Veranstaltungsprogramm

Eine Übersicht aller Sessions/Sitzungen dieser Veranstaltung.
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Sitzungsübersicht
Datum: Mittwoch, 17.09.2025
11:15 - 12:30P00: Ankommen
12:30 - 13:00PL-01: Tagungseröffnung
Ort: HS 4 = Raum 1127
13:00 - 14:00Keynote 1: Kerstin Jergus
Ort: HS 4 = Raum 1127
Pädagogische Beziehungen. Sondierungen zu Theorie und Geschichte der pädagogischen Signatur von Generationenverhältnissen
14:15 - 15:30Poster 1: Postersession
Ort: Foyer, EG
mit Kaffee ☕ und Kuchen 🍰
 

Soziale Beziehung und Wohlbefinden in der Sekundarstufe I

Lea Stahl

Universität Kassel, Deutschland

Soziale Beziehungen und Wohlbefinden in der Schule bilden die Grundlage für schulisches Lernen und Leistung und tragen maßgeblich zu einer positiven Persönlichkeitsentwicklung der Schüler:innen bei. Durch sie wird die Verbundenheit der Schüler:innen mit der Schule gestärkt und eine positive Einstellung zur Schule gefördert. Ängste, Leistungsdruck und Beschwerden wegen der Schule werden durch wertschätzende und vertrauensvolle Beziehungen und ein hohes Wohlbefinden abgemildert. Sie wirken unterstützend bei der Bewältigung der alltäglichen schulischen Anforderungen und tragen zur Gesundheit der Schüler:innen bei. Sie bilden somit den Grundstein für eine positive Einstellung zu Schule und sind für einen positiven Bildungsverlauf zentral. Eine hohe Beziehungsqualität und ein hohes Wohlbefinden sollten daher Ziel pädagogischen Handelns und Qualitätsmerkmal von Schule sein (vgl. Gysin 2017; Hascher 2018; Hascher & Hagenauer 2011).

Im Projekt „Fit für die Zukunft - Zukunftskompetenzen durch neue Lernkonzepte fördern“ wurden im Rahmen einer Längsschnittstudie mit Mixed-Methods-Design Schulen mit „neuen“ Lernkonzepten in den Blick genommen. Es wurden Gruppendiskussionen, Unterrichtsbeobachtungen und Fragebogenbefragungen durchgeführt. Ebenso wurde eine Briefbox in der Schule aufgestellt. Im Rahmen dieses Posters werden die Daten der Gruppendiskussionen aus der ersten Erhebungswelle der qualitativen Teilstudie in den Blick genommen. In diesem Studienteil wurden Schüler:innen des Jahrgangs 5 und 6 zu ihrer „neuen“ Lernumgebung befragt. Insgesamt liegen die Daten von n = 34 Schüler:innen vor. Das schulische Wohlbefinden und die sozialen Beziehungen der Schüler:innen, sowohl die Lehrer:in-Schüler:in-Beziehung als auch Peerbeziehungen sollen im Rahmen der Auswertungen im Vordergrund stehen. Es soll untersucht werden, wie Schüler:innen der Sekundarstufe I die Realisierung des Schulkonzeptes im Hinblick auf ihr schulisches Wohlbefinden und soziale Beziehungen erleben.



Pädagogische Beziehungen im Übergang – Ein systematisches Review zur inklusiven Übergangsgestaltung vom Primar- in den Sekundarbereich

Ludger Höhns, Marcel Veber

Rheinland-Pfälzische Technische Universität (RPTU), Deutschland

<p>Die Transition vom Primar- in den Sekundarbereich als Schl&uuml;sselsituation (Carle/Herding 2023) fordert die beteiligten Akteur:innen heraus. Der multiperspektivische Ansatz des Transitionsmodells von Griebel &amp; Niesel (2020) beleuchtet u.a. akteurs- wie kontextbezogene Aspekte des &Uuml;bergangs &ndash; auch in Bezug auf p&auml;dagogische Beziehungsgestaltung. Die Perspektive des &acute;doing transition` kann den &Uuml;bergangsprozess allgemein ausleuchten und der Aspekt der Gestaltung und Herstellung von Beziehungen r&uuml;ckt in den Fokus (Wanka et al 2020). Somit zeigen sich Transitionen anschlussf&auml;hig u.a. f&uuml;r Fragen nach institutioneller Gestaltung oder professioneller Umsetzung p&auml;dagogischer Beziehungen (Fasching 2019). Der Forschungsstand genau hierzu ist jedoch bislang kaum konturiert.</p>

<p>Im Rahmen eines systematischen Reviews (Willems 2022) wird der Forschungsfrage nachgegangen: Welche Transformationsfacetten fokussieren deutschsprachige empirische Forschungsbeitr&auml;ge zum &Uuml;bergang von der Primar- zur Sekundarstufe? Welche Implikationen f&uuml;r Gestaltungsprozesse p&auml;dagogischer Beziehung werden in den Forschungsarbeiten aufgezeigt?</p>

<p>In das Review (Zeitraum: 01/2015-12/2024) werden qualitative wie quantitative, deutschsprachige, empirische Forschungsarbeiten ausgenommen. Das Kodierschema wurde im Induktions-Deduktionsschluss konsensual &ndash; u.a. orientiert an Griebel &amp; Niesel (2020) und markiert Schwerpunkte der Forschungsbem&uuml;hungen am &Uuml;bergang (Newman/Gough 2020).</p>

<p>Die Ergebnisse deuten u.a. darauf hin, dass die Forschungsschwerpunkte kritische Zustandsbeschreibungen in den Mittelpunkt stellen oder bez&uuml;glich des (Bildungs)Erfolgs bewertet werden. Die Antizipation im Sinne von Gestaltungsmerkmalen gelungener p&auml;dagogischer Beziehungen innerhalb des &Uuml;bergangs wird wenig betrachtet.</p>

<p>Abschlie&szlig;end werden Implikationen f&uuml;r die Transitionsforschung im untersuchten &Uuml;bergang unter besonderer Ber&uuml;cksichtigung der p&auml;dagogischen Beziehungsgestaltung durch professionsbezogene und institutionelle Rahmungen skizziert.</p>



Förderung sozialer Beziehungen in inklusiven Schulklassen

Anna Gieschen1, Dr. Jan Henning-Kahmann1, Prof. Dr. Wolfram Rollett2, Prof. Dr. Katja Scharenberg3

1Pädagogische Hochschule Freiburg; 2Carl von Ossietzky Universität Oldenburg; 3Ludwig-Maximilians-Universität München

<p>Positive soziale Beziehungen von Sch&uuml;ler:innen in Schulklassen sind eine wichtige Grundlage f&uuml;r ihre soziale, emotionale und leistungsbezogene Entwicklung sowie ihren Bildungserfolg (Hagenauer &amp; Raufelder, 2021; Looser, 2011). Allerdings k&ouml;nnen in Schulklassen auch ung&uuml;nstige Beziehungskonstellationen und Ausgrenzungsprozesse auftreten (Kessels, Nishen &amp; Schieck, 2021). So bieten z. B. inklusive Lernkontexte aufgrund der gr&ouml;&szlig;eren Heterogenit&auml;t g&uuml;nstigere Gelegenheitsstrukturen, doch das Potential dieser Diversit&auml;t kann beeintr&auml;chtigt sein und auch negative Entwicklungen nach sich ziehen (Krawinkel et al., 2018). Lehrkr&auml;fte verf&uuml;gen meist nicht &uuml;ber die n&ouml;tigen Kompetenzen, um die sozialen Strukturen zu diagnostizieren (S&uuml;dkamp et al., 2018). Zudem mangelt es an gut zug&auml;nglichen und im schulischen Kontext empirisch validierten Methoden sowohl zur Diagnostik sozialer Beziehungen als auch zur p&auml;dagogischen Intervention. Das Forschungsprojekt &bdquo;Sozius&ldquo; geht deshalb der Frage nach, wie sich die Entwicklung ung&uuml;nstiger Sozialstrukturen in inklusiven Schulklassen fr&uuml;hzeitig erkennen und durch geeignete Ma&szlig;nahmen p&auml;dagogisch adressieren l&auml;sst. Dazu wird das Beziehungsnetzwerk von 48 Schulklassen ab Mitte der Klassenstufe 5 &uuml;ber f&uuml;nf Messzeitpunkte mittels sozio- und psychometrischer Verfahren analysiert. Die Klassenlehrkr&auml;fte erhalten die Analyseergebnisse in aufbereiteter Form sowie Fortbildungen zum Einsatz und zur Nutzung solcher Verfahren. Zudem werden Methoden der p&auml;dagogischen Intervention vermittelt und gemeinsam mit den Lehrkr&auml;ften erarbeitet, um die sozialen Beziehungen in den Schulklassen positiv zu gestalten und zu st&auml;rken. Die &Uuml;berpr&uuml;fung der angenommenen Wirkungen dieser Ma&szlig;nahmen erfolgt in einem Warte-Kontrollgruppen-Design, in dem die H&auml;lfte der teilnehmenden Klassenlehrkr&auml;fte um sechs Monate zeitversetzt fortgebildet wird. Im Vortrag werden die Konzeption der Studie, Ergebnisse erster Analysen sowie Inhalte der Lehrkr&auml;ftefortbildung pr&auml;sentiert.</p>



Ganztags auf Augenhöhe. Vertrauen in pädagogischen und multiprofessionellen Beziehungen in der Ausbildung von Lehrpersonen und pädagogischen Fachkräften anbahnen.

Johanna Valentin

Universität Kassel, Deutschland

Gute Ganztagsbildung umfasst Schulen, die als Lern- und Lebensraum ausgestaltet werden und Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit bieten, ihre multiplen Identitäten im Rahmen formeller, non-formaler und informeller Lernprozesse zu entwickeln (Ewert, 2019) und neben Fachwissen sog. Zukunftskompetenzen zu erwerben, um Nachhaltigkeit und gesellschaftliches Wohlergehen prospektiv zu sichern (OECD, 2019). Schüler:innen benötigen dazu u.a. ausgeprägte soziale und emotionale Skills, die stark mit positiven pädagogischen Beziehungen und schulischem Wohlbefinden zusammenhängen (vgl. Fischer & Richey, 2018). Zur Umsetzung dieser Ziele und guter Ganztagsbildung im Allgemeinen bedarf es der Zusammenarbeit unterschiedlicher pädagogischer Akteur:innen in multiprofessionellen Teams. Gelingende pädagogische und multiprofessionelle Beziehungen setzen Wissen über und Fähigkeiten für Selbstbestimmung und Vertrauen, gegenseitige Anerkennung und Autonomieunterstützung voraus und sollten deshalb schon im Rahmen der Ausbildung angebahnt werden (Monitor Lehrerbildung, 2021). Hier setzt das Projekt MuTiG (Multiprofessionelle Teams in Ganztagsschulen) an, indem studiengangübergreifende Lernumgebung für Studierende des Lehramts und der Sozialen Arbeit implementiert und evaluiert wurden (Valentin et al., 2019, 2022, 2023), um positive Haltungen gegenüber Kooperation und entsprechende reflexive, kommunikative und kooperative Handlungskompetenzen zu stärken. Das Poster soll zunächst Bildungsziele für Kinder und Jugendliche im Zusammenhang mit Ganztagsbildung und der Gestaltung pädagogischer Beziehungen darlegen, um die Bedeutung sozialer Beziehungen im Rahmen (multi-)professioneller Kooperation für die Beziehungsqualität im Ganztag zu beleuchten. Anhand theoretischer, praktischer und empirischer Erkenntnisse des Projekts MuTiG soll die Relevanz von Vertrauen in pädagogischen und multiprofessionellen Beziehungen in der Ausbildung von Lehrkräften und pädagogischen Fachkräften diskutiert werden.



