenschaftsorientierung (Rzejak et al. 2023). Die deskriptive und korrelationsanalytische Datenauswertung wird über die IBM- Statistiksoftware SPSS Version 29.0.2.0 (20) umgesetzt.
Ergebnisse:
Die zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vorliegenden Ergebnisse der Evaluation werden Aufschluss über die Qualität und Akzeptanz des Fortbildungsangebotes geben. Ziel ist es, evidenzbasierte Empfehlungen zur Optimierung der einzelnen Fortbildungsmodule zu formulieren, diese zielgruppenspezifische ausrichten zu können und flächendeckend in die Lehrkräftebildung zu übertragen. Ein besonderer Fokus liegt auf der nachhaltigen Implementierung der erarbeiteten Inhalte in die Bildungsstrukturen der Bundesländer (Desimone 2009; Capparozza et al. 2023).
Literaturverzeichnis
Capparozza, Marcel; Fröhlich, Nora; Dehmel, Alexandra; Fauth, Benjamin (2023): Gestaltung und Evaluation von webbasierten Lehrkräftefortbildungen: Ein Systematic Review. In: Katharina Scheiter und Ingrid Gogolin (Hg.): Bildung für eine digitale Zukunft, Bd. 15. Wiesbaden: Springer VS (Edition ZfE, Band 15), S. 363–397, zuletzt geprüft am 07.10.2023.
Chi, Michelene T. H.; Wylie, Ruth (2014): The ICAP Framework: Linking Cognitive Engagement to Active Learning Outcomes. In: Educational Psychologist 49 (4), S. 219–243. DOI: 10.1080/00461520.2014.965823.
Desimone, L. M. (2009): Improving Impact Studies of Teachers’ Professional Development: Toward Better Conceptualizations and Measures. In: Educational Researcher 38, 181-199. DOI: 10.3102/0013189X08331140.
Garrison, D. Randy (2009): The Community of Inquiry Theoretical Framework: In the Context of Online and Blended Learning. In: IGI Global, S. 352–355.
Lipowsky, Frank; Rzejak, Daniela (2021): Fortbildungen für Lehrpersonen wirksam gestalten. Ein praxisorientierter und forschungsgestützter Leitfaden. Hg. v. Bertelsmann Stiftung. Online verfügbar unter https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/user_upload/Fortbildungen_fuer_Lehrpersonen_wirksam_gestalten.pdf.
Mayer, Richard E.; Fiorella, Logan (Hg.) (2021): The Cambridge Handbook of Multimedia Learning. 3. Bände. Cambridge: Cambridge University Press.
Puentedura, Ruben (2006): Transformation, Technology, and Education. Online verfügbar unter http://hippasus.com/resources/tte/, zuletzt aktualisiert am 15.07.2009, zuletzt geprüft am 11.12.2023.
Redecker, Christine; Punie, Yves (2017): European Framework for the Digital Competence of Educators. DigCompEdu. JRC Science for Policy Report. Hg. v. Europäische Kommission. Luxembourg: Publications Office of the European Union (EUR, Scientific and technical research series, 28775).
Richter, Eric; Richter, Dirk (2023): Fortbildungsmonitor. Ein Instrument zur Erfassung der Prozessqualität von Lehrkräftefortbildungen. Potsdam.
Rzejak, Daniela; Gröschner, Alexander; Lipowsky, Frank; Richter, Dirk; Calcagni, Elisa (2023): Qualität von Lehrkräftefortbildungen einschätzen. Ein Arbeitsbuch aus dem Projekt IMPRESS. DOI: 10.25656/01:26502.
Scheiter, Katharina; Richter, Juliane; Renkl, Alexander (2020): Multimediales Lernen: Lehren und Lernen mit Texten und Bildern. In: Helmut Niegemann und Armin Weinberger (Hg.): Handbuch Bildungstechnologie. Konzeption und Einsatz digitaler Lernumgebungen. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg, S. 31–56.
