Veranstaltungsprogramm
Eine Übersicht aller Sessions/Sitzungen dieser Veranstaltung.
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Sitzungsübersicht | |
Ort: SR 4 = Raum 1117 Seminarraum 4 Raum 1117 im ersten Stock; 22 Personen |
Datum: Donnerstag, 18.09.2025 | |
10:15 - 12:15 | Adressierungsanalyse als empirischer Zugang zum Phänomenbereich pädagogischer Beziehungen Ort: SR 4 = Raum 1117 Chair der Sitzung: Tobias Leonhard, Pädagogische Hochschule Zürich Forschungsforum |
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Wie lassen sich pädagogische zum Gegenstand empirischer Untersuchung machen? Ausgehend von der Frage des Calls zur Tagung, welche «sozialtheoretische[n] Bezugnahmen […] welche (produktiven) Perspektiven auf pädagogische Beziehungen [eröffnen]», werden im Forschungsforum die Chancen und Grenzen der Adressierungsanalyse ausgelotet, pädagogische Beziehungen gegenstandsadäquat zu erforschen. Dies geschieht anhand von zwei rekonstruierten Daten aus dem Projekt TriLSA (Trajektorien im Lehrberuf - Subjektivierung in schulischen Anerkennungsordnungen, 2025-2028), in dem neun Berufseinsteiger:innen ethnografisch durch die ersten vier Berufsjahre begleitet werden. Im Forum wird auf der einen Seite die Frage nach einem geeigneten Zugang zum Phänomenbereich der pädagogischen Beziehungen gestellt, auf der anderen Seite aber in den Blick genommen, was dieser Phänomenbereich eigentlich umfasst. Ist die Beziehung zwischen Lehrer:innen und Eltern (von Schüler:innen), eine pädagogische? Im zweiten Teil des Forschungsforums fragen wir im Anschluss an die Dissertation von Melanie Leonhard, ob die (schul-)pädagogische Beziehung eigentlich ohne die – die Institution Schule mitkonstituierenden – Gegenstände des Unterrichts hinreichend charakterisiert werden kann. Die Adressierungsanalyse (Kuhlmann, 2023a; Reh & Ricken, 2012; Rose & Ricken, 2018) hat in den vergangenen Jahren eine bemerkenswerte 'Karriere' gemacht. Der im Grundsatz keineswegs neue, aber in der Kombination von Aspekten der Konversationsanalyse und machtbezogener Momente der Diskursanalyse spezifisch konturierte Blick auf die Relationalität sozialer Praxis, eröffnet auch für die Schul- und Unterrichtsforschung erweiterte Perspektiven, so zumindest die Ausgangshypothese des Forschungsforums. Diese erlauben nicht nur das Ausmass zu bestimmen, in denen sich normative Ansprüche an pädagogische Beziehungen auch empirisch realisieren, sondern lassen auch Aussagen zu Prozessen situativer Subjektivierung einzelner Teilnehmender am sozialen Geschehen und Aussagen zur sozialen Ordnung zu, die je nach Untersuchungsgegenstand z.B. als Wissensordnung, als Differenzordnung oder als Anerkennungsordnung gefasst werden kann. Die vorliegenden, eher als Methodologie zu argumentierenden Heuristiken mit mehreren Dimensionen (Kuhlmann et al., 2017; Kuhlmann, 2023a) erfordern jedoch je nach Erkenntnisinteresse und Gegenstandsbestimmung die Ausarbeitung eines methodischen Vorgehens. Dieser Prozess wird im Forum an den beiden Daten und deren Rekonstruktionen sichtbar gemacht und zur Diskussion gestellt. Als Vorgehen ist geplant, zunächst die beiden Phänomenbereiche pädagogischer Beziehungen zwischen Eltern und Lehrperson und zur Rolle der Unterrichtsgegenstände jeweils anhand einer kontextualisierten Darstellung der erkenntnisleitenden Fragestellung, des Untersuchungsdatums und seiner Rekonstruktionen vorzustellen. In der Diskussion durch die Diskutantin, aber auch mit den Teilnehmenden wäre gemeinsam das Potenzial der Adressierungsanalyse zu prüfen, so z.B. mit der Frage, welche (neuen?) Erkenntnismöglichkeiten aus diesem Zugang resultieren, aber auch, welche Grenzen mit dem Einsatz dieser Methode verbunden sind. Beiträge des Symposiums Pädagogische Beziehungen am Elternabend? «Pädagogische Beziehungen [stehen] immer im Kontext des Bildungs- und Erziehungsauftrags» (Fischer & Richey, 2021, S. 34), der neben dem Strukturproblem der Generationalität (Ricken, 2015) die verantwortungsbewusste