Herausforderungen der Berufsvorbereitung am Beispiel der Plattform „Planet Beruf“
Chair(s): Boger, Prof. Dr. Mai-Anh (Universität Koblenz), Redecker, Dr. Anke (Universität Koblenz), Freund, Dr. Sina Isabel (Universität Koblenz), Lütkepohl, Johannes (Universität Koblenz)
Aus der Perspektive einer Allgemeinen Sonderpädagogik ist die Transition Schule-Beruf ein Kristallisationspunkt des disziplinären und professionellen Selbstverständnisses. So zeigt sich am Übergang von der Schule zum Beruf mit besonderer Klarheit, ob und in welcher Form die (Förder-)Schule ihren gesellschaftlichen Funktionen (sensu Fend) nachgekommen ist und wie dies (selbstkritisch) reflektiert wird: Hat Schule denn nun wirklich qualifiziert, Integration ermöglicht usw.?
Forschungen zu Berufsvorbereitung im schulischen Kontext erlauben es daher, das Verhältnis von Schule und Gesellschaft insgesamt wie unter einem Brennglas zu betrachten: Welches Bild von Gesellschaft und Arbeit wird vermittelt? Wie wird Behinderung dabei (nicht) thematisiert? Wie wird über soziale Ungleichheit (Gehaltsunterschiede, Arbeitslosigkeit, Armut) gesprochen oder geschwiegen? Welche Emotionen werden dabei ausgelöst und berücksichtigt?
Um diesen Fragen nachzugehen, widmet sich das Symposium exemplarisch einer kritischen Analyse der Spiele-Plattform abenteuer-berufe.planet-beruf.de. Das Lernspiel wird aus vier theoretischen Perspektiven beleuchtet, die jeweils eine praktische Leitfrage an diesem Material illustrieren.
Beiträge des Symposiums
Cruel Optimism – oder: Das Versprechen eines aufregenden Abenteuers
Freund, Dr. Sina Isabel
Universität Koblenz
In der scheinbar mächtigen Position der Entdecker*in erhalten die Spielenden den Ruf ins Abenteuer. Die Suche nach einem Beruf wird zur Schatzsuche. Die Verknüpfung von Abenteuer und Glücksaussichten in Abwesenheit einer differenzierten Betrachtung von möglichen Arbeitsbedingungen und Verdienstmöglichkeiten ergibt ein verhängnisvolles Versprechen. Mithilfe der Überlegungen von Sara Ahmed und Lauren Berlant lässt sich dieses in seiner Komplexität betrachten.
Im Allgemeinen lautet die praktische Herausforderung hier: Wie kann das Wirken von Emotionen in sozialen Gefügen der Berufssuche und -beratung reflektiert werden?
Richtig mitspielen? – Anerkennungstheoretische Perspektiven auf eine gamifizierte Berufsvorbereitung
Redecker, Dr. Anke
Universität Koblenz
In spielerischer Kaschierung der Ambivalenz von (instrumentalisierter) Wertschätzung und Bewährungserwartung werden extrinsisch zu motivierende EinzelakteurInnen bei normgerechter Leistung in den magischen Kreis fiktiver Mitspielender aufgenommen. Kritisch an schulische Verkennungs- und Zuschreibungsproblematiken anknüpfend, sollten Lernende mit Behinderung hingegen in pädagogisch gestalteten Anerkennungsszenarien Reflexionsangebote zu ihren (zukünftigen) Herausforderungen des ‚Mitspielens‘ erhalten.
Im Allgemeinen lautet die praktische Herausforderung hier: Wie kann eine kritische Reflexion auf Anerkennungsverhältnisse angeregt werden?
Mitspielen und nicht nach dem Sinn des Ganzen fragen – die Spielregeln als heimlicher Lehrplan
Lütkepohl, Johannes
Universität Koblenz
Zudem spielen gesellschaftliche Verhältnisse, etwa Lohn, Hierarchien innerhalb der Arbeitsteilung und damit verbundene soziale Ungleichheiten kaum eine Rolle. Auch die Auswahl der im Spiel dargestellten Arbeitstätigkeiten wird nicht begründet. Auf eine übergeordnete, die verschiedenen Tätigkeiten miteinander verbindende Reflexion gesellschaftlicher Arbeit wird vielmehr verzichtet. An ihre Stelle tritt die Rahmenerzählung des Spiels. Sie versetzt die Spieler:in in eine im Ganzen undurchdringliche Zauberwelt, deren Spielregeln (mitspielen und nicht nach dem Sinn des Ganzen fragen) aus der Perspektive kritischer Schultheorie als heimlicher Lehrplan gelesen werden können.
Im Allgemeinen lautet die praktische Herausforderung hier: Wie kann Sinn (inmitten der Sinnlosigkeit) vermittelt werden?
Das Erwachsen-Werden durch Infantilisierung fördern? - Psychoanalytische Perspektiven
Boger, Prof. Dr. Mai-Anh
Universität Koblenz
Zuletzt scheint an dem Lernspiel interessant, dass es einen harschen Kontrast zwischen Form und Inhalt darbietet: Während es inhaltlich um den Berufseinstieg, also das Erwachsen-Werden geht, gleicht die Plattform graphisch eher einem Kinderbuch als einem Jugendroman — mitsamt niedlichem Begleit-Tier und kindlichem Animismus/magischem Denken. In psychoanalytisch-pädagogischen Begriffen (Übergangsobjekt, Regression, Identitätsbildung) wird daher zuletzt die für das Spiel handlungsleitende Paradoxie der Infantilisierung im Namen eines Reifungsprozesses analysiert.
Im Allgemeinen lautet die praktische Herausforderung hier: Wie kann das Erwachsen-Werden begleitet werden?