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E09: Fortbildungs‑ und Evaluationskonzepte im (fächerübergreifenden) MINT‑Bereich
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Wirksamkeit einer Fortbildung zum fächerübergreifenden Unterrichten mit digitalen Medien TU München, Deutschland Zusammenfassung Seit Jahren nimmt sich die Unterrichtsforschung der Schwierigkeiten hinsichtlich des Lehrens und Lernens im MIN-Bereich an. Die Lücke an implementierten Unterrichtskonzepten, bei denen das Wissen aus den naturwissenschaftlichen Unterrichtsfächern auf reale Problemsituationen transferiert wird, ist groß (Huntemann et al. 1999). Kontextorientiertes Lernen zielt darauf ab, interdisziplinäre, authentische Lernumgebungen zu konstruieren, die eine Auseinandersetzung mit naturwissenschaftlichen Phänomenen ermöglichen (Bessenrodt 2007). Die Wichtigkeit der Naturwissenschaften im Alltag muss gezielt im Unterricht thematisiert werden. Lehrpersonen stehen damit vor der Herausforderung, interessante Kontexte auszuwählen und mit den Basiskonzepten zu vereinen. Aktive, konstruktive, zielgerichtete, situierte und sozial-eingebundene Lernprozesse können durch das Forschende Lernen initiiert werden (Demuth et al. 2008). Sie bauen in Form eines wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses Verständnis über naturwissenschaftliche Inhalte/Methoden auf (Bünder und Parchmann 2004; Huntemann et al. 1999). Insbesondere digitale Medien können das kontextorientierte Forschende Lernen unterstützen (Otto et al. 2023; Hillmayr et al. 2020). Die Befunde der fach- und mediendidaktischen Lehr-Lernforschung belegen das Potential digitaler Medien für den MIN-Unterricht, welches jedoch (im experimentellen Kontext) kaum ausgeschöpft wird (Drossel et al. 2019). Entsprechend müssen (angehende) Lehrkräfte an der Schnittstelle von fachdidaktischem und technologischem Wissen mediendidaktische Kompetenzen zur Vervollständigung ihres Professionswissens erwerben (Borowski et al. 2010; Valtonen et al. 2015; Köhler und Mishra 2009). Nur wenn Lehrpersonen innovative Technologien akzeptieren, können die Weichen für eine erfolgreiche Implementierung gesetzt werden (Lipowsky und Rzejak 2021). Daher sollten Lehrkräfte frühzeitig sensibilisiert und technische Innovationen stärker in die fachspezifische Lehrkräftebildung und –fortbildung integriert werden. Infolgedessen wurde in Kooperation mit dem IPN und der Universität Hamburg (Leitungen: Ilka Parchmann; Mirjam Steffensky) ein DigiProMIN-Fortbildungskonzept initiiert, das geeignete Kontexte (z.B. Ernährung) horizontal und vertikal über die Schullaufbahn (z.B. weiterführende Schulen/Berufsbildung) thematisiert und dabei die Möglichkeiten digitaler Lehr- und Lernwerkzeuge in den Fokus nimmt. In der Studie, exemplarisch für die TUM (Bayern) vorgestellt, wird untersucht, wie MIN-Lehrpersonen ihre Selbstwirksamkeit hinsichtlich digitaler Medien einschätzen und wie sich ihr technologiebezogenes Professionswissen durch die Fortbildung fördern lässt. Zudem sollen sie die Einsatzmöglichkeiten technischer Innovationen für das Forschende Lernen bewerten. Basierend auf dem T(D)PACK-Modell (Koehler & Mishra 2009) und dessen lehr-lernbezogene Ausdifferenzierung im DigCompEdu-Modell (Redecker 2017) ist ein modular-aufgebautes Fortbildungsprogramm entstanden, das auf dem digital-gestützten Forschenden Lernen fußt und sich an MIN-Lehrkräfte zur Erweiterung ihres technologiebezogenen Professionswissens