Zusammenarbeit zwischen Lehrer:innen und den Eltern ihrer Schüler:innen in der Institution Schule begründet (Schneider Boye, Leonhard, & Herzmann, 2025). «Was diese Verantwortung aber – neben der juristisch-verbindlichen Erfüllung von Pflichten und dem Vermeiden von Kindeswohlgefährdungen – genau bedeutet, ist theoretisch – aber natürlich oft auch praktisch – hoch umstritten» (Kuhlmann, 2023b, S. 110). Unter der Fragestellung, ob am Elternabend als etablierter Form der Elternzusammenarbeit eine pädagogische Beziehung unter den Anwesenden entsteht, ob in dieser Beziehung auch Erziehung stattfindet und welche Positionen darin den Schüler:innen zukommen (Bennewitz 2023), wurden Daten aus einem solchen Elternabend adressierungsanalytisch rekonstruiert. Im Impulsreferat wird die Kontextualisierung des Datum und das methodische Vorgehen vorgestellt sowie die Befunde zur Diskussion gestellt. Pädagogische Beziehungen und die Gegenstände des Unterrichts Die Institution Schule und der darin stattfindende Unterricht als typisch moderne Form «lernbezogener Menschenhaltung» (Caruso, 2011, S. 24) ist bestimmt durch die Bezüge auf die Gegenstände des Unterrichts. Obwohl fast eine Binsenweisheit, die sich traditionell im basalen Modell des didaktischen Dreiecks abbildet, scheint uns das Verhältnis von Lehrenden, Lernenden und der Sache in seiner Dreistelligkeit (vgl. Reh, 2018) bei der Thematisierung pädagogischer Beziehungen bislang eher zu wenig berücksichtigt. Das ist umso bemerkenswerter, als die Qualität der auf «Lernen» zielenden Auseinandersetzung nicht nur auf der inter-subjektiven Beziehungsebene bestimmbar ist, sondern auch die Frage beinhalten muss, wie und als was die Gegenstände in den unterrichtlichen Horizont kommen, wie sie – ebenso wie die menschlichen Teilnehmenden – Anerkennung finden und welche Rolle die Gegenstände selbst dabei spielt. In einer Erweiterung der Adressierungsanalyse hat Melanie Leonhard das didaktische Dreieck adressierungsanalytisch aktualisiert und die Gegenstände als «Adressand» ausgearbeitet, der sowohl materiell als auch immateriell ins Zentrum der unterrichtlichen Aufmerksamkeit gelangen kann und diese (im besten Fall) produktiv zu binden vermag (Leonhard, 2025). Die Beziehungen zwischen den Gegenständen und den menschlichen Teilnehmenden lassen sich – so die Hypothese dieses Referats – adressierungsanalytisch detailliert in den Blick nehmen. Im Anschluss an die Erläuterungen zu Erweiterung der Adressierungsanalyse und zum Konzept des Adressanden wird dies an der Rekonstruktion einer Unterrichtssequenz zu verdeutlichen versucht. |
15:45 - 17:45 | EB-05: Pädagogische Beziehungen: Gestaltung von Lernumgebungen Ort: SR 4 = Raum 1117 Chair der Sitzung: Natalie Fischer, Universität Kassel |
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Partizipation als Qualitätsdimension in pädagogischen Beziehungen an Ganztagsgrundschulen Universität Hildesheim, Deutschland In institutionellen Bildungsarrangements ist Partizipation von Heranwachsenden seit Jahren gesellschaftspolitisches Ziel, wobei sich der Fokus zunehmend auf die Grundschule richtet (Billis 2020). Denn in der Grundschule als einer zentralen Sozialisationsinstanz, die formal alle Kinder erreicht, können diese bereits frühzeitig an Formen der Beteiligung herangeführt werden (Reisenauer 2020). Vor allem von Ganztagsgrundschulen wird erwartet, Lebens- und Erfahrungsräume zu bieten, in denen Lehr- und Fachkräfte pädagogische Beziehungen multiprofessionell so gestalten, dass sie Möglichkeiten zur Teilhabe und Partizipation bieten (Fischer & Kielblock 2021; Fabel-Lamla 2024) und darüber eine partizipativ-demokratische Ganztagsschul- und Lernkultur entwickelt werden kann (Georgi 2006). Positive pädagogische Beziehungsgestaltung wird insofern mit der Ermöglichung partizipativ-ausgerichteter Bildungsangebote und Betreuungsarrangements verknüpft. Kritisch ist vor diesem Hintergrund zu fragen, inwieweit normative Setzungen von Partizipation die asymmetrischen