Soziale Beziehung und Wohlbefinden in der Sekundarstufe I
Lea Stahl
Universität Kassel, Deutschland
Soziale Beziehungen und Wohlbefinden in der Schule bilden die Grundlage für schulisches Lernen und Leistung und tragen maßgeblich zu einer positiven Persönlichkeitsentwicklung der Schüler:innen bei. Durch sie wird die Verbundenheit der Schüler:innen mit der Schule gestärkt und eine positive Einstellung zur Schule gefördert. Ängste, Leistungsdruck und Beschwerden wegen der Schule werden durch wertschätzende und vertrauensvolle Beziehungen und ein hohes Wohlbefinden abgemildert. Sie wirken unterstützend bei der Bewältigung der alltäglichen schulischen Anforderungen und tragen zur Gesundheit der Schüler:innen bei. Sie bilden somit den Grundstein für eine positive Einstellung zu Schule und sind für einen positiven Bildungsverlauf zentral. Eine hohe Beziehungsqualität und ein hohes Wohlbefinden sollten daher Ziel pädagogischen Handelns und Qualitätsmerkmal von Schule sein (vgl. Gysin 2017; Hascher 2018; Hascher & Hagenauer 2011).
Im Projekt „Fit für die Zukunft - Zukunftskompetenzen durch neue Lernkonzepte fördern“ wurden im Rahmen einer Längsschnittstudie mit Mixed-Methods-Design Schulen mit „neuen“ Lernkonzepten in den Blick genommen. Es wurden Gruppendiskussionen, Unterrichtsbeobachtungen und Fragebogenbefragungen durchgeführt. Ebenso wurde eine Briefbox in der Schule aufgestellt. Im Rahmen dieses Posters werden die Daten der Gruppendiskussionen aus der ersten Erhebungswelle der qualitativen Teilstudie in den Blick genommen. In diesem Studienteil wurden Schüler:innen des Jahrgangs 5 und 6 zu ihrer „neuen“ Lernumgebung befragt. Insgesamt liegen die Daten von n = 34 Schüler:innen vor. Das schulische Wohlbefinden und die sozialen Beziehungen der Schüler:innen, sowohl die Lehrer:in-Schüler:in-Beziehung als auch Peerbeziehungen sollen im Rahmen der Auswertungen im Vordergrund stehen. Es soll untersucht werden, wie Schüler:innen der Sekundarstufe I die Realisierung des Schulkonzeptes im Hinblick auf ihr schulisches Wohlbefinden und soziale Beziehungen erleben.
Pädagogische Beziehungen im Übergang – Ein systematisches Review zur inklusiven Übergangsgestaltung vom Primar- in den Sekundarbereich
Ludger Höhns, Marcel Veber
Rheinland-Pfälzische Technische Universität (RPTU), Deutschland
<p>Die Transition vom Primar- in den Sekundarbereich als Schlüsselsituation (Carle/Herding 2023) fordert die beteiligten Akteur:innen heraus. Der multiperspektivische Ansatz des Transitionsmodells von Griebel & Niesel (2020) beleuchtet u.a. akteurs- wie kontextbezogene Aspekte des Übergangs – auch in Bezug auf pädagogische Beziehungsgestaltung. Die Perspektive des ´doing transition` kann den Übergangsprozess allgemein ausleuchten und der Aspekt der Gestaltung und Herstellung von Beziehungen rückt in den Fokus (Wanka et al 2020). Somit zeigen sich Transitionen anschlussfähig u.a. für Fragen nach institutioneller Gestaltung oder professioneller Umsetzung pädagogischer Beziehungen (Fasching 2019). Der Forschungsstand genau hierzu ist jedoch bislang kaum konturiert.</p>
<p>Im Rahmen eines systematischen Reviews (Willems 2022) wird der Forschungsfrage nachgegangen: Welche Transformationsfacetten fokussieren deutschsprachige empirische Forschungsbeiträge zum Übergang von der Primar- zur Sekundarstufe? Welche Implikationen für Gestaltungsprozesse pädagogischer Beziehung werden in den Forschungsarbeiten aufgezeigt?</p>
