Veranstaltungsprogramm

Eine Übersicht aller Sessions/Sitzungen dieser Veranstaltung.
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Sitzungsübersicht
Datum: Freitag, 19.09.2025
9:30 - 10:00Poster 2: Interfach stellt sich vor
Ort: Flur, 1. Etage
Chair der Sitzung: Rolf-Torsten Kramer, Uni Halle
10:10 - 12:10Bedeutung und Kontexte pädagogischer Beziehungen in (inklusiver) Schule und Lehrkräftebildung
Ort: SR 4 = Raum 1117
Chair der Sitzung: Neele Bäker, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Diskussionsforum
 

Chair(s): Neele Bäker (Universität Kassel, Deutschland)

Vortragende: Neele Bäker (Universität Kassel), Timo Lüke (Universität Kassel), Ann-Kathrin Hennes-Schuß (Universität Kassel), Ann-Kathrin Arndt (Universität Kassel)

Die im Rahmen der Tagung fokussierte zentrale Bedeutung pädagogischer Beziehungen wird auch für die inklusive Bildung herausgestellt (Prengel, 2019; Fischer & Richey, 2021). Zugleich stellt sich empirische Frage, was ausgehend von den Perspektiven von Lehrkräften und Schüler:innen die Bedeutung pädagogischer Beziehungen im Schulkontext ausmacht. Darüber hinaus gilt es die pädagogische Beziehungen nicht isoliert, sondern im institutionellen schulischen Kontext und mit Blick auf die Implikationen für die inklusionsorientierte Lehrkräftebildung zu betrachten. Das Diskussionsforum umfasst drei kurze Impulse: Die ersten beiden Impulse beziehen sich auf die Bedeutung pädagogischer Beziehungen im schulischen Kontext, zum einen auf Basis einer Lehrkräftebefragung, zum anderen basierend auf Interviews mit Schüler*innen. Daran anschließend nimmt der dritte Impuls die curriculare Ebene der universitären Lehrkräftebildung in den Blick und regt zur gemeinsamen Diskussion der Implikationen für die Weiterentwicklung der inklusionorientierten Lehrkräftebildung an.

1. Einflussfaktoren auf die Qualität der Lehrkraft-Schüler:innen-Beziehung in inklusiven Schulen: Eine empirische Analyse schulischer Rahmenbedingungen

Aus der Literatur ist bekannt, dass sowohl institutionelle Faktoren als auch individuelle Erfahrungen die Qualität pädagogischer Beziehungen prägen können. Das mögliche Zusammenspiel dieser beiden Einflussfaktoren wurde anhand eines Fragebogens im Rahmen des Projektes zur Erfassung des Schulklimas (Bäker, Goagoses & Rademacher, 2023) untersucht. Befragt wurden N = 364 Lehrkräfte mit unterschiedlichen schulischen Erfahrungswerten (M = 17 Jahre Berufserfahrung). Der Fragebogen erfasst drei Ebenen schulischer Qualität: (1) institutionelle Rahmenbedingungen, die strukturelle und organisatorische Faktoren wie Schulressourcen und räumliche Ausstattung umfassen, (2) individuelle Unterstützungsstrukturen, die durch Zusammenarbeit mit der Schulleitung und kollegiale Unterstützung definiert werden, sowie (3) Lehrerfahrungen, die sich auf die berufliche Entwicklung bezieht. Entlang des Regressionsmodells wird deutlich: Pädagogische Beziehungen entstehen nicht isoliert, sondern sind vielmehr das Produkt struktureller Rahmenbedingungen, institutioneller Unterstützung und individueller Lehrerfahrungen.

2. Beziehung zu Lehrkräften aus Perspektive von Schüler:innen im Spiegel einer qualitativ-empirischen Studie zu Leistung und Inklusion

Die Perspektiven von Schüler:innen ins Zentrum der Forschung zu rücken (Bennewitz et al, 2022), stellt auch mit Blick auf die inklusive Bildung oft weiterhin ein Desiderat dar (Messiou, 2019). Hierbei gilt es v.a., die „multiplicity of students’ views“ (Messiou, 2019, S. 769) verstärkt zu berücksichtigen (Messiou et al., 2022). Bisherige Studien zur Schüler*innensicht z.B. auf das Wohlbefinden verweisen auf die Bedeutung sozialer Beziehungen in inklusiven Schulen (Gurth et al., 2024; Powell et al., 2018). Vor diesem Hintergrund schließt der zweite Impuls an die Frage an, wie Schüler:innen die Beziehung zu ihren Lehrpersonen wahrnehmen. Der Kurzimpuls basiert auf Ergebnissen des BMBF-Verbundprojektes „Reflexion, Leistung und Inklusion“ (Arndt et al., 2022). Im Rahmen einer an der Grounded Theory-Methodologie orientierten qualitativ-empirischen Studie wurden an zwei Gesamtschulen und zwei Gymnasien u.a. episodische Interviews (Flick, 2011) mit Schüler*innen geführt (n=59). Der Impuls nimmt kontrastierend einen Gesamtschul- und einen Gymnasialkontext mit unterschiedlichen Praktiken der leistungsbezogenen äußeren Differenzierung in den Blick (Arndt et al., 2021). Die Wahrnehmung der Beziehung zu den Lehrkräften aus Schüler*innensicht, wird u.a. mit Blick auf die sich in inklusiven Settings zuspitzenden Ambivalenzen in Bezug auf Leistung (Akbaba & Bräu, 2019) diskutiert.

3. Thematisierung pädagogischer Beziehungen in der inklusionsorientierten Lehrkräftebildung

Der dritte Impuls fokussiert die inklusionsorientierte universitäre Lehrkräftebildung und widmet sich der Frage nach dem Stellenwert, den das Thema pädagogische Beziehungen hier einnimmt. Die mit der Tagung fokussierte grundlegende Bedeutung pädagogischer Beziehung zeigt sich im „Profil der Lehrer*innenbildung für Inklusion“, z.B. indem der „Aufbau einer positiven Beziehung zwischen den Lehrpersonen und jedem Lernenden“ herausgestellt wird (European Agency, 2022, S. 11). Am Beispiel der Ebene der konkreten Seminarkonzeption, z.B. in Formaten der Reflexion der eigenen Schulzeit (Faber et al., 2019), wird deutlich, dass in der Auseinandersetzung mit der Thematisierung pädagogischer Beziehungen in der universitären Lehrkräftebildung auch die Diversität der Lehramtsstudierenden und damit das „Lehren und Lernen in Differenzverhältnissen“ (Akbaba et al., 2022) zu berücksichtigen.

Hinsichtlich der programmatischen Forderung nach einer „Lehrerbildung für eine Schule der Vielfalt“ (KMK & HRK, 2015) werden aktuell u.a. Fragen zur curricularen Verankerung diskutiert (u.a. Blasse et al., 2023). Nach Pugach et al. (2020, S. 85) bedarf die zentrale Rolle des Curriculums einer verstärkten Aufmerksamkeit in der „reconceptualization of pre-service programs for inclusion“. Der dritte Impuls präsentiert Ergebnisse einer explorativen Analyse ausgewählter Curricula in der universitären Lehrkräftebildung, die, z.B. in den Modulprüfungsordnungen und -handbüchern, einen expliziten Bezug zu Inklusion herstellen. Hiervon ausgehend werden Fragen mit Blick auf die Weiterentwicklung der Lehrkräftebildung formuliert. Diese bilden den Ausgangspunkt für eine gemeinsame Diskussion der Bedeutung und Kontexte der Thematisierung pädagogischer Beziehungen in der inklusionsorientierten Lehrkräftebildung.

Diskutantin: Natalie Fischer

 
10:10 - 12:10EB-03: Pädagogische Beziehungen zwischen Erwachsenen?
Ort: SR 2 = Raum 1111
Chair der Sitzung: Anna Grabosch, Universität Kassel
 

Können Hochschullehrende Vorbilder pädagogischer Beziehungsgestaltung sein? Von ungenutzten Potentialen und Grenzen der Vergleichbarkeit zweier Beziehungskonstellationen.