Soziale Interaktionen im Unterricht positiv gestalten – ein Training für Lehramtsstudierende zur Förderung der Kernpraktik „Respektvolle Beziehungen“

Katharina Neuber, Marc Kleinknecht

Leuphana Universität Lüneburg, Deutschland

Für das Lernen von Schüler:innen ist die Qualität der Lehrer:innen-Schüler:innen-Beziehung besonders relevant (Hattie, 2009). Respektvolle Beziehungen aufzubauen durch positiv gestaltete soziale Interaktionen, gilt entsprechend als Kernpraktik des Unterrichtens (z.B. Schellenbach-Zell et al., 2024). Merkmale positiver Interaktionen lassen sich aus Modellen zum Führungshandeln von Lehrkräften sowie zur Unterrichtsqualität (z.B. Pianta & Hamre, 2009) ableiten. Das Führungshandeln von Lehrkräften kann entlang der Dimensionen Einfluss und Nähe eingeschätzt werden (Wubbels et al., 2015). Einfluss meint das Ausmaß, in dem die Lehrkraft die Interaktionen im Unterricht lenkt und Kontrolle ausübt, um einen reibungslosen Unterrichtsverlauf herzustellen. Nähe impliziert kooperative Zuwendung und emotionale Unterstützung, d.h. die Lehrkraft zeigt Wertschätzung, Empathie und Interesse an den Bedürfnissen der Lernenden. Interaktionen positiv zu gestalten, indem Nähe gezeigt und gleichzeitig Einfluss ausgeübt wird, kann insbesondere für angehende Lehrkräfte herausfordernd sein und sollte daher in der Ausbildung gelernt werden.

Im vorgestellten Projekt wird an bestehende Trainings zu Kernpraktiken im praktikumsvorbereitenden Modul Didaktik und Methodik aufgebaut. Das Poster thematisiert das Training zur Kernpraktik Respektvolle Beziehungen, das die Planung, Ausführung und Analyse der Kernpraktik umfasst. Orientiert am Learning Cycle (McDonald et al., 2013) wird die Kernpraktik zunächst in der Vorlesung konzeptuell verortet und mit einem Unterrichtsvideo modellhaft dargestellt. Danach analysieren die Studierenden im Begleitseminar die Ausführung der Kernpraktik in ausgewählten Unterrichtssituationen fremder Lehrkräfte und nutzen ihr Wissen, um die Ausführung der Kernpraktik zu planen, im Microteaching zu erproben und videobasiert kollaborativ zu analysieren. Das Poster stellt neben der Konzeption erste Evaluationsergebnisse des Trainings (u.a. wahrgenommene Akzeptanz) vor.



Bindungsrepräsentationen und Mentalisierungskapazitäten von Lehr- und pädagogischen Fachkräften als Komponenten pädagogischer Handlungs- und Beziehungskompetenz?

Teresa Beier, Melanie Henter

RPTU Rheinland-Pfälzische Technische Universität, Deutschland

<p>Die Bindungs- und Mentalisierungskapazit&auml;ten von Lehr- und p&auml;dagogischen Fachkr&auml;ften werden, vor allem im Kontext der sozial- emotionalen Entwicklung, als wichtige Komponenten p&auml;dagogischer Handlungs- und Beziehungskompetenz diskutiert (z.B. Schwarzer, 2020). Die Rolle der Lehrperson(en), ihre Bindungsrepr&auml;sentationen sowie ihre F&auml;higkeit zu Mentalisieren erweisen sich f&uuml;r die Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen als bedeutsam (z.B. Fonagy, 2018). Zur Gestaltung p&auml;dagogisch (wirksamer) Beziehungs- und Lernangebote erweist sich dabei eine an Verstehensprozessen orientierte Perspektive auf das Erleben und Verhalten von Sch&uuml;ler*innen und Lehrpersonen vor der Folie eigener (bindungs-)biographischer Erfahrungen als notwendig. Folglich ergibt sich eine enge Verflechtung zwischen den Bindungs- und Mentalisierungskapazit&auml;ten von Lehr- und p&auml;dagogischen Fachkr&auml;ften und einer (sonderp&auml;dagogischen) professionalisierungsorientierten Lehrer*innenbildung (z.B. Dlugosch, 2003; Dlugosch et al., 2022). Gleichzeitig zeigen sich innerhalb empirischer Erhebungen nach wie vor Forschungsdesiderate (z.B. Schwarzer et al., 2021).</p>

<p>Vor diesem Hintergrund stellt der Vortrag die Ergebnisse eines quantitativ angelegten Designs vor, innerhalb dessen die Bindungsstile und Mentalisierungskapazit&auml;ten von 80 an F&ouml;rderschulen im F&ouml;rderschwerpunkt sozial-emotionale Entwicklung t&auml;tigen Lehr- und p&auml;dagogischen Fachkr&auml;ften anhand von drei unterschiedlichen Frageb&ouml;gen erhoben und miteinander in Beziehung gesetzt wurden (Henter et al., 2024). Die Ergebnisse werden zudem in die (sonder-)p&auml;dagogische Professionalisierungsdebatte eingebettet und kritisch beleuchtet, inwieweit sich u.a. auch Schlussfolgerungen f&uuml;r die Professionalisierung von p&auml;dagogischen Fachpersonen ableiten lassen. Am Ende soll kritisch diskutiert werden, welche Anspr&uuml;che und Konsequenzen sich daraus f&uuml;r die einzelnen Phasen der Lehrerinnenbildung ergeben k&ouml;nnten.</p>



„Was ist deine Aufgabe hier im Unterricht?“ Interaktionen und Erwartungen als Ausdrucksform pädagogischer Beziehungen in projektorientierten Lernsettings

Carly Abbenhaus, Christoph Busch, Christian Fischer

Universität Münster, Deutschland

„Es fuckt mich so ab. […] Die lassen uns nicht dahin. Wir wollten Blumensamen kaufen und jetzt sollen wir ganze Blumen kaufen. […] Warum dürfen wir da nicht hin? Ihr Vertrauen ist ja wirklich richtig gut.“

Das Zitat zeigt einen Ausschnitt einer Interaktion zwischen einem Schüler und einem Sozialarbeiter. Es entstammt einem Korpus ethnografischer Beobachtungen, die im Schuljahr 2024/25 in einem projektorientierten Unterrichtssetting der Jgst. 7 erstellt wurden. Wenngleich die Forschung zu pädagogischen Beziehungen im schulischen Kontext allgemein recht umfangreich ist (z.B. Helsper & Hummerich, 2014), steht die systematische Beschreibung von Kommunikationsstrukturen in geöffnetem Unterricht anhand konkreter Interaktionen gegenwärtig noch nicht im Fokus empirischer Forschung (Hauk & Gröschner, 2021). Gleichwohl bietet sie eine vielversprechende Erkenntnisquelle hinsichtlich Antinomien und Herausforderungen, die die Beteiligten in der Kommunikation bewältigen müssen. Der Korpus umfasst ethnografische Beobachtungen von insgesamt 12,5 Zeitstunden Projektunterricht im Kontext BNE an einer nordrhein-westfälischen Gesamtschule, einschließlich Plenar- und Gruppenarbeitsphasen. Für das Poster werden Beobachtungen ausgewählt, die Interaktionen zwischen Lehrkräften und/oder Sozialarbeiter*innen und Schüler*innen in den Gruppenarbeitsphasen dokumentieren. Bezugnehmend auf Merkmale schulischer Interaktionsprozesse im Allgemeinen (Schweer, 2017; Bressler, 2023) und in geöffnete Lernarchitekturen im Speziellen (Traub, 2023) wird analysiert, wie sich die Beteiligten zwischen Öffnung und Schließung bewegen, welche Erwartungen implizit wie explizit handlungsleitend sind und welche Unterschiede sich herausarbeiten lassen. So entsteht z. B. Konfliktpotenzial, wenn Schüler*innen ihrem „Schülerjob“ (Breidenstein, 2006) nicht nachkommen und Lehrkräfte erwartete Freiheiten einschränken. Zudem variiert die Ansprache der Lehrkräfte je nach Schü-ler*innengruppe von direktiv bis impulsgebend.



(Pädagogische) Beziehungsgestaltung bereits in Rahmen der Lehramtsausbildung selbst-bildend-erproben – wie und unter welchen Voraussetzungen ist dies möglich?

Carolin Bornschein

Technische Universität Dresden, Deutschland

Der Beitrag geht der Frage nach, wie Studierende bereits während des Lehramtsstudium ein Bewusstsein für die Bedeutung pädagogischer Beziehungsgestaltung in der Grundschule entwickeln und sich selbst-bildend auf diese komplexe Aufgabe vorbereiten können.

Den Rahmen für dieses Vorhaben bildet ein Werkstattseminar in der Lern- und Forschungswerkstatt Grundschule, welches das Ziel verfolgt, Studierende im Umgang mit heterogenen Lerngruppen zu stärken. Dafür grundlegend ist die gezielte Ermöglichung und Thematisierung von Selbst- und Beziehungserleben sowie die Reflexion gegenwärtiger und biographischer Erfahrungen der Studierenden. Angehende Lehrpersonen sollen für ihr (pädagogisches) Selbstverständnis d.h. für ihren personalen Anteil im Rahmen der (pädagogischen) Beziehungsgestaltung sowohl im Kontext der universitären Seminargruppe als auch in Bezug auf die anzustrebende Rolle als Lehrperson in einer Grundschulklasse sensibilisiert werden. Die Lernwerkstattarbeit bietet hierfür eine geeignete Rahmung zur Entwicklung hochschuldidaktisch gestützter "Selbstreferenzialität" mit dem Ziel der Ermöglichung von Prozessen der „persönlichkeitsorientierten Professionalisierung“ (Holub & Roszner, 2021).

In diesem Zusammenhang wird auf Metaebene auch die (pädagogische) Beziehungsgestaltung von Studierenden und Lehrenden im Hochschulkontext zum Gegenstand der Betrachtung. Wenn pädagogische Professionalisierung als individuelle Entwicklungsaufgabe und -chance von Studierenden sowie Lehrenden erkannt und wahrgenommen wird, steigert dies die Qualität pädagogischer Beziehungsgestaltung. Die Erforschung der Bedingtheit bzw. Wechselwirkung der Entwicklung von Selbstkompetenzen (Solzbacher, 2014) und pädagogischer Beziehungsgestaltung ist Gegenstand der Untersuchung.



Der Übergang zur weiterführenden Schule als ko-konstruktiver Prozess. Selbst- und Fremdpositionierungen aufnehmender Klassenleitungen.

