Schulassistenz neu denken: (Infrastrukturelle) Poolmodelle als Impuls für inklusive Schulentwicklung und gelingende Bildungstransitionen
Chair(s): Goldan, Dr. Janka (University of Cologne)
Die Übergänge in die Schule sowie in die Sekundarstufe I zählen zu den zentralen Bildungstransitionen im Lebenslauf. Besonders für Kinder aus sozioökonomisch benachteiligten Familien ist dieser Schritt mit Risiken verbunden, z.B. aufgrund mangelnder institutioneller Vorerfahrungen, sprachlicher Barrieren, prekären Lebenssituationen sowie fehlender familiärer Unterstützung im Bildungskontext. Aus diesen Gründen ist die (Bildungs-)Teilhabe von Kindern aus belasteten Lebenslagen häufiger gefährdet und sie weisen eine erhöhte Wahrscheinlichkeit auf, im Verlauf der Schulzeit als (sonderpädagogisch) förderbedürftig eingestuft zu werden (vgl. Werning & Lütje-Klose, 2016) und ggf. eine Schulassistenz beantragen zu müssen.
Infrastrukturelle, fallunabhängige Poolmodelle (IPM) stellen in diesem Kontext einen innovativen Ansatz schulischer Assistenz dar: Sie zielen nicht auf die Unterstützung einzelner Schüler:innen auf Grundlage individueller Anträge nach § 35a SGB VIII oder § 112 SGB IX, sondern setzen auf eine strukturell verankerte Präsenz von Schulassistenzen im schulischen Alltag. Diese Assistenzen sind in die multiprofessionellen Teams eingebunden und stehen grundsätzlich zur Unterstützung aller Schüler:innen im Unterricht zur Verfügung (Goldan et al., 2023).
Im Kontext von Transitionen kommt IPM eine doppelte Relevanz zu: Einerseits markieren sie selbst einen institutionellen Übergang – von individuellen, rechtlich fundierten Hilfen hin zu strukturell verankerten Unterstützungsangeboten –, andererseits zielen sie darauf ab, Übergänge innerhalb der Bildungsbiografie von Schüler:innen, wie etwa den Schuleintritt oder den Wechsel in die Sekundarstufe, durch kontinuierliche, nicht-antragsgebundene Assistenzangebote inklusiv zu gestalten. Diese Verschiebung stellt nicht nur einen Paradigmenwechsel in der Organisation schulischer Hilfesysteme dar, sondern fordert auch neue Formen der Verantwortungsübernahme, Steuerung und Praxis seitens der beteiligten Akteur:innen mit Blick auf die Schul- und Unterrichtsentwicklung.
Andererseits wirken IPM auch innerhalb der Bildungslaufbahn als Schnittstellen: Übergänge in das Schulsystem (Einschulung) oder zwischen Bildungsstufen (z. B. in die Sekundarstufe I) sind mit erhöhtem Risiko für Diskontinuitäten in der Unterstützungsstruktur verbunden. Das System individueller Schulassistenz kann an Übergängen zu Brüchen führen – mit potenziell negativen Folgen für die Teilhabe betroffener Schüler:innen. IPM greifen diese Herausforderung auf, indem sie den Schulen als strukturelle Unterstützung zur Verfügung stehen und eröffnen damit Perspektiven für eine Übergangs- und anschlussfähige Unterstützung.
Neben den beschriebenen IPM werden auch sogenannte fallbezogene oder fallabhängige Poolmodelle umgesetzt. Hierfür existiert eine rechtliche Grundlage, die eine gemeinsame Inanspruchnahme von Schulassistenz ermöglicht, sofern die Eltern zustimmen (Goldan et al., 2023). Zwar beruhen diese Poolmodelle auf individuellen Anträgen, eröffnen jedoch durch die Bündelung der Bedarfe erste Schritte in Richtung einer weniger stigmatisierenden Unterstützungsstruktur. Damit stellen sie eine wichtige Entwicklung im Bereich Schulassistenz dar, insbesondere in Kontexten, in denen die Umstellung auf IPM rechtlich, politisch oder strukturell noch nicht realisierbar ist.
Im Symposium werden verschiedene Aspekte im Kontext individueller Schulassistenz sowie fallabhängiger und fallunabhängiger Poolmodelle beleuchtet – sowohl aus inklusionspädagogischer als auch aus strukturell-organisatorischer Perspektive. Im Fokus stehen dabei zentrale Fragen inklusiver Schulentwicklung auf den verschiedenen Ebenen des Bildungssystems. Ziel des Symposiums ist es, wissenschaftliche Erkenntnisse und Praxiserfahrungen zusammenzuführen, und daraus Impulse für die Weiterentwicklung und Ausweitung von Poolmodellen in der Praxis abzuleiten.