<p>In das Review (Zeitraum: 01/2015-12/2024) werden qualitative wie quantitative, deutschsprachige, empirische Forschungsarbeiten ausgenommen. Das Kodierschema wurde im Induktions-Deduktionsschluss konsensual – u.a. orientiert an Griebel & Niesel (2020) und markiert Schwerpunkte der Forschungsbemühungen am Übergang (Newman/Gough 2020).</p>
<p>Die Ergebnisse deuten u.a. darauf hin, dass die Forschungsschwerpunkte kritische Zustandsbeschreibungen in den Mittelpunkt stellen oder bezüglich des (Bildungs)Erfolgs bewertet werden. Die Antizipation im Sinne von Gestaltungsmerkmalen gelungener pädagogischer Beziehungen innerhalb des Übergangs wird wenig betrachtet.</p>
<p>Abschließend werden Implikationen für die Transitionsforschung im untersuchten Übergang unter besonderer Berücksichtigung der pädagogischen Beziehungsgestaltung durch professionsbezogene und institutionelle Rahmungen skizziert.</p>
Förderung sozialer Beziehungen in inklusiven Schulklassen
Anna Gieschen1, Dr. Jan Henning-Kahmann1, Prof. Dr. Wolfram Rollett2, Prof. Dr. Katja Scharenberg3
1Pädagogische Hochschule Freiburg; 2Carl von Ossietzky Universität Oldenburg; 3Ludwig-Maximilians-Universität München
<p>Positive soziale Beziehungen von Schüler:innen in Schulklassen sind eine wichtige Grundlage für ihre soziale, emotionale und leistungsbezogene Entwicklung sowie ihren Bildungserfolg (Hagenauer & Raufelder, 2021; Looser, 2011). Allerdings können in Schulklassen auch ungünstige Beziehungskonstellationen und Ausgrenzungsprozesse auftreten (Kessels, Nishen & Schieck, 2021). So bieten z. B. inklusive Lernkontexte aufgrund der größeren Heterogenität günstigere Gelegenheitsstrukturen, doch das Potential dieser Diversität kann beeinträchtigt sein und auch negative Entwicklungen nach sich ziehen (Krawinkel et al., 2018). Lehrkräfte verfügen meist nicht über die nötigen Kompetenzen, um die sozialen Strukturen zu diagnostizieren (Südkamp et al., 2018). Zudem mangelt es an gut zugänglichen und im schulischen Kontext empirisch validierten Methoden sowohl zur Diagnostik sozialer Beziehungen als auch zur pädagogischen Intervention. Das Forschungsprojekt „Sozius“ geht deshalb der Frage nach, wie sich die Entwicklung ungünstiger Sozialstrukturen in inklusiven Schulklassen frühzeitig erkennen und durch geeignete Maßnahmen pädagogisch adressieren lässt. Dazu wird das Beziehungsnetzwerk von 48 Schulklassen ab Mitte der Klassenstufe 5 über fünf Messzeitpunkte mittels sozio- und psychometrischer Verfahren analysiert. Die Klassenlehrkräfte erhalten die Analyseergebnisse in aufbereiteter Form sowie Fortbildungen zum Einsatz und zur Nutzung solcher Verfahren. Zudem werden Methoden der pädagogischen Intervention vermittelt und gemeinsam mit den Lehrkräften erarbeitet, um die sozialen Beziehungen in den Schulklassen positiv zu gestalten und zu stärken. Die Überprüfung der angenommenen Wirkungen dieser Maßnahmen erfolgt in einem Warte-Kontrollgruppen-Design, in dem die Hälfte der teilnehmenden Klassenlehrkräfte um sechs Monate zeitversetzt fortgebildet wird. Im Vortrag werden die Konzeption der Studie, Ergebnisse erster Analysen sowie Inhalte der Lehrkräftefortbildung präsentiert.</p>
Ganztags auf Augenhöhe. Vertrauen in pädagogischen und multiprofessionellen Beziehungen in der Ausbildung von Lehrpersonen und pädagogischen Fachkräften anbahnen.