Generationenbeziehungen innerhalb pädagogischer Beziehungen verschleiern (Jergus 2020). Der Beitrag bietet erste Einblicke in ein aktuell laufendes Forschungsprojekt, das sich der Qualitätsentwicklung von Ganztagsgrundschulen widmet, die einen Zertifizierungsprozess als Kinderrechteschule durchlaufen haben. Dazu finden an sechs Standorten einwöchige Feldaufenthalte statt, ergänzt um Dokumentenanalysen, Interviews, Fokusgruppengespräche und die PhotoVoice-Methode. Anhand von Dokumentenanalysen und Interviews werden im Projekt programmatische Entwürfe pädagogischer Beziehungen und mit Hilfe der aus den Beobachtungen entstehenden narrativen Beobachtungsprotokolle (Cloos 2010) Praktiken der Beziehungsarbeit rekonstruiert. Analysiert wird, wie sich Partizipation in den pädagogischen Beziehungen vor dem Hintergrund der in ihnen eingelagerten Machtasymmetrien realisiert. Beziehung als interaktive Praxis 1Universität Koblenz, Deutschland; 2Universität Erfurt, Deutschland Gespräche haben eine hohe Relevanz für die alltägliche Unterrichtspraxis. Das Zusammenwirken des sprachlichen Handelns der Lehrkräfte und die Äußerungsqualität der Schüler*innenbeiträge wird zunehmend als Ko-Konstruktion gesehen (de Boer 2024). Untersuchungen, die sich mit der Struktur unterrichtlicher Gespräche beschäftigen, zeigen eindrücklich, dass Bewertungen in jede kommunikative Unterrichtsstruktur eingelagert sind (Meister/Hollstein 2018). Die 3-schrittige Kernstruktur, bestehend aus Eröffnung (Initiation), Schüler*innenantwort (Reply) und Rückmeldung (Evaluation) (z.B. Mehan 1979)), endet in der Regel mit einer bewertenden Rückmeldung. Internationale Studien haben in diesem Kontext dialogische Gesprächshandlungen untersucht, die die sequentielle Ordnung der Unterrichtskommunikation aufbrechen. Konsens besteht darüber, dass dialogisch ausgerichtete Gespräche ein besonderes Potenzial für fachliche und überfachliche Bildungsziele aufweisen und zu sozialer Kohäsion und Beziehungsbildung beitragen können (z. B. Mercer et al. 2020). Vor diesem Hintergrund stehen folgende Fragen im Zentrum dieses Vortrages:
Wie bereits Studierende durch gezielte Veränderung ihrer Handlungen dialogische Gespräche interaktiv hervorbringen können, wurde in einem kooperativen Lehrforschungsprojekt an der Universität Koblenz und der PH Ludwigsburg untersucht. Entstanden ist ein Korpus aus 40 Gesprächstranskripten, die sequenzanalytisch untersucht werden. An einem Fallspiel wird expliziert, wie das klassische I-R-E Gesprächsmuster aufgebrochen wird, sich z.B. in Praktiken der Anschlussnahme, der Ko-Konstruktion und der kollektiven Argumentationen zeigt und dabei zur interaktiven Herstellung von Beziehung im Gespräch beiträgt. Beitrag wurde zurückgezogen! Vertrauen in pädagogischen Beziehungen – Eine qualitative Untersuchung von Interaktionen zwischen Lehrpersonen und Schüler:innen im Rahmen offenen Unterrichts Universität Hamburg, Deutschland Vertrauen ist eine grundlegende Voraussetzung für unser alltägliches Handeln (Endreß 2002). Dabei beeinflusst interpersonales Vertrauen, wie Menschen einander gegenübertreten. Dies gilt auch für Interaktionen zwischen Lehrkräften und Schüler:innen und ist damit folgenreich für deren pädagogische Beziehung (Schweer et al. 2021; Thies 2014). Vertrauen in der Lehrer:innen-Schüler:innen-Beziehung war bislang kaum Gegenstand empirischer Forschung. Ein Desiderat zeigt sich insbesondere hinsichtlich des Vertrauens im Kontext konkreter Interaktionen, die im (offenen) Unterricht ablaufen. Die in diesem Beitrag vorgestellte Studie untersucht Vertrauen in der Beziehung zwischen Lehrkräften und Schüler:innen dyadisch und unter Bedingungen offenen Unterrichts an zwei Sekundarschulen. Die theoretische Grundlage bildet die differentielle Vertrauenstheorie (Schweer 1997). Ziel ist es, herauszufinden, welche Vertrauenshandlungen sich in welcher Weise in der Interaktion zwischen Lehrperson und Schüler:in zeigen. Außerdem wird der Frage nachgegangen, wie die Vertrauenswürdigkeit