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Sitzungsübersicht
Sitzung
Session 6.6
Zeit:
Mittwoch, 24.09.2025:
10:45 - 12:15


Inklusive Berufsorientierung im Übergang von der Förderschule in die berufliche Bildung (Symposium)


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Präsentationen

Inklusive Berufsorientierung im Übergang von der Förderschule in die berufliche Bildung

Chair(s): Hübner, Dr. Carina (Universität Siegen, Deutschland)

Diskutant*in(nen): Greiten, Prof. Dr. Silvia (Pädagogische Hochschule Heidelberg)

Seit Unterzeichnung der UN-BRK befinden wir uns auch im Bildungssystem in einem Prozess der Transformation hin zu einer inklusiven Gesellschaft. Eine bedeutsame Rolle in der Vorbereitung der Jugendlichen auf die Ausbildungsplatzsuche und die Berufswelt spielt die (inklusive) schulische Berufsorientierung. In Vorbereitung des Transitionsprozesses Schule-Beruf gilt die schulische Berufsorientierung als wichtige Voraussetzung für den erfolgreichen Übergang in die weitere berufliche Bildung und in das Beschäftigungssystem. Trotz rechtlicher und curricularer Vorgaben und dem Wissen um die Berufsorientierung als Entwicklungsaufgabe (KMK 2017) ist die Umsetzung inklusiver Berufsorientierung in Schulen und demzufolge manche Zuständigkeit unklar (Greiten, Hübner & Bienengräber, 2024). Zudem fällt auf, dass der Terminus der inklusiven Berufsorientierung nahezu ungeklärt und in der Literatur mit unterschiedlichen Bedeutungen versehen ist. Dies wirkt sich auf die Umsetzung der Berufsorientierungsangebote in den Schulsystemen und die Vorbereitung des Transitionsprozesses aus, insbesondere auf die Gestaltung und damit die Wirksamkeit der obligatorischen Betriebspraktika.

Das Symposium wird von einer interdisziplinären Arbeitsgruppe ausgerichtet. Es befasst sich u.a. mit der Begriffsdefinition von inklusiver Berufsorientierung, den Berufsorientierungskonzepten von Förderschulen und berufsbildenden Schulen und dem Berufsorientierungsprozess junger Menschen mit einem (ehemaligen) sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf. Im Symposium werden die Ergebnisse einer qualitativen Studie vorgestellt. Im Rahmen eines Projektes hat die Arbeitsgruppe 14 Interviews mit ehemaligen Förderschüler:innen mit dem Schwerpunkt LERNEN durchgeführt. Die Interviews wurden mit der inhaltlich-strukturierenden Qualitativen Inhaltsanalyse mehrperspektivisch ausgewertet: (1) Wertesensible Berufsorientierung, (2) Bedeutung des Schülerbetriebspraktikums, (3) Pädagogische Begleitung in der Berufsorientierung im Übergang von der Förderschule in das berufsbildende System.

Die Befunde zeigen hochindividualisierte, gelungene und unerwartete Bildungswege. Sie markieren dadurch die Bedeutung der Dimensionen Zeit, Berufsorientierung und Inklusion, die auf den Ebenen von Ethik, Gesetz, Individuum und Gesellschaft miteinander verbunden sind und damit an jenes Modell inklusiver Berufsorientierung angebunden sind, das von der Arbeitsgruppe entwickelt wurde (Bienengräber, Greiten & Hübner, in Begutachtung). Die Befunde und die Verläufe der Bildungsprozesse weisen zudem darauf hin, dass in der inklusiven beruflichen Bildung, bezogen auf die pädagogische Begleitung von Betriebspraktika, deutlich mehr Aufmerksamkeit auf individuelle Ressourcen, Optionen des Elternhauses, des Bildungssystems und der Bildungspartner:innen in der Berufs- und Arbeitswelt gerichtet werden müssen, um die Individuen zu unterstützen. Zudem ist die pädagogische Begleitung von Lehrkräften an Förderschulen und in berufbildenden Schulen bedeutsam, Lehrkräfte können in Transitionsprozessen als Unterstützende aber auch Verhindernde wahrgenommen werden.

Im Anschluss an die Beiträge wird sich die Diskussion auf die Begriffsbildung und Definitionsversuche zur inklusiven Berufsorientierung, auf den forschungsmethodischen Zugang und mehrperspektivische Auswertung von Interviews sowie Herausforderungen in Transitionsprozessen von Förderschulschüler:innen richten.