Beiträge des Symposiums
Wer hat eine Schulassistenz? Bedarfsprofile und Analysen amtlicher Einzelfalldaten aus dem Kreis Soest und dem Land Bremen im Zeitverlauf
Goldan, Dr. Janka1, Zuchanek, Kevin2, Ilina-Georgescu, Andrea3 1Universität zu Köln, 2Bergische Universität Wuppertal, 3Universität Bielefeld
Schüler:innen mit (drohender) seelischer Behinderung gem. § 35a SGB VIII bzw. mit (drohender) geistiger oder körperlicher Behinderung gem. §112 SGB IX haben in Deutschland einen Rechtsanspruch auf Teilhabe an Bildung. Dieser Rechtsanspruch wird im Bereich Schule u. a. dadurch erfüllt, dass die anspruchsberechtigten Schüler:innen während der Unterrichtszeit im Rahmen einer Eins-zu-eins-Maßnahme von einer individuellen Schulassistenz begleitet und unterstützt werden. Seit vielen Jahren steigt die Zahl der Inanspruchnahme von Schulassistenz deutschlandweit stark an (für NRW liegen belastbare Zahlen zur Fallzahlentwicklung seit 2014 vor: vgl. Schneider et al., 2024). Differenzierte demografische Informationen bezüglich der Frage, wie sich die Gruppe der anspruchsberechtigten Schüler:innen zusammensetzt, existieren bisher nicht.
Vor dem Hintergrund eines kontinuierlichen Anstiegs der Fallzahlen individueller Schulassistenz widmet sich der Beitrag einer differenzierten Analyse amtlicher Daten aus zwei Evaluationsprojekten („ESyS-Soest“ und „ESyS-Bremen“; vgl. Goldan et al., 2023; 2024). In beiden Projekten wurde für mehrere Schuljahre ein umfangreicher Datensatz zusammengestellt, der Informationen zu allen Schüler:innen mit bewilligter Schulassistenz enthält. Für das Land Bremen wurden die Daten mit der Schüler:innenindividualstatistik verknüpft. Die Datensätze umfassen ein breites Spektrum an Variablen auf Einzelfallebene – darunter Informationen zum sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf, zur Schulform, Jahrgangsstufe, zum Alter und Geschlecht der Schüler:innen sowie zu verschiedenen Kontextmerkmalen auf Schul- und Systemebene.
Ziel des Beitrags ist es zunächst, auf dieser empirischen Grundlage erstmals eine datengestützte, differenzierte Darstellung der Gruppe der Anspruchsberechtigten und ihrer schulischen Rahmenbedingungen vorzulegen. Die Analysen erlauben neben deskriptiven Darstellungen eine Typisierung häufiger Unterstützungsprofile. So entsteht das Potenzial der Identifikation struktureller Muster und möglicher Ungleichheiten in der Antrags- und Bewilligungspraxis. Darüber hinaus bilden die Datensätze eine empirische Grundlage für die evidenzbasierte Weiterentwicklung kommunaler Modelle von Schulassistenz, die derzeit in vielen Regionen erprobt und implementiert werden. Ziel ist eine präventiv ausgerichtete und bedarfsgerechte Ressourcensteuerung, die Förderbedarfe frühzeitig identifiziert und durch systemisch verankerte Unterstützungsstrukturen individualisierte Maßnahmen gezielt entlastet.