des jeweiligen Gegenübers wahrgenommen wird. Um Vertrauenshandlungen zu untersuchen, wurden insgesamt acht individuelle Lerngespräche zwischen Lehrpersonen und Schüler:innen audiographiert. Zudem wurden – jeweils nach dem Gespräch – mit beiden am Lerngespräch beteiligten Personen Einzelinterviews geführt (insgesamt 16), die sowohl Vertrauenshandlungen als auch die Vertrauenswürdigkeit fokussierten. Der Beitrag präsentiert erste Ergebnisse der genannten Studie. Ausgehend von einer Gesprächsanalyse (Selting 2008) soll am Beispiel ausgewählter Dyaden aufgezeigt werden, welche Vertrauenshandlungen sich in den untersuchten Lerngesprächen zeigen. Diskutiert werden die Ergebnisse im Hinblick auf die Bedeutung von Vertrauen in pädagogischen Beziehungen im Allgemeinen und der Interaktion im offenen Unterricht im Besonderen. Wenn Algorithmen lehren: Digitale Steuerung und die Neugestaltung pädagogischer Beziehungen Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Deutschland Lernsysteme (vgl. Gao et al. 2020) übernehmen zunehmend pädagogische Funktionen im Unterricht, indem sie Lernprozesse steuern, Inhalte vermitteln und Rückmeldungen geben (Mayer & Jornitz 2022). Dieser Wandel verändert Unterricht als strukturierten Prozess (Gruschka 2013; Pollmanns 2019) grundlegend, da Rollen und Verantwortlichkeiten zwischen Lehrkräften und Schüler*innen neu verteilt und technikzentrierten Prozessen untergeordnet werden (Jornitz & Mayer 2024). Aus fünf Unterrichtstranskripten einer Mathematik-Doppelstunde wird eine ausgewählte Sequenz genutzt, um Ergebnisse einer objektiv hermeneutischen Analyse (Oevermann 1996) zu veranschaulichen. Die Transkripte dokumentieren Interaktionen zwischen Schüler*innen, der Lehrkraft und der Lernplattform realmath.de, auf der in Tandems digitale Übungsaufgaben bearbeitet werden. Die Ergebnisse zeigen drei zentrale Aspekte der Transformation: (1) Steuerungs- und Rückmeldeaufgaben werden an die Software delegiert, was die Rolle der Lehrkraft einschränkt und Inhalte von Technik entkoppelt; (2) in den Tandems entstehen Abhängigkeitsverhältnisse durch ungleiches technisches und wahrgenommenes inhaltliches Wissen. Diese Verhältnisse können sowohl einseitig als auch wechselseitig sein und beeinflussen die Kooperation sowie die Rollenverteilung der Schülerinnen; (3) Verantwortung und Reflexion werden zunehmend ausgelagert, wodurch nicht zuletzt die Eigenständigkeit der Schülerinnen eingeschränkt wird. Die Software wird zu einer Instanz, die Handlungsspielräume einschränkt und Lehrkräfte vor neue Herausforderungen stellt (vgl. Macgilchrist et al. 2023). Gleichzeitig werden Reflexionsprozesse auf technokratische Aspekte reduziert, was die Tiefe pädagogischer Auseinandersetzungen begrenzt (Pollmanns et al. 2022). Die Ergebnisse zeigen, dass pädagogische Professionalität und Reflexion in technikgestützten Szenarien neu gedacht werden müssen. Der „Schulhund“ als Indikator krisenhafter pädagogischer Beziehungen und ihrer Transformation? 1Södertörn Universität, Schweden; 2Europa-Universität Flensburg, Deutschland Der Einsatz von „Schulhunden“ ist mit dem Versprechen verknüpft, Unterricht zu bereichern, vor allem durch die andersartige Beziehung, die er den Schüler_innen und Lehrpersonen offeriert: Hunden wird, wie auch anderen Tieren, zugesprochen, ein besonderes Gegenüber zu sein, welches sich von Lehrpersonen und Mitschüler_innen in seiner affektiv-körperlichen Präsenz unterscheidet. Schulpädagogische Konzepte für den Unterricht mit Hund geben daher professionalisierungstheoretisch Hinweise darauf, welche Beziehungsansprüche den Heranwachsenden zugeschrieben werden und inwiefern diese nicht oder nicht ausreichend von den Lehrpersonen erfüllt werden können: Was kann die Beziehung zu einem Hund anbieten, was eine Beziehung zu einer Lehrperson nicht, oder nicht ausreichend kann? Inwiefern ist es möglich, die Beziehung zwischen Schüler_innen und Hund in den Kontext pädagogischer Professionalität zu stellen? Dem wollen wir nachgehen und