Linda Schneider

Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Deutschland

Der Einzelbeitrag verfolgt das Erkenntnisinteresse, die Analogien der (pädagogischen) Beziehungen zwischen Schüler:innen und Lehrpersonen sowie Studierenden und Dozierenden theoretisch-konzeptionell zu fundieren. Auf Basis eines Literaturreviews werden einschlägige Befunde der Forschung zur LSB (z.B. Oevermann 1996, Helsper & Hummrich 2014, Bressler 2023) sowie der Hochschul- und Erwachsenenbildungsforschung (z.B. Dinkelaker 2018, 2021, Wenzl 2018, König 2024, Cursio 2024) gebündelt sowie zentrale Unterschiede und Gemeinsamkeiten beider Beziehungskonstellationen herausgearbeitet. Als wesentlich kann u.a. die Differenz in Bezug auf Autonomie und Freiwilligkeit der Klientel und deren Bedeutungsimplikationen diskutiert werden.

Aufbauend auf dieser Analyse zielt der Beitrag zum zweiten auf eine kritische Auseinandersetzung mit der im Call angeregten Frage, welchen Stellenwert die pädagogische Beziehung in der universitären Lehrer:innenbildung einnimmt. Anstatt Hochschullehre dabei (einseitig) als Ort zu begreifen, der pädagogische Beziehungsgestaltung als inhaltlichen Gegenstand thematisieren kann, wird vor dem Hintergrund des praxeologisch-wissenssoziologischen Professionsansatzes Lehrpraxis als Sozialisationsraum argumentiert (Bohnsack 2020, 2024), dessen Implikationen und Potentiale für Lehrer:innenbildung bisweilen völlig unausgeleuchtet sind.

Die vergleichende Analyse empirischer Befunde der dokumentarischen Forschung zur Professionalisierung von Lehrpersonen bestätigt immer wieder die These einer Primordialität impliziter (sozialisatorisch erworbener) gegenüber expliziten Wissensbeständen (z.B. im Studium erworbenen schulpädagogischen Wissens) für das Handeln von Lehrpersonen (Bonnet et al. 2025, Wittek et al. 2025). Die Hypothese, als Konsequenz nicht nur dem was, sondern vor allem dem wie der Lehrer:innenbildung eine besondere Aufmerksamkeit einzuräumen, soll am Exempel der Vorbildfunktion Hochschullehrender für das Erlernen pädagogischer Beziehungsgestaltung diskutiert werden.



„So, und jetzt überlegen wir mal“ – Interaktionspraktiken in Unterrichtsnachbesprechungen des Referendariats als pädagogische Beziehung?

Thomas Geier, Christiane Ruberg

TU Dortmund, Deutschland

Wird das Verhältnis zwischen Lehramtsanwärter*innen (LAAs) und Seminarausbildenden (SABs) in der zweiten Phase der Lehrer*innenbildung in den Blick genommen, ergibt sich ein differentes Bild. Den SABs komme zum einen eine große Bedeutung für die fachliche und persönliche Entwicklung der LAAs zu (Wolf et al. 2021) und dies könne insbesondere als unterstützend (Kärner et al. 2022) erfahren werden. Deren wechselseitige Bezugnahme lasse sich aber zum anderen auch als Ausdruck einer asymmetrischen, hierarchischen sowie von Unterwerfungspraktiken strukturierten Beziehung verstehen (Wernet 2006; 2009). Die wenigen empirischen Studien, die sich etwa mit der Praxis der obligatorischen Nachbesprechungen im Referendariat befassen (Bührig-Hollmann 2022; Küper 2022; Pereira Kastens et al. 2020), weisen vornehmlich auf einen Zwiespalt zwischen Beratung und Bewertung hin (Wernet 2009; Dzengel 2016; Lenhard 2004).

Der Vortrag fokussiert angesichts eines laufenden rekonstruktiven Projekts die Nachbesprechungen mit empirischem Interesse (Geier et al. 2025 i. Dr.) und fragt in diesem Zusammenhang nach der spezifischen Qualität, welche die wechselseitige Bezugnahme zwischen LAAs und SABs annehmen kann: Mit welchen Konzepten lässt sie sich angemessen beschreiben? Handelt es sich bei den Nachbesprechungen um eine Form pädagogischer Beziehung (Kärner et al. 2022) und wenn ja, in welcher Weise? Erste Ergebnisse aus den Projektinterviews weisen darauf hin, dass schon allein der Begriff „Beziehung“ unter den SABs keineswegs selbstverständlich ist und stattdessen von „Begleitung“, „Austausch“ oder „Ausbildungszusammenhang“ gesprochen wird. Gleichzeitig tritt in den Rekonstruktionen der Charakter der Gespräche als Lern- und Prüfungssituation in den Vordergrund, in der sowohl rollenspezifische Asymmetrien als auch machtvolle Hierarchien zwischen den Akteur*innen deutlich werden. Der Beitrag beleuchtet diese ausgewählten sowie weitere Befunde aus dem Projekt und diskutiert sie im Kontext der aufgeworfenen Fragen.



Wenn Lehrer*innen und Eltern Beziehungen gestalten – Modi (pädagogischer) Beziehungen am Elternsprechtag

Max Frederic Remmert

Universität Kassel, Deutschland

Definitionen des Begriffs pädagogische Beziehung zielen in erster Linie auf generational geordnete Beziehungen zwischen Lernenden und Lehrenden (Prengel 2013; Fi-scher/Richey 2021). Innerhalb dieses dyadischen Arbeitsbündnisses, in dem Wissens-vorsprünge herrschen und damit eine asymmetrische pädagogische Figur (Helsper 2016) angelegt ist, finden die Beziehungen zwischen Eltern und Lehrer*innen keinen Platz: Rein formal fällt die Beziehung zwischen Lehrpersonal und Eltern nicht unter die Kategorie der pädagogischen Beziehung, obwohl beide Erziehungsinstanzen jeweils auf das gleiche Ziel – die Erziehung des Kindes/der Schüler*in – verweisen. Der Eltern-sprechtag ist eines der wenigen Formate schulisch-familiärer Interaktion, an denen El-tern und Lehrer*innen aufeinandertreffen. Zwar sind Elternsprechtagsgespräche bereits beforscht (Wegner 2015; Bennewitz/Wegner 2017; Führer 2020; Röhrs 2023), eine eth-nografische Perspektive auf die Verschränkungen familiärer und schulischer Beziehun-gen und Praktiken ist jedoch noch ausstehend und damit Anliegen des Vortrags. Der empirisch ausgerichtete Beitrag nimmt die Interaktionen von Eltern, Schüler*innen und Lehrer*innen in Elternsprechtagsgesprächen praxistheoretisch (Reckwitz 2003, Schatzki 2016) in den Blick. Anhand ethnografischer Daten werden die an den Eltern-sprechtagen hervorgebrachten Arbeitsbündnisse und Modi der (pädagogischen) Bezie-hungen zwischen Schüler*innen und Erwachsenen fokussiert. Ziel ist es aus einer sozi-omateriellen Perspektive zu zeigen, wie die Akteur*innen ihre Ansprüche an das Ge-genüber einbringen und ihre (pädagogischen) Beziehungen zwischen Schule und Fami-lie miteinander verweben.



Zur Ausgestaltung der Erziehungs- und Bildungspartnerschaft – Eine pädagogische Beziehung zwischen Lehrkräften und Eltern?