 

Beiträge des Symposiums

 

Wertesensible Berufsorientierung

Bienengräber, Prof. Dr. Thomas
Universität Duisburg-Essen

Bezogen auf den Terminus der inklusiven Berufsorientierung ist eine zweifache Unschärfe im Umgang mit dem Inklusionsbegriff in der beruflichen Bildung zu konstatieren (Zoyke & Vollmer 2016; Hinz 2018): Einerseits ist es nicht vollständig klar, ob Inklusion oder Integration gemeint ist (Wocken 2011), andererseits bezieht sich das entsprechende Bemühen vorrangig auf Menschen mit Behinderung (Hinz 2018). Noch problematischer wird der Inklusionsbegriff, wenn man ihn mit Berufsorientierung verbindet, da auch dieser Begriff nicht klar definiert ist. Um in diesem Gemenge definitorischer Unschärfen einen Ansatzpunkt für die Arbeit an einem inklusiven Berufsbildungssystem zu schaffen, wurde eine Definition des Begriffs der inklusiven Berufsorientierung entwickelt, die den Begriff auf drei Dimensionen und vier Ebenen verortet (Bienengräber, Greiten & Hübner, in Begutachtung). Anhand von qualitativen Interviews, die mit ehemaligen Schüler:innen mit dem Schwerpunkt LERNEN wurde der theoretisch erarbeitete Begriff inklusiver Berufsorientierung auf empirische Belege hin untersucht. Eine bedeutsame Rolle im Übergang Schule - Beruf spielt die (inklusive) Berufsorientierung (iBO). Trotz rechtlicher und curricularer Vorgaben ist ihre Umsetzung in Schulen unklar (Greiten, Hübner & Bienengräber, 2024), u.a. weil der Terminus der iBO nahezu ungeklärt ist (Zoyke & Vollmer 2016). Um den Begriff zu schärfen wurde eine Definition von iBO entwickelt, die ihn auf drei Dimensionen und vier Ebenen verortet (Bienengräber, Greiten & Hübner, in Begutachtung) – eine davon sind Werte.

Anhand von qualitativen Interviews, die mit ehemaligen Schüler:innen mit dem Schwerpunkt LERNEN geführt wurden, wird der theoretisch erarbeitete Begriff auf Aussagen zur Wertorientierung und Werteerfahrung in der iBO dahingehend untersucht, welche Wertschätzung die Interviewten auf individueller und systemischer Seite für ihre Person und ihre Leistung erfahren. Dazu wurde die Werteebene der o.a. Definition zunächst theoretisch fundiert kategorisiert und die Interviews dann dahingend deduktiv und induktiv analysiert. Die Ergebnisse zeigen u.a., dass der Kontext des "Förderschüler-Seins" und erlebte oder fehlende Wertschätzung, Diskriminierung, wenig oder viel Zutrauen im Übergang von der Schule in die berufliche Bildung den Transitionsprozess ehemaliger Schüler:innen von Förderschulen mit dem Schwerpunkt LERNEN nachhaltig beeinflusst. Daraus ergeben sich Diskussionsanlässe für wertesensible Berufsorientierung.

Bienengräber, T., Greiten, S. & Hübner, C. (in Begutachtung). Inklusive Berufsorientierung – zur Bestimmung eines unterbestimmten Begriffs.

Greiten, S., Hübner, C. & Bienengräber, Th. (2024). Research on Website-Based Information from Ministries in the Field of Education on the Topic of “Inclusive Vocational Orientation” - Results of a Structured Search, Journal of Vocational Education and Human Development, 13(2), 14–25. DOI: 10.15640/jehd.v13n2a3

Hinz, A. (2018). Inklusion und ihre Bedeutung für die berufliche Bildung. In I. Arndt, F. Neises, & K. Weber (Hg.), Inklusion im Übergang von der Schule in Ausbildung und Beruf (16-27). Bundesinstitut für Berufsbildung.

Wocken, H. (2011). Inklusion & Integration. Ein Versuch, die Integration vor der Abwertung und die Inklusion vor Träumereien zu bewahren. In H. Wocken (Hg.), Das Haus der inklusiven Schule. Baustellen – Baupläne – Bausteine (59–90). Feldhaus.

Zoyke, A. & Vollmer, K. (Hg.), (2016). Inklusion in der Berufsbildung: Befunde – Konzepte – Diskussionen. Bundesinstitut für Berufsbildung. Bertelsmann.

 

Das Schülerbetriebspraktikum als Chance für Empowerment und Erfahrung von Selbstbestimmung aus der Perspektive ehemaliger Schüler*innen mit sonderpädagogischem Schwerpunkt Lernen

Huebner, Dr. Carina
Universität Siegen

Der Transitionsprozess Schule-Beruf ist vor allem für Schüler*innen mit sonderpädagogischem Schwerpunkt mit Herausforderungen verbunden. Aufgrund des schulischen Status oder unzureichender Qualifikationen sind ihre nachschulischen Anschlussperspektiven eingeschränkt (z. B. Hübner, 2023; Rosenberger, 2012). Die Praktika der Berufsorientierung bergen die Möglichkeit, den Berufsalltag kennenzulernen und offerieren einen Raum der persönlichen Entwicklung und Orientierung (KMK, 2017).