Goldan, J., Grüter, S., Guth, T., Ilina-Georgescu, A., Corbach, R. & Lütje-Klose, B. (2023). Infrastrukturelle Poolmodelle im Bereich der Schulassistenz - Ziele, Rahmenbedingungen und Evaluation am Beispiel des Modellprojekts „Systemische Schulassistenz im Kreis Soest“. Zeitschrift für Heilpädagogik, 516–531. https://pub.uni-bielefeld.de/record/2983978
Goldan, J., Pollmeier, T. & Lekon, J. (2024). Abschlussbericht: Evaluation des Pilotprojekts „Systemische Schulassistenz in Bremen“. Fakultät für Erziehungswissenschaften. https://doi.org/10.4119/unibi/2994237
Schneider, K., Makles, A. M., Goldan, J. & Kozhaya, M. (2024). Fünfter Bericht zur Evaluation des Gesetzes zur Förderung kommunaler Aufwendungen für die schulische Inklusion in NRW: Abschlussbericht. Wuppertaler Institut für bildungsökonomische Forschung, Bergische Universität Wuppertal. https://www.wib.uni-wuppertal.de/fileadmin/wib/documents/publications/WIB_EvalInklF%C3%B6G_5_Bericht_final.pdf
Entwicklung eines fallabhängigen Poolmodells – Designkriterien zum Übergang vom Pilot in die Verstetigung
Melzer, Prof. Dr. Conny1, Platte, Prof. Dr. Anett2 1Universität Leipzig, 2LMU München
Aufgrund von sehr stark ansteigenden Zahlen im Landkreis Leipzig ist die Entscheidung getroffen worden, ein fallabhängiges Poolmodell im Bereich Schulbegleitung zunächst in Form eines Pilots zu entwickeln. Von Beginn an war die Intention des Landkreises, dieses Modell auf andere Förderschulen und insbesondere auch Allgemeine Schulen zu übertragen. Aus diesem Grund wurde mit dem Design-Based-Research-Ansatz ein in Kooperation von Schule, Träger der Schulbegleitung, Landkreis, Landesschulamt sowie Universität ein fallabhängiges Pool-Modell entwickelt und in der Pilotschule umgesetzt (Platte, Mark & Melzer, 2025). Design-Based-Research wird als Forschungsansatz definiert, der sich durch die iterative Entwicklung von Lösungen für komplexe, praktische Bildungsprobleme auszeichnet (McKenney & Reeves, 2019; Campanella & Penuel, 2021), wie es die Einführung des Poolmodells ist. Hierzu wurde nicht nur eine Projektgruppe an der Schule, sondern auch eine Steuerungsgruppe auf Landkreisebene gebildet. Während in der Projektgruppe Lehrpersonen, Schulbegleitung, Personensorgeberechtigte, Schulleitung und Vertreterinnen der Universität das Konzept entwickelten, wurden die einzelnen Schritte (iterative Zyklen) konsequent mit der Steuerungsgruppe, also dem Landkreis und dem Landesschulamt, besprochen und ggf. angepasst. Zugleich wurden alle iterativen Zyklen durchgängig wissenschaftlich begleitet. Insbesondere über (qualitativen) Interviews und (quantitativen) Tagebuchaufzeichnungen zur Umsetzung wurden Forschungsdaten mit allen Beteiligten generiert, die direkt in die Weiterentwicklung des fallabhängigen Poolmodells an der Schule eingingen. Die Erkenntnisse des Entwicklungsprozesses mündeten in Designkriterien. Designkriterien sind im DBR-Ansatz explizit für den Transfer vorgesehen und somit zur Gestaltung des Übergangs von einer Pilotprojektschule an andere Schulen, die einen ähnlichen Entwicklungsprozess anstreben. Im Beitrag werden der Prozess der Poolmodell-Entwicklung vorgestellt und insbesondere die formulierten Designkriterien mit Blick auf deren Transferpotential zur Diskussion gestellt.
Campanella, M. & Penuel, W. R. (2021). Design-Based Research in Educational Settings: Motivations, Crosscutting Features, and Considerations for Design. In Z. A. Philippakos, E. Howell & A. Pellegrino (Hrsg.), Design-based research in education: Theory and applications (S. 3–22). The Guilford Press.
McKenney, S. & Reeves, T. C. (2019). Conducting educational design research (2. Aufl.). Routledge.
Platte, A.; Mark, J. & Melzer, C. (2025). Schulbegleitung – Entwicklung eines Konzepts zur Umsetzung des Poolmodells an einer Pilotschule. Zeitschrift für Heilpädagogik, 76 (3), 84-96.
Erfolgreiche und effektive Umsetzung von infrastrukturellen Poolmodellen im Bereich Schulassistenz: Eine systematische Literaturübersicht
Ilina-Georgescu, Andrea1, Goldan, Dr. Janka2 1Universität Bielefeld, 2Universität zu Köln
Infrastrukturelle, fallunabhängige Poolmodelle (IPM) haben sich in den vergangenen Jahren als innovativer Ansatz im Bereich Schulassistenz etabliert. Im Unterschied zu individueller Schulassistenz, die an einen formalen Antrags- und Bewilligungsprozess gebunden ist, zielen IPM auf eine strukturelle Unterstützung im Schulalltag, unabhängig von individuellen Anträgen (vgl. Goldan et al., 2023). Schulassistenzen im IPM sind fest in das multiprofessionelle Team an den jeweiligen Schulen eingebunden und sind grundsätzlich für alle Schüler:innen zuständig.