Anna Grabosch, Catrin Siedenbiedel

Universität Kassel, Deutschland

Im Forschungsdiskurs ist bekannt, dass eine gelingende Zusammenarbeit von Schule und Eltern, insbesondere mit Blick auf die schulischen Leistungen von Schüler:innen, relevant ist (z. B. Frank & Sliwka 2016). Vergleichsweise wenig Wissen liegt hingegen über Bedürfnisse hinsichtlich der Ausgestaltung der und Ansprüche an eine gelingende Erziehungs- und Bildungspartnerschaft zwischen Schule und Eltern, vor allem aus Elternperspektive, vor (Killus & Paseka 2021). Bisherige Befunde zeigen z. B., dass Eltern die Entwicklung von Vertrauen in die Schule wichtig ist (Peters 2016) und dass sie in der Beziehung zur Schule
„auch eigene Bedürfnisse [haben], die aus der Aufgabe resultieren, die familiäre Lebenssituation zu bewältigen.“ (Trumpa 2010, 251). Während Silke Trumpa die Bedürfnisse der Eltern von Kindern, die eine Privatschule besuchen, rekonstruiert hat, nehmen wir Eltern als Ausgangspunkt, deren Kinder auf eine weiterführende Regelschule gehen. Im Forschungsvorhaben werden 10 Interviewtranskripte mit Müttern objektiv-hermeneutisch ausgewertet (Oevermann 2002). Die Analyse wird durch die Fragen danach geleitet, was Eltern unter Elternarbeit verstehen und welche Ansprüche sie an eine gelingende Erziehungs- und Bildungspartnerschaft stellen. Erste Befunde verdeutlichen, dass die Elternteile wenig interessiert sind an einer Mitgestaltung von z. B. Unterricht oder Schulleben, dass sie aber als Sorgetragende für ihr Kind mit den damit einhergehenden Emotionen wahr- und vor allem ernstgenommen werden wollen sowie von der Schule über Erlebnisse ihrer Kinder informiert werden möchten. Die Befunde werden vor der Frage reflektiert, inwiefern sich in den mütterlichen Bedürfnissen an Elternarbeit, die Forderung nach einer pädagogischen Beziehung (Pfahl 2014) zwischen Schule bzw. Lehrerpersonen und Eltern widerspiegelt, in der sie selbst – und nicht nur ihr Kind – als eigene Akteur:innen mit eignen Bedürfnissen wirken.

 
10:10 - 12:10EB-04: Pädagogische Beziehungen: kompensierende und ergänzende Akteur:innen
Ort: SR 1 = Raum 1110
Chair der Sitzung: Ralf Parade, Universität Innsbruck
 

Mehr als „5 weg oder Geld zurück“?! – Beziehungen zwischen Schüler:innen und Lehrkräften in Schule und Nachhilfeunterricht

Melanie Schubsky

Goethe-Universität Frankfurt, Deutschland

Mit der in Leistungsgesellschaften zunehmenden Bedeutung von Bildung geht eine vermehrte Inanspruchnahme nachhilfeunterrichtlicher Angebote einher (vgl. z.B. Birkelbach, Dobischat & Dobischat 2017, S. 162). Zentrales Motiv für die Nutzung von Nachhilfeunterricht, der zusätzlich zum Schul-Unterricht stattfindet, ist die Verbesserung schulischer Leistungen im Sinne von Notensteigerungen (vgl. ebd., S. 41). In einem qualitativ-empirischen Forschungsprojekt konnte anhand dokumentarisch ausgewerteter narrativer Interviews und Gruppendiskussionen rekonstruiert werden, dass sich die kompensatorische Funktion der Nachhilfe aber nicht auf das fachliche Lernen beschränkt, sondern über dieses hinaus geht: In nachhilfeunterrichtlichen Angeboten können Schüler:innen erlebte Missachtungserfahrungen durch Lehrkräfte in der Schule über die Beziehung zur Nachhilfelehrkraft kompensieren. Der Beitrag geht so der Frage nach, welchen Einfluss die Art und Weise der erlebten Beziehungen zu Lehrkräften in Schule und Nachhilfe auf die Subjektkonstitution ehemaliger Nachhilfeschüler:innen hat. Anhand eines empirischen Fallvergleichs wird aufgezeigt, wie Schüler:innen in der Schule und im Nachhilfeunterricht jeweils von (Nachhilfe-)Lehrkräften adressiert bzw. anerkannt werden und was dies für ihr Erleben von Zugehörigkeit und Leistungs(un)fähigkeit bedeutet. Hieraus werden professionsbezogene Schlussfolgerungen unter Berücksichtigung der Verwobenheit von Schule und Nachhilfeunterricht abgeleitet. Die Nachhilfeschüler:innen werden dabei aus einer subjektivierungstheoretischen Perspektive als relationale Subjekte verstanden, deren Möglichkeiten zur Subjektwerdung grundsätzlich an die Beziehung zu anderen Subjekten wie den (Nachhilfe-)Lehrkräften gebunden bleiben (vgl. Butler 2001).



Pädagogische Beziehungen jenseits des Unterrichts – Beziehungsgestaltung und Kompetenzerwerb in außerunterrichtlichen Angeboten

Desirée Rosenberger

Goethe-Universität Frankfurt, Deutschland

Die Anforderungen an die Gestaltung pädagogischer Beziehungen im schulischen Kontext sind stets abhängig vom jeweiligen Rahmen, in dem diese Beziehungen stattfinden. Der Beitrag widmet sich dem Bereich der außerunterrichtlichen, aber schulisch organisierten Angebote. Dieser hat in den letzten Jahren durch eine „Konjunktur des Außerschulischen in der Schule“ (Budde und Hummrich 2016), die auch den Ganztagsschulausbau einschließt, an Bedeutung gewonnen hat.
Im Rahmen eines qualitativ-rekonstruktiven Forschungsprojekts wurden Gruppendiskussionen mit Jugendlichen, die an verschiedenen Formaten außerunterrichtlicher Angebote (u.a. Service Learning-Projekte, Herausforderungsprojekte, Mentoring-Programme) teilgenommen haben, durchgeführt und dokumentarisch ausgewertet (Bohnsack 2021). Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass für das Erleben der Angebote durch die Jugendlichen und ihren Kompetenzerwerb darin entscheidend ist, wie die Jugendlichen die Beziehungsgestaltung zu den Angebotsleitungen, darunter sowohl Lehrkräfte als auch außerschulisches Personal, wahrnehmen. Anhand von Fallvergleichen wird aufgezeigt, welche Art der Beziehungsgestaltung Kompetenzerwerb ermöglichen, aber auch verhindern kann. Darüber hinaus werden die Herausforderungen diskutiert, die sich ergeben, wenn pädagogische Beziehungen im schulischen Kontext nach dem Vorbild des außerschulischen Bereichs gestaltet werden sollen.



Beziehungsaufbau digital - Telepräsenzroboter als Unterstützung pädagogischer Beziehungen bei (chronisch) erkrankten Schüler:innen

Lisa Neumann

Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau, Deutschland

Digitale Transformationsprozesse eröffnen zunehmend neue Möglichkeiten, schulische Lernumgebungen an die Bedürfnisse von Schüler:innen anzupassen. Chronisch erkrankte Kinder sind häufig vom regulären Schulbesuch ausgeschlossen, was ihre Bildung und soziale Teilhabe beeinträchtigt (1). Der Einsatz von Telepräsenzrobotern stellt in diesem Kontext eine innovative Möglichkeit dar, pädagogische Beziehungen trotz physischer Abwesenheit aufrechtzuerhalten und zu stärken (2; 3).

Die Studie Keep in Contact (KiC) untersucht den Einsatz des AV1 Telepräsenzroboters an deutschen Schulen, von dem nach Angaben des Herstellers bereits 1.000 Systeme in Deutschland im Einsatz sind (4). Ziel der (Online) Fragebogenerhebung ist es, als Grundlage weiterer Forschung einen Überblick über aktuelle Kontextbedingungen der Nutzung zu schaffen. An der Studie nahmen 175 Personen teil, darunter chronisch erkrankte Kinder, ihre Eltern und Lehrkräfte. Erfasst wurden u.a. die Nutzungsmuster des AV1, demographische Daten und Kontextbedingungen der SuS sowie qualitative und quantitative Daten zur sozialen Eingebundenheit und Wahrnehmung des AV1. Auch wurden vorteilhafte Faktoren und potenzielle Schwächen erhoben.