In der vorliegenden qualitativen Studie wurden ehemalige Schüler*innen von Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt Lernen zum Erleben ihres Sonderpädagogischen Schwerpunktes im Prozess der Berufsorientierung befragt. Die inhaltsanalytisch ausgewerteten Aussagen dokumentieren, dass das Betriebspraktikum als zentrales Element der Berufsorientierung, als Chance für Empowerment und Erfahrung von Selbstbestimmung erlebt wurde.

Im Vortrag werden die Ergebnisse zum Empowerment und den Selbstbestimmungserfahrungen aus der Sicht ehemaliger Schüler*innen im Schwerpunkt im LERNEN vorgestellt und die Bedeutung von Praxiselementen als zentrale Angebote im BO-Prozess von Schüler*innen mit Sonderpädagogischem Schwerpunkt diskutiert.

Hübner, C. (2023). The assessment of different types of student work experience for vocational orientation from the perspective of students with learning difficulties. International Journal of Educational and Life Transitions, 2(1): 7, pp. 1–15. DOI: https://doi.org/10.5334/ijelt.37

Rosenberger, H. (2012). Wahl-lose Berufswahl. Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Lernen am Übergang Schule – Beruf. Unveröffentlichte Dissertation, Universität Erfurt.

Ständige Konferenz der Kultusminister: Empfehlung zur Beruflichen Orientierung an Schulen. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 07.12.2017. 2017. https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2017/2017_12_07-Empfehlung-Berufliche-Orientierung-an-Schulen.pdf

 

Pädagogische Begleitung durch Lehrkräfte im Übergang von der Förderschule zur beruflichen Bildung aus Sicht ehemaliger Schüler:innen der Förderschule Lernen

Greiten, Prof. Dr. Silvia
Pädagogische Hochschule Heidelberg

Pädagogische Begleitung der Berufsorientierung ist ein bedeutender Aufgabenbereich vor allem an Förderschulen, da der Übergang von Schüler:innen mit spezifischen Bedarfen in weitere Schulen und oder in berufliche Ausbildungsprozesse als schwierig gilt. Insofern haben die Schule als System und die Lehrkräfte als pädagogische Begleiter:innen in der Biografie der Schüler:innen eine hohe Verantwortung. Zur Durchführung inklusiver Berufsorientierung bedarf es diesbezüglich differenzierter Kenntnisse der Lehrkräfte, schulischer Konzepte zur Berufsorientierung sowie außer- und überschulischer Kooperationen (Bylinski 2016; Greiten et al. 2019). Im Beitrag werden Ergebnisse aus einer Interviewstudie mit 14 ehemaligen Schüler:innen der Förderschule Lernen vorgestellt, ausgewertet mit der qualitativen Inhaltsanalyse (Kuckartz & Rädiker 2024). Ergebnisse: Ein Großteil der Schüler:innen konnte in Schulen der beruflichen Bildung weitere Schulabschlüsse erreichen und ebenso berufliche Anschlüsse. Auch nach dem Verlassen der Förderschule bleibt die Berufliche Orientierung bedeutsam. Irritierend und überraschend erscheinen die Einschätzungen der Befragten zur Rolle von Lehrkräften an Förderschulen und berufsbildenden Schulen, die in einem Spektrum als Verhinderer von Leistungsmotivation und echten beruflichen Erfahrungen bis hin zu Förderern individueller Laufbahnen wahrgenommen wurden (Greiten, Bienengräber & Hübner, in Begutachtung). Abschließend wird diskutiert, welche systemischen Bedingungen in Förderschulen und in Folge in Schulen des berufsbildenden Bereichs als förderlich oder hinderlich für Berufsorientierung betrachtet und welche Konsequenzen sich für berufliche Orientierung in Schulen ergeben können.

Bylinski, U. (2016). Begleitung individueller Wege in den Beruf: Professionalisierung für eine inklusive Berufsbildung. In: U. Bylinski & J. Rützel (Hrsg.), Inklusion als Chance und Gewinn für eine differenzierte Berufsausbildung (S. 215-231). Bertelsmann.

Greiten, S., Bienengräber, T., Retzmann, T., Turhan, L. & Schröder, M. (2019). Competences of teachers and other educational professionals as condition for the success of inclusive vocational guidance in general and vocational schools, exemplified on organizing work placements for students. In: Journal für Psychologie 2 (2019), S. 313–335.

Greiten, S., Bienengräber, T. & Hübner, C. (in Begutachtung). Pädagogische Begleitung durch Lehrkräfte im Übergang ins berufsbildende System - Exemplarische Falldarstellung zu Einschätzungen ehemaliger Schüler:innen von Förderschulen mit dem Schwerpunkt Lernen

Kuckartz, U. & Rädiker, S. (2024). Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Umsetzung mit Software und künstlicher Intelligenz. Weinheim.



 
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