zum einen analysieren, auf welche Probleme das Hinzunehmen eines Hundes in den Unterricht welche Lösungen anbietet. Zum anderen wollen wir ausgehen von Fallstudien und Interviewmaterial aus Norddeutschland und Schweden diskutieren, inwiefern mit dem Einsatz von Schulhunden eine neue Idee von gelingendem Unterricht sowie pädagogischer Beziehungen in Schule propagiert wird (vgl. Pollmanns/ Kabel 2023). Vor dem Hintergrund dieser Fallstudien sollen auch verbreitete normative Annahmen wie jene, der „Schulhund“ sei die bessere Lehrperson, weil er, wie in der Literatur angeführt wird, unvoreingenommen sei und nicht werte bzw. sich als affektives Gegenüber anbiete (vgl. Ceder 2016, Beetz 2019), diskutiert werden. Schließlich wollen wir unsere Studien in den breiteren Kontext aktueller internationalen Diskurse zur Entprofessionalisierung des Lehrberufs (Helsper 2021) sowie zum Ruf nach einer Transformation von Unterricht und Schule (Lindgren & Öhman 2019) angesichts einer „Krise des Anthropozän“ (Braitdotti 2023, Sörlin 2018) stellen. |
Datum: Freitag, 19.09.2025 | |
10:10 - 12:10 | Bedeutung und Kontexte pädagogischer Beziehungen in (inklusiver) Schule und Lehrkräftebildung Ort: SR 4 = Raum 1117 Chair der Sitzung: Neele Bäker, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg Diskussionsforum |
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Die im Rahmen der Tagung fokussierte zentrale Bedeutung pädagogischer Beziehungen wird auch für die inklusive Bildung herausgestellt (Prengel, 2019; Fischer & Richey, 2021). Zugleich stellt sich empirische Frage, was ausgehend von den Perspektiven von Lehrkräften und Schüler:innen die Bedeutung pädagogischer Beziehungen im Schulkontext ausmacht. Darüber hinaus gilt es die pädagogische Beziehungen nicht isoliert, sondern im institutionellen schulischen Kontext und mit Blick auf die Implikationen für die inklusionsorientierte Lehrkräftebildung zu betrachten. Das Diskussionsforum umfasst drei kurze Impulse: Die ersten beiden Impulse beziehen sich auf die Bedeutung pädagogischer Beziehungen im schulischen Kontext, zum einen auf Basis einer Lehrkräftebefragung, zum anderen basierend auf Interviews mit Schüler*innen. Daran anschließend nimmt der dritte Impuls die curriculare Ebene der universitären Lehrkräftebildung in den Blick und regt zur gemeinsamen Diskussion der Implikationen für die Weiterentwicklung der inklusionorientierten Lehrkräftebildung an. 1. Einflussfaktoren auf die Qualität der Lehrkraft-Schüler:innen-Beziehung in inklusiven Schulen: Eine empirische Analyse schulischer Rahmenbedingungen Aus der Literatur ist bekannt, dass sowohl institutionelle Faktoren als auch individuelle Erfahrungen die Qualität pädagogischer Beziehungen prägen können. Das mögliche Zusammenspiel dieser beiden Einflussfaktoren wurde anhand eines Fragebogens im Rahmen des Projektes zur Erfassung des Schulklimas (Bäker, Goagoses & Rademacher, 2023) untersucht. Befragt wurden N = 364 Lehrkräfte mit unterschiedlichen schulischen Erfahrungswerten (M = 17 Jahre Berufserfahrung). Der Fragebogen erfasst drei Ebenen schulischer Qualität: (1) institutionelle Rahmenbedingungen, die strukturelle und organisatorische Faktoren wie Schulressourcen und räumliche Ausstattung umfassen, (2) individuelle Unterstützungsstrukturen, die durch Zusammenarbeit mit der Schulleitung und kollegiale Unterstützung definiert werden, sowie (3) Lehrerfahrungen, die sich auf die berufliche Entwicklung bezieht. Entlang des Regressionsmodells wird deutlich: Pädagogische Beziehungen entstehen nicht isoliert, sondern sind vielmehr das Produkt struktureller Rahmenbedingungen, institutioneller Unterstützung und individueller Lehrerfahrungen. 