Die Ergebnisse zeigen, dass der AV1 direkte Interaktionen mit Lehrkräften und Mitschüler:innen ermöglicht. Lehrkräfte berichten von einer verbesserten Integration betroffener Kinder in den Unterrichtsalltag, während Eltern und Kinder die emotionale Bedeutung des Systems betonen, das Isolation reduziert und alltägliche Routinen stärkt. Die Ergebnisse verweisen jedoch auch auf Herausforderungen: Die Lehrkräfte müssen sich nicht nur intensiv mit der neuen Technologie auseinandersetzen, auch verlangt der Einsatz von ihnen neue Kompetenzen der didaktischen und sozialen Gestaltung des Unterrichts sowie Schulalltags.

Der Beitrag verdeutlicht das Potenzial des AV1, pädagogische Beziehungen zu fördern, zeigt Herausforderungen für die Lehrkräftebildung auf und eröffnet Perspektiven diesen zu begegnen.

 
10:10 - 12:10Pädagogische Beziehungen als Ansatzpunkt für Schulkritik am Beispiel der Position der Klassenlehrkraft
Ort: SR 3 = Raum 1112
Chair der Sitzung: Kerstin Rabenstein, Universität Göttingen
Diskussionsforum
 

Chair(s): Kerstin Rabenstein (Universität Göttingen, Deutschland), Lars Wicke (Universität Göttingen)

Vortragende: Kerstin Rabenstein (Universität Göttingen, Deutschland), Lars Wicke (Universität Göttingen, Deutschland), Noah Bendig (Universität Göttingen, Deutschland)

Das Diskussionsforum fokussiert durch den Impulsvortrag (30 Minuten) und ein Kommentar (10 Minuten) am Beispiel des in der Forschung wenig beachteten Beziehungsgeflechts um die Position der Klassenlehrkraft herum die Frage, wie pädagogische Beziehungen in Schule machtvoll mit gesellschaftlichen Verhältnissen eingebunden sind und aus diesem Grund auch einen Ansatzpunkt für eine Schulkritik darstellen können. Angesichts dessen, dass pädagogische Beziehungen „mit divergierenden Konzepten“ (Lechner 2024, 9) – und nicht etwa nur als dyadisches Geschehen bspw. zwischen Lehrkraft und einzelnen Schüler*innen (z.B. Herrmann 2019) – beschrieben werden (können), wird an einen Begriff pädagogischer Beziehungen angeschlossen, der die Asymmetrie, Machtförmigkeit pädagogischer Beziehungen und die damit verbundenen Dynamiken und damit auch die Eingebundenheit pädagogischer Beziehungen in gesellschaftliche Verhältnisse mitdenkt. Damit wird es möglich, den Bogen zu spannen von der Frage nach normativen Ansprüchen an pädagogische Beziehungen in der Schule zu der Frage nach den Möglichkeiten in der erziehungswissenschaftlichen Forschung, (auch) Kritik an Schule zu generieren. Das Diskussionsforum knüpft damit an Auseinandersetzungen um die Vermitteltheit von pädagogischen Leitkonzepten, normativen Ordnungen und gesellschaftlichen Verhältnissen an, die derzeit (wieder) geführt werden (vgl. Themenschwerpunkt Zeitschrift für Pädagogik 1/2025)

Der Vortrag ist in vier Abschnitte gegliedert. Erstens wird nach einem Begriff pädagogischer Beziehungen gefragt, der deren gesellschaftliche Verfasstheit mitdenkt, d.h. Pädagogik und Gesellschaft durch den Fokus auf pädagogische Beziehungen nicht trennt, sondern zusammendenkt. Vorgeschlagen wird zweitens, am Beispiel der in der Schulforschung kaum beachteten Position der Klassenlehrkraft pädagogische Beziehungen sozialtheoretisch als relationale Beziehungsgeflechte zu konzeptualisieren, d.h. als ein Responsibilisierungsgeschehen Kuhlmann 2023) – und damit ein in vielfältigen Beziehungen sein. Zentral stellt sich damit die Frage, wie ein Angerufenwerden als in mannigfaltiger Weise Verantwortliche für eine Klasse (Cocard & Tettenborn 2022; Hoffmann-Ocon 2022; Hübner, Rabenstein & Wicke, 2024) affiziert und eine bestimmte pädagogische Verantwortlichkeit der Klassenlehrkraft im Sinne einer relationalen Beziehungsweise (Adamczak 2017, S. 238; Lechner 2024, S. 7) entworfen bzw. hergestellt wird. Drittens wird das Geflecht deutlich gemacht, in dem sich Responsibilisierungsprozesse entfalten, insofern auf entstehende Verantwortungszuschreibungen geantwortet wird. Für die Beziehungsweisen der Klassenlehrkraft und der sich in ihr vollziehenden Verantwortungszuweisung für eine Klasse spielt im Konkreten eine Rolle, welche normative Anforderungen nicht nur im Situativen in der Schule zum Tragen kommen, sondern auch, inwiefern solche Anforderungen, mit denen die Schule gesellschaftlich konfrontiert ist, in der konkreten Beziehung aktualisiert werden und insofern affizieren. Mittels einer Sekundäranalyse von ethnografischen Daten aus drei Forschungsprojekten wollen wir zeigen, wie unterschiedliche Situationen ineinander vorkommen und auf diese Weise wirksam werden. Methodisch wird dafür ein Mapping eingesetzt (Clarke, Friese & Washburn, 2018). Viertens wird die These formuliert, dass über die Fokussierung der normativen Ansprüche an pädagogische Beziehungen in ihren gesellschaftlichen Bedingungen Kritik nicht (nur) an konkreten pädagogischen Beziehungsgestalten, sondern an den Bedingungen und den normativen Erwartungen an Schule für deren Realisierung ansetzen könnte.

Kommentar von Prof. Dr. Fabian Dietrich (zugesagt): Der Vortrag wird aus schultheoretischer Perspektive kommentiert. Vor dem Hintergrund einer Reflexion des Verhältnisses von Schule und Gesellschaft wird die im Vortrag entwickelte Argumentation kommentiert. Insbesondere werden Produktivität und Grenzen reflektiert, über den Begriff der ‚Beziehungsweise‘ Kritik an Schule zu formulieren, die auf die gesellschaftliche Verfasstheit von Schule fokussiert.

In der Diskussion könnten u.a. folgende Stränge aus Vortrag und Kommentar aufgegriffen werden:

- Potenziale und Grenzen des entwickelten Begriffs pädagogischer Beziehungen für die Forschung und einer Forschung zur Klassenlehrkraft als ein Beziehungsgeschehen

- Angemessenheit der methodischen Umsetzung mit dem vorgeschlagenen Mapping, Nachvollzug des Mapping

- Frage nach den Adressat*innen von Kritik, wenn durch Forschung auch Kritik an Schule formuliert wird

 
12:10 - 13:00P03: Mittagspause
Ort: Foyer, EG
😋🍜
13:00 - 15:00EB-02: Pädagogische Beziehungen: Die Sicht von (angehenden) Lehrer:innen
Ort: SR 2 = Raum 1111
Chair der Sitzung: Janina Bernshausen, Universität Hildesheim
 

Pädagogische Beziehungen und Biographie – Empirische Analysen zu reflexiven Prozessen (angehender) Lehrkräfte in Studium und Berufseinstieg

Janina Bernshausen1, André Epp2

1Universität Hildesheim; 2Pädagogische Hochschule Karlsruhe

Aus Warte des biographischen Professionsansatzes (vgl. Fabel-Lamla 2018) richten wir unseren Blick in der Deutung pädagogischen Beziehungshandelns von (angehenden) Lehrkräften auf deren „biografische Erfahrungen, Bindungen und Sinnzusammenhänge“ (Fabel-Lamla 2006: 60f.) in Familie, Herkunftsmilieu und bisheriger Berufs-/Biographie. Ausgehend von biographisch-narrativen Interviews (vgl. Schütze 1983) aus zwei Studien legen wir hierbei einen besonderen Schwerpunkt auf die Frage, welche Bedeutung der Reflexion des eigenen biographischen Gewordenseins – im Sinne biographischer Arbeit – mit Blick auf das pädagogische Beziehungshandeln zukommt.