Erfassung von Kompetenzen von Lehrkräften zum Unterrichten mit digitalen Medien: Validierung eines textbasierten Vignetteninstruments basierend auf dem DigCompEdu
Jakob Thomas Fischer1,2, Isabell Runge1,2, Florian Hebibi1,3,6, Frauke Voitle4,2, Moritz Krell4,3,6,2, Rebecca Lazarides5,3,6,7, Katharina Scheiter1,3,6,2
1Universität Potsdam; 2Transferstelle; 3Kompetenzzentrum MINT; 4Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik; 5Kompetenzzentrum Sprachen/Gesellschaft/Wirtschaft; 6Projektverbund DigiProMIN; 7Projektverbund KISS-Pro
Zusammenfassung
Theoretischer Hintergrund
Lehrkräfte benötigen digitalisierungsbezogene Kompetenzen, um digitale Medien effektiv und didaktisch sinnvoll einzusetzen (Vilppola et al., 2022). Als Modell zur Beschreibung dieser Kompetenzen hat sich das European Framework for the Digital Competence of Educators etabliert (DigCompEdu-Modell; Redecker, 2017). Der Kompetenzrahmen beschreibt im Zentrum vier pädagogische und didaktische Dimensionen zur fachübergreifenden Integration digitaler Medien. Der vorliegende Beitrag betrachtet die Subdimension Lehren, die das Gestalten, Planen und Einsetzen von digitalen Medien beschreibt. Zusätzlich wird wegen der hohen Potentiale digitaler Medien zur Förderung unterschiedlicher Lernbedürfnisse und Lernwege die Subdimension Differenzierung und Individualisierung einbezogen (Schaumburg, 2021). Dem TPTI-Modell von Lachner et al. (2024) folgend wurden außerdem die Kompetenzdimensionen Auswahl und Integration digitaler Medien berücksichtigt, um die bewusste Entscheidung von Lehrkräften für einen bestimmten Funktionsumfang einer digitalen Technologie (Auswahl) und deren zielführenden Einsatz im Unterricht (Integration) einzubeziehen.
Die aktuell vorliegende empirische Evidenz zur Operationalisierung des DigCompEdu bezieht sich vornehmlich auf Selbsteinschätzungen von Lehrkräften (Antonietti et al., 2022). Studien stellen jedoch deren Eignung zur Erfassung digitalisierungsbezogener Kompetenzen infrage (z. B. Scherer et al., 2017). Alternativ haben sich textbasierte Vignettentest als geeignet erwiesen, bisher jedoch ohne einen Bezug auf spezifische DigCompEdu-Dimensionen (Lachner et al., 2021; Schulze-Vorberg & Horz, 2023).
Fragestellung
Die Studie ging der Fragestellung nach, wie ein textbasierendes Vignetten-Testinstrument zur Erfassung digitalisierungsbezogener Kompetenzen von Lehrkräften entwickelt und empirisch überprüft werden kann. Im Rahmen von drei Teilstudien wurde die Validität des Testinhalts, der Antwortprozesse und der inneren Struktur untersucht.
Methode
Es wurden 24 Vignetten entwickelt, die Unterrichtssituationen zum Einsatz digitaler Medien in den Bereichen Lehren und Differenzierung und Individualisierung beschreiben. Aus jeweils vier vorgegebenen Antwortmöglichkeiten soll diejenige ausgewählt werden, die zur Förderung des formulierten Stundenziels am besten geeignet ist. In der ersten Teilstudie mit sechs Lehrkräften wurden schriftliche Rückmeldungen zur Verständlichkeit sowie Authentizität der Vignetten qualitativ ausgewertet. In der zweiten Teilstudie beurteilten neun Bildungsforscher:innen die Passung zu den DigComEdu-Subdimensionen sowie die Nachvollziehbarkeit der Antwortoptionen. Für die Itemanalyse in der dritten Teilstudie auf Basis der Angaben von 262 Lehrkräften wurden die psychometrischen Itemeigenschaften (Itemschwierigkeit und Trennschärfe) mithilfe der Item-Response-Theorie evaluiert, indem Rasch-Modelle für dichotome Items angewandt wurden.
Ergebnisse
Teilstudie 1: Die Beurteilung der Lehrkräfte (N = 6) zur Verständlichkeit der Vignetten lag bei M = 3.40 (SD = 0.48; 1 = unverständlich bis 6 = verständlich) und die Einschätzung der Authentizität bei M = 4.69 (SD = 1.01; 1 = unauthentisch bis 6 = authentisch).