Johanna Valentin
Universität Kassel, Deutschland
Gute Ganztagsbildung umfasst Schulen, die als Lern- und Lebensraum ausgestaltet werden und Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit bieten, ihre multiplen Identitäten im Rahmen formeller, non-formaler und informeller Lernprozesse zu entwickeln (Ewert, 2019) und neben Fachwissen sog. Zukunftskompetenzen zu erwerben, um Nachhaltigkeit und gesellschaftliches Wohlergehen prospektiv zu sichern (OECD, 2019). Schüler:innen benötigen dazu u.a. ausgeprägte soziale und emotionale Skills, die stark mit positiven pädagogischen Beziehungen und schulischem Wohlbefinden zusammenhängen (vgl. Fischer & Richey, 2018). Zur Umsetzung dieser Ziele und guter Ganztagsbildung im Allgemeinen bedarf es der Zusammenarbeit unterschiedlicher pädagogischer Akteur:innen in multiprofessionellen Teams. Gelingende pädagogische und multiprofessionelle Beziehungen setzen Wissen über und Fähigkeiten für Selbstbestimmung und Vertrauen, gegenseitige Anerkennung und Autonomieunterstützung voraus und sollten deshalb schon im Rahmen der Ausbildung angebahnt werden (Monitor Lehrerbildung, 2021). Hier setzt das Projekt MuTiG (Multiprofessionelle Teams in Ganztagsschulen) an, indem studiengangübergreifende Lernumgebung für Studierende des Lehramts und der Sozialen Arbeit implementiert und evaluiert wurden (Valentin et al., 2019, 2022, 2023), um positive Haltungen gegenüber Kooperation und entsprechende reflexive, kommunikative und kooperative Handlungskompetenzen zu stärken. Das Poster soll zunächst Bildungsziele für Kinder und Jugendliche im Zusammenhang mit Ganztagsbildung und der Gestaltung pädagogischer Beziehungen darlegen, um die Bedeutung sozialer Beziehungen im Rahmen (multi-)professioneller Kooperation für die Beziehungsqualität im Ganztag zu beleuchten. Anhand theoretischer, praktischer und empirischer Erkenntnisse des Projekts MuTiG soll die Relevanz von Vertrauen in pädagogischen und multiprofessionellen Beziehungen in der Ausbildung von Lehrkräften und pädagogischen Fachkräften diskutiert werden.
Soziale Interaktionen im Unterricht positiv gestalten – ein Training für Lehramtsstudierende zur Förderung der Kernpraktik „Respektvolle Beziehungen“
Katharina Neuber, Marc Kleinknecht
Leuphana Universität Lüneburg, Deutschland
Für das Lernen von Schüler:innen ist die Qualität der Lehrer:innen-Schüler:innen-Beziehung besonders relevant (Hattie, 2009). Respektvolle Beziehungen aufzubauen durch positiv gestaltete soziale Interaktionen, gilt entsprechend als Kernpraktik des Unterrichtens (z.B. Schellenbach-Zell et al., 2024). Merkmale positiver Interaktionen lassen sich aus Modellen zum Führungshandeln von Lehrkräften sowie zur Unterrichtsqualität (z.B. Pianta & Hamre, 2009) ableiten. Das Führungshandeln von Lehrkräften kann entlang der Dimensionen Einfluss und Nähe eingeschätzt werden (Wubbels et al., 2015). Einfluss meint das Ausmaß, in dem die Lehrkraft die Interaktionen im Unterricht lenkt und Kontrolle ausübt, um einen reibungslosen Unterrichtsverlauf herzustellen. Nähe impliziert kooperative Zuwendung und emotionale Unterstützung, d.h. die Lehrkraft zeigt Wertschätzung, Empathie und Interesse an den Bedürfnissen der Lernenden. Interaktionen positiv zu gestalten, indem Nähe gezeigt und gleichzeitig Einfluss ausgeübt wird, kann insbesondere für angehende Lehrkräfte herausfordernd sein und sollte daher in der Ausbildung gelernt werden.