Mit den Daten der ersten Studie nehmen wir in den Blick, wie Studierende zukünftige pädagogische Beziehungen zu Schüler:innen antizipieren. Im Fokus der zweiten Studie stehen hingegen Berufseinsteigende mit ihren Erfahrungen zu pädagogischen Beziehungen in der eigenen Biographie und als Lehrkräfte.



Die Bedeutung pädagogischer Beziehungen und Ethos in der Lehrer:innenbildung: Erste Erkenntnisse aus dem PEtaL-Projekt

Gabriele Schauer, Raphael Mayr

Universität Innsbruck, Österreich

An Universitäten wird das Thema Beziehung meist interdisziplinär und selten in einem Fach behandelt (Müller-Christ et al., 2018). In der Lehrer:innenbildung ist dies aber auch fachspezifisch relevant. Dies zeigt sich in Curricula der österreichischen Lehrer:innenbildung, indem der Begriff (pädagogische) Beziehung explizit beschrieben wird (z. B. vertrauensvoll) sowie durch die Formulierung von Themen wie Interaktionsprozesse und Konflikte darin (Schauer, 2024, 2023). Jedoch gilt es auch einen Blick auf die Umsetzung der Thematik pädagogische Beziehungen in der Lehrer:innenbildung zu werfen.

Dies soll mit dem TNF-geförderten Projekt „PEtaL - Pädagogisches Ethos angehender Lehrpersonen“ (2024–2025) versucht werden. Hierbei werden Dimensionen und Veränderungen pädagogischen Ethos, normativer Ansprüche und Beziehungsgestaltung in einem eigens konzipierten Seminar mit einem speziellen didaktischen Vorgehen (ELBE-Manual, Erläuterungen bei Rödel et al., 2022) in der Lehramtsausbildung thematisiert und beforscht. Zu Beginn und am Ende des Seminars werden von Lehramtsstudierenden Reflexionsberichte (n= 102) zu Perspektiven des pädagogischen Ethos und Beziehungsgestaltung geschrieben und mittels qualitativem Textanalyseverfahren nach Gabek® (Zelger, 2000) analysiert, um der Frage nachzugehen: Welche Sichtweisen zeigen sich nach der Anwendung des ELBE-Manuals bei Studierenden zu pädagogischem Ethos und pädagogischer Beziehung? Erste Ergebnisse verweisen darauf, dass Beziehung nach Thematisierung pädagogischen Ethos an Bedeutung gewonnen hat. Diese beeinflusst laut Studierenden die Motivation und das Wohlbefinden der Schüler:innen. Dafür sind Fairness oder Vertrauen sowie pädagogisches Ethos und professionelles Handeln wichtig. Diese und weitere Ergebnisse sowie das methodische Vorgehen gilt es nach der Klärung der Konzepte von päd. Beziehung und päd. Ethos ebenso zu diskutieren wie die Überlegung, ob sich päd. Beziehungen und päd. Ethos in der Lehrer:innenbildung üben lassen.



Orientierungen von Lehramtsstudierenden zu pädagogischen Beziehungen

Silke Trumpa1, Hedda Bennewitz2

1Hochschule Fulda, Deutschland; 2Universität Kassel

Aus der Forschung zur Berufswahlmotivation (zum Überblick vgl. Rothland, 2025) ist bekannt, dass pädagogische Motive, verstanden als Interesse an der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen bei vielen Student*innen dominant sind. Wie Student*innen Schüler*innen wahrnehmen, bzw. welche Schüler*innenbilder und welche Vorstellungen zu pädagogischen Beziehungen sie haben, ist jedoch selten theoretisch (vgl. Helsper, 2019) und empirisch (vgl. te Poel, 2022) nachgegangen und betrachtet worden.

Ausgangspunkt unseres empirischen Beitrags sind drei selbstgefertigte Bilder von Studentinnen, die während ihres Praktikums entstanden sind und pädagogische Situationen zeigen. In diesen Selbstbildnissen stellen sich die Studentinnen in einer spezifischen Lehrerin-Schüler*in-Beziehung dar. In unserer Forschung (vgl. Trumpa, et al. 2023) gehen wir davon aus, dass sich in diesen Bildern professions- und unterrichtsbezogene studentische Orientierungen dokumentieren. Unsere Analysen, bei denen wir uns an der Dokumentarischen Bildinterpretation (Bohnsack et al., 2015) orientieren, zielen auf die Frage, welche Orientierungen Lehramtsstudent*innen im Hinblick auf Schüler*innen und die pädagogische Beziehung haben.

Die Befunde dokumentieren Vorstellungen vom Beziehungszusammenhang zwischen Schüler*in(nen), Lehrperson und Sache unter den institutionellen Rahmenbedingungen. Hierbei zeigen sich unterschiedliche Orientierungen, die es mit Student*innen zu betrachten lohnt, um bereits in der ersten Phase der Lehrer*innenbildung einen bewussten Zugang zur Beziehungsgestaltung anzubahnen.



Vom inneren zum äußeren Kind: Wie Selbstreflexion die Lehrer:innenprofessionalisierung fördert“

Tillmann Kreuzer1, Agnes Turner2

1PH Freiburg, Deutschland; 2Universität Klagenfurt, Österreich

Dieser Beitrag untersucht die Bedeutung der intrapsychischen Beziehung der Lehrperson zum inneren und äußeren Kind (Bernfeld 1925; Kreuzer 2013) für die Professionalisierung sowie die Gestaltung gelingender Lern-Lehr-Beziehungen. Im Fokus steht die (selbst-)reflexive Auseinandersetzung mit (bspw. schambehafteten) Lernerfahrungen aus Kindheit und Studium (Kreuzer, Turner, 2024), da diese die Grundlage für die Entwicklung von reflexiver pädagogischer Haltung bilden. Die Analyse von empirischem Material – Narrationen aus Seminaren und der Lehrer:innenausbildung – zeigt, wie intrapsychische Herausforderungen im multiprofessionellen Kontext (Fabel-Lamla, 2024) bewältigt werden können und welche Hilfestellungen jungen Erwachsenen (Studierenden und angehenden Lehrkräften) angeboten werden sollten. Der Prozess des effektiven Mentalisierens (Kirsch, Nolte & Gingelmaier, 2022) wird als wichtige Kompetenz hervorgehoben. Die Ergebnisse dieser Analyse verdeutlichen die komplexen Wechselwirkungen zwischen intrapsychischen Prozessen, professioneller Handlungsfähigkeit und der Gestaltung von Lern-Lehr-Beziehungen. Ausgehend von einer psychoanalytisch-pädagogischen Perspektive wird folgend ein Konzept für die Lehrer:innenbildung zur Diskussion gestellt.