Caroline Tönsing

Universität Osnabrück, Deutschland

Der Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule ist für die Schüler*innen eine Phase, in der Beziehungen eine entscheidende Rolle spielen. Im ko-konstruktiven Prozess des Übergangs stellen verschiedene Akteur*innen ein Beziehungsnetz dar (Griebel & Niesel, 2021). Eine Akteursgruppe sind dabei die aufnehmenden Klassenleitungen. Klassenleitungen sind in ihrer Funktion für die Klasse verantwortlich und gelten daher als wichtige Bezugsperson in diesem Prozess (Kottmann, 2022). Wird die Klasse von zwei Personen kooperativ geleitet, stellt deren Beziehung eine weitere relevante Ebene dar.

Unter der Forschungsfrage „Welche Selbst- und Fremdpositionierungen nehmen die Klassenleitungen eines Klassenleitungsteams in einer 5. Gesamtschulklasse im Kontext dieses Übergangs während eines gemeinsamen Interviews vor?“ werden zentrale pädagogische Beziehungen untersucht. Dazu wurden qualitative Leitfadeninterviews mit 13 Klassenleitungsteams an 10 Gesamtschulen in Niedersachsen und NRW geführt. Durch die gemeinsame Befragung beider Klassenlehrpersonen wurden Interaktionen miterhoben. Die Klassenleitungen sprechen jeweils als Individuen und als Paar über Dritte und sich selbst (Wimbauer & Motakef, 2017). Mit einem rekonstruktiven Verfahren nach Kleemann et al. (2013) werden die Selbst- und Fremdpositionierungen analysiert, wobei der Fokus auf der formalsprachlichen Analyse liegt, um die Interaktionen der vorliegenden Interviewsituation zu kontrollieren.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich die Klassenleitungen sich in ihrer Rolle als verantwortlich für die Beziehungsarbeit zu Beginn der 5. Klasse sehen und dies mit ihrer Zugehörigkeit zur Gesamtschule verbinden. In Bezug auf die kollegiale Beziehung zeigt sich, dass sie Handlungen als Paar darstellen, die sie nicht gemeinsam erlebt haben.

Die Selbst- und Fremdpositionierungen der Klassenleitungen werden in Bezug auf die Beziehungen im Übergang als ko-konstruktiver Prozess diskutiert.



Schüler:innen bei der Nutzung von Virtual Reality pädagogisch begleiten. Ein ko-konstruktiv entwickeltes Fortbildungskonzept für (sonderpädagogische) Lehrkräfte

Dorina Rohse, Caterina Schäfer, David Wiesche

Universität Duisburg-Essen, Deutschland

<p>Virtual Reality (VR) erm&ouml;glicht Erfahrungen, die von taktischer, visueller und akustischer Wahrnehmung gepr&auml;gt sind (Mills et al., 2022). Mit zunehmendem Einzug in den Bildungskontext und ersten Erkenntnissen zu Potenzialen und Grenzen f&uuml;r Sch&uuml;ler:innen mit sonderp&auml;dagogischen Unterst&uuml;tzungsbedarf (Rohse und Sch&auml;fer, 2024) werden Anfragen an eine p&auml;dagogisch Begleitung und Interaktion deutlich: Durch eine Exponiertheit von K&ouml;rper kann u.a. bei Beobachtung von Anderen eine Art B&uuml;hnensituation bei der Nutzung von VR entstehen. (Sonderp&auml;gogische) Lehrkr&auml;fte haben hier eine verantwortliche Rolle bei der Gestaltung einer sicheren und angstfreien Beziehung und damit Lernatmosph&auml;re, denn eine Interaktion, die grunds&auml;tzlich auf Vertrauen und Unterst&uuml;tzung beruht, hat entscheidenden Einfluss auf die Lernmotivation der Sch&uuml;ler:innen (Schl&ouml;merkemper &amp; Lehberger, 2018).</p>

<p>Im vorliegenden Beitrag werden die Inhalte des Konzeptes &ldquo;VR und Begleitung&rdquo; im Rahmen des Teilprojektes Com<sup>e</sup>Sport (Kompetenzverbund lernen:digital) vorgestellt: In einem ko-konstruktiven Entwicklungsprozess er&ouml;rterten Sonderp&auml;dagog:innen und Lehramtsanw&auml;rter:innen nach einer VR-Selbsterfahrung in Gruppendiskussionen, welche Aspekte bei der Begleitung von Sch&uuml;ler:innen beachtet werden sollten. Die erhobenen Daten wurden gem&auml;&szlig; qualitativer Inhaltsanalyse (Kuckartz und R&auml;diker, 2022) ausgewertet.</p>

<p>Der Vortrag stellt ausgew&auml;hlte Ergebnisse vor: u.a. Regulation von N&auml;he und Distanz und Ank&uuml;ndigungen von K&ouml;rperber&uuml;hrungen. Gleichzeitig zeigen sich Grenzen, die z.B. Sch&uuml;ler:innen mit komplexen Behinderungen ausschlie&szlig;en. Diese werden hinsichtlich m&ouml;glicher inklusiver Aspekte von VR anhand des Universal Designs for Learning (Wehrmann und Zender, 2024) diskutiert.</p>



Förderliche Beziehungsgestaltung aus Sicht von Schüler:innen

Gabriele Schauer, Sabine Gerhartz-Reiter, Sunet Grobler

Universität Innsbruck, Österreich

<p>Gelungene p&auml;dagogische Beziehungen stellen eine wesentliche Grundlage f&uuml;r erfolgreiches Lernen dar (vgl. K&uuml;nkler, 2014; Herrmann &amp; Oswald 2022). Daher haben Lehrpersonen gem&auml;&szlig; den Prinzipien des Nachhaltigkeitsziels (SDG) 4 &ndash; inklusiver, gleichberechtigter und hochwertiger Bildung sowie der F&ouml;rderung lebenslangen Lernens f&uuml;r alle (UN, 2015) und p&auml;dagogischem Ethos (R&ouml;del et al., 2022) die Verantwortung f&uuml;r f&ouml;rderliche Beziehungsgestaltung im schulischen Kontext. Dass dies oft nicht gelingt, zeigt beispielsweise Prengel (2019) im Projekt INTAKT: 25% der Interaktionen zwischen Lehrpersonen und Sch&uuml;ler:innen werden von diesen negativ wahrgenommen (vgl. auch Ramm 2006).</p>

<p>Daher stellt sich die Frage, was eine unterst&uuml;tzende p&auml;dagogische Beziehung f&uuml;r Jugendliche ausmacht, was sie von ihren Lehrpersonen diesbez&uuml;glich brauchen, um eine f&ouml;rderliche Ausgangslage f&uuml;r ihre Lern- und Bildungsprozesse zu haben. Im Beitrag wird daher nach einem &Uuml;berblick &uuml;ber Erkenntnisse zu p&auml;dagogischen Beziehungen und deren Ber&uuml;cksichtigung in &ouml;sterreichischen Lehramt-Studien (Schauer, 2024) ein Projekt vorgestellt, das p&auml;dagogische Beziehungen aus Sicht von Sch&uuml;ler:innen in den Blick nimmt.</p>

<p>Mittels qualitativer Befragung von Sch&uuml;ler:innen aus verschiedenen Schultypen der Sekundarstufe und qualitativer Inhaltsanalyse (vgl. Kuckartz, 2022) wird untersucht, wie unterschiedliche Jugendliche die Beziehungen zu ihren Lehrpersonen wahrnehmen, welche Aspekte aus ihrer Perspektive bedeutsam sind und welche Unterst&uuml;tzung sie von ihren Lehrpersonen bei der Bew&auml;ltigung ihrer Bildungswege erfahren &ndash; als eine wesentliche Grundlage, um gem&auml;&szlig; dem SDG4 Zugang zu gleichberechtigter und hochwertiger Bildung zu erhalten. In diesem Kontext wird auch analysiert, inwiefern p&auml;dagogisches Ethos f&uuml;r Sch&uuml;ler:innen sichtbar wird.</p>

<p>Die Erkenntnisse helfen (angehenden) Lehrpersonen, ihr p&auml;dagogisches Handeln in der Beziehungsgestaltung entsprechend den Bed&uuml;rfnissen der Sch&uuml;ler:innen zielorientiert auszurichten.</p>



Das Beziehungsgeschehen im Unterricht zwischen Anerkennung und Verletzung

Martina Damej

Universität Klagenfurt, Österreich

<p>Schulisches Lernen ist kein isolierter Prozess, sondern ein soziales und interaktives Geschehen, dessen Gelingen von der Beziehungsgestaltung zwischen den am Bildungsprozess beteiligten Personen bestimmt ist. Bauer (2007) spricht bezugnehmend auf das Konzept der p&auml;dagogischen Beziehung sogar von einem &bdquo;unabdingbaren Transfusionskanal&ldquo;, &uuml;ber den Lerninhalte erst an Sch&uuml;ler:innen herangetragen werden k&ouml;nnen. Umso wichtiger erscheint es, die Praxis der Beziehung in den Blick zu nehmen. Als Grundlage einer Er&ouml;rterung dient die Vorstellung, dass das Beziehungsgeschehen zwischen Lehrpersonen und Sch&uuml;ler:innen eine &bdquo;fortlaufende Interaktionskette&ldquo; (K&uuml;hn, 2008, S. 45) sei, &bdquo;die je nach Form und Inhalt bestimmte Auswirkungen auf das Denken und F&uuml;hlen der Beteiligten&ldquo; (K&uuml;hn, 2008, S. 45) habe. Die Arbeit mit ph&auml;nomenologischen Vignetten (nach Agostini et. al, 2023) erm&ouml;glicht es, Sequenzen solcher Interaktionsprozesse hinsichtlich professionsethischen Handelns zu durchleuchten, Beziehungserfahrungen im p&auml;dagogischen Setting nachzusp&uuml;ren und R&uuml;ckschl&uuml;sse auf den Qualit&auml;tsgehalt der Lehrer:innen-Sch&uuml;ler:innen-Beziehungen zu ziehen. Als theoretische Bezugspunkte dienen die von Prengel (2019) eingebrachten anerkennungstheoretisch begr&uuml;ndeten Qualit&auml;ten p&auml;dagogischer Beziehungen: Solidarit&auml;t, Gleichheit und Freiheit, Wertsch&auml;tzung.</p>

<p>Im Vortrag werden auf ph&auml;nomenologische Vignetten zur&uuml;ckgegriffen, die im Rahmen der eigenen Hochschullehre als Professionalisierungsinstrument f&uuml;r angehenden Lehrkr&auml;fte herangezogen werden.</p>



Kompetenter Umgang mit eigenen Emotionen – ein Konzept für die Aus- und Fortbildung von Lehrkräften

Vera Habermeier

Universität Kassel

Positiv erlebte pädagogische Beziehungen stellen wichtige Voraussetzungen für erfolgreichen Unterricht dar (Fischer & Richey, 2021). In der Praxis kommt es jedoch immer wieder zu verletzendem Lehrkraftverhalten gegenüber einzelnen Schüler:innen oder Schulklassen. Vermutete Ursachen dieses Verhaltens umfassen u.a. das allgemeine Belastungserleben und die mangelnde Selbstwirksamkeit der Lehrenden (Lewis & Riley, 2009). In diesem Zusammenhang sind emotionale Kompetenzen von Lehrkräften zentral. Sie hängen negativ mit emotionaler Erschöpfung und positiv mit der Selbstwirksamkeitserwartung zusammen (Burić et al., 2020; Lee & Vlack, 2018). Darüber hinaus zeigten sich in diversen Studien Zusammenhänge zwischen der Emotionsregulation der Lehrkräfte und der Unterrichtsqualität sowie dem Wohlbefinden der Schüler:innen (Aldrup et al., 2024; Braun et al., 2020). Eine Vermittlung emotionaler Kompetenzen bereits im Studium ist daher wünschenswert aber bisher noch selten umgesetzt. Trainings, die zumindest teilweise auf die Förderung emotionaler Kompetenzen in der Lehrerbildung ausgerichtet sind, finden sich nur vereinzelt (u.a. Carstensen et al. 2019; Görich 2019; Ritter 2022), wobei die Wirksamkeit nur selten überprüft bzw. nicht klar nachgewiesen wurde. Im Dissertationsprojekt soll daher ein Training zur Förderung emotionaler Kompetenzen von Lehrkräften entwickelt, erprobt und evaluiert werden, das perspektivisch als fester Bestandteil in die Lehrer:innenbildung implementiert werden kann. Auf den emotionalen Kompetenzen aufbauend, ist u.a. die adäquate Kommunikation von Emotionen ein wichtiger Bestandteil der Maßnahme. Diese ist im Zusammenhang mit aggressivem und verletzendem Lehrkraftverhalten und dessen Auswirkungen besonders relevant (Poulou et al., 2022; Romi et al., 2011). Auf dem Poster sollen das Fortbildungskonzept sowie die geplante Evaluationsstudie unter Bezugnahme auf Theorie und Forschungsstand vorgestellt und diskutiert werden.