richtet. Als Basismodul konzentriert sich der erste Fortbildungstag auf dem digital-gestützten Experimentieren an MIN-Kontexten (hier: alkoholische Gärung). Auf Basis eines Schwerpunktpakets, z.B. Digitale Messwertdatenerfassung, wird ein Experiment geplant, durchgeführt und reflektiert. Es folgt die Entwicklung eines digital-gestützten Unterrichtskonzepts, welches im Fachunterricht eingesetzt und in Modul 2 eruiert wird. Zudem führt Fortbildungstag 2 (Vertiefungsmodul) in das Thema „Data Science“ ein und nimmt sich den Potenzialen und Grenzen Künstlicher Intelligenz für das naturwissenschaftliche Arbeiten an. Entsprechend werden die Möglichkeiten KI-basierter Lehr- und Lernszenarien zur Unterrichtsvorbereitung und -gestaltung erprobt und diskutiert. Zur Erfassung der Wirksamkeit der Fortbildung füllen Gymnasial- und Realschullehrkräfte (Fokus: Biologie/Chemie; N > 50) zu Beginn einen digitalen Fragebogen zum technologiebezogenen Professionswissen aus. Anschließend nehmen die Lehrkräfte an Modul 1 teil. Nach Implementierung des an Fortbildungstag 1 entwickelten Unterrichtskonzepts füllen die MIN-Lehrkräfte einen Akzeptanz- und Usabilitytest aus. Es folgt die Teilnahme an Modul 2 mit anschließender Elaboration einer Aufgabe zum Forschenden Lernen per Lautem Denken. Die Studiendurchführung endet mit dem Posttest zum technologiebezogenen Professionswissen. Die quantitativen Analysen erfolgen mit statistischen Methoden der empirischen Sozialforschung. Die Denkprotokolle werden mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring (2010) ausgewertet. Literaturverzeichnis Bessenrodt, Monika (2007): Geschlechtergerechtes Lehren und Lernen in Naturwissenschaft und Technik. Aktiv, kooperativ und authentisch durch Kontextorientierung und reflexive Koedukation. DOI: 10.1515/9783839406748-009. Borowski, A.; Neuhaus, B. J.; Tepner, O.; Wirth, J.; Fischer, H. E.; Leutner, D. et al. (2010): Professionswissen von Lehrkräften in den Naturwissenschaften (Pro-wiN) – Kurzdarstellung des BMMF-Projekts. In: Zeitschrift für Didaktik der Naturwissenschaften 16, S. 341–349. Bünder, Wolfgang; Parchmann, Ilka (2004): Lehrerarbeit in Lerngemeinschaften. Lernen durch Reflexion und Implementation einer innovativen Unterrichtskonzeption Chemie im Kontext. Beiträge zur Lehrerbildung 22 (2004) 1, S. 29-40. In: Beiträge zur Lehrerbildung 22. DOI: 10.25656/01:13537. Demuth, Reinhard; Grasel, Cornelia; Parchmann, Ilka; Ralle, Bernd (2008): Chemie im Kontext. von der innovation zur nachhaltigen verbreitung eines unterrichtskonzepts. Münster: Waxmann. Drossel, K.; Eickelmann, B.; Schaumburg, H.; Labusch, A. (2019): Nutzung digitaler Medien und Prädiktoren aus der Perspektive der Lehrerinnen und Lehrer im internationalen Vergleich. In: B. Eickelmann, W. Bos, J. Gerick, F. Goldhammer, H. Schaumburg, K. Schwippert et al. (Hg.): ICILS 2018 #Deutschland. Computer- und informationsbezogene Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern im zweiten internationalen Vergleich und Kompetenzen im Bereich Computational Thinking. New York: Waxmann, S. 205–240. Hillmayr, Delia; Ziernwald, Lisa; Reinhold, Frank; Hofer, Sarah I.; Reiss, Kristina M. (2020): The potential of digital tools to enhance mathematics and science learning in secondary schools: A context-specific meta-analysis. In: Computers & Education 153, S. 103897. DOI: 10.1016/j.compedu.2020.103897. Huntemann, Heike; Paschmann, Antje; Parchmann, Ilka; Ralle, Bernd (1999): Chemie im Kontext‐ein neues