Im vorgestellten Projekt wird an bestehende Trainings zu Kernpraktiken im praktikumsvorbereitenden Modul Didaktik und Methodik aufgebaut. Das Poster thematisiert das Training zur Kernpraktik Respektvolle Beziehungen, das die Planung, Ausführung und Analyse der Kernpraktik umfasst. Orientiert am Learning Cycle (McDonald et al., 2013) wird die Kernpraktik zunächst in der Vorlesung konzeptuell verortet und mit einem Unterrichtsvideo modellhaft dargestellt. Danach analysieren die Studierenden im Begleitseminar die Ausführung der Kernpraktik in ausgewählten Unterrichtssituationen fremder Lehrkräfte und nutzen ihr Wissen, um die Ausführung der Kernpraktik zu planen, im Microteaching zu erproben und videobasiert kollaborativ zu analysieren. Das Poster stellt neben der Konzeption erste Evaluationsergebnisse des Trainings (u.a. wahrgenommene Akzeptanz) vor.
Bindungsrepräsentationen und Mentalisierungskapazitäten von Lehr- und pädagogischen Fachkräften als Komponenten pädagogischer Handlungs- und Beziehungskompetenz?
Teresa Beier, Melanie Henter
RPTU Rheinland-Pfälzische Technische Universität, Deutschland
<p>Die Bindungs- und Mentalisierungskapazitäten von Lehr- und pädagogischen Fachkräften werden, vor allem im Kontext der sozial- emotionalen Entwicklung, als wichtige Komponenten pädagogischer Handlungs- und Beziehungskompetenz diskutiert (z.B. Schwarzer, 2020). Die Rolle der Lehrperson(en), ihre Bindungsrepräsentationen sowie ihre Fähigkeit zu Mentalisieren erweisen sich für die Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen als bedeutsam (z.B. Fonagy, 2018). Zur Gestaltung pädagogisch (wirksamer) Beziehungs- und Lernangebote erweist sich dabei eine an Verstehensprozessen orientierte Perspektive auf das Erleben und Verhalten von Schüler*innen und Lehrpersonen vor der Folie eigener (bindungs-)biographischer Erfahrungen als notwendig. Folglich ergibt sich eine enge Verflechtung zwischen den Bindungs- und Mentalisierungskapazitäten von Lehr- und pädagogischen Fachkräften und einer (sonderpädagogischen) professionalisierungsorientierten Lehrer*innenbildung (z.B. Dlugosch, 2003; Dlugosch et al., 2022). Gleichzeitig zeigen sich innerhalb empirischer Erhebungen nach wie vor Forschungsdesiderate (z.B. Schwarzer et al., 2021).</p>
<p>Vor diesem Hintergrund stellt der Vortrag die Ergebnisse eines quantitativ angelegten Designs vor, innerhalb dessen die Bindungsstile und Mentalisierungskapazitäten von 80 an Förderschulen im Förderschwerpunkt sozial-emotionale Entwicklung tätigen Lehr- und pädagogischen Fachkräften anhand von drei unterschiedlichen Fragebögen erhoben und miteinander in Beziehung gesetzt wurden (Henter et al., 2024). Die Ergebnisse werden zudem in die (sonder-)pädagogische Professionalisierungsdebatte eingebettet und kritisch beleuchtet, inwieweit sich u.a. auch Schlussfolgerungen für die Professionalisierung von pädagogischen Fachpersonen ableiten lassen. Am Ende soll kritisch diskutiert werden, welche Ansprüche und Konsequenzen sich daraus für die einzelnen Phasen der Lehrerinnenbildung ergeben könnten.</p>
„Was ist deine Aufgabe hier im Unterricht?“ Interaktionen und Erwartungen als Ausdrucksform pädagogischer Beziehungen in projektorientierten Lernsettings
Carly Abbenhaus, Christoph Busch, Christian Fischer
Universität Münster, Deutschland
„Es fuckt mich so ab. […] Die lassen uns nicht dahin. Wir wollten Blumensamen kaufen und jetzt sollen wir ganze Blumen kaufen. […] Warum dürfen wir da nicht hin? Ihr Vertrauen ist ja wirklich richtig gut.“
