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Diagnostik und Übergänge bei geistiger und komplexer Behinderung (Einzelbeiträge)
Präsentationen
Teilhabeorientierte Wege in nachschulische Lebenswelten von Menschen mit komplexen Behinderungen – Einblicke in das Forschungsprojekt LINKED
Sansour, Prof. Dr. Teresa1; Keeley, Dr. Caren2; Ziemski, Annalena2; Murken, Dr. Michelle1
1Universität Oldenburg; 2Universität zu Köln
Für Menschen mit komplexen Behinderungen besteht seit Ende der 1970er ein Recht auf Bildung. Insbesondere ihre nachschulischen Biografieverläufe sind aber häufig noch von Exklusionserfahrungen geprägt, was ihre Möglichkeiten, sich nachschulisch zu bilden, erheblich einschränkt (Fornefeld 2019; Keeley 2018). Das Projekt ‚Leuchttürme der Teilhabe von Menschen mit komplexen Behinderungen‘ [LINKED] (2023 – 2025) verfolgt vor diesem Hintergrund das Ziel, teilhabeorientierte Angebote für den Personenkreis in den Bereichen Arbeit, Wohnen und Freizeit ausfindig zu machen, zu analysieren und sichtbar zu machen. Auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse entsteht ein Leitfaden für die Praxis, der Wege zu mehr Teilhabe aufzeigen soll.
Der Vortrag zeigt die Ergebnisse aus vier Feldstudien, die orientiert an der Grounded Theory ausgewertet wurden. Teilhabe konnte in allen erhobenen Perspektiven übergeordnet als eine interaktive Herstellungspraxis zwischen den Fokuspersonen mit komplexen Behinderungen und ihren Unterstützer*innen ermittelt werden, die von verschiedenen Faktoren auf unterschiedlichen Ebenen beeinflusst wird. In Anbetracht des Tagungsthemas fokussiert der Beitrag die Übergänge, die sich innerhalb und zwischen den Lebensbereichen Wohnen, Freizeit und Arbeit identifizieren lassen sowie die Bildungspotenziale, die sich aus einer teilhabeorientierten Gestaltung ergeben.
Potenziale eines Dynamic Assessments bei unterstützt kommunizierenden Schüler*innen im Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung
Neitzel, Dr. Isabel
Technische Universität Dortmund
Herkömmliche diagnostische Ansätze sind in der Regel statisch und nur selten für Schüler*innen im Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung (FS GE) konzeptioniert, weswegen beispielsweise im Bereich der Sprachdiagnostik ein adaptives Vorgehen gewählt wird (Einblicke in Neitzel & Dittmann, 2021). Einen Gegenentwurf dazu bietet das Dynamic Assessment (DA), das an der Grenze zwischen Diagnostik und (Kurz-)Intervention operiert und den Schüler*innen im diagnostischen Setting individualisierte Prompts (z.B. Abrufhilfen, visuelle Strukturierung etc.) ermöglicht. Obwohl Schüler*innen im FS GE einen besonderen Bedarf an individualisierter Diagnostik haben, gibt es bisher wenige Studien, die ein dynamisches Vorgehen für diese Zielgruppe umgesetzt haben (z.B. Prompting in einer Erzählaufgabe für Kinder und Jugendliche mit Down-Syndrom; Schuchardt & Neitzel, in Druck; vgl. auch Börnert & Wilbert, 2016). Ausgehend von den heterogenen verbalen Kompetenzen der Schüler*innen im FS GE stellt sich zudem die Frage, inwieweit ein vergleichbares oder angepasstes Vorgehen für Schüler*innen, die unterstützt kommunizieren, umgesetzt werden kann.
Im Rahmen des DFG-geförderten Projekts „Dynamic Assessment der Perspektivübernahme bei Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen“ (DynPer, 2025-2028) wurde eine systematische Literaturrecherche zur Anwendung von DA-Ansätzen bei Personen durchgeführt, die unterstützt kommunizieren. Aus den Erkenntnissen ließ sich eine Reihe von handlungsleitenden Grundsätzen und Hinweisen ableiten, welche extrahiert und in ein UK-Konzept für das Projekt überführt wurden – beispielsweise hinsichtlich der Nutzung von visuell ausgerichteten Prompts (Gebärden, Piktogramme etc.) oder eines definierten Kernwortschatzes für jede Aufgabe, die der Schülerin/ dem Schüler kommunikativ zur Verfügung stehen müsste. Der Beitrag lotet anhand eigener Vorarbeiten und des (geplanten) Pilotierungsvorgehens das DA-Potenzial für Schüler*innen im FS GE aus und möchte entsprechende Diskussionsimpulse setzen.
Zwischen Ausschluss und Anschluss: Schüler*innen mit herausforderndem Verhalten im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung
Kollmer, Maria
Universität Oldenburg
In Bezug auf den Förderschwerpunkt geistige Entwicklung ist in den letzten Jahren eine veränderte Schüler*innenschaft beschrieben worden. Die Veränderungen wird durch das vermehrte und massive Auftreten von herausfordernden Verhaltensweisen gekennzeichnet. Gleichzeitig hat in den allgemeinen Diskurs um herausfordernde Verhaltensweisen von Schüler*innen die Bezeichnung „systemsprengendes Verhalten“ Einzug gehalten (Baumann, 2021). Gemeint ist damit nach Baumann (2021) ein Personenkreis von Kindern und Jugendlichen, die aufgrund massiver Verhaltensauffälligkeiten vermehrt Einrichtungswechsel und Beziehungsabbrüche erleben, welche die involvierten (Hilfe-)Systeme vor große Herausforderungen stellen.
Das Dissertationsprojekt mit dem Arbeitstitel „Umgang von Lehrkräften mit sog. Systemprenger*innen im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung“ beschäftigt sich unter anderem der Fragestellung: „Wie gestaltet sich der Umgang der Lehrkräfte mit den von ihnen als „systemsprengend“ wahrgenommenen Schüler*innen?“
Im Rahmen der Studie wurden problemzentrierte Interviews mit Lehrkräften an Förderschulen mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung geführt, die ihre Schüler*innen als systemsprengend bezeichnen. Das qualitative Forschungsvorhaben wird nach den Grundsätzen der Grounded Theory von Strauß und Corbin (Strübing, 2014) ausgewertet.
In diesem Vortrag werden erste Ergebnisse präsentiert, die den Umgang von Lehrkräften mit Kindern und Jugendlichen mit herausfordernden Verhaltensweisen aufzeigen und dabei besonders Interviewausschnitte fokussieren, an denen Transitionen deutlich werden. Dies erfolgt unter Rückbezug auf professionstheoretische Grundlagen (Helsper, 2021), die sich im Umgang mit Krisen und Routinen widerspiegeln. Im Besonderen zeigen sich unterschiedliche Verläufe die einen Ausschluss aus dem System Schule entgegenwirken oder auch begünstigen und so die (schulische) Biografie der Schüler*innen prägen.