 
13:00 - 15:00EB-09: Pädagogische Beziehungen im Kontext der Lehrer:innenbildung
Ort: SR 4 = Raum 1117
Chair der Sitzung: Johanna Valentin, Universität Kassel
 

Auf die Beziehung kommt es an – Videobasierte Interaktionsanalyse als Element der Sportlehrkräfteprofessionalisierung im inklusiven Sportunterricht

Caterina Schäfer

Universität Duisburg-Essen, Deutschland

Bewegung, Spiel und Sport sind als handlungsorientierter Zugang zu Kindern und Jugendlichen zu verstehen, über den Lehrkräfte eine spezifische Beziehung gestalten können (Welsche & Heinzel Lichtwark, 2022): Ich sehe dich. Ich begleite dich. Solche Sätze laden uns dazu ein, in Interaktion und Beziehung zu treten und zusammenzuarbeiten. Insbesondere für Kinder mit (sonderpädagogischem) Unterstützungsbedarf bilden sie im inklusiven Bildungskontext einen Zugang zu einer entwicklungs- und lernförderlichen Beziehungsgestaltung und helfen dabei, eine positive Lernumgebung zu gestalten (Aarts et al., 2023). Lehrkräfte spielen hier eine Schlüsselrolle, denn: eine positive Lehrkräfte-Schüler:innen-Beziehung, gekennzeichnet durch Vertrauen, Respekt und Unterstützung, ist entscheidend für die Lernmotivation und emotionale Entwicklung von Schüler:innen (Schlömerkemper & Lehberger, 2018; Schweer, 2000)

Zur Frage, wie angehende Sportlehrkräfte bei ihrer Professionalisierung für beziehungsorientiertes Handeln in einem inklusiven Setting unterstützt werden können, fehlen bisher konkrete hochschuldidaktische Konzepte.

Die videobasierte Interaktionsanalyse nach der international erprobten Marte Meo Methode (Aarts et al., 2023) bietet die Möglichkeit, entwicklungs- und lernförderliche Interaktionen und Beziehungen zwischen Lehrkräften und Schüler:innen sichtbar zu machen und Reflexionsanlässe zu liefern. Studien im Zusammenhang mit Hochschulbildung und Bewegung, Spiel und Sport fehlen bislang (Schäfer, 2024).

Erste Erprobungen zur Entwicklung beziehungsorientierten Handelns im Sportunterricht werden an der Universität Duisburg-Essen mittels Marte Meo Methodik seit 2023 im Master-Seminar “Vorbereitung auf das Praxissemester” in Kooperation mit einer Schule durchgeführt. Der Vortrag bietet eine Zusammenfassung der hochschuldidaktischen Konzeption, liefert mittels kurzer Videobeispiele konkrete Anwendungsszenarien und fasst die ersten Zwischenergebnisse einer Begleitstudie zusammen.



„Und da waren wir zwei Tage an der Schule und haben da über Medien halt aufgeklärt“ – Implizite medienpädagogische Reflexionspotenziale zur Gestaltung der Schüler:innen-Lehrer:innenbeziehung von Lehramtsstudierenden

Andreas Dertinger

Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Deutschland

Der Vortrag diskutiert die Bedeutung der (medienpädagogischen) Professionalisierung von Lehrpersonen für die Gestaltung pädagogischer Beziehungen aus Sicht der praxeologisch-wissenssoziologischen Professionsforschung. In der pädagogischen Tätigkeit entfalten sich Beziehungen zwischen Lehrpersonen und Schüler:innen in einer konstituierenden Rahmung (Bohnsack, 2020). Für deren Etablierung sind (implizite) Reflexionspotenziale von Lehrkräften zentral, die sich mit der Professionalisierung entwickeln (Bohnsack, 2024). Ungeklärt ist die Entwicklung dieser Reflexionsfähigkeit im Studium, in dem keine für die konstituierende Rahmung erforderliche Konfrontation mit dem beruflichen Setting erfolgt (Hinzke & Wittek, 2024). In einer Kultur der Digitalität (Stalder, 2024) sind dabei neben pädagogischen auch medienpädagogische Reflexionsprozesse im Spannungsverhältnis von Habitus und Norm zu berücksichtigen (Dertinger, 2024).

Der Vortrag stellt Studienergebnisse zu (medien-)pädagogischen Orientierungsrahmen und Reflexionspotenzialen von Lehramtsstudierenden als Bezugspunkte einer konstituierenden Rahmung vor. In einem Seminar führten die Studierenden anhand von Impulsfragen Gruppendiskussionen ohne Moderation (Hinzke & Paseka, 2023) zu einer Einheit des Medienführerscheins Bayern. Drei Diskussionen mit je drei bis vier Personen wurden mit der Dokumentarischen Methode (Bohnsack, 2021) ausgewertet. Während sich verschiedene Ansätze einer praktischen Reflexion pädagogischer Handlungsmöglichkeiten dokumentieren (Hinzke et al., 2024), ist eine unhinterfragte Identitätsnorm des Beschützens Heranwachsender vor negativen Einflüssen digitaler Medien für alle Gruppen leitend (Kulcke, 2020). So ergibt sich eine Diskrepanz zwischen einer unhinterfragten Normalitätsvorstellung der Studierenden und der Lebenswelt der Schüler:innen (mpfs 2024), die in Diskrepanz zu Konzepten medienpädagogischer Professionalität (Blömeke, 2000) steht und auf einen Professionalisierungsbedarf verweist.



Motivation, Emotionen und pädagogisches Ethos: Professionalisierung im Quer- und Seiteneinstieg

Jutta Standop, Benjamin Mayer

Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Deutschland

Quer- und Seiteneinsteiger:innen gewinnen angesichts des schulischen Lehrkräftemangels zunehmend an Bedeutung (KMK, 2024). Vorerfahrungen aus anderen Berufsfeldern bringen neue Perspektiven in den Lehrberuf ein, sind jedoch mit spezifischen Herausforderungen verbunden. In kurzer Zeit müssen Berufsanfänger:innen ein professionelles Rollenverständnis entwickeln und sich in schulische Strukturen integrieren (Dedering, 2020). Professionalisierung im Lehrberuf ist geprägt durch Motivationen, Emotionen sowie Erfahrungen in Ausbildung und beruflichem Alltag. Diese tragen zur Ausbildung eines pädagogischen Ethos bei, das pädagogische Beziehungen prägt (Obex, 2023) und Lehrkräften ermöglicht, Spannungsfelder wie Nähe und Distanz oder Autonomie und Kontrolle auszubalancieren (vgl. Helsper, 2009; Brinkmann & Rödel, 2021).

Mit dem Ziel, Einblicke in die Wahrnehmungen und Entwicklung des Rollenverständnisses von Quer- und Seiteneinsteiger:innen zu gewinnen, wurden Daten einer explorativen Untersuchung in NRW analysiert. Grundlage bildeten leitfadengestützte Interviews, die auf Erkenntnissen früherer Arbeiten zu den Bedürfnissen dieser Zielgruppe basieren (Baeten & Meeus, 2016; Dedering, 2020). Die Auswertung erfolgte mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse (Kuckartz & Rädiker, 2024) und der objektiven Hermeneutik (Oevermann, 1993).

Die Ergebnisse zeigen, dass Quer- und Seiteneinsteiger:innen Orientierung und Stabilität suchen, während emotionale Herausforderungen und Reflexion wichtige Potenziale bieten. Mangelnde Praxisnähe und wahrgenommene Lücken in Ausbildungsinhalten erschweren die Entwicklung eines ethisch fundierten Rollenverständnisses. Schulische Rahmenbedingungen beeinflussen den Einstieg erheblich: Zwar erleichtern Vorerfahrungen den Übergang, können institutionelle Defizite jedoch nicht ausgleichen. Der Beitrag zeigt, dass spezifische Bedürfnisse die Professionalisierung prägen und vertiefte Forschung zu den Herausforderungen des Quer- und Seiteneinstiegs erfordern.