 
15:30 - 17:30Bedürfnisunterstützung als BASiS pädagogischer Beziehungen: Korrelate, Profile und Maßnahmen professioneller Fürsorge
Ort: HS 4 = Raum 1127
Chair der Sitzung: Stefan Markus, Bergische Universität Wuppertal
Symposium
 

Chair(s): Stefan Markus (Bergische Universität Wuppertal, Deutschland)

Diskutant:in(nen): Lars Meyer-Jenßen (HMU Erfurt)

Lernen ist immer in einen sozialen Kontext eingebettet. Daher sind Schulen nicht nur als Lernwelt, sondern auch als Sozialwelt anzusehen (Reicher & Matischek-Jauk, 2018). Die Qualität der pädagogischen Beziehungen zwischen Lehrkräften und Lernenden, aber auch der Peer-Beziehungen unter Schüler*innen, ist von zentraler Bedeutung für Lehr- und Lernprozesse im Schulalltag (Hascher, 2004; Mainhard et al., 2018; Hoferichter & Raufelder, 2014). Einige Theorieansätze liefern Anhaltspunkte, wie Beziehungen in der Schule positiv gestaltet werden können. So werden der Selbstbestimmungstheorie (Ryan & Deci, 2017) zufolge Beziehungen dann als besonders positiv empfunden, wenn die drei psychologischen Grundbedürfnisse nach Autonomie, Kompetenzerleben und sozialer Verbundenheit innerhalb der Beziehung reziprok unterstützt werden. Insbesondere die Subtheorie "Relationships Motivation Theory“ postuliert einen positiven Effekt der reziproken Unterstützung der psychologischen Grundbedürfnisse auf die Beziehungsqualität und das Wohlbefinden der Beteiligten, wobei die drei Bedürfnisse nicht unabhängig voneinander zu betrachten sind, sondern synergetisch zu- und miteinander wirken. Fühlen sich Schüler*innen in ihrer Lern- und Leistungsentwicklung unterstützt und bietet die Lernumgebung die nötige Struktur, so steigert dies ihr Kompetenzempfinden. Gleichzeitig bedarf die Entwicklung von Kompetenzüberzeugungen auch Autonomie im Sinne einer internalen Handlungsverursachung, um eine internale Attribution von Lernerfolgen zu ermöglichen. Durch Selbst- bzw. Mitbestimmungsmöglichkeiten drückt die Lehrkraft zudem Wertschätzung aus und vertraut ihren Schüler*innen, diese verantwortungsvoll zu nutzen. Vertrauen wiederum unterstützt die Entwicklung einer positiven Beziehungsdynamik und fördert die soziale Verbundenheit auf beiden Seiten. Soziale Verbundenheit als drittes psychologisches Grundbedürfnis beinhaltet das Gefühl des Integriertseins in eine Gemeinschaft, der gegenseitigen Akzeptanz und des Gefühls, von anderen umsorgt zu werden. Durch eine engagierte Zuwendung (engl. „involvement“), z.B. aufmerksames Zuhören und Interesse an den Gedanken, Gefühlen und Bedürfnissen, sowie emotionale Wärme und Wertschätzung können Lehrkräfte eine unterstützende und respektvolle Lernumgebung schaffen und somit zur sozialen Verbundenheit der Lernenden beitragen.

In diesem Symposium wird Fürsorge (engl. „caring“) im Sinne von psychologischer Bedürfnisunterstützung daher als zentrales Merkmal pädagogischer Beziehungen im schulischen Kontext betrachtet. Auf Basis der Selbstbestimmungstheorie werden in drei Beiträgen Korrelate, Profile und Maßnahmen professioneller Fürsorge untersucht. Der erste Beitrag befasst sich quantitativ mit unterrichtsbezogenen sowie interaktionalen Emotionen von Schüler*innen und deren Zusammenhänge mit den wahrgenommenen Beziehungen zu Lehrkräften und Mitschüler*innen. Es werden Unterschiede zwischen den Geschlechtern sowie zwischen Schüler*innen der Primar- und Sekundarstufe thematisiert. Die zweite Studie verwendet einen personenzentrierter Ansatz, um latente Schüler*innen-Profile von Bedürfnisunterstützung zu identifizieren und die Rolle personen-, herkunfts- und leistungsbezogener Merkmale bei Sekundarstufenschüler*innen zu analysieren. Im dritten Beitrag wird sich qualitativ aus Lehrkraftperspektive den Fragen genähert, wie Bedürfnisunterstützung in der pädagogischen Beziehung zwischen Lehrkräften und Schüler*innen umgesetzt werden kann und was somit schulische Fürsorge konkret auszeichnet.

Die Beiträge leisten somit gemeinsam einen Beitrag zur Diskussion, wie Lehrkräfte Beziehungen zu Schüler*innen gestalten, wie Schüler*innen die Beziehungen zu ihren Lehrkräften und Mitschüler*innen wahrnehmen und welche Zusammenhänge sich hierbei mit zentralen Faktoren gelingender Lehr- und Lernprozesse zeigen.

Es erfolgt eine kritische Diskussion der Beiträge aus pädagogisch-psychologischer Perspektive. Schlussfolgerungen zur Professionalität und Professionalisierung von Lehrpersonen werden aus den drei Beiträgen gezogen und Implikationen für die Lehramtsaus- und -weiterbildung werden abgeleitet. Die Sensibilisierung von Lehrkräften für ihre zentrale Rolle in der pädagogischen Beziehungsgestaltung steht dabei im Mittelpunkt.

 

Beiträge des Symposiums

 

Geschlechts- und schulstufenspezifische Zusammenhänge schülerperzipierter Beziehungen zu Lehrkräften und Mitschüler*innen mit unterrichtsbezogenen und interaktionalen Emotionen

Stefan Markus1, Cornelia Gar2
1Bergische Universität Wuppertal, Deutschland, 2LMU München

Als harmonisch wahrgenommene Beziehungen hängen mit individuellen Situationseinschätzungen sowie Emotionen von Schüler*innen zusammen (Pekrun et al., 2023). Interdependenzen zwischen der Lehrkraft-Schüler*innen-Beziehung (z. B. Mainhard et al., 2018) sowie Peer-Beziehungen (z. B. Forsblom et al., 2021) mit dem emotionalen Befinden konnten bereits gezeigt werden. Allerdings ist bislang nicht ausreichend geklärt, inwiefern sich diese Zusammenhänge (a) zwischen der Primar- und Sekundarstufe sowie (b) zwischen den Geschlechtern unterscheiden. Zudem konzentriert sich die Forschung vorrangig auf unterrichtsbezogene Lern- und Leistungsemotionen (z.B. Freude, Langeweile), obwohl Schüler*innen wesentlich vielfältigere Emotionen im schulischen Kontext empfinden. Ein weiteres Ziel unserer Querschnittuntersuchung ist daher, den Fokus auf interpersonale Emotionen (z.B. Zuneigung, Dankbarkeit, Ärger, Schadenfreude) zu erweitern und (c) deren Zusammenhänge mit schülerperzipierten Lehrkraft- und Peer-Beziehungen aufzuzeigen.

Teilstudie 1 mit 1909 Schüler*innen (443 Primar-, 489 Unter-, 977 Mittelstufe) ergab, dass Lehrkraft-Beziehungen stärker als Peer-Beziehungen positiv mit Freude, Wert- und Kompetenzeinschätzungen sowie negativ mit Langeweile korrelieren. Zusammenhänge der Lehrkraft-Beziehung mit Emotionen fielen in der Sekundarstufe und bei Jungen höher aus, Korrelationen mit Peer-Beziehungen bei Mädchen.

Teilstudie 2 mit 1292 Sekundarstufenschüler*innen konnte starke Zusammenhänge zwischen der Beziehung zur Lehrkraft bzw. zu Peers und den jeweiligen interpersonalen Emotionen zeigen. Die Korrelationen waren für interpersonale Emotionen stärker als für unterrichtsbezogene.

Die Befunde erweitern den bisherigen Forschungsstand, indem sie eine differenzierte Betrachtung von Beziehungen und Emotionen zwischen Schulstufen und Geschlechtern bieten. Dies lässt auf die Bedeutung einer gezielten Förderung pädagogischer Beziehungen für das emotionale Befinden von Schüler*innen schließen.

 

Wie Schüler*innen die Bedürfnisunterstützung im Unterricht wahrnehmen – Eine latente Profilanalyse zur Rolle personen-, herkunfts- und leistungsbezogener Merkmale

Cornelia Gar1, Katja Scharenberg1, Juliane Schlesier2, Katrin Lohrmann1
1LMU München, 2Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

Gelingende Beziehungen zwischen Lehrkräften und Schüler*innen basieren auf bedürfnisunterstützendem Unterricht (Klemm & Connell, 2004). Laut der Selbstbestimmungstheorie umfasst dieser Autonomieunterstützung, Struktur und Involvement (Stroet et al., 2013; Ryan & Deci, 2017). Studien zeigen, dass diese Unterstützung je nach Personen-, Herkunfts- und Leistungsmerkmalen der Schüler*innen variiert (Brandenberger et al., 2017; Hornstra et al., 2018, 2021; Lazarides & Watt, 2015).

Aufgrund der heterogenen Studienlage ist ein besseres Verständnis von Nöten, welche Gruppen von Schüler*innen welches Ausmaß an bedürfnisunterstützendem Lehrkraftverhalten wahrnehmen. Hierfür wird ein personenzentrierter Ansatz gewählt, um Schüler*innen-Profile von Bedürfnisunterstützung zu identifizieren (FF1) und deren Unterschiede hinsichtlich Geschlecht, Migrationshintergrund und Leistung zu analysieren (FF2).