Teilstudie 2: Die Bildungsforscher:innen (N = 9) bewerteten die Passung der Vignetten zur DigCompEdu-Subdimension Lehren durchschnittlich mit M = 3.42 (SD = 0.94; 1 = unpassend bis 4 = passend) und die Passung zur Subdimension Differenzierung und Individualisierung mit M = 2.81 (SD = 0.90). Die Passung zur Erfassung digitalisierungsbezogener Kompetenzen wurde mit M = 2.67 (SD = 0.87) eingeschätzt. Im Rahmen der Überarbeitung wurden vier Vignetten aufgrund unzureichender Einschätzungen ihrer Passungen ausgeschlossen. Daraus resultierten zu beiden DigCompEdu-Subdimensionen je fünf Vignettenpaare.
Teilstudie 3: Die Angaben von Lehrkräften aus Brandenburg (N = 262) zeigten in der Itemanalyse, dass die Itemschwierigkeiten (in Logits) im Bereich „Lehren“ von -0.94 bis 0.62 und im Bereich „Differenzierung und Individualisierung“ von -0.27 bis 1.9 reichte. Die Trennschärfe lag für „Lehren“ zwischen 0.39 und 0.68 und für „Differenzierung und Individualisierung“ zwischen 0.15 und 0.54. Eine der Vignetten zeigte eine geringe Item-Trennschärfe (0.15), sodass diese aus dem Set ausgeschlossen wurde.
Mithilfe der dargestellten Studie wurde ein Vignetteninstrument mit validen psychometrischen Kennwerten entwickelt. Zukünftige Untersuchungen könnten dieses Instrument einsetzen, um dessen Eignung zur Erfassung digitalisierungsbezogener Kompetenzen im Vergleich zu Selbsteinschätzungsverfahren zu prüfen. Darüber hinaus könnte das Vignetteninstrument im Hinblick auf die prädiktive Validität in Bezug auf die Qualität der tatsächlichen Integration digitaler Technologien von Lehrkräften untersucht werden.
Literaturverzeichnis
Antonietti, C., Cattaneo, A. & Amenduni, F. (2022). Can teachers’ digital competence influence technology acceptance in vocational education? Computers in Human Behavior, 132, Article 107266. https://doi.org/10.1016/j.chb.2022.107266
Krumsvik, R. J. (2014). Teacher educators' digital competence. Scandinavian Journal of Educational Research, 58(3), 269–280. https://doi.org/10.1080/00313831.2012.726273
Lachner, A., Backfisch, I., & Franke, U. (2024). Towards an integrated perspective of teachers’ technology integration: A preliminary model and future research directions. Frontline Learning Research, 12(1), 1–15. https://doi.org/10.14786/flr.v12i1.1179ResearchGate+3KITopen+3SpringerLink+3
Lachner, A., Fabian, A., Franke, U., Preiß, J., Jacob, L., Führer, C., Küchler, U., Paravicini, W., Randler, C. & Thomas, P. (2021). Fostering pre-service teachers’ technological pedagogical content knowledge (TPACK): A quasi-experimental field study. Computers & Education, 174, Article 104304. https://doi.org/10.1016/j.compedu.2021.104304
Redecker, C. (2017). European framework for the digital competence of educators: DigCompEdu (EUR 28775 EN). Publications Office of the European Union. https://doi.org/10.2760/159770.