“Abgestellt oder mitgenommen?” – zur Bedeutung des Erlebens der professionellen pädagogischen Beziehung von Lehramtsstudierenden im Rahmen der Schulpraktischen Studien

Teresa Beck1, Janine Brade2

1Technische Universität Chemnitz (ZLB), Deutschland; 2Technische Universität Chemnitz (ZLB), Deutschland

Schulpraktika sind ein zentrales Professionalisierungselement der Lehrkräftebildung (Schöning, 2024, Haas, 2021; Brack, 2019; Wenz & Cramer, 2019; Gröschner, 2012; Topsch, 2004). Die Mentorin-Mentee-Beziehung wird dabei in der Forschung als zentraler Faktor der Professionalisierung angehender Lehrkräfte betrachtet (Wenz & Cramer, 2019). Insbesondere die Qualität dieser Beziehung spielt eine entscheidende Rolle, da sie als stärkster Prädiktor für die professionelle Entwicklung der Lehramtsstudierenden während ihrer Praktika gilt (Besa & Büdcher, 2014, S. 142). Durch die gemeinsame Beobachtung und Reflexion von Handlungspraxis werden zentrale Lernprozesse angestoßen, die den Theorie-Praxis-Bezug im Studium vertiefen können (Rheinländer & Scholl 2020; Schneider & Cramer 2020).

In unserem Forschungsprojekt wird die Beziehung zwischen Lehramtsstudierenden und Mentor*innen an sächsischen Grundschulen aus verschiedenen Perspektiven betrachtet. Hierzu wurden in einem ersten Schritt 150 Beobachtungsprotokolle von Studierenden während der Schulpraktika untersucht. In einem zweiten Schritt wurden Gruppendiskussionen mit ausgewählten Studierenden durchgeführt. Die Daten werden mit der Inhaltsanalyse (Kuckartz & Rädiker, 2024) und mit der Dokumentarischen Methode (Bohnsack, 2017) ausgewertet. Ziel ist die Beantwortung folgender Forschungsfragen: Welche Beobachtungen - insbesondere hinsichtlich der Gestaltung pädagogischer Beziehungen - machen Studierende in ihren Praktika?; Wie sprechen Studierende über (kritische) Beobachtungen und wie ordnen Sie diese für sich ein?; Welchen Stellenwert haben die Beobachtungen bei der Gestaltung der Mentor*in-Mentee-Beziehung? Im Vortrag geben wir Einblicke in Analyseergebnisse zur Beziehungsgestaltung von Studierenden.

 
13:00 - 15:00Mapping #TeachersofTikTok. Workshop: Pädagogische Beziehungen auf und mit Social Media
Ort: SR 3 = Raum 1112
Chair der Sitzung: Viktoria Flasche, Kunstakademie Düsseldorf
Workshop/Sonstiges Gruppenformat
 

Chair(s): Viktoria Flasche (Kunstakademie Düsseldorf, Deutschland)

Vortragende: Anna Carnap (HU Berlin), Mendina Scholte-Reh (Fernuniversität Hagen), Dilek Dipcin-Sarioglu (Fernuniversität Hagen), Viktoria Flasche (Kunstakademie Düsseldorf)

Basierend auf einem App-Walktrough (Light, Burgess & Duguay, 2018) sowie einer thematisch geordneten Hashtag-Sammlung (Ackermann & Dewitz 2020) wird via Netzwerkkarte (s.o.) gemeinsam das Social-Media-Feld der (pädagogischen) Beziehungen auf TikTok erschlossen.

Der Workshop ist in vier Phasen gegliedert:

  1. Impulsvorträge

  2. App-Walkthrough und Vorstellung der Vorarbeit (Netzwerkkarte; #-Sammlung).

  3. Ergänzung durch die Workshop-Teilnehmer*innen.

  4. Reflexion mit Fokus auf pädagogische Beziehungen.

 
13:00 - 15:00Pädagogische Beziehungen aus Schüler_innenperspektive zwischen Anerkennung und seelischer Gewalt
Ort: HS 3 = Raum 1135
Chair der Sitzung: Anne Piezunka, Goethe-Universität Frankfurt am Main
Symposium
 

Chair(s): Sophia Richter (Pädagogische Hochschule Vorarlberg), Anne Piezunka (Goethe-Universität Frankfurt am Main, Deutschland)

Eine auf Anerkennung beruhende Gestaltung pädagogischer Beziehungen von Seiten der Lehrkräfte gilt für Aspekte wie well-being, das Lernen und die Persönlichkeitsentwicklung von Schüler_innen als zentral (z.B. Pianta 1999, Prengel 2019, Stojanov 2006, Zerillo & Osterman 2011). Verschiedene (inter-)nationale Studien weisen aber auch darauf hin, dass es im schulischen Alltag nicht nur zu anerkennendem Handeln, sondern auch zu seelischer Gewalt von Lehrkräften gegenüber Kindern und Jugendlichen kommt, z.B. in Form von Beleidigungen, Beschimpfungen, Ignorieren oder Bloßstellungen (Gusfre, Støen & Fandrem, 2022; Scharpf, Kızıltepe, Kirika & Hecker, 2023).

In diesem Zusammenhang stellt sich zum einen die Frage, wie sich die Phänomene Anerkennung und Gewalt theoretisch (auch in ihrer wechselseitigen Bezugnahme) bestimmen lassen, und, wie die Phänomene von schulischen Akteur_innen gedeutet werden. Insbesondere die Perspektive von Schüler_innen wird bisher kaum berücksichtigt (Rosenthal & Ben Arieh 2022; Geiger & Fischer 2006).

Im Rahmen des Symposiums wollen wir ausgehend von Interviewprotokollen die Perspektive von Schüler_innen rekonstruktiv in den Blick nehmen und analysieren, wie Schüler_innen pädagogische Interaktionen in Bezug auf Anerkennung und seelische Gewalt erleben, wahrnehmen und deuten. Einen besonderen Fokus legen wir auf die Frage, inwiefern Schüler_innen in ihren Deutungen Bezüge zu Differenzkategorien, z.B. class, gender, race, etc., herstellen oder über welche herkunftshabituellen Dispositionen sie verfügen. Hierbei interessiert uns, inwiefern jene Differenzkonstruktionen und Dispositionen bei der Artikulation und Wahrnehmung von Erfahrungen, die sich als Anerkennung oder seelische Gewalt fassen lassen, eine Rolle spielen, z.B. differenzspezifische Erfahrungen, Legitimationsmuster für das Verhalten der Lehrkraft, erzählte Wirkungen von Interaktionen sowie Formen der Bearbeitung im Spannungsfeld von Abhärtung sowie Sensibilisierung.

Die Ergebnisse kontextualisieren wir anerkennungstheoretisch (z.B. Honneth 1992) und unter Rückgriff auf theoretische Arbeiten zu seelischer Gewalt (z.B. Herrmann und Kuch 2007). Hierbei wird eine differenzsensible Perspektive angelegt, welche sich im Sinne eines weiten Inklusionsbegriffs durch eine analytische Offenheit gegenüber Differenzkategorien, die mit Blick auf (fehlende) Anerkennungserfahrungen von Relevanz sind, kennzeichnet. Darüber hinaus impliziert diese Perspektive eine Berücksichtigung der Intersektionalität von Kategorien (Crenshaw 1989), unterscheidet zwischen Fremd- und Selbstidentifikation (Supik 2017) und reflektiert mit Blick auf Anerkennungs- und Missachtungserfahrungen bestehende Labels z.B. “Behinderung” (Moser 2012) sowie “Migrationshintergrund” (Supik 2017) kritisch. Schließlich werden Möglichkeiten und Herausforderungen in Bezug auf empirische Studien mit Schüler_innen diskutiert.

Zum Aufbau des Symposiums: Im ersten Beitrag wird ein theoretischer Überblick über zentrale Arbeiten in Bezug auf Erfahrungen von Anerkennung und seelischer Gewalt in pädagogischen Beziehungen gegeben (z.B. Helsper & Hummrich 2014; Fischer und Richey 2022; Prengel 2019; Heinzel 2014; te Poel 2018). Hierbei liegt ein Fokus auf dem Phänomen der seelischen Gewalt und der Frage, inwiefern die theoretische Bestimmung herausforderungsvoll ist und welche Bezüge sich zur Heterogenität der Schüler_innen herstellen lassen.