Es werden Querschnittsdaten von 1.781 Schüler*innen zu Autonomieunterstützung, Struktur und Involvement (McDonald’s ω = .63-.85) im Mathematikunterricht sowie zu deren Personen-, Herkunfts- und Leistungsmerkmalen herangezogen.

Mittels latenter Profilanalysen konnten, unter Berücksichtigung der genesteten Datenstruktur, drei Schüler*innen-Profile mit unterschiedlichen Bedürfnisunterstützungsniveaus identifiziert werden. Diese unterscheiden sich signifikant nach Geschlecht, Migrationshintergrund sowie Mathematikkompetenz. Die in den Profilen ähnliche Ausprägung der Unterstützungsdimensionen gibt Hinweise auf eine wechselseitige Abhängigkeit dieser. Künftige Interventionen sollten dieses Zusammenwirken berücksichtigen und die Unterstützungsdimensionen nicht separiert voneinander behandeln. Zudem scheint ein hoch ausgeprägter bedürfnisunterstützender Unterrichtsstil, insbesondere für leistungsschwächere Schüler*innen-Gruppen, in der Praxis eher selten vorzukommen, wofür Lehrkräfte sensibilisiert werden sollten. Künftige Forschung sollte die Stabilität der Profile im Längsschnitt analysieren.

 

Bedürfnisunterstützung in der pädagogischen Beziehung zwischen Lehrkräften und Schüler*innen: Was zeichnet schulische Fürsorge aus?

Fabian Schächt, Stefan Markus
Bergische Universität Wuppertal

Gelingende pädagogische Beziehungen zeichnen sich durch ein hohes Maß an "Caring" aus (Noddings, 2012). Die Lehrkraft (als Care-giver) und ihre Schüler*innen (als Care-taker) stehen in einer interdependenten Verbindung zueinander. Der Selbstbestimmungstheorie (Ryan & Deci, 2017) zufolge ist für eine positive Wahrnehmung dieser Beziehung die reziproke Unterstützung von Autonomie, Kompetenz und sozialer Verbundenheit von zentraler Bedeutung.

Die Interviewstudie beschäftigt sich mit der Frage, wie Lehrkräfte diese psychologischen Grundbedürfnisse ihrer Schüler*innen spezifisch unterstützen. Hierfür wurden 28 Lehrkräfte von „Best-Practice-Schulen“ problemzentriert interviewt. Die Auswertung erfolgte mittels qualitativer Inhaltsanalyse (Mayring, 2022) in zwei Kodierphasen: Zunächst eine strukturierende Inhaltsanalyse anhand eines auf der Selbstbestimmungstheorie basierenden Kategoriensystems. Anschließend wurden die deduktiv kodierten Sinneinheiten mit der zusammenfassenden Inhaltsanalyse induktiv bearbeitet, um konkrete bedürfnisunterstützende Maßnahmen zu beschreiben.

Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass Lehrkräfte die soziale Verbundenheit der Lernenden unterstützen, indem sie diese als eigenständige Person wahrnehmen, authentisch wertschätzen und über ihre Rolle als Schüler*in hinaus anerkennen. Dies zeigen sie u.a. durch Aufmerksamkeit und Zeit für die Lernenden. Lehrkräfte berichten im Falle von Konflikten und emotionalen Problemen der Lernenden häufig, diese prioritär zu behandeln, auch wenn dies zulasten der Unterrichtsinhalte geschieht. Kompetenzen werden vielfach durch konstruktives Feedback, Ermutigung sowie individuell passende Lernangebote unterstützt. Dagegen findet Autonomieunterstützung wenig Erwähnung bei den Lehrkräften. Insgesamt kann konstatiert werden, dass den konkreten Unterstützungshandlungen oftmals eine positive Wachstumshaltung (growth mindset) zugrunde liegt. Implikationen für die Professionalisierung von Lehrkräften werden diskutiert.

 
15:30 - 17:30INTAKT-Verbund: Soziale Interaktionen in pädagogischen Arbeitsfeldern
Ort: HS 3 = Raum 1135
Chair der Sitzung: Annedore Prengel
Chair der Sitzung: Alexander Wettstein, PHBern
Forschungsforum
 

Chair(s): Annedore Prengel (Universität Potsdam), Alexander Wettstein (PHBern, Schweiz)

Gelingende soziale Interaktionen und tragfähige Beziehungen zwischen Lehrpersonen und Lernenden stellen eine wichtige Grundlage für erfolgreiche Lehr- und Lernprozesse, eine positive Entwicklung und die Gesundheit aller Interaktionsteilnehmenden dar. Zahlreiche Studien belegen (vgl. dazu für eine Übersicht Scherzinger und Wettstein, 2022), dass positive Beziehungen zu den Lehrpersonen mit der Lernmotivation der Schülerinnen und Schüler, ihren schulischen Leistungen, der sozialen Entwicklung wie auch weniger Verhaltensproblemen einhergehen. Schülerinnen und Schüler verhalten sich prosozialer und weniger aggressiv, wenn sie gute Beziehungen zu ihren Lehrpersonen haben. Zudem mindern positive Beziehungen Unterrichtsstörungen und beugen diesen vor. Auch für Lehrpersonen zeigen sich positive Effekte, so sind Lehrpersonen mit positiven Beziehungen zu ihren Schülerinnen und Schülern zufriedener mit ihrem Beruf und haben weniger Burnout.

Gleichzeitig zeigt die Studie „Soziale Interaktionen in pädagogischen Arbeitsfeldern“, kurz INTAKT-Studie, von Prengel und Kolleginnen (2016), dass rund ein Viertel der beobachteten Interaktionen zwischen Lehrpersonen und Schülerinnen und Schülern verletzend oder ambivalent sind (Prengel, Tellisch, Wohne & Zapf, 2016). Verletzende Interaktionen haben weitreichende Folgen. Es stellt sich deshalb die Frage, wie es Lehrpersonen gelingen kann, eine tragfähige Beziehung zu ihren Schülerinnen und Schülern aufzubauen und ein soziales Klima zu schaffen, in welchem sich idealerweise alle in ihrer Individualität erkannt und anerkannt fühlen? Wie können Lehrpersonen für anerkennungsrelevante Merkmale sozialer Interaktionen sensibilisiert werden?

Im INTAKT-Verbund (Soziale Interaktionen in pädagogischen Arbeitsfeldern) kooperieren unterschiedliche Forschungsvorhaben, die sich der Qualität pädagogischer Beziehungen widmen. Die beteiligten Vorhaben untersuchen pädagogische Interaktionen empirisch und tragen zur Theoriebildung bei. Sie streben an wissenschaftlich begründete Vorschläge zur Verbesserung interaktiv gestalteter pädagogischer Beziehungen in Schulen (und anderen Bildungsinstitutionen) vorzulegen, die als relevant erachtet werden für emotional-soziale sowie kognitive Entwicklungen und demokratische Sozialisation.

In der Schulforschung lassen sich wechselhafte Konjunkturen der Aufmerksamkeit für Vorgänge auf der Beziehungsebene rekonstruieren. Studien aus dem INTAKT-Verbund, die vorgestellt werden, widmen sich – u.a. anerkennungs- und vulnerabilitätstheoretisch fundiert - Fragen nach den Erscheinungsformen angemessener und unangemessener pädagogischer Interaktionen in Schulklassen, ihren Ursachen, ihren Auswirkungen auf Lernende und Lehrende sowie nach Interventionsmöglichkeiten.

Im Forschungsforum wird aus den Studien berichtet und die Projektentwicklung, Methodenwahl, Befunde, Limitationen, pädagogische Konsequenzen und offene Fragen zur Diskussion gestellt. Dabei werden insbesondere auch die normativen Komponenten, die in jedem Forschungsvorhaben und jedem Bildungsvorhaben enthalten sind, aufgedeckt und der Zusammenhang zwischen Theorie und Empirie diskutiert.

 

Beiträge des Symposiums

 

Das Projektnetz INTAKT: Studien zu Anerkennung und Verletzung in pädagogischen Beziehungen

Annedore Prengel1, Friederike Heinzel2, Christin Tellisch3, Janine Röschinger4
1Universität Potsdam, 2Universität Kassel, 3Hochschule f. Soziale Arbeit und Pädagogik Berlin, 4Goethe Universität Frankfurt/Main

Ausgehend von alltäglichen Beobachtungen zu erstaunlich verletzendem unprofessionellem Handeln von Lehrpersonen im Unterricht, wurde vor 25 Jahren das Projektnetz INTAKT initiiert. Die Forschungsfrage der INTAKT-Studien lautet: Wie und wie häufig sind relationale pädagogische Interaktionen von Anerkennung und Verletzung bestimmt? In den Teilprojekten (v.a. Lehr-Forschungs-Projekte und Dissertationen) wurden durch teilnehmende Beobachtungen insgesamt über 30 000 schriftlich protokollierte Feldvignetten gesammelt und anhand qualitativ-quantitativer Inhaltsanalysen mehrschrittig ausgewertet. Die Datensätze von Projektnetz INTAKT werden im von Friederike Heinzel an der Universität Kassel gegründeten Fallarchiv archiviert. Der Beitrag informiert über theoretische Grundlagen, Methodenwahl, numerische Befunde, exemplarische Szenen und daraus folgende schultheoretische Hypothesen. Stärken und Limitierungen werden reflektiert. Konsequenzen wie die «Reckahner Reflexionen zur Ethik pädagogischer Beziehungen» und Prinzipien einer «Pädagogikethik» werden zur Diskussion gestellt.

Literatur

Hehn-Oldiges, M., Prengel, A. (2022). Anerkennung in pädagogischen Beziehungen. Zum Zusammenhang von Forschungsbefunden, normativen Orientierungen und Entwicklungen in pädagogischen Arbeitsfeldern. In: Richter, S., Bitzer, A. (Hrsg.): In Beziehung sein. Erziehungswissenschaftliche Reflexionen zur Bedeutung von Beziehung in Forschung, Lehre und Praxis. Beltz Juventa, S. 78–94.

Prengel, A., Tellisch, C., Wohne, A., Zapf, A. (2016). Lehr-Forschungsprojekte zur Qualität pädagogischer Beziehungen. In: Beiträge zur Lehrerinnen- und Lehrerbildung. Jg. 34, Nr. 2/2016, S. 150–157.

 

Pädagogische Interaktionsqualität – INTAKT

Alexander Wettstein1, Laura Schwitter1, Boris Eckstein2, Urs Grob3, Benjamin Fauth4
1PHBern, 2PH Zürich, 3Universität Zürich, 4Universität Tübingen

Pädagogische Interaktionen sind vital für die kognitive, emotionale und soziale Entwicklung der Schüler:innen sowie für die Gesundheit von Lehrpersonen. Dabei ist nicht nur entscheidend, welche Verhaltensweisen Lehrpersonen und Schüler:innen objektiv zeigen, sondern auch wie sie die Interaktionen subjektiv erleben. Die INTAKT-Studie entflicht Qualitätsmerkmale pädagogischer Interaktionen anhand eines neuen theoretischen interaktionalen Rahmenmodells und einer innovativen Systematik und untersucht pädagogische Interaktionen mehrperspektivisch mit Beobachtung und Befragung der Lehrpersonen und Schüler:innen. Die INTAKT-Studie leistet eine neue theoretische Fundierung der Qualität pädagogischer Interaktionen. Sie entflicht, erfasst und analysiert das Verhalten und Erleben der Akteure im Längsschnitt aus mehreren Perspektiven und schafft damit Voraussetzungen für die Förderung der Interaktionsqualität im Unterricht.