Vor dem Hintergrund steigender Fallzahlen im Bereich der Einzelfallhilfe, zunehmender personeller Engpässe sowie wachsender Anforderungen an inklusive Schulentwicklung rücken IPM zunehmend in den Fokus kommunaler Bildungsplanung. Mit der Einführung von IPM ist die bildungspolitische und fachliche Erwartung verbunden, inklusive Schul- und Unterrichtsstrukturen zu stärken, die Teilhabe der Schüler:innen zu verbessern und potenziell stigmatisierende Hilfestrukturen zu reduzieren (Dworschak & Lindmeier, 2022).
Der vorliegende Beitrag präsentiert die Ergebnisse einer systematischen Literaturrecherche, die sich mit Befunden zur Wirksamkeit von IPM im schulischen Kontext befasst. Ziel der Analyse ist es, die bestehende Forschungslage systematisch zu erfassen, zu bewerten und zentrale Gelingensbedingungen sowie Spannungsfelder herauszuarbeiten. Die Literatursuche erfolgt auf Basis einschlägiger deutschsprachiger Fachdatenbanken und bezieht wissenschaftlich evaluierte Modellprojekte und Maßnahmen ein. Eingeschlossen werden Publikationen, die sich mit der Implementierung, Wirkung oder konzeptionellen Ausgestaltung von IPM im schulischen Kontext beschäftigen. Die Auswertung erfolgt entlang eines inhaltsanalytischen Kategoriensystems, das auf Merkmale wie Zielsetzung, Kontext, Wirksamkeitsindikatoren, Implementationsbedingungen und multiprofessionelle Kooperation fokussiert.
Die Ergebnisse zeigen ein wachsendes Forschungsfeld mit unterschiedlichen Begrifflichkeiten und Modellvarianten (z. B. „systemische Schulassistenz“, „Klassenassistenz“, „multiprofessionelle Teams mit Assistenzfunktion“). Empirische Befunde deuten darauf hin, dass IPM insbesondere in der Primarstufe Potenziale zur Entlastung des Lehrpersonals, zur Förderung von Unterrichtsqualität und zur Unterstützung von Teilhabeprozessen bieten – vorausgesetzt, es bestehen klare konzeptionelle Rahmenbedingungen, Rollenklärungen und eine koordinierte Einbindung in die schulische Organisationsstruktur. Gleichzeitig werden Herausforderungen sichtbar, etwa in Bezug auf die Anschlussfähigkeit an bestehende Systeme individueller Förderung, die Finanzierung und Zuständigkeit auf kommunaler Ebene oder die Professionalisierung der beteiligten Akteur:innen (Goldan et al., 2023; 2024).
Der Beitrag schließt mit einer kritischen Einordnung der bisherigen Befundlage und einem Ausblick auf Forschungsdesiderate, u. a. im Hinblick auf belastbare Wirkungsstudien, standardisierte Evaluationsverfahren und vergleichende Analysen zwischen IPM und fallabhängigen Modellen von Schulassistenz.
Dworschak, W. & Lindmeier, B. (2022). Zur Notwendigkeit der konzeptionellen Weiterentwicklung der Maßnahme Schulbegleitung. In M. Laubner; B. Lindmeier & A.Lübeck (Hrsg.), Schulbegleitung in der inklusiven Schule. Grundlagen und Praxishilfen (3. Aufl.) (S.153-163). Weinheim u.a.: Beltz.