Das Zitat zeigt einen Ausschnitt einer Interaktion zwischen einem Schüler und einem Sozialarbeiter. Es entstammt einem Korpus ethnografischer Beobachtungen, die im Schuljahr 2024/25 in einem projektorientierten Unterrichtssetting der Jgst. 7 erstellt wurden. Wenngleich die Forschung zu pädagogischen Beziehungen im schulischen Kontext allgemein recht umfangreich ist (z.B. Helsper & Hummerich, 2014), steht die systematische Beschreibung von Kommunikationsstrukturen in geöffnetem Unterricht anhand konkreter Interaktionen gegenwärtig noch nicht im Fokus empirischer Forschung (Hauk & Gröschner, 2021). Gleichwohl bietet sie eine vielversprechende Erkenntnisquelle hinsichtlich Antinomien und Herausforderungen, die die Beteiligten in der Kommunikation bewältigen müssen. Der Korpus umfasst ethnografische Beobachtungen von insgesamt 12,5 Zeitstunden Projektunterricht im Kontext BNE an einer nordrhein-westfälischen Gesamtschule, einschließlich Plenar- und Gruppenarbeitsphasen. Für das Poster werden Beobachtungen ausgewählt, die Interaktionen zwischen Lehrkräften und/oder Sozialarbeiter*innen und Schüler*innen in den Gruppenarbeitsphasen dokumentieren. Bezugnehmend auf Merkmale schulischer Interaktionsprozesse im Allgemeinen (Schweer, 2017; Bressler, 2023) und in geöffnete Lernarchitekturen im Speziellen (Traub, 2023) wird analysiert, wie sich die Beteiligten zwischen Öffnung und Schließung bewegen, welche Erwartungen implizit wie explizit handlungsleitend sind und welche Unterschiede sich herausarbeiten lassen. So entsteht z. B. Konfliktpotenzial, wenn Schüler*innen ihrem „Schülerjob“ (Breidenstein, 2006) nicht nachkommen und Lehrkräfte erwartete Freiheiten einschränken. Zudem variiert die Ansprache der Lehrkräfte je nach Schü-ler*innengruppe von direktiv bis impulsgebend.
(Pädagogische) Beziehungsgestaltung bereits in Rahmen der Lehramtsausbildung selbst-bildend-erproben – wie und unter welchen Voraussetzungen ist dies möglich?
Carolin Bornschein
Technische Universität Dresden, Deutschland
Der Beitrag geht der Frage nach, wie Studierende bereits während des Lehramtsstudium ein Bewusstsein für die Bedeutung pädagogischer Beziehungsgestaltung in der Grundschule entwickeln und sich selbst-bildend auf diese komplexe Aufgabe vorbereiten können.
Den Rahmen für dieses Vorhaben bildet ein Werkstattseminar in der Lern- und Forschungswerkstatt Grundschule, welches das Ziel verfolgt, Studierende im Umgang mit heterogenen Lerngruppen zu stärken. Dafür grundlegend ist die gezielte Ermöglichung und Thematisierung von Selbst- und Beziehungserleben sowie die Reflexion gegenwärtiger und biographischer Erfahrungen der Studierenden. Angehende Lehrpersonen sollen für ihr (pädagogisches) Selbstverständnis d.h. für ihren personalen Anteil im Rahmen der (pädagogischen) Beziehungsgestaltung sowohl im Kontext der universitären Seminargruppe als auch in Bezug auf die anzustrebende Rolle als Lehrperson in einer Grundschulklasse sensibilisiert werden. Die Lernwerkstattarbeit bietet hierfür eine geeignete Rahmung zur Entwicklung hochschuldidaktisch gestützter "Selbstreferenzialität" mit dem Ziel der Ermöglichung von Prozessen der „persönlichkeitsorientierten Professionalisierung“ (Holub & Roszner, 2021).
In diesem Zusammenhang wird auf Metaebene auch die (pädagogische) Beziehungsgestaltung von Studierenden und Lehrenden im Hochschulkontext zum Gegenstand der Betrachtung. Wenn pädagogische Professionalisierung als individuelle Entwicklungsaufgabe und -chance von Studierenden sowie Lehrenden erkannt und wahrgenommen wird, steigert dies die Qualität pädagogischer Beziehungsgestaltung. Die Erforschung der Bedingtheit bzw. Wechselwirkung der Entwicklung von Selbstkompetenzen (Solzbacher, 2014) und pädagogischer Beziehungsgestaltung ist Gegenstand der Untersuchung.