Literatur

Eckstein, B. & Wettstein, A. (2024). Zur Qualität pädagogischer Interaktionen im Unterricht. Eine neue theoretische Konzeptualisierung und eine innovative 2*3*2 Systematik. Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, 30(03), 2-9. https://doi.org/10.57161/z2024-03-01

Eckstein, B., Wettstein, A., Grob, U., & Fauth, B. (submitted). The Quality of Pedagogical Interactions in the Classroom. A Novel Theoretical Conceptualization and an Innovative 2*3*2 Systematics.

 

Aggression in Lehrpersonen-Schüler:innen-Interaktionen LISA. Einflussfaktoren auf die Lehrpersonen- und Schüler:innenaggression und die Lehrpersonenreaktion

Ida Schneider1, Alexander Wettstein1, Sebastian Wachs2, Martin grosse Holtforth3
1PHBern, 2Universität Münster, 3Universität Bern

Intakte soziale Beziehungen sind eine Grundvoraussetzung für erfolgreichen Unterricht. Aggressives Verhalten von Schüler:innen und Lehrpersonen unterminiert soziale Beziehungen, erschwert Lehr-Lernprozesse und gefährdet eine gesunde Entwicklung aller Beteiligten. Es ist deshalb wichtig, Schulen und Lehrpersonen für zentrale Einflussfaktoren zu sensibilisieren. Die LISA-Studie erfasst Prävalenzen und Assoziationen verschiedener Subtypen aggressiven Verhaltens von Schüler*innen und Lehrpersonen und identifiziert aggressionsverstärkende und hemmende Faktoren. Dabei liegt ein besonderer Fokus auch auf der Rolle der Lehrperson, die mit ihrer Reaktion auf Schüler:innenaggression den weiteren Interaktionsverlauf maßgeblich beeinflussen kann. Die LISA-Studie untersucht, welche Faktoren zu einer günstigen Lehrpersonenreaktion beitragen können.

Literatur

Schneider, I., Wachs, S., & Wettstein, A. (in preparation). Teachers can counteract aggressive behavior in classrooms by strengthening personal and environmental resources — fundamental insights from research for teachers.

Wettstein, A. (2008). Beobachtungssystem zur Analyse aggressiven Verhaltens in schulischen Settings (BASYS). Huber.

 

Lehrer*innenwohlbefinden als Voraussetzung für erfolgreiche Interaktionen

Frances Hoferichter
Universität Greifswald

Empirische Studien zeigen, dass Lehrkräfte im Vergleich zu anderen Berufsgruppen ein geringeres Wohlbefinden berichten, oft verbunden mit überdurchschnittlichem Arbeitsstress und psychosomatischen Beschwerden. Bereits im Studium geben angehende Lehrkräfte weniger effektive Bewältigungsstrategien an, was sie anfälliger für Burnout im Berufsleben machen kann. Da das Wohlbefinden von Lehrkräften nicht nur mit Gesundheit und Berufszufriedenheit verknüpft ist, sondern auch eine zentrale Voraussetzung für positive pädagogische Beziehungen darstellt, ist es essenziell, Lehramtsstudierende frühzeitig mit effektiven Methoden der Stressbewältigung vertraut zu machen. Das Projekt „Lehrer*innenwohlbefinden und Studienerfolg“ zielt darauf ab, in einer Web-basierten Positiven Psychologie Intervention die eigenen Ressourcen zu erkennen und zu nutzen. Teilnehmende Studierende berichten von höherer Emotionsregulation, Selbstwirksamkeit, besseren Bewältigungsstrategien und stärkerem Wohlbefinden im Vergleich zur Kontrollgruppe. Die Intervention unterstützt sie so dabei, besser mit den Anforderungen während des Studiums umzugehen und eine Grundlage für positive pädagogische Beziehungen zu schaffen.

Literatur

Hoferichter, F. & Jentsch. A (2024). The effects of an online positive psychology intervention on pre-service teachers' efficacy, ability to cope and emotional regulation. British Educational Research Journal. doi.org/10.1002/berj.4036

Jentsch, A., Hoferichter, F., Seyfarth, D., & Blank, T. (2023). Ein Seminarkonzept zur Verbesserung des Wohlbefindens und der Stressbewältigung für Lehramtsstudierende. Herausforderung Lehrer*innenbildung, HLZ, 6(1), 323–336. doi.org/10.11576/hlz-6229

 
15:30 - 17:30Lehrpersonen als pädagogische „Grenzgänger:innen“
Ort: SR 3 = Raum 1112
Chair der Sitzung: Isabel Neto Carvalho, RPTU Kaiserslautern-Landau
Symposium
 

Chair(s): Isabel Neto Carvalho (RPTU Kaiserslautern-Landau, Deutschland)

Der Beziehungsaspekt von Lehrer:innen-Schüler:innen-Interaktionen wird in Praxis und Forschung der Schulpädagogik als wirkmächtiger Teil schulischen Lernens, aber auch als „ein unerledigtes bildungs- und schulpolitisches Thema ersten Ranges“ (Herrmann & Oswald 2022: 8) eingeordnet.

Der wissenschaftliche Diskurs legt auf der einen Seite nahe, dass pädagogische Beziehungen Grenzüberschreitungen brauchen, um von den Akteur:innen als gelungen wahrgenommen zu werden (z. B. Barandun 2018). Inbezugnahmen auf die Lebenswelt der Schüler:innen sowie auch eine damit verbundene Zunahme affektiver Elemente in der professionellen Handlungspraxis (vormals als pädagogischer Eros bezeichnet), öffnen Lernhorizonte (Uhle 2011) und machen Schule zum „heimatlichen Ort” (Wiezorek 2006). Gleichzeitig postulieren Professionstheorien, dass die Forderung nach solchen Öffnungen von Schule in der schulbezogenen Pädagogik risikobehaftet sei, weil sie die Grenzen hin zu einer Familiarisierung von Schule weiter diffundiert (z. B. Idel 2013; Idel, Rabenstein & Reh 2012), zu Entgrenzungen im Lehrer:innenhandeln führt (Wernet 2003), wenn dieses mit diffusen Handlungsbezügen aufgeladen wird und/oder Differenzsetzungen entlang von familialen Lebensrealitäten evoziert (Akbaba et al. 2018; Chamakalayil et al. 2021). Das professionelle Handeln und die pädagogische Beziehungsarbeit unterliegen dadurch gesteigerten Anforderungen, wenn offenbleibt, wo der pädagogische Takt endet bzw. in erhöhtem Maße „Permissivität“ (Wernet 2003) sowie eine differenzsensible Handlungspraxis erforderlich wird. Damit wird das Thema Beziehungsarbeit in Schule und Unterricht prekär, insofern es für Lehrpersonen immer auch mit Gratwanderungen verbunden ist.

Das Symposium nimmt diese Gratwanderungen zum Ausgangspunkt und fragt aus differenz-, gender-, migrations- und habitustheoretischer Perspektive, wie Lehrpersonen pädagogische Beziehungen als „Grenzgänger:innen“ ausgestalten. Welche Anforderungen lassen sich in unterschiedlichen pädagogischen Settings und interaktiven Konstellationen rekonstruieren? Wie werden diese verhandelt und dabei Grenzen aufgerufen, aber auch überschritten? Und welche Konsequenzen für das Pädagogische lassen sich aus den Befunden ableiten? Zur Beantwortung dieser Fragen werden unterschiedliche empirische Schlaglichter auf das Thema versammelt, um diskutieren zu können, welche Bedeutung eine solche Grenzarbeit von Lehrpersonen für die vielfältigen pädagogischen Beziehungen erlangt.

Dabei wird zunächst im Rahmen eines Blitzvortrags das Spannungsfeld zwischen der Notwendigkeit der Grenzüberschreitungen einerseits und Begrenzungen des professionellen Handelns andererseits aufgespannt. Der Blitzvortrag fokussiert zunächst Interaktionsgeschehen zwischen Lehrpersonen und Schüler:innen aus dem Blickwinkel von Beziehungsarbeit und geht der Frage nach, welche (teils widersprüchlichen, teils geteilten) übergreifenden Linien schulpädagogischer Grundlegungen und empirischer Befunde sich zum Thema Beziehungsgestaltung in der Schule bzw. als Teil des Lehrhandelns identifizieren lassen. Danach werden die empirischen Folge-Vorträge zueinander in Beziehung gesetzt, so dass sie im Anschluss an alle Einzelbeiträge gemeinsam vor dem aufgespannten Hintergrund diskutiert werden können.

Auf Grundlage von vier Einzelbeiträge werden diese Überlegungen weitergeführt und entlang von Fokussierungen auf prekäre Lehr-Lern-Settings bzw. vulnerable Schüler:innengruppen zugespitzt: Sportunterricht, Vorbereitungsklassen, milieubezogene Verortungen im Unterricht, sowie Beziehungsgestaltungen zu Zeiten der pandemiebedingten Schulschließungen.

 

Beiträge des Symposiums

 

Pädagogische Permissivität – Lehrer:innen-Schüler:innen-Interaktionen im getrennt- und gemischtgeschlechtlichen Sportunterricht

Isabel Neto Carvalho1, Gianna Wilm2
1RPTU Kaiserslautern-Landau, Deutschland, 2Universität Hildesheim, Deutschland

Professionstheorien sind sich darüber einig, dass pädagogisches Handeln von Widersprüchen durchzogen ist. Z.B. in „Pädagogische Permissivität“ analysiert Wernet (2003) die professionellen Herausforderungen, mit denen Lehrkräfte im pädagogischen Handeln konfrontiert sind. Er beschreibt darin, wie Lehrkräfte in ihrem Berufsalltag zwischen widersprüchlichen Erwartungen navigieren und dabei oft eine Entgrenzung ihres professionellen Handelns sichtbar wird.

Wie zeigt sich diese pädagogische Gratwanderung in besonders vulnerablen Lehr-Lern-Settings? Durch die körperliche Exponiertheit, die erschwerten Möglichkeiten des schülerseitigen Rückzugs und den unstrukturierten Raum der Sporthalle erscheint der Sportunterricht als Ort besonders prekärer Beziehungsgestaltung (z.B. Hunger & Böhlke 2017). Aus einer praxeologischen Perspektive (Reckwitz 2003) zeigt der Beitrag im Rahmen einer Forschungswerkstatt zum Thema „Gender und Schule“ erhobenen Beobachtungsprotokollen einerseits und Videosequenzen aus dem Videoportal HILDEonline andererseits, wie Lehrkräfte im Grenzgang oder gar durch Grenzauflösung pädagogische Beziehungen gestalten. Über Praktiken der Vergemeinschaftung wird Nähe hergestellt, durch die beispielsweise auch komplizenhafte Männlichkeitspraktiken (Connell 1999) gegenüber pädagogischen Praktiken in den Vordergrund rücken, Geschlechterstereotype reproduziert werden oder sogar sexualisierte Entgrenzungen geschehen.

Literatur:

Connel, R. W. (1999). Der gemachte Mann. Konstruktion und Krise von Männlichkeit. Opladen: Leske und Budrich.