Goldan, J., Grüter, S., Guth, T., Ilina-Georgescu, A., Corbach, R. & Lütje-Klose, B. (2023). Infrastrukturelle Poolmodelle im Bereich der Schulassistenz - Ziele, Rahmenbedingungen und Evaluation am Beispiel des Modellprojekts „Systemische Schulassistenz im Kreis Soest“. Zeitschrift für Heilpädagogik, 516–531. https://pub.uni-bielefeld.de/record/2983978
Goldan, J., Pollmeier, T. & Lekon, J. (2024). Abschlussbericht: Evaluation des Pilotprojekts „Systemische Schulassistenz in Bremen“. Fakultät für Erziehungswissenschaften. https://doi.org/10.4119/unibi/2994237
Kooperationsentwicklung in infrastrukturellen Poolmodellen
Ehrenberg, Katrin, Langenhoff, Johanna, Lindmeier, Prof. Dr. Bettina Leibniz Universität Hannover
Infrastrukturelle Poolmodelle (IPM) werden als förderlich für die Entwicklung von Kooperation im Klassenteam angesehen, u.a. da sich durch weniger und längerfristig anwesendes Personal im Klassenraum eine Vereinfachung der Kommunikation und eine erhöhte Planungssicherheit realisieren lassen (vgl. Dworschak & Lindmeier, 2022). Die vorhandenen Forschungsergebnisse bestätigen eine positive Tendenz (vgl. Lütje-Klose et al., 2016). Anzunehmen ist allerdings, dass die teils sehr hohen Erwartungen nur teilweise eingelöst werden können, da eine systematische Teamentwicklung bisher kaum vorgenommen und nicht durch gemeinsame, arbeitsvertraglich abgesicherte Planungsstunden und gezieltes Teambuilding ermöglicht wird. Zudem bleiben strukturelle Probleme bestehen (Lübeck & Demmer, 2022), wie unterschiedliche und im Vergleich zu Lehrkräften überwiegend nicht akademische Vorbildung der Schulassistenzkräfte, niedrige Bezahlung, arbeitsrechtliche und organisatorische Einbindung in unterschiedliche Organisationen (Schule – Schulassistenzträger).
Der Beitrag stellt einführend die Ergebnisse zu Kooperation im Kontext von Schulassistenz zusammen und setzt sie zu den Ergebnissen einer Befragung im Rahmen der Einführung eines Poolmodells an verschiedenen Schulen eines Landkreises in Beziehung. Dazu wurden von Tandems und Kleingruppen, bestehend aus Klassenlehrkraft und Schulassistenzkraft, mitunter zusätzlich einer Sonderpädagogin, durch Gruppendiskussionen befragt und eine inhaltsanalytische Auswertung vorgenommen. Die Ergebnisse wurden unter Rückgriff auf Reisers Theorie integrativer Prozesse (Reiser et al., 1986) ausgewertet, indem individuelle, interaktionale, institutionelle Ebene sowie die Sachebene unterschieden wurden. Es zeigt sich eine Auseinandersetzung mit den Bedingungen von Kooperation auf verschiedenen Ebenen, wobei die Resultate weit überwiegend positiv sind: So werden integrative Prozesse und mehr aktiv kooperatives Handeln auf allen drei Ebenen beschrieben. Der Schulassistenz werden mehr Kompetenzen zugeschrieben, wobei ihre Rolle weiterhin klärungsbedürftig scheint und sehr unterschiedlich erlebt und erfüllt wird, auch die Frage einer möglichen Professionalisierung scheint wenig geklärt – ist auch auf der Ebene des Klassenteams nicht lösbar! In Bezug auf Schüler*innen werden einerseits viele positive Veränderungen durch das Poolmodell genannt, andererseits auf die in manchen Fällen weiterhin vorhandene Indikation für Einzelfallhilfe verwiesen. Die erlebte Zuständigkeit der Lehrkräfte für die Schüler*innen mit Anspruch auf Schulassistenz ist weiterhin gering, auch fällt die Leerstelle in den Diskussionen bezüglich des Lernerfolgs und der curricularen Einbindung dieser Schüler*innen auf. Das Verständnis von Kooperation bleibt zudem zu einem großen Teil auf einem alltagstheoretischen Niveau; auch die Lehrkräfte beziehen gesichertes Wissen zu Kooperation oder spezifisch Kooperation im Klassenteam sowie Rollen, Aufgaben, Zielen und Werten (Villa et al., 2007) kaum ein, woraus sich die Forderung nach gezielten Fortbildungen ableiten lässt.
Lütje-Klose, B., Serke, B., Hunger, S. K. & Wild, E. (2016). Gestaltung kooperativer Prozesse und Schulstrukturen als Merkmal effektiver Unterrichtung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpaedagogischem Förderbedarf im Lernen. Ergebnisse von Schulleitungsinterviews aus der BiLieF-Studie. In A. Kreis, J. Wick & C. Kosorok Labhart (Hrsg.), Kooperation im Kontext schulischer Heterogenität (S.109-126). Münster:Waxmann.
Reiser, H., Klein, G., Kreie, G. & Kron, M. (1986). Integration als Prozeß. Sonderpädagogik 16, 115-122 und 154-160
Villa, J. S.; Thousand, A. I.; Nevin, R. A. (2007). Collaborative Teaching: Critique of Scientific Evidence. In Florian, L. (Hrsg.), The SAGE Handbook of special education (417-428). London: Routledge.
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