Der Übergang zur weiterführenden Schule als ko-konstruktiver Prozess. Selbst- und Fremdpositionierungen aufnehmender Klassenleitungen.
Caroline Tönsing
Universität Osnabrück, Deutschland
Der Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule ist für die Schüler*innen eine Phase, in der Beziehungen eine entscheidende Rolle spielen. Im ko-konstruktiven Prozess des Übergangs stellen verschiedene Akteur*innen ein Beziehungsnetz dar (Griebel & Niesel, 2021). Eine Akteursgruppe sind dabei die aufnehmenden Klassenleitungen. Klassenleitungen sind in ihrer Funktion für die Klasse verantwortlich und gelten daher als wichtige Bezugsperson in diesem Prozess (Kottmann, 2022). Wird die Klasse von zwei Personen kooperativ geleitet, stellt deren Beziehung eine weitere relevante Ebene dar.
Unter der Forschungsfrage „Welche Selbst- und Fremdpositionierungen nehmen die Klassenleitungen eines Klassenleitungsteams in einer 5. Gesamtschulklasse im Kontext dieses Übergangs während eines gemeinsamen Interviews vor?“ werden zentrale pädagogische Beziehungen untersucht. Dazu wurden qualitative Leitfadeninterviews mit 13 Klassenleitungsteams an 10 Gesamtschulen in Niedersachsen und NRW geführt. Durch die gemeinsame Befragung beider Klassenlehrpersonen wurden Interaktionen miterhoben. Die Klassenleitungen sprechen jeweils als Individuen und als Paar über Dritte und sich selbst (Wimbauer & Motakef, 2017). Mit einem rekonstruktiven Verfahren nach Kleemann et al. (2013) werden die Selbst- und Fremdpositionierungen analysiert, wobei der Fokus auf der formalsprachlichen Analyse liegt, um die Interaktionen der vorliegenden Interviewsituation zu kontrollieren.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich die Klassenleitungen sich in ihrer Rolle als verantwortlich für die Beziehungsarbeit zu Beginn der 5. Klasse sehen und dies mit ihrer Zugehörigkeit zur Gesamtschule verbinden. In Bezug auf die kollegiale Beziehung zeigt sich, dass sie Handlungen als Paar darstellen, die sie nicht gemeinsam erlebt haben.
Die Selbst- und Fremdpositionierungen der Klassenleitungen werden in Bezug auf die Beziehungen im Übergang als ko-konstruktiver Prozess diskutiert.
Schüler:innen bei der Nutzung von Virtual Reality pädagogisch begleiten. Ein ko-konstruktiv entwickeltes Fortbildungskonzept für (sonderpädagogische) Lehrkräfte
Dorina Rohse, Caterina Schäfer, David Wiesche
Universität Duisburg-Essen, Deutschland
<p>Virtual Reality (VR) ermöglicht Erfahrungen, die von taktischer, visueller und akustischer Wahrnehmung geprägt sind (Mills et al., 2022). Mit zunehmendem Einzug in den Bildungskontext und ersten Erkenntnissen zu Potenzialen und Grenzen für Schüler:innen mit sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf (Rohse und Schäfer, 2024) werden Anfragen an eine pädagogisch Begleitung und Interaktion deutlich: Durch eine Exponiertheit von Körper kann u.a. bei Beobachtung von Anderen eine Art Bühnensituation bei der Nutzung von VR entstehen. (Sonderpägogische) Lehrkräfte haben hier eine verantwortliche Rolle bei der Gestaltung einer sicheren und angstfreien Beziehung und damit Lernatmosphäre, denn eine Interaktion, die grundsätzlich auf Vertrauen und Unterstützung beruht, hat entscheidenden Einfluss auf die Lernmotivation der Schüler:innen (Schlömerkemper & Lehberger, 2018).</p>