Hunger, I. & Böhlke, N. (2017). Über die Grenzen von Scham. Eine qualitative Studie zu (scham-) grenzüberschreitenden Situationen im Sportunterricht aus der Perspektive von Schüler/innen. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative SocialResearch, 18(2), Art. 2, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs170227. FQS http://www.qualitative-research.net/

Reckwitz, A. (2003). Grundelemente einer Theorie sozialer Praktiken. Eine sozialtheoretische Perspektive. Zeitschrift für Soziologie, 32 (4), 282-301.

Wernet, A. (2003). Pädagogische Permissivität. Schulische Sozialisation und pädagogisches Handeln jenseits der Professionalisierungsfrage. Opladen: Leske und Budrich.

 

Pädagogische Beziehungsgestaltung in Vorbereitungsklassen: Zwischen Sprachvermittlung und professionellen Grenzgängen

Simone Plöger
Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Deutschland

Im Kontext der pädagogischen Beziehungsgestaltung in Vorbereitungsklassen mit neu zugewanderten Schüler:innen wird immer wieder das besondere pädagogische Engagement der Lehrkräfte thematisiert, das über ein Engagement in Regelklassen hinausgehe (Dewitz & Bredthauer 2020; Frenzel et al. 2016; Otto et al. 2016). Ihr Auftrag umfasst einerseits die sprachliche Bildung der Schüler:innen, um ihnen eine möglichst schnelle Teilhabe am monolingual ausgerichteten Regelsystem zu ermöglichen (Gogolin 1994). Andererseits sind sie gefordert, auf die sozialen, emotionalen und strukturellen Bedürfnisse neu zugewanderter Schüler:innen einzugehen, die – insbesondere im Kontext von Flucht*Migration – als besonders vulnerabel gelten (Fürstenau 2017).

Basierend auf ethnographischen Daten aus der Begleitung von drei Hamburger Vorbereitungsklassenlehrerinnen im Rahmen des Forschungsprojektes „Sprachliche Bildung am Übergang von Vorbereitungs- in Regelklasse“ (DFG, 2020–2022) wird im Beitrag untersucht, welche professionstheoretischen Grenzgänge in der pädagogischen Beziehungsarbeit vollzogen werden und welche unterschiedlichen Rollen die Lehrerinnen dabei einnehmen. Vorläufige Codierungen nach der Reflexiven Grounded Theory (Breuer et al. 2019) verweisen auf ein breites professionelles Rollenrepertoire von Sprachvermittlerinnen bis Lobbyistinnen und Familienhelferinnen. Diese multiplen Positionierungen werden vor dem Hintergrund erziehungswissenschaftlicher Migrationsforschung reflektiert (Heinemann & Mecheril 2018) und werfen grundlegende Fragen nach der Grenzziehung und -verschiebung professionellen Lehrer:innenhandelns im Kontext von Flucht*Migration und Neuzuwanderung auf.

Literatur:

Breuer, F.; Muckel, P. & Dieris, B. (2019): Reflexive Grounded Theory. Eine Einführung für die Forschungspraxis. Wiesbaden: Springer VS.

Dewitz, N. von & Bredthauer, S. (2020): Gelungene Übergänge und ihre Herausforderungen – von der Vorbereitungs- in die Regelklasse. In Info DaF 47(4), 429–442.

Frenzel, B., Niederhaus, C., Peschel, C. & Rüther, A.-K. (2016): „In unserer Schule sind alle im Grunde ins kalte Wasser gesprungen und alle sind nach ‚ner Weile belohnt worden durch große Erfolge.“ Interviews mit Lehrerinnen und Lehrern zu den Besonderheiten des Unterrichtens neu zugewanderter Schülerinnen und Schüler. In C. Benholz, M. Frank & C. Niederhaus (Hrsg.): Neu zugewanderte Schülerinnen und Schüler – eine Gruppe mit besonderen Potentialen. Beiträge aus Forschung und Schulpraxis. Münster, New York: Waxmann, 171–195.

Fürstenau, S. (2017): Unterrichtsentwicklung in Zeiten der Neuzuwanderung. In N. McElvany, A. Jungermann, W. Bos & H. G. Holtappels (Hrsg.): Ankommen in der Schule. Chancen und Herausforderungen bei der Integration von Kindern und Jugendlichen mit Fluchterfahrung. Münster, New York: Waxmann, 41–56.

Gogolin, I. (1994): Der monolinguale Habitus der multilingualen Schule. Münster, New York: Waxmann.

Heineman, A. M. B. & Mecheril, P. (2018): (Schulische) Bildung, normative Referenzen und reflexive Professionalität. In: I. Dirim & P. Mecheril (Hrsg.): Heterogenität, Sprache(n), Bildung. Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt.

Otto, J., Migas, K., Austermann, N. & Bos, W. (2016): Integration neu zugewanderter Kinder und Jugendlicher ohne Deutschkenntnisse. Möglichkeiten, Herausforderungen und Perspektiven. Münster, New York: Waxmann.

 

‚Klasse‘ als Grenze in pädagogischen Beziehungen?! Zur Konstruktion sozialer Herkunft an Gymnasium und Hauptschule

Julian Breit1, Laura Fuhrmann2
1Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Deutschland, 2Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Deutschland

Pädagogische Beziehungen in der Schule sind nicht losgelöst von Differenz und sozialer Ungleichheit zu verstehen (Gomolla & Radtke 2007; Wellgraf 2021). Vielmehr werden unter einer praxistheoretischen Perspektive (z.B. Schatzki 1996) gesellschaftliche Ungleichheitsverhältnisse in den Praktiken der Akteur:innen situativ (re-)produziert (Diehm et al. 2013; Idel et al. 2017). Dabei gehen insbesondere herkunfts- und milieubedingte Unterscheidungen unter der meritokratischen Prämisse der Schule, etwa verwoben in Leistungszuschreibungen und Verhaltenserwartungen, in das unterrichtliche Interaktionsgeschehen ein, tragen zu Ausschlussmechanismen sowie unterschiedlichen Möglichkeiten von Schüler:innen bei, schulisch erfolgreich zu sein (Rabenstein et al. 2013). Pädagogische Beziehungen finden somit nicht in einem machtfreien Raum statt (Mecheril & Shure 2018), wodurch für das professionelle Handeln von Lehrpersonen soziale Sensibilität für die unterschiedlichen Positionen und Teilhabemöglichkeiten ihrer Adressat:innen erforderlich wird (Fuhrmann 2023; Rutter & Weitkämper 2023). Gleichzeitig ist eine solche „Habitussensibilität“ (Sander 2014: 10) immer auch durch die eigene soziale Herkunft von Lehrpersonen mitmoderiert, die Differenzsetzungen und damit verbundene Grenzziehungen in pädagogischen Beziehungen aufrufen können. Ausgehend von zwei ethnographischen Studien der Schul- und Unterrichtsforschung fragt der Beitrag mit einer differenz- und machttheoretischen Perspektive, wie soziale Herkunft in pädagogischen Beziehungen wirkmächtig wird und Modi der Öffnung, Schließung und Überschreitung von Grenzen initiiert. Entlang von Beobachtungsprotokollen und Interviews werden verschiedene Formen der Verhandlung von Milieuzugehörigkeiten rekonstruiert und aufgezeigt, wie sich diese als Ein- und Ausgrenzungen der in Schule involvierten Personen manifestieren.

Literatur:

Fuhrmann, L. (2023). Qualitative Forschung als Zugang zu Ungleichheitsordnungen: Einblicke in die Arbeit einer studentischen Forschungswerkstatt. Journal für Psychologie, 31(2), 86–108.

Diehm, I., Kuhn, M., & Machold, M. (2013). Ethnomethodologie und Ungleichheit? Methodologische Herausforderungen einer ethnographischen Differenzforschung. In J. Budde (Hrsg.), Unscharfe Einsätze: (Re-)Produktion von Heterogenität im schulischen Feld (S. 29–51). Wiesbaden: Springer VS.

Gomolla, M., & Radtke, R.-O. (2007). Institutionelle Diskriminierung: Die Herstellung ethnischer Differenz in der Schule. Opladen: Leske + Budrich.

Idel, T.-S., Rabenstein, K., & Ricken, N. (2017). Zur Heterogenität als Konstruktion. In I. Diehm, M. Kuhn & C. Machold (Hrsg.), Differenz – Ungleichheit – Erziehungswissenschaft: Verhältnisbestimmungen im (Inter-)Disziplinären (S. 139–156). Wiesbaden: Springer VS.

Mecheril, P., & Shure, S. (2018). Schule als institutionell und interaktiv hervorgebrachter Raum. In I. Dirim & P. Mecheril (Hrsg.), Heterogenität, Sprache(n), Bildung: Die Schule der Migrationsgesellschaft (S. 63–89). Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt.

Rabenstein, K., Reh, S., Ricken, N., & Idel, T.-S. (2013). Ethnographie pädagogischer Differenzordnungen: Methodologische Probleme einer ethnographischen Erforschung der sozial selektiven Herstellung von Schulerfolg im Unterricht. Zeitschrift für Pädagogik, 59(5), 668–690.

Rutter, S., & Weitkämper, F. (2023). Die (Re-)Produktion sozialer Ungleichheit in der Schule: Ein Thema für die Lehrkräfteausbildung. Gütersloh: Bertelsmann Stiftung.

Sander, T. (2014). Soziale Ungleichheit und Habitus als Bezugsgrößen professionellen Handelns: Berufliches Wissen, Inszenierung und Rezeption von Professionalität. In T. Sander (Hrsg.), Habitussensibilität: Eine neue Anforderung an professionelles Handeln (S. 9–36). Wiesbaden: Springer VS.

Schatzki, T. R. (1996). Social Practices: A Wittgensteinian Approach to Human Activity and the Social. Cambridge: Cambridge University Press.

Wellgraf, S. (2021). Ausgrenzungsapparat Schule: Wie unser Bildungssystem soziale Spaltungen verschärft. Bielefeld: transcript.

 

Nähe im Distanzlernen? Die Bedeutung einer habitussensiblen Lehrer:innen-Schüler:innen-Beziehung für die Ermöglichung schulischer Teilhabe von sozioökonomisch benachteiligten Schüler:innen während der Corona-Pandemie

Lea Wistuba
Universität Hamburg

Gute Lehrer:innen-Schüler:innen-Beziehungen beeinflussen die Leistungen und Persönlichkeitsentwicklung von (nicht-)privilegierten Schüler:innen positiv und unterstützen diese der Verarbeitung von „Instabilität auslösende[n] Erfahrungen“ (Bremm, 2020) – wie der Corona-Krise. Für Schüler:innen aus nicht-privilegierten Milieus bedeutet eine gute Beziehung Sensibilität für die eigene Lebensrealität (Habitussensibilität) (Betz et al., 2022; Sander, 2014), die während der Corona-Pandemie und der damit einhergehenden Verschiebung von Grenzen zwischen außer-/schulischem Leben und Lernen verstärkt von den Lehrkräften gefordert war.