Konzept für den Chemieunterricht? Darstellung einer kontextorientierten Konzeption für den 11. Jahrgang. In: Chemkon 6 (4), S. 191–196. DOI: 10.1002/ckon.19990060406. Köhler, M. J.; Mishra, P. (2009): What Is Technological Pedagogical Content Knowledge? In: Contemporary Issues in Technology and Teacher Education 9 (1), S. 60–70. Lipowsky, F., & Rzejak, D. (2021). Fortbildungen für Lehrpersonen wirksam gestalten: Ein praxisorientierter und forschungsgestützter Leitfaden. Gütersloh: Bertelsmann Stiftung. Mayring; P. (2010): Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. 2. Aufl. Weinheim: Beltz-Verlag. Otto, K.-H. Ciprina, Steffen Hohmann, Jan Paulus, Katja Rath, Anna Jeske, Ina Keil, Andreas (Lern – und Erlebnislabor Industrienatur) (2023): LELINA: Digitale Medien in der außerschulischen Bildung für Nachhaltige Entwicklung in einem Lehr-Lern-Labor auf einer Industrienaturfläche in der Metropole Ruhr, 91-105. DOI: 10.1007/978-3-658-40109-2_7. Redecker, C. (2017): European Framework for the Digital Competence of Educators: DigCompEdu. In: JRC Research Reports JRC107466, Joint Research Centre (Seville site). Valtonen, T.; Sointu, E. T.; Mäkitalo-Siegl, K.; Kukkonen, J. (2015): Developing a TPACK measurement instrument for 21st century pre-service teachers. In: International journal of media, technology and lifelong learning 11 (2), S. 87–100. Wirksamkeit eines fachübergreifenden Fortbildungskonzepts zur kognitiven Aktivierung im digital-gestützten Mathematik- und Sachunterricht 1Universität Münster, Deutschland; 2Technische Universität Dortmund, Deutschland Zusammenfassung Digitalen Medien wird besonderes Potenzial zur Gestaltung qualitätsvollen Unterrichts und der damit einhergehenden Förderung fachspezifischer Lernprozesse zugeschrieben (Eickelmann & Gerick, 2020). Untersuchungen legen jedoch nahe, dass Lehrkräfte digitale Medien nur selten zur Realisierung von Basisdimensionen guten Unterrichts wie kognitive Aktivierung und konstruktive Unterstützung (Praetorius & Charalambous, 2018) einsetzen (Quast et al., 2023). Es besteht daher Professionalisierungsbedarf und damit einhergehend ein Bedarf an evidenzbasierten Fortbildungskonzepten zur Umsetzung von Basisdimensionen guten Unterrichts im digital-gestützten Unterricht. Die besonderen Potenziale digitaler Medien zur kognitiven Aktivierung und konstruktiven Unterstützung sind einerseits fachspezifischer Natur wie etwa die Visualisierung nicht-sichtbarer Phänomene im naturwissenschaftsbezogenen Sachunterricht (Gervé, 2015) oder die Entlastung von Routinetätigkeiten im Mathematikunterricht (Rink & Walter, 2020). Viele Potenziale sind aber auch fachübergreifender Natur wie die Verknüpfung verschiedener Repräsentationen (Irion & Scheiter, 2018). Deswegen könnten fachübergreifende Fortbildungskonzepte lohnenswert sein. Vor diesem Hintergrund wurde im Projekt ComeMINT-Netzwerk im Kompetenzverbund lernen:digital der Frage nachgegangen, inwiefern sich ein fachübergreifendes Fortbildungskonzept zur kognitiven Aktivierung im digital-gestützten Mathematik- und Sachunterricht auswirkt auf verschiedene Konstrukte wie die Selbsteinschätzung digitaler Kompetenzen in Mathematik- und Sachunterricht, die Selbstwirksamkeitserwartungen zum Einsatz digitaler Medien in Mathematik- und Sachunterricht, die Einstellungen zum Einsatz digitaler Medien in Mathematik- und Sachunterricht sowie die Transferqualität. Dafür wurde zunächst ein entsprechendes Fortbildungskonzept entwickelt, das