<p>Im vorliegenden Beitrag werden die Inhalte des Konzeptes “VR und Begleitung” im Rahmen des Teilprojektes Com<sup>e</sup>Sport (Kompetenzverbund lernen:digital) vorgestellt: In einem ko-konstruktiven Entwicklungsprozess erörterten Sonderpädagog:innen und Lehramtsanwärter:innen nach einer VR-Selbsterfahrung in Gruppendiskussionen, welche Aspekte bei der Begleitung von Schüler:innen beachtet werden sollten. Die erhobenen Daten wurden gemäß qualitativer Inhaltsanalyse (Kuckartz und Rädiker, 2022) ausgewertet.</p>
<p>Der Vortrag stellt ausgewählte Ergebnisse vor: u.a. Regulation von Nähe und Distanz und Ankündigungen von Körperberührungen. Gleichzeitig zeigen sich Grenzen, die z.B. Schüler:innen mit komplexen Behinderungen ausschließen. Diese werden hinsichtlich möglicher inklusiver Aspekte von VR anhand des Universal Designs for Learning (Wehrmann und Zender, 2024) diskutiert.</p>
Förderliche Beziehungsgestaltung aus Sicht von Schüler:innen
Gabriele Schauer, Sabine Gerhartz-Reiter, Sunet Grobler
Universität Innsbruck, Österreich
<p>Gelungene pädagogische Beziehungen stellen eine wesentliche Grundlage für erfolgreiches Lernen dar (vgl. Künkler, 2014; Herrmann & Oswald 2022). Daher haben Lehrpersonen gemäß den Prinzipien des Nachhaltigkeitsziels (SDG) 4 – inklusiver, gleichberechtigter und hochwertiger Bildung sowie der Förderung lebenslangen Lernens für alle (UN, 2015) und pädagogischem Ethos (Rödel et al., 2022) die Verantwortung für förderliche Beziehungsgestaltung im schulischen Kontext. Dass dies oft nicht gelingt, zeigt beispielsweise Prengel (2019) im Projekt INTAKT: 25% der Interaktionen zwischen Lehrpersonen und Schüler:innen werden von diesen negativ wahrgenommen (vgl. auch Ramm 2006).</p>
<p>Daher stellt sich die Frage, was eine unterstützende pädagogische Beziehung für Jugendliche ausmacht, was sie von ihren Lehrpersonen diesbezüglich brauchen, um eine förderliche Ausgangslage für ihre Lern- und Bildungsprozesse zu haben. Im Beitrag wird daher nach einem Überblick über Erkenntnisse zu pädagogischen Beziehungen und deren Berücksichtigung in österreichischen Lehramt-Studien (Schauer, 2024) ein Projekt vorgestellt, das pädagogische Beziehungen aus Sicht von Schüler:innen in den Blick nimmt.</p>
<p>Mittels qualitativer Befragung von Schüler:innen aus verschiedenen Schultypen der Sekundarstufe und qualitativer Inhaltsanalyse (vgl. Kuckartz, 2022) wird untersucht, wie unterschiedliche Jugendliche die Beziehungen zu ihren Lehrpersonen wahrnehmen, welche Aspekte aus ihrer Perspektive bedeutsam sind und welche Unterstützung sie von ihren Lehrpersonen bei der Bewältigung ihrer Bildungswege erfahren – als eine wesentliche Grundlage, um gemäß dem SDG4 Zugang zu gleichberechtigter und hochwertiger Bildung zu erhalten. In diesem Kontext wird auch analysiert, inwiefern pädagogisches Ethos für Schüler:innen sichtbar wird.</p>
<p>Die Erkenntnisse helfen (angehenden) Lehrpersonen, ihr pädagogisches Handeln in der Beziehungsgestaltung entsprechend den Bedürfnissen der Schüler:innen zielorientiert auszurichten.</p>
Das Beziehungsgeschehen im Unterricht zwischen Anerkennung und Verletzung
Martina Damej
Universität Klagenfurt, Österreich