Im zweiten Beitrag geht es auf der Grundlage von empirischen Material primär um als anerkennend konstituierte Erfahrungen von Schüler_innen des Sekundarbereichs. Es wird analysiert, wie Schüler_innen die pädagogische Beziehung zu Lehrkräften wahrnehmen und über welche schulbezogenen herkunftshabituellen Dispositionen sie verfügen. Grundlage der Rekonstruktionen sind Protokolle aus Schüler_inneninterviews, die mit der sequenzanalytischen Habitusrekonstruktion (Kramer, 2018) ausgewertet wurden.

Im dritten Beitrag wird anhand von Interviews mit Schüler_innen aus dem Primarbereich in den Blick genommen, was diese unter seelischer Gewalt von Lehrkräften gegenüber Schüler_innen verstehen und inwiefern die Schüler_innen im Erleben und in den wahrgenommenen Folgen seelischer Gewalt Bezüge zu Differenzkategorien z.B. race, class, gender sowie ability herstellen. Hierbei wird auf Einzelinterviews und Gruppendiskussionen mit insgesamt zehn Schüler_innen im Alter von 9-11 Jahren zurückgegriffen, die mithilfe einer adaptierten Form des integrativen Basisverfahrens nach Kruse (2014) ausgewertet werden.

Im Rahmen des Symposiums wird insofern eine interdisziplinäre Perspektive eingenommen, da neben schulpädagogischen Arbeiten (z.B. Helsper und Hummrich 2014), auch soziologische Überlegungen zu Humandifferenzierung (Hirschauer 2014) und Gewalt (z.B. Vorobej 2019) sowie psychologische Studien zu Auswirkungen von Diskriminierung berücksichtigt werden (z.B. Frost & Meyer, 2023).

Im Rahmen der Diskussion sollen insbesondere die folgenden zwei methodische Fragen im Zentrum stehen:

  • Wie kann man pädagogische Beziehungen empirisch in den Blick nehmen?

  • Welche Herausforderungen gibt es bei der Befragung von Kindern?

 

Beiträge des Symposiums

 

Pädagogische Beziehungen zwischen Anerkennung und seelischer Gewalt - eine Einführung

Anne Piezunka
Goethe-Universität Frankfurt am Main, Deutschland

Im ersten Beitrag des Symposiums wird zunächst ein theoretischer Überblick über zentrale Arbeiten in Bezug auf pädagogische Beziehungen im Kontext von Anerkennung und seelischer Gewalt gegeben. Hierbei knüpfen wir neben strukturtheoretisch orientierten Arbeiten (Helsper und Hummrich 2014) an bestehende theoretische Debatten zum Anerkennungsbegriff (Honneth 1992; te Poel; 2018; Balzer 2014) an. Ein besonderer Fokus liegt auf dem Phänomen der seelischen Gewalt und der Frage der theoretischen Bestimmung. Anhand der Aufarbeitung verschiedener theoretischer Perspektivierungen wird eine Heuristik aus vier Dimensionen vorgestellt, die bei einer theoretischen Bestimmung des Phänomens eine Rolle spielen. Es wird herausgearbeitet, dass es sich bei seelischer Gewalt um ein relationales Phänomen handelt, wonach die individuelle Deutung von Situationen von verschiedenen Positionierungen zu vier Dimensionen abhängt :1) Epistemische Dimension im Sinne von Wahrnehmbarkeit und Thematisierbarkeit von seelischer Gewalt in der jeweiligen Situation; 2) strukturelle und kulturelle Dimension, z.B. soziale Positionierungen sowie historische, kulturelle und regionale Gegebenheiten; 3) Beziehungsdimension, d.h. das Verhältnis zwischen Lehrkräften und Schüler_innen, z.B. gegenseitige Rollenerwartungen sowie die bisherige Beziehung der betroffenen Personen und 4) personale Dimension, z. B. die Vorgeschichte der betroffenen Person im Kontext von Anerkennung und Gewalt. Zugleich werden Spannungsfelder aufgezeigt und Bezüge zum Anerkennungsbegriff hergestellt. Abschließend wird die Heuristik mit Blick auf bereits vorhandene empirische Studien diskutiert, bspw. unter dem Fokus, inwiefern die Diversität der Schüler_innen in Bezug auf Erfahrungen von Anerkennung und seelischer Gewalt eine Rolle spielt (z.B. Gusfre et al., 2023; Scharpf et al., 2023).

 

Fokus auf Anerkennung in pädagogischen Beziehungen aus Schüler_innenperspektive

Kathrin te Poel
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

Sowohl empirische (bspw. te Poel, 2021) als auch theoretische Studien (bspw. Helsper & Hummrich, 2014, Stojanov, 2006) markieren eine große Bedeutung der pädagogischen Beziehung zwischen Lehrperson und Schüler_innen für die Entwicklung und den Bildungsweg von Schüler_innen. Dies zieht hohe normative Erwartungen an das pädagogische Handeln nach sich. Zugleich unterliegt die pädagogische Beziehung Antinomien (vgl. Helsper, 2014) und einer Unverfügbarkeit (vgl. te Poel & Heinrich, 2018), so dass eine gelungene pädagogische Beziehung nicht ohne und unabhängig vom jeweiligen Gegenüber, also dem Schüler bzw. der Schülerin, gedacht werden kann.

Auf diese Seite der pädagogischen Beziehung fokussiert dieser Beitrag die Schüler_innensicht. Anhand von zwei Fallrekonstruktionen wird gezeigt, wie die Wahrnehmung und das Empfinden der pädagogischen Beziehung durch Schüler_innen jeweils mit den auf Schule bezogenen herkunftshabituellen Dispositionen der Schüler_innen verwoben sind.

Grundlage der Rekonstruktionen sind Protokolle aus zwei von insgesamt 17 geführten Schüler_inneninterviews, die mit der sequenzanalytischen Habitusrekonstruktion (Kramer, 2018) ausgewertet wurden. Leitende Fragestellungen der Auswertung der Daten waren: Über welche schulbezogenen herkunftshabituellen Dispositionen verfügen Schüler_innen? Wie nehmen die Schüler_innen die pädagogische Beziehung zu Lehrkräften wahr? Die Ergebnisse geben Anlass für eine kritische Diskussion normativer Theorie pädagogischer Beziehungen und der Grenzen pädagogischen Handelns.

 

Seelische Gewalt in pädagogischen Beziehungen aus Schüler_innenperspektive

Marlene Doktor1, Marina Fischer2
1Universität Leipzig, 2Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung

Im Rahmen des dritten Beitrags wird in den Blick genommen, was Kinder unter seelischer Gewalt von Lehrkräften gegenüber Schüler_innen verstehen, welche Gemeinsamkeiten oder auch Widersprüche sich in den Deutungsmustern des relationalen Phänomens ergeben und welche Rolle Differenzkategorien in ihren Ausführungen einnehmen.

Es wurden Interviews in Einzel- und Gruppensettings mit insgesamt 10 Grundschulkindern, die überwiegend aus sozio-ökonomisch benachteiligten Haushalten kommen, geführt und in Anlehnung an das integrative Basisverfahren (Kruse 2015) ausgewertet. Eine diskriminierungskritische (u.a. El-Mafaalani et al. 2017) und intersektionale Perspektive (Crenshaw 1991; Winker & Degele 2010) sowie die Professionalisierung und Antinomien im Lehrkräftehandeln (Helsper 2021) dienen als Analyseheuristiken. Daneben betrachten wir unter Bezugnahme auf das Minority Stress Model (Frost & Meyer 2023), inwieweit Erfahrungen seelischer Gewalt in Verschränkung mit beschriebener Zugehörigkeit zu Differenzkategorien und psychischer Belastung der Kinder zusammenhängen. Erste Befunde verdeutlichen die Bedeutsamkeit von Differenzkategorien in den Ausführungen von Kindern zu seelischer Gewalt, z.B. Nicht-Wahrnehmung des sozio-ökonomischen Status.

 
15:10 - 15:30PL- 06: Verabschiedung
Ort: HS 4 = Raum 1127