2. Beziehung zu Lehrkräften aus Perspektive von Schüler:innen im Spiegel einer qualitativ-empirischen Studie zu Leistung und Inklusion Die Perspektiven von Schüler:innen ins Zentrum der Forschung zu rücken (Bennewitz et al, 2022), stellt auch mit Blick auf die inklusive Bildung oft weiterhin ein Desiderat dar (Messiou, 2019). Hierbei gilt es v.a., die „multiplicity of students’ views“ (Messiou, 2019, S. 769) verstärkt zu berücksichtigen (Messiou et al., 2022). Bisherige Studien zur Schüler*innensicht z.B. auf das Wohlbefinden verweisen auf die Bedeutung sozialer Beziehungen in inklusiven Schulen (Gurth et al., 2024; Powell et al., 2018). Vor diesem Hintergrund schließt der zweite Impuls an die Frage an, wie Schüler:innen die Beziehung zu ihren Lehrpersonen wahrnehmen. Der Kurzimpuls basiert auf Ergebnissen des BMBF-Verbundprojektes „Reflexion, Leistung und Inklusion“ (Arndt et al., 2022). Im Rahmen einer an der Grounded Theory-Methodologie orientierten qualitativ-empirischen Studie wurden an zwei Gesamtschulen und zwei Gymnasien u.a. episodische Interviews (Flick, 2011) mit Schüler*innen geführt (n=59). Der Impuls nimmt kontrastierend einen Gesamtschul- und einen Gymnasialkontext mit unterschiedlichen Praktiken der leistungsbezogenen äußeren Differenzierung in den Blick (Arndt et al., 2021). Die Wahrnehmung der Beziehung zu den Lehrkräften aus Schüler*innensicht, wird u.a. mit Blick auf die sich in inklusiven Settings zuspitzenden Ambivalenzen in Bezug auf Leistung (Akbaba & Bräu, 2019) diskutiert. 3. Thematisierung pädagogischer Beziehungen in der inklusionsorientierten Lehrkräftebildung Der dritte Impuls fokussiert die inklusionsorientierte universitäre Lehrkräftebildung und widmet sich der Frage nach dem Stellenwert, den das Thema pädagogische Beziehungen hier einnimmt. Die mit der Tagung fokussierte grundlegende Bedeutung pädagogischer Beziehung zeigt sich im „Profil der Lehrer*innenbildung für Inklusion“, z.B. indem der „Aufbau einer positiven Beziehung zwischen den Lehrpersonen und jedem Lernenden“ herausgestellt wird (European Agency, 2022, S. 11). Am Beispiel der Ebene der konkreten Seminarkonzeption, z.B. in Formaten der Reflexion der eigenen Schulzeit (Faber et al., 2019), wird deutlich, dass in der Auseinandersetzung mit der Thematisierung pädagogischer Beziehungen in der universitären Lehrkräftebildung auch die Diversität der Lehramtsstudierenden und damit das „Lehren und Lernen in Differenzverhältnissen“ (Akbaba et al., 2022) zu berücksichtigen. Hinsichtlich der programmatischen Forderung nach einer „Lehrerbildung für eine Schule der Vielfalt“ (KMK & HRK, 2015) werden aktuell u.a. Fragen zur curricularen Verankerung diskutiert (u.a. Blasse et al., 2023). Nach Pugach et al. (2020, S. 85) bedarf die zentrale Rolle des Curriculums einer verstärkten Aufmerksamkeit in der „reconceptualization of pre-service programs for inclusion“. Der dritte Impuls präsentiert Ergebnisse einer explorativen Analyse ausgewählter Curricula in der universitären Lehrkräftebildung, die, z.B. in den Modulprüfungsordnungen und -handbüchern, einen expliziten Bezug zu Inklusion herstellen. Hiervon ausgehend werden Fragen mit Blick auf die Weiterentwicklung der Lehrkräftebildung formuliert. Diese bilden den Ausgangspunkt für eine gemeinsame Diskussion der Bedeutung und Kontexte der Thematisierung pädagogischer Beziehungen in der inklusionsorientierten Lehrkräftebildung. Diskutantin: Natalie Fischer |
13:00 - 15:00 | EB-09: Pädagogische Beziehungen im Kontext der Lehrer:innenbildung Ort: SR 4 = Raum 1117 Chair der Sitzung: Johanna Valentin, Universität Kassel |
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Auf die Beziehung kommt es an – Videobasierte Interaktionsanalyse als Element der Sportlehrkräfteprofessionalisierung im inklusiven Sportunterricht Universität Duisburg-Essen, Deutschland Bewegung, Spiel und Sport sind als handlungsorientierter Zugang zu Kindern und Jugendlichen zu verstehen, über den Lehrkräfte eine spezifische Beziehung gestalten können (Welsche & Heinzel Lichtwark, 2022): Ich sehe dich. Ich begleite dich. Solche Sätze laden uns dazu ein, in Interaktion und Beziehung zu treten und zusammenzuarbeiten. Insbesondere für Kinder mit (sonderpädagogischem) Unterstützungsbedarf bilden sie im inklusiven Bildungskontext einen Zugang zu einer