<p>Schulisches Lernen ist kein isolierter Prozess, sondern ein soziales und interaktives Geschehen, dessen Gelingen von der Beziehungsgestaltung zwischen den am Bildungsprozess beteiligten Personen bestimmt ist. Bauer (2007) spricht bezugnehmend auf das Konzept der pädagogischen Beziehung sogar von einem „unabdingbaren Transfusionskanal“, über den Lerninhalte erst an Schüler:innen herangetragen werden können. Umso wichtiger erscheint es, die Praxis der Beziehung in den Blick zu nehmen. Als Grundlage einer Erörterung dient die Vorstellung, dass das Beziehungsgeschehen zwischen Lehrpersonen und Schüler:innen eine „fortlaufende Interaktionskette“ (Kühn, 2008, S. 45) sei, „die je nach Form und Inhalt bestimmte Auswirkungen auf das Denken und Fühlen der Beteiligten“ (Kühn, 2008, S. 45) habe. Die Arbeit mit phänomenologischen Vignetten (nach Agostini et. al, 2023) ermöglicht es, Sequenzen solcher Interaktionsprozesse hinsichtlich professionsethischen Handelns zu durchleuchten, Beziehungserfahrungen im pädagogischen Setting nachzuspüren und Rückschlüsse auf den Qualitätsgehalt der Lehrer:innen-Schüler:innen-Beziehungen zu ziehen. Als theoretische Bezugspunkte dienen die von Prengel (2019) eingebrachten anerkennungstheoretisch begründeten Qualitäten pädagogischer Beziehungen: Solidarität, Gleichheit und Freiheit, Wertschätzung.</p>
<p>Im Vortrag werden auf phänomenologische Vignetten zurückgegriffen, die im Rahmen der eigenen Hochschullehre als Professionalisierungsinstrument für angehenden Lehrkräfte herangezogen werden.</p>
Kompetenter Umgang mit eigenen Emotionen – ein Konzept für die Aus- und Fortbildung von Lehrkräften
Vera Habermeier
Universität Kassel
Positiv erlebte pädagogische Beziehungen stellen wichtige Voraussetzungen für erfolgreichen Unterricht dar (Fischer & Richey, 2021). In der Praxis kommt es jedoch immer wieder zu verletzendem Lehrkraftverhalten gegenüber einzelnen Schüler:innen oder Schulklassen. Vermutete Ursachen dieses Verhaltens umfassen u.a. das allgemeine Belastungserleben und die mangelnde Selbstwirksamkeit der Lehrenden (Lewis & Riley, 2009). In diesem Zusammenhang sind emotionale Kompetenzen von Lehrkräften zentral. Sie hängen negativ mit emotionaler Erschöpfung und positiv mit der Selbstwirksamkeitserwartung zusammen (Burić et al., 2020; Lee & Vlack, 2018). Darüber hinaus zeigten sich in diversen Studien Zusammenhänge zwischen der Emotionsregulation der Lehrkräfte und der Unterrichtsqualität sowie dem Wohlbefinden der Schüler:innen (Aldrup et al., 2024; Braun et al., 2020). Eine Vermittlung emotionaler Kompetenzen bereits im Studium ist daher wünschenswert aber bisher noch selten umgesetzt. Trainings, die zumindest teilweise auf die Förderung emotionaler Kompetenzen in der Lehrerbildung ausgerichtet sind, finden sich nur vereinzelt (u.a. Carstensen et al. 2019; Görich 2019; Ritter 2022), wobei die Wirksamkeit nur selten überprüft bzw. nicht klar nachgewiesen wurde. Im Dissertationsprojekt soll daher ein Training zur Förderung emotionaler Kompetenzen von Lehrkräften entwickelt, erprobt und evaluiert werden, das perspektivisch als fester Bestandteil in die Lehrer:innenbildung implementiert werden kann. Auf den emotionalen Kompetenzen aufbauend, ist u.a. die adäquate Kommunikation von Emotionen ein wichtiger Bestandteil der Maßnahme. Diese ist im Zusammenhang mit aggressivem und verletzendem Lehrkraftverhalten und dessen Auswirkungen besonders relevant (Poulou et al., 2022; Romi et al., 2011). Auf dem Poster sollen das Fortbildungskonzept sowie die geplante Evaluationsstudie unter Bezugnahme auf Theorie und Forschungsstand vorgestellt und diskutiert werden.
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