fünf aufeinander bezogene Module umfasst und etablierte Charakteristika lernwirksamer Fortbildungen (z.B. Darling-Hammond et al., 2017, Lipowsky & Rzejak, 2021) für den fachübergreifenden Ansatz adaptiert: Inhaltlich fokussiert die Fortbildungsreihe die kognitive Aktivierung mit Lernvideos und eBooks im Mathematik- und Sachunterricht und enthält in jedem Modul sowohl fachübergreifende als auch fachspezifische Anteile, wodurch einerseits eine inhaltliche Fokussierung erfolgt und andererseits eine Orientierung am Stand der Unterrichtsforschung. Die Lehrkräfte nehmen möglichst in einem Tandem teil, eine Lehrkraft mit Schwerpunkt Mathematik, die andere mit Schwerpunkt Sachunterricht, wodurch die kollegiale Kollaboration gestärkt werden soll. Die Lehrkräfte werden in den Modulen angeregt, eine unterrichtspraktische Erprobung zu planen, zwischen zwei Modulen durchzuführen und im folgenden Modul sowohl fachspezifisch als auch fachübergreifend zu reflektieren, wodurch eine Verknüpfung von Input-, Erprobungs- und Reflexionsphasen sowie eine Förderung des Wirksamkeitserlebens erfolgen soll. Je nach Bedarf erhalten die Lehrkräfte zu verschiedenen Zeitpunkten Feedback zu ihren Erprobungen. Insgesamt soll der Transfer in die eigene Unterrichtspraxis angeregt und unterstützt werden. Das entwickelte Fortbildungskonzept wurde im Sinne der fachdidaktischen Entwicklungsforschung (Hußmann et al., 2013) in zwei Zyklen (weiter-)entwickelt und mit jeweils 32 Lehrkräften erprobt und evaluiert. Zur Evaluation wurden die in der Forschungsfrage genannten Konstrukte erfasst. Die dafür erforderlichen Skalen basieren auf bewährten Instrumenten und wurden für den fachübergreifenden Ansatz adaptiert. Die Selbsteinschätzung digitaler Kompetenzen in Mathematik und Sachunterricht wurde in Anlehnung an DigCompEdu nach Quast et al. (2023) erfasst, die Selbstwirksamkeitserwartungen zum Einsatz digitaler Medien in Mathematik und Sachunterricht in Anlehnung an Schwarzer und Jerusalem (2003), die Einstellungen zum Einsatz digitaler Medien in Mathematik und Sachunterricht in Anlehnung an Vogelsang et al. (2019) und die Transferqualität gemäß Richter und Richter (2023). Darüber hinaus wurde ein selbstentwickelter Fragebogen im offenen Antwortformat zur Wahrnehmung der Lehrkräfte zur Umsetzung der Charakteristika lernwirksamer Fortbildungen im fachübergreifenden Fortbildungskonzept eingesetzt. So können ggf. Veränderungen in den quantitativ erfassten Daten mit qualitativen Daten interpretiert werden. Der Vortrag präsentiert das fachübergreifende Fortbildungskonzept, die empirischen Befunde sowie Schlussfolgerungen hinsichtlich der Gestaltung fachübergreifend angelegter Fortbildungskonzepte. Literaturverzeichnis Darling-Hammond, L., Hyler, M. E., & Gardner, M. (2017). Effective teacher professional development. CA: Palo Alto https://learningpolicyinstitute.org/sites/default/files/product-files/Effective_Teacher_Professional_Development_REPORT.pdf. Eickelmann, B., & Gerick, J. (2020). Lernen mit digitalen Medien. In D. Fickermann & B. Edelstein (Hrsg.), „Langsam vermisse ich die Schule ...