entwicklungs- und lernförderlichen Beziehungsgestaltung und helfen dabei, eine positive Lernumgebung zu gestalten (Aarts et al., 2023). Lehrkräfte spielen hier eine Schlüsselrolle, denn: eine positive Lehrkräfte-Schüler:innen-Beziehung, gekennzeichnet durch Vertrauen, Respekt und Unterstützung, ist entscheidend für die Lernmotivation und emotionale Entwicklung von Schüler:innen (Schlömerkemper & Lehberger, 2018; Schweer, 2000) Zur Frage, wie angehende Sportlehrkräfte bei ihrer Professionalisierung für beziehungsorientiertes Handeln in einem inklusiven Setting unterstützt werden können, fehlen bisher konkrete hochschuldidaktische Konzepte. Die videobasierte Interaktionsanalyse nach der international erprobten Marte Meo Methode (Aarts et al., 2023) bietet die Möglichkeit, entwicklungs- und lernförderliche Interaktionen und Beziehungen zwischen Lehrkräften und Schüler:innen sichtbar zu machen und Reflexionsanlässe zu liefern. Studien im Zusammenhang mit Hochschulbildung und Bewegung, Spiel und Sport fehlen bislang (Schäfer, 2024). Erste Erprobungen zur Entwicklung beziehungsorientierten Handelns im Sportunterricht werden an der Universität Duisburg-Essen mittels Marte Meo Methodik seit 2023 im Master-Seminar “Vorbereitung auf das Praxissemester” in Kooperation mit einer Schule durchgeführt. Der Vortrag bietet eine Zusammenfassung der hochschuldidaktischen Konzeption, liefert mittels kurzer Videobeispiele konkrete Anwendungsszenarien und fasst die ersten Zwischenergebnisse einer Begleitstudie zusammen. „Und da waren wir zwei Tage an der Schule und haben da über Medien halt aufgeklärt“ – Implizite medienpädagogische Reflexionspotenziale zur Gestaltung der Schüler:innen-Lehrer:innenbeziehung von Lehramtsstudierenden Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Deutschland Der Vortrag diskutiert die Bedeutung der (medienpädagogischen) Professionalisierung von Lehrpersonen für die Gestaltung pädagogischer Beziehungen aus Sicht der praxeologisch-wissenssoziologischen Professionsforschung. In der pädagogischen Tätigkeit entfalten sich Beziehungen zwischen Lehrpersonen und Schüler:innen in einer konstituierenden Rahmung (Bohnsack, 2020). Für deren Etablierung sind (implizite) Reflexionspotenziale von Lehrkräften zentral, die sich mit der Professionalisierung entwickeln (Bohnsack, 2024). Ungeklärt ist die Entwicklung dieser Reflexionsfähigkeit im Studium, in dem keine für die konstituierende Rahmung erforderliche Konfrontation mit dem beruflichen Setting erfolgt (Hinzke & Wittek, 2024). In einer Kultur der Digitalität (Stalder, 2024) sind dabei neben pädagogischen auch medienpädagogische Reflexionsprozesse im Spannungsverhältnis von Habitus und Norm zu berücksichtigen (Dertinger, 2024). Der Vortrag stellt Studienergebnisse zu (medien-)pädagogischen Orientierungsrahmen und Reflexionspotenzialen von Lehramtsstudierenden als Bezugspunkte einer konstituierenden Rahmung vor. In einem Seminar führten die Studierenden anhand von Impulsfragen Gruppendiskussionen ohne Moderation (Hinzke & Paseka, 2023) zu einer Einheit des Medienführerscheins Bayern. Drei Diskussionen mit je drei bis vier Personen wurden mit der Dokumentarischen Methode (Bohnsack, 2021) ausgewertet. Während sich verschiedene Ansätze einer praktischen Reflexion pädagogischer Handlungsmöglichkeiten dokumentieren (Hinzke et al., 2024), ist eine unhinterfragte Identitätsnorm des Beschützens Heranwachsender vor negativen Einflüssen digitaler Medien für alle Gruppen leitend (Kulcke, 2020). So ergibt sich eine Diskrepanz zwischen einer unhinterfragten Normalitätsvorstellung der Studierenden und der Lebenswelt der Schüler:innen (mpfs 2024), die in Diskrepanz zu Konzepten medienpädagogischer Professionalität (Blömeke, 2000) steht und auf einen Professionalisierungsbedarf verweist. Motivation, Emotionen und pädagogisches Ethos: Professionalisierung im Quer- und Seiteneinstieg Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Deutschland Quer- und Seiteneinsteiger:innen gewinnen angesichts des