Schaumburg, H. (2021). Personalisiertes Lernen mit digitalen Medien als Herausforderung für die Schulentwicklung: Ein systematischer Forschungsüberblick. MedienPädagogik, 41, 134–166. https://doi.org/10.21240/mpaed/41/2021.02.24.X
Scherer, R., Tondeur, J. & Siddiq, F. (2017). On the quest for validity: Testing the factor structure and measurement invariance of the technology-dimensions in the Technological, Pedagogical, and Content Knowledge (TPACK) model. Computers & Education, 112, 1–17. https://doi.org/10.1016/j.compedu.2017.04.012
Schulze-Vorberg, L. & Horz, H. (2022). Entwicklung und Validierung eines Situational Judgement Test zur Erfassung des Umgangs von Lehrkräften mit digitalen Problemsituationen im Unterricht. Diagnostica, 69(2), 74–85. https://doi.org/10.1026/0012-1924/a000304
Vilppola, J., Lämsä, J., Vähäsantanen, K. & Hämäläinen, R. (2022). Teacher trainees' experiences of the components of ICT competencies and key factors in ICT competence development in work-based vocational teacher training in Finland. International Journal for Research in Vocational Education and Training (IJRVET), 9(2), 146–166. https://doi.org/10.13152/IJRVET.9.2.1
Von der digitalen zur KI-Kompetenz: die Erasmus+ Teacher Academy AI2PI zur Unterstützung der Lehrkräftebildung
Michael Schlauch1, Ole Engel1, Insa Reichow2, Ulrike Stadler-Altmann1
1Humboldt-Universität zu Berlin, Deutschland; 2Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz
Zusammenfassung
Als Reaktion auf die rasche Ausbreitung von KI-Systemen in den letzten Jahren hat die Europäische Union mit dem AI Act einen gemeinsamen rechtlichen Rahmen zum Umgang mit künstlicher Intelligenz (KI) geschaffen – insbesondere auch für Anwendungen im Bildungsbereich (Europäische Kommission, 2020). Mit diesem Rechtsakt betont die EU die Notwendigkeit, gesellschaftliche Akteure in die Lage zu versetzen, KI kompetent und verantwortungsvoll zu nutzen. Vor diesem Hintergrund gewinnen KI-Kompetenzrahmen an Bedeutung. Allerdings bieten existierende Qualifikationsrahmen für Bildungseinrichtungen nur begrenzte Unterstützung, um den KI-bezogenen technologischen Wandel zu gestalten. Wichtige Rahmenwerke wie DigComp 2.2 (Vuorikari et al., 2022) und DigCompEdu (Redecker, 2017) umreißen die Erwartungen an die digitale Kompetenz der Lehrkräfte, wenn auch mit begrenzter Aufmerksamkeit für KI. Generell besteht wenig Konsens darüber, was wesentliche KI-Kompetenzen ausmacht. Mittlerweile hat die UNESCO (2024) erste Rahmenmodelle zur KI-Kompetenz für Lehrkräfte und Schüler:innen vorgelegt. Aber wie der Umgang mit KI in Bildungsinstitutionen in den europäischen Ländern systematisch gestaltet werden kann, ist nach wie vor ungeklärt. Zudem haben bisher nur sieben der europäischen Länder KI-Kompetenzen in ihre Bildungspläne implementiert.
In dieser Situation besteht die Gefahr, dass Lehrkräfte mit den Herausforderungen zu KI in Schule und Unterricht allein gelassen werden. Dies könnte zum einen dazu führen, dass der stattfindende technologische Wandel ignoriert wird, oder, dass zum anderen KI-Technologien unkritisch in der Schule eingesetzt werden. Das könnte auf Kosten der Privatsphäre der Schüler:innen und der Bildungsqualität geschehen (Bozkurt et al., 2024). Während sich Bildungsforschende damit auseinandersetzen, was KI-Kompetenz beinhaltet, besteht noch weniger Einigkeit darüber, welche KI-Kenntnisse speziell für Lehrkräfte in den drei Phasen der Lehrerbildung erforderlich sind. Eine breitere Arbeitsdefinition von KI-Kompetenz, die von der UNESCO (2022, 2024) und vielen Wissenschaftlern (Laupichler et al., 2022) verwendet wird, charakterisiert diese als „eine Reihe von Kompetenzen, die es dem Einzelnen ermöglichen, KI-Technologien kritisch zu bewerten, effektiv mit KI zu kommunizieren und zusammenzuarbeiten und KI als Werkzeug online, zu Hause und am Arbeitsplatz zu nutzen“ (Long & Magerko, 2020, S. 2).
