Eine Übersicht aller Sessions/Sitzungen dieser Veranstaltung. Bitte wählen Sie einen Ort oder ein Datum aus, um nur die betreffenden Sitzungen anzuzeigen. Wählen Sie eine Sitzung aus, um zur Detailanzeige zu gelangen.
Zwischen Drop-Out und Chance: Herausforderungen in Übergängen inklusiver Bildung (Einzelbeiträge)
Präsentationen
Schulische Inklusion als biographische Phase?! Explorative Analyse von Bildungsverläufen im sonderpädagogischen Schwerpunkt geistige Entwicklung
Dworschak, Prof. Dr. Wolfgang
Universität Regensburg
Die Bildungsverläufe von Schüler:innen mit dem sonderpädagogischen Schwerpunkt geistige Entwicklung (sSgE) sind in Bayern von hoher Kontinuität geprägt. So verbringen die meisten Schüler:innen ihren gesamten Bildungsweg an einer Förderschule (Dworschak, 2012; Dworschak & Selmayr, 2021). Obgleich sich die Integrationsquote seit der Umsetzung von Inklusion mehr als verdoppelt hat (von 3,5 % im Schuljahr 2011/12 auf 7,8 % im Schuljahr 2022/23; KMK, 2020, 2024), liegt diese auf niedrigem Niveau.
Aus der Praxis ist immer wieder zu hören, dass Schüler:innen in der Inklusion nach relativ kurzer Zeit an die Förderschule wechseln. Eine Sonderauswertung des Bayerischen StMUK bestätigt, dass in den letzten fünf Jahren jährlich zwischen 20 und 25 % der Schüler:innen mit dem sSgE aus einem inklusiven Setting (Einzelintegration, Tandemklasse) an die Förderschule (Partnerklasse, Förderzentrum geistige Entwicklung) gewechselt sind, womit man für diesen Anteil der Schüler:innen von Inklusion als biographischer Phase sprechen kann.
Über den Drop-out aus inklusiven Settings liegen für den sSgE bislang keine belastbaren Befunde vor. In der SFGE II-Studie zur Beschreibung der Schülerschaft im sSgE in Bayern (Baumann et al., 2021) waren vereinzelt Schüler:innen einbezogen, die ihre Schullaufbahn in der Inklusion begonnen und zum Zeitpunkt der Erhebung an einer Förderschule gelernt haben (n = 14). Im Rahmen einer explorativen Analyse werden die Bildungsverläufe dieser Schüler:innen nachgezeichnet und deren Ausgangsbedingungen und Unterstützungsbedarfe mit Schüler:innen verglichen, die seit Beginn ihres Bildungsweges eine Förderschule besuchen. Die Ergebnisse sollen erste Hinweise auf möglicherweise strukturell bedingte Barrieren im Hinblick auf die inklusive Beschulung von Schüler:innen mit dem sSgE geben.
„Hm, dann wurde das immer, immer mehr und es wurde zu viel, und dann wollte ich hierhin“ –Transition an eine Förderschule aus der Perspektive betroffener Jugendlicher
Bödicker, Dr. Anne
PH Karlsruhe
Schulische Transitionen werden in Deutschland traditionell aus der Perspektive von Lehrpersonen, Eltern oder retrospektiv untersucht. Vor allem Helsper und Kolleg*innen weiten den Blick auf Schüler*innen selbst und konstatieren eine starke Konzentration sozialwissenschaftlicher Forschung auf die (regelschulischen) Übergänge im Bildungswesen als Gelenkstellen mit weitreichenden und kummulativen Effekten auf die gesamte Bildungsbiographie. Diese Ausführungen finden in der Zeit statt, in der Deutschland die UN-BRK ratifiziert und inklusive Beschulung gesetzlich verankert „mit dem Ziel der vollständigen Integration“ bei gleichzeitiger Schaffung eines Umfeldes, „das die bestmögliche schulische und soziale Entwicklung gestattet“ (UN-BRK). Dabei stellt sich die Frage, was dies für Schüler*innen bedeutet, die die Ratifizierung in den Fokus rückt, da in unserem Schulsystem pädagogische wie medizinische Beurteilungen und Zuordnungspraktiken anhand bestimmter normativer Fähigkeitszuschreibungen fest verwoben sind.