schulischen Lehrkräftemangels zunehmend an Bedeutung (KMK, 2024). Vorerfahrungen aus anderen Berufsfeldern bringen neue Perspektiven in den Lehrberuf ein, sind jedoch mit spezifischen Herausforderungen verbunden. In kurzer Zeit müssen Berufsanfänger:innen ein professionelles Rollenverständnis entwickeln und sich in schulische Strukturen integrieren (Dedering, 2020). Professionalisierung im Lehrberuf ist geprägt durch Motivationen, Emotionen sowie Erfahrungen in Ausbildung und beruflichem Alltag. Diese tragen zur Ausbildung eines pädagogischen Ethos bei, das pädagogische Beziehungen prägt (Obex, 2023) und Lehrkräften ermöglicht, Spannungsfelder wie Nähe und Distanz oder Autonomie und Kontrolle auszubalancieren (vgl. Helsper, 2009; Brinkmann & Rödel, 2021). Mit dem Ziel, Einblicke in die Wahrnehmungen und Entwicklung des Rollenverständnisses von Quer- und Seiteneinsteiger:innen zu gewinnen, wurden Daten einer explorativen Untersuchung in NRW analysiert. Grundlage bildeten leitfadengestützte Interviews, die auf Erkenntnissen früherer Arbeiten zu den Bedürfnissen dieser Zielgruppe basieren (Baeten & Meeus, 2016; Dedering, 2020). Die Auswertung erfolgte mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse (Kuckartz & Rädiker, 2024) und der objektiven Hermeneutik (Oevermann, 1993). Die Ergebnisse zeigen, dass Quer- und Seiteneinsteiger:innen Orientierung und Stabilität suchen, während emotionale Herausforderungen und Reflexion wichtige Potenziale bieten. Mangelnde Praxisnähe und wahrgenommene Lücken in Ausbildungsinhalten erschweren die Entwicklung eines ethisch fundierten Rollenverständnisses. Schulische Rahmenbedingungen beeinflussen den Einstieg erheblich: Zwar erleichtern Vorerfahrungen den Übergang, können institutionelle Defizite jedoch nicht ausgleichen. Der Beitrag zeigt, dass spezifische Bedürfnisse die Professionalisierung prägen und vertiefte Forschung zu den Herausforderungen des Quer- und Seiteneinstiegs erfordern. “Abgestellt oder mitgenommen?” – zur Bedeutung des Erlebens der professionellen pädagogischen Beziehung von Lehramtsstudierenden im Rahmen der Schulpraktischen Studien 1Technische Universität Chemnitz (ZLB), Deutschland; 2Technische Universität Chemnitz (ZLB), Deutschland Schulpraktika sind ein zentrales Professionalisierungselement der Lehrkräftebildung (Schöning, 2024, Haas, 2021; Brack, 2019; Wenz & Cramer, 2019; Gröschner, 2012; Topsch, 2004). Die Mentorin-Mentee-Beziehung wird dabei in der Forschung als zentraler Faktor der Professionalisierung angehender Lehrkräfte betrachtet (Wenz & Cramer, 2019). Insbesondere die Qualität dieser Beziehung spielt eine entscheidende Rolle, da sie als stärkster Prädiktor für die professionelle Entwicklung der Lehramtsstudierenden während ihrer Praktika gilt (Besa & Büdcher, 2014, S. 142). Durch die gemeinsame Beobachtung und Reflexion von Handlungspraxis werden zentrale Lernprozesse angestoßen, die den Theorie-Praxis-Bezug im Studium vertiefen können (Rheinländer & Scholl 2020; Schneider & Cramer 2020). In unserem Forschungsprojekt wird die Beziehung zwischen Lehramtsstudierenden und Mentor*innen an sächsischen Grundschulen aus verschiedenen Perspektiven betrachtet. Hierzu wurden in einem ersten Schritt 150 Beobachtungsprotokolle von Studierenden während der Schulpraktika untersucht. In einem zweiten Schritt wurden Gruppendiskussionen mit ausgewählten Studierenden durchgeführt. Die Daten werden mit der Inhaltsanalyse (Kuckartz & Rädiker, 2024) und mit der Dokumentarischen Methode (Bohnsack, 2017) ausgewertet. Ziel ist die Beantwortung folgender Forschungsfragen: Welche Beobachtungen - insbesondere hinsichtlich der Gestaltung pädagogischer Beziehungen - machen Studierende in ihren Praktika?; Wie sprechen Studierende über (kritische) Beobachtungen und wie ordnen Sie diese für sich ein?; Welchen Stellenwert haben die Beobachtungen bei der Gestaltung der Mentor*in-Mentee-Beziehung? Im Vortrag geben wir Einblicke in Analyseergebnisse zur Beziehungsgestaltung von Studierenden. |