Die Erasmus+ Teacher Academy “From Artificial Intelligence to Pedagogical Innovation” (AI2PI, Projektnummer: 101196121, 2025-2028) ist eine direkte Antwort auf diese Herausforderungen. Im Projekt wird mittels Design-Based Research (DBR) die professionelle und kritische Nutzung von KI im Unterricht durch Lehrkräfte untersucht. Die zentrale Frage der AI2PI Teacher Academy ist, wie Lehrkräfte in verschiedenen europäischen Kontexten KI-Kenntnisse entwickeln und umsetzen können, wenn es beispielsweise um die Entwicklung von Informations- und Datenkompetenz, den Unterricht in mehrsprachigen Klassen mit gemischtsprachigen Lernenden und den Aufbau einer verantwortungsvollen digitalen Bürgerschaft in innovativen und integrativen Lernumgebungen geht.
Ergebnis der AI2PI Teacher Academy werden Module zu KI-Kompetenz sein, die in die europäischen Lehrerbildungsprogramme eingespeist werden können. Dabei besteht die Herausforderung, dass KI-bezogene Fähigkeiten und Kenntnissen in die Lehrpläne europäischer Schulen und die Lehrerausbildung integriert werden müssen. Ziel ist es, Lehr- und Lernaktivitäten (vgl. Giannakos et al., 2024) zu entwickeln, die in pädagogischen Werkstätten in sieben verschiedenen europäischen Kontexten konzipiert und erprobt werden. Die AI2PI Teacher Academy wird wissenschaftlich begleitet und evaluiert.
Damit werden in der AI2PI Teacher Academy auch für den Kompetenzverbund lernen:digital zentrale Fragestellungen bearbeitet: Wie können Erkenntnisse aus der Forschung für die digitale, KI-bezogene Transformation in der Praxis nutzbar gemacht werden? Wie kann bewährtes Praxiswissen aus verschiedenen europäischen Bildungskontexten in die Forschung integriert werden? Im geplanten Beitrag wird AI2PI entsprechend vorgestellt und die ersten Projektaktivitäten erläutert.
Literaturverzeichnis
Bozkurt, A., Xiao, J., Farrow, R., Bai, J. Y., Nerantzi, C., Moore, S., ... & Asino, T. I. (2024). The Manifesto for Teaching and Learning in a Time of Generative AI: A Critical Collective Stance to Better Navigate the Future. Open Praxis, 16(4), 487–513. https://doi.org/10.55982/openpraxis.16.4.777
Europäische Kommission (2020). On Artificial Intelligence - A European approach to excellence and trust. COM(2020) 65 final, White paper. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=CELEX:52020DC0065
Europäische Union (2024). EU Artificial Intelligence Act. https://artificialintelligenceact.eu/article/4/
Giannakos, M., Azevedo, R., Brusilovsky, P., Cukurova, M., Dimitriadis, Y., Hernandez-Leo, D., … Rienties, B. (2024). The promise and challenges of generative AI in education. Behaviour & Information Technology, 1–27. https://doi.org/10.1080/0144929X.2024.2394886
Laupichler, M.C., Aster, A., Schirch, J., & Raupach, T. (2022). Artificial intelligence literacy in higher and adult education: A scoping literature review. Computers and Education: Artificial Intelligence, 3, 100101. https://doi.org/10.1016/j.caeai.2022.100101
Long, D., & Magerko, B. (2020). What is AI literacy? Competencies and design considerations. In Proceedings of the 2020 CHI conference on human factors in computing systems (pp. 1-16).
Redecker, C. (2017). European Framework for the Digital Competence of Educators: DigCompEdu. Punie, Y. (ed).EUR 28775 EN, Publications Office of the European Union, Luxembourg.https://dx.doi.org/10.2760/159770
UNESCO, Miao, F., & Cukurova, M. (2024), AI competency framework for teachers, https://unesdoc.unesco.org/ark:/48223/pf0000391104
UNESCO, Miao, F., Shiohira, K., &Lao, N. (2024), AI competency framework for students, https://unesdoc.unesco.org/ark:/48223/pf0000391105
UNESCO (2022). K-12 AI curricula, A mapping of government-endorsed AI curricula https://unesdoc.unesco.org/ark:/48223/pf0000380602
Vuorikari, R., Kluzer, S. & Punie, Y. (2022), DigComp 2.2: The Digital Competence Framework for Citizens - With new examples of knowledge, skills and attitudes, EUR 31006 EN, Publications Office of the European Union, Luxembourg, ISBN 978-92-76-48882-8, doi:10.2760/115376
|