“ (S. 153–162). Münster: Waxmann. https://doi.org/10.31244/9783830992318.09. Gervé, F. (2015). Digitale Medien als „Sache“ des Sachunterrichts. In M. Peschel & T. Irion (Hrsg.), Neue Medien in der Grundschule 2.0. Grundlagen - Konzepte - Perspektiven (S.121-134). Frankfurt am Main: Grundschulverband e.V. Hußmann, S., Thiele, J., Hinz, R., Prediger, S. & Ralle, B. (2013). Gegenstandsorientierte Unterrichtsdesigns entwickeln und erforschen - Fachdidaktische Entwicklungsforschung im Dortmunder Modell. In: M. Komorek, S. Prediger (Hrsg.), Der lange Weg zum Unterrichtsdesign: Zur Begründung und Umsetzung genuin fachdidaktischer Forschungs- und Entwicklungsprogramme (S. 19-36). Waxmann, Münster. Irion, T. & Scheiter, K. (2018). Didaktische Potenziale digitaler Medien. GS Aktuell (142), 8-11. Lipowsky, F. & Rzejak, D. (2021). Fortbildungen für Lehrpersonen wirksam gestalten. Ein praxisorientierter und forschungsgestützter Leitfaden. Bertelsmann Stiftung. Lipowsky, F. & Rzejak, D. (2023). Wodurch zeichnen sich wirksame unterrichtsbezogene Fortbildungen aus? – Ein Überblick über den Forschungsstand. In P. Daschner, et al. (Hrsg.), Einmal ausgebildet – lebenslang qualifiziert? Lehrkräftefortbildung in Deutschland: Sachstand und Perspektiven (S. 126–145). Beltz Juventa. Praetorius, A.-K., & Charalambous, C. Y. (2018). Classroom observation frameworks for studying instructional quality: Looking back and looking forward. ZDM, 50(3), 535–553. https://doi.org/10.1007/s11858-018-0946-0 Quast, J., Rubach, C. & Porsch, R. (2023). Professional digital competence beliefs of student teachers, pre-service teachers and teachers: Validating an instrument based on the DigCompEdu framework. European Journal of Teacher Education (S. 1-24). Richter, E. & Richter, D. (2023). Fortbildungsmonitor. Ein Instrument zur Erfassung der Prozessqualität von Lehrkräftefortbildungen. Potsdam. Rink, R., & Walter, D. (2020). Digitale Medien im Matheunterricht – Ideen für die Grundschule. Cornelsen. Schwarzer, R. & Jerusalem, M. (2003). SWE. Skala zur Allgemeinen Selbstwirksamkeitserwartung. Verfahrensdokumentation, Autorenbeschreibung und Fragebogen. In Leibniz-Institut für Psychologie (ZPID) (Hrsg.), Open Test Archive. ZPID. https://doi.org/10.23668/psycharchives.4515 Didaktischer Doppeldecker - ein Begriff, vielfältige Umsetzungen im Projekt D4MINT 1RWTH Aachen, Deutschland; 2Universität Potsdam, Deutschland; 3Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Deutschland Zusammenfassung Laut der Kultusministerkonferenz (KMK) sind in der Lehrkräftefortbildung zur Digitalisierung „solche Fortbildungsformate zu stärken, die fachliche und didaktische Inhalte mit professioneller Kompetenzentwicklung im Sinne eines ‚didaktischen Doppeldeckers‘ verknüpfen“ (KMK, 2021, S. 18). Auch die empirische Schul- und Unterrichtsforschung fordert, dass „für einen lernwirksamen digital gestützten Unterricht [...] digitale Tools [...] auch im Rahmen von Fortbildungen – idealerweise im Sinne eines pädagogischen Doppeldeckers – eine bedeutende Rolle spielen“ (Lipowsky & Rzejak, 2021, S. 23). Doch wie kann ein derartiger didaktischer Doppeldecker in der Fortbildungspraxis ausgestaltet werden? Der Begriff ‚pädagogischer Doppeldecker‘ wird in der Literatur nahezu synonym zum Begriff ‚didaktischer Doppeldecker‘ verwendet (vgl. z.B. Wiemer & Hempel, 2023, S. 25 oder Müggenberg, 2024, S. 201). Ursprünglich geht der Begriff auf Geissler (1985) zurück und meint, „dass die Lernenden genau mit jenen Methoden unterrichtet werden, die sie später als Lehrende einsetzen sollen“ (Wahl, 2002, S. 234) sowie die Gestaltung von „Lehr-Lern-Prozessen [...] in Übereinstimmung mit den transportierten Botschaften“ (Wahl, 2023, S. 73). Kern des Prinzips ist, dass sich Fortbildungsteilnehmende wissend darauf einlassen, zunächst als Lernende (z.B. aus Schüler*innenperspektive) die