Hier schließt der Beitrag an, der schulische Transitionsprozesse aus der – bisher eher vernachlässigten – Perspektive 15-19jähriger Jugendlicher mit Sehbeeinträchtigung biographisch-institutionell fokussiert. Konkret werden Erzählungen Jugendlicher zu individuellen Erfahrungen mit Bezug auf Übergangsentscheidungen an eine Förderschule aus ableismuskritischer Perspektive vorgestellt. Dies geschieht vor allem vor dem Hintergrund der Fragen, wie es zu den jeweiligen Bildungsentscheidungen gekommen ist, welche Beteiligten und Gründe dafür genannt werden und wie Wirkmacht und Agency darin mitschwingen. Die Ergebnisse, die Teil einer abgeschlossenen Promotion sind, werden neben den damit verbundenen individuellen Umgangsweisen zeigen, dass es in den zuvor besuchten inklusiven Schulen oder Förderschulen eine Orientierung an der jeweils der Schule zugrundeliegenden Vorstellung einer schulischen Normalmatrix gibt, die, negativ wie positiv, zur Transition beitragen.
Übergänge im Lernverlauf: Zur Verschränkung von pädagogischem Handeln mit Perspektiven (junger) Erwachsener mit Lernschwierigkeiten
Curdt, Dr. Wiebke
Leibniz Universität Hannover
Risiken der Partizipation an Gesellschaft spitzen sich an Übergängen inklusiver Bildung insbesondere bei jungen Erwachsenen mit Lernschwierigkeiten (sog. geistige Behinderung) zu. Vorstrukturierte, lineare Transitionen beispielsweise von der Förderschule in das System der Werkstätten für behinderte Menschen sind für den Personenkreis etabliert, allerdings in einem auf Behinderung ausgerichteten exklusiven Setting. Übergänge etwa auf den ersten Arbeitsmarkt bzw. im Rahmen eines inklusiv orientierten Systems lebenslangen Lernens folgen hingegen – wie tendenziell in modernen Gesellschaften erkennbar – „seltener festgelegten Mustern und Phasen“ (Thielen et al. 2013, 7). Sie sind entsprechend mit einer Zunahme an selbstverantworteter Gestaltung, aber auch mit Verunsicherung aufgrund von Unvorhersehbarkeiten bei den Subjekten verbunden (ebd.). Junge Erwachsene mit Lernschwierigkeiten erhalten an diesen Übergängen vielfach in der Vorbereitung, Begleitung, Bewältigung und schließlich dem Ankommen an einem neuen Lebens-, Lern- und/oder Arbeitsort einerseits oftmals Unterstützung von Familie, Freunden und pädagogischen Fachkräften, andererseits bedarf es hierzu darüber hinaus einer multiprofessionellen Zusammenarbeit und Kooperation (Felbermayr et al. 2021, 195f.).
Der Beitrag präsentiert auf dieser Grundlage Befunde des partizipativ-qualitativen Forschungsprojektes „MEIN.Profil: Ressourcenorientierte Diagnostik von Lernverläufen (junger) Erwachsener an den Übergängen inklusiver Bildung“ (BMBF, Universität Duisburg-Essen; Curdt et al. 2024). Dargelegt werden Befunde aus Gruppendiskussionen (n=4) mit pädagogischen Fachkräften (Wohnen, Berufsschule, Arbeit) und Erwachsenen mit Lernschwierigkeiten (Selbst- bzw. Interessenvertretung), welche auf Chancen und Herausforderungen an Übergängen inklusiver Bildung verweisen. Explizit soll die Verschränkung pädagogischen Handelns mit Perspektiven (junger) Erwachsener mit Lernschwierigkeiten herausgearbeitet werden.