Inhalte der Fortbildung zu erarbeiten, um dann als Expert*innen (z.B. aus Lehrer*innenperspektive) bewusst darüber in Diskussion zu treten und Konsequenzen für das eigene Unterrichten abzuleiten. Das in der Vergangenheit meist auf das Lernen von Methoden gerichtete Prinzip (vgl. Wahl, 2002, S. 243) lässt sich im Sinne der KMK-Verordnung auch auf das Lernen mit und über digitale Tools bzw. in digitalen Lernsettings wie auch den Erwerb von fachlichen Kompetenzen übertragen. Dabei können die konkreten Lernziele vielfältig sein, wie sich anhand der im Projekt D4MINT entwickelten und untersuchten Fortbildungskonzepte zeigt. Bisher fehlen weitestgehend konkrete Anwendungsszenarien für den didaktischen Doppeldecker in der dritten Phase der Lehrkräftebildung inklusive ihrer Evaluation, um dessen Wirksamkeit und Akzeptanz fundiert zu bewerten. Das Projekt D4MINT liefert hier einen Beitrag, indem konkrete Anwendungsszenarien des didaktischen Doppeldeckers im Sinne von Case-Studies in diversen Fortbildungsformaten mit unterschiedlichen fachlichen Ausrichtungen entwickelt, durchgeführt und evaluiert werden. Im Vortrag werden diese vielfältigen Umsetzungen des didaktischen Doppeldeckers konkret dargestellt. Dies umfasst verschiedene Fortbildungen für die Fächer Mathematik, Informatik, Biologie, Chemie und Physik sowie übergreifende Angebote aus der Medienpädagogik und den Lerntechnologien für Lehrkräfte unterschiedlicher Schulformen von der Primarstufe bis hin zur beruflichen Bildung. Anhand der Evaluationsergebnisse zu den Fortbildungen und zusätzlichen Befragungen im Rahmen von Fachtagungen für Lehrkräfte (zur MINT-Bildung) können Vorkenntnisse und Haltungen zum Prinzip des didaktischen Doppeldeckers und seiner Umsetzung in den Fortbildungen aus Perspektive der Praxiscommunity und insbesondere der Fortbildungsteilnehmenden dargestellt und diskutiert werden. Literaturverzeichnis Geissler, K. A. (1985). Pädagogisch-psychologische Grundlagen für das Lernen in Gruppen: Lernen in Seminargruppen - Grundlagen. Tübingen: Deutsches Institut für Fernstudien. Kultusministerkonferenz (KMK, 2021). Lehren und Lernen in der digitalen Welt. Die ergänzende Empfehlung zur Strategie "Bildung in der digitalen Welt". Online verfügbar unter https://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2021/2021_12_09-Lehren-und-Lernen-Digi.pdf. Lipowsky, F. & Rzejak, D. (2021). Fortbildungen für Lehrpersonen wirksam gestalten. Ein praxisorientierter und forschungsgestützer Leitfaden. Gütersloh: Bertelsmann Stiftung. https://doi.org/10.11586/2020080. Müggenburg, C. (2024). Airport retransformed. Außer(hoch)schulische Lernorte in der Lehrkräftebildung. Zeitschrift für Interaktionsforschung in DaFZ, 4(1), 199-209. https://doi.org/10.17192/ziaf.2024.4.1.8637. Wahl, D. (2023). Wirkungsvolle Lehr-Lern-Arrangements für den Weg vom Wissen zum Handeln. Wie man in der Lehrerbildung professionelle Kompetenzen anbahnen kann. SEMINAR, 29(1), 69-83. https://doi.org/10.3278/SEM2303W006. Wahl, D. (2002). Mit Training vom trägen Wissen zum kompetenten Handeln? Zeitschrift für Pädagogik, 48(2), 227-241. https://doi.org/10.25656/01:3831. Wiemer, S. & Hempel, M. (2023). Der ‚Didaktische Doppeldecker‘ für die digitalisierte Lehre – Theoretische Anknüpfungspunkte und praktische Umsetzungsmöglichkeiten am Beispiel der Qualifizierung studentischer Tutor:innen. Journal for Higher Education and Academic Development, 2, 24-33. https://doi.org/10.55310/jfhead.44. |