Der Beitrag geht der Frage nach, wie Lehrpersonen, die an Schulen in Sachsen-Anhalt tätig sind, im Vergleich zu solchen, die in British Columbia arbeiten, die Beziehung zu ihren Schüler:innen während des Distanzunterrichts gestaltet haben und wie dabei akademische und soziale Partizipation von nicht-privilegierten Schüler:innen durch Habitussensibilität ermöglicht und/ oder behindert wurden. Hierfür werden empirische Daten aus dem laufenden BEB-CoP-Projekt (01UP2219) ausgewertet, indem handlungsleitende Orientierungen der Lehrpersonen mit der Dokumentarischen Methode rekonstruiert werden (Bohnsack, 2021).

Literatur:

Betz, T., Mexer-Hamme, A., & Halle, A.-C. (2022). Soziale Ungleichheit und die Rolle sozialer Beziehungen in der (Ganztags-)Schule. Kein Thema für die Fortbildung? (Vol. 87). Bertelsmann Stiftung

Bohnsack, R. (2021). Rekonstruktive Sozialforschung. Einführung in qualitative Methoden. Verlag Barbara Budrich.

Bremm, N. (2020). Umso mehr kommt es auf die Lehrperson an. Defizitperspektiven von Lehrkräften an schulen in sozialräumlich benachteiligten Lagen. In S. Drucks & D. Bruland (Eds.), Kritische Lebensereignisse und die Herausforderungen für die Schule. (pp. 106-127). Beltz Juventa

Sander, T. (2014). Soziale Ungleicheit und Habitus als Bezugsgrößen professionellen Handelns: Berufliches Wissen, Inszenierung und Rezeption von Professionalität. In T. Sander (Ed.), Habitussensibilität: Eine neue Anforderung an professionelles Handeln (pp. 9-36). Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-06887-5_1

 
15:30 - 17:30Pädagogische Beziehung als organisationale Beziehung. Reformschulen im biographischen Horizont ihrer Absolvent:innen
Ort: SR 2 = Raum 1111
Chair der Sitzung: Sven Pauling, Universität Kassel
Symposium
 

Chair(s): Sven Pauling (Universität Kassel, Deutschland)

Die Beiträge des Symposiums analysieren pädagogische Beziehungsformationen im Feld von Reform- und Alternativschulen mit explizitem Reformanspruch auf der Grundlage qualitativer und quantitativer Daten und mit Bezug auf unterschiedliche Theoretisierungsoptionen. Die gemeinsame Stoßrichtung der Beiträge ist dabei eine Verschiebung der Frage nach der pädagogischen Beziehung, die in zweifacher Weise gewendet wird.

Erstens wird diese Beziehung – statt sie von der pädagogischen Tätigkeit her zu formulieren – von der Seite der Schüler:innen ausgehend – konkret aus der Perspektive von Absolvent:innen – in den Blick genommen. Diese Perspektivierung ist bei der Betrachtung der pädagogischen Beziehung nicht unbedingt üblich: Zwar existieren Forschungen zu Schüler:innen. In diesen wird allerdings eher sichtbar, wer oder was Schüler:innen in der Schule sind. Die Frage, was Schule für Schüler:innen ist, gerät erst seit kurzem in den Forschungsfokus (vgl. Bennewitz et al. 2022, S. 16f). So sind etwa die theoretischen Entwürfe professioneller Beziehungsgestaltung begrifflich auf die Tätigkeit von Lehrpersonen ausgerichtet: Konzeptionalisiert werden hier die Struktur ihres pädagogischen Handelns (z.B. Helsper 1996), der Aufbau ihrer Kompetenzen (Baumert & Kunter 2006) oder Entwicklungsaufgaben, die sie zu bewältigen haben (Hericks 2006). Und auch in der Absolvent:innenforschung wird in einem zumeist evaluativen Gestus eher die Frage der Wirkung der Schule mit Hoffnungen auf eine Weiterentwicklung entworfen als hinsichtlich etwa der Frage, wie Schüler:innen ihre Schule verbürgen.

Zweitens wird im Beitrag die pädagogische Beziehung nicht enggeführt auf ein personales Verhältnis zwischen Lehrpersonen und Schüler:innen und entsprechend als situierte Interaktion entworfen (Schweer 2017). Vielmehr wird die Frage ins Zentrum gerückt, wie es sich zwischen Schüler:innen und ihrer Schule als pädagogische Organisation ausgestaltet.

Ausgangspunkt unserer Argumentation sind Befunde, nach denen Schüler:innen von Reformschulen nicht lediglich ihre konkreten Lehrpersonen als besondere signifikante Andere ansehen (Nittel 1992, S. 418f.). Sie beschreiben vielmehr ihre Schulen in Differenz zu anderen als besondere Sozialräume (Harring et al. 2022, 1358), in denen sich organisierte pädagogische Beziehungen von besonderer Qualität konstituieren und zugleich andere – oft positiv empfundene – pädagogische Generationsverhältnisse möglich sind, auf die Schüler:innen reagieren (müssen) (Randoll 2013; Randoll et al. 2017; Helsper 2017).

Diese reformpädagogischen Organisationen fassen wir projektübergreifend mit dem Schulkulturansatz (Helsper et al. 2001, Böhme et al. 2015) als Sinnordnungen, die inhaltlich sowohl hinsichtlich des Imaginären an z.B. öffentliche schulkritische Diskurse anschließen (Wunsch & Monecke 2022) als auch pädagogische Formen kultivieren, die einen "reformpädagogischen Code" (Idel et al. 2021) räumlich, materiell, sozial und medial ins Werk setzen. Die einzelnen Projekte decken dabei ein Spektrum an unterschiedlichen Reformschulen ab: Betrachtet werden Absolvent:innen von Waldorfschulen, einer prominenten staatliche Versuchsschule, einem staatlichen Schulversuch und einer Freien Alternativschule. Zum einen werden empirisch konkrete Figuren der Beziehungsgestaltung vorgestellt, zum anderen werden theoretische Begrifflichkeiten erprobt, mit deren Hilfe der Bezug auf die jeweilige Organisation anvisiert werden kann. Das Symposium antwortet damit auch auf das Desiderat theoretischer Perspektiven zu Schüler:innen (Bennewitz et al. 2022, S. 15).

Beitrag 1 bezieht sich dabei auf den Begriff der Emotionen, die einen an Waldorfschulen vorherrschenden imaginären Anspruch einer „Erziehung der Gefühle“ (Reichenbach 2017) markieren und in narrativen Interviews mit Absolvent:innen rekonstruiert werden können. In einem Wechselspiel der Emotionen entsteht, so die These des Beitrages, das, was als „Lernkultur der Nähe“ (Adam 2023) für die reformpädagogische Schule herausgearbeitet wird.

Beitrag 2 untersucht mit dokumentarisch analysierten Gruppendiskussionen den schüler:innenseitigen Umgang mit einer symbolisch partizipativ ausgestalteten Lernprozessbegleitung an einer prominenten Versuchsschule. Die Ergebnisse zeigen in Triangulation mit Ergebnissen aus der Absolvent:innenforschung der Laborschule (Gold & Zentarra 2023), dass Beziehungsgestaltung sowohl einen bedeutsamen Bedingungsfaktor für das Wohlbefinden von Schüler:innen und die gelingende Gestaltung von langfristigen Lernprozessen darstellt als auch begrifflich organisierte pädagogische Beziehungen in den Blick nimmt.

In den Analysen von Interviews mit Übergänger:innen und Absolvent:innen eines Schulversuchs werden in Beitrag 3 Theoretisierungsoptionen des neueren erziehungswissenschaftlichen Sorgediskurses (Dietrich 2020, 2024) und des Bourdieu‘schen Konzepts der „Komplizenschaft“ (Bourdieu 2000; Bühler-Niederberger 2011) genutzt, um die pädagogische Beziehung als eine Beziehung zur Organisation zu fassen. In generalisierten Sorgeverhältnissen formt sich die den Schulversuch verbürgende Komplizenschaft der Schüler:innen aus.

Beitrag 4 greift auf Interviewdaten einer Absolvent:innenstudie an einer Freien Alternativschule zurück, die adressierungsanalytisch ausgewertet werden (Reh & Ricken 2012). Die organisierte pädagogische Beziehung wird hier einerseits mit dem Begriff der Partizipation als imaginärer Bezugspunkt der Freien Alternativschule begriffen (Lischewski 2018), auf den Schüler:innen mit zu rekonstruierenden Modi der Verantwortungsübernahme reagieren (Kuhlmann 2023) und der andererseits einen Anlass der Selbstkonstruktion in der biographische Erzählung darstellt (Kleiner 2015).

 

Beiträge des Symposiums

 

Erzählte Emotionen und Affizierungen in reformpädagogischen Lehrer*innen-Schüler*innen-Beziehungen

Christiane Adam
Alanushochschule Studienzentrum Mannheim

Der Beitrag geht der Frage nach, wie der Sozialraum Waldorfschule und die darin situierte „Lernkultur der Nähe“ (Adam 2023) einen besonderen, emotionalisierten Beziehungsraum gestalten: In biographischen Erzählungen von Absolvent*innen von Waldorfschulen, die aus meiner fallrekonstruktiv vorgehenden (Rosenthal 1995) abgeschlossenen Dissertationsstudie stammen, schlagen sich intensive emotionale Aufladungen der pädagogischen Beziehungen nieder. In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass Lehrer*innen durch ein hohes pädagogisches Ethos (Prengel 2020) entworfen werden, aber auch normative Erwartungen und Zuschreibungen sowie einen Anspruch auf Gesamtformung (Idel 2007) inklusive einer „Erziehung der Gefühle“ (Reichenbach 2017) an Schüler*innen herantragen (Ullrich 1015). Die für die waldorfpädagogische Schulkultur (Helsper 2012) spezifischen intimen Lehrer*innen-Schüler*innen-Beziehungen werden bislang als unterschiedlich ausgestaltete, aber grundsätzlich asymmetrisch, auf Autorität und personaler Nähe basierend (Grasshoff et al. 2006; Helsper 2017) und im Rahmen von schulischen Entgrenzungs- und voraussetzungsreichen Passungsverhältnissen gedeutet (Idel 2007). Im rückblickenden Sprechen der Absolvent*innen wird aber deutlich, dass diese intensiven Affizierungen durchaus wechselseitig konzipiert werden, auch Lehrer*innen werden als emotional verstrickt und in Anerkennungsbedürftigkeit (Rabenstein/Idel 2023) von Schüler*innen erzählt. Darüber zeigt sich, dass sich Schüler*innen in emotionalisierten Beziehungen zur Schule als Ganzes involvieren. Die These des Beitrags lautet, dass dieses Wechselspiel von Erwartungen, Anerkennungsansprüchen und die daraus folgenden Resonanzen zu einer Emotionalisierung des schulischen Raums beitragen, Emotionen folglich einen sozialen Charakter erhalten (Illouz 2024) und eine zentrale Grundlage der „Wir-Gemeinschaft“ an Waldorfschulen bilden.

 

Ausgestaltung von Beziehungen im Kontext von Lernprozessbegleitung und Leistungsbeurteilung aus Schüler*innensicht

Yannik Wilke, Natalia Hofferber, Annette Textor, Johanna Gold
Universität Bielefeld

Die Ausgestaltung der Begleitung und Beurteilung von Lernprozessen enthält stets auch die Gestaltung pädagogischer Beziehungen (Wilke et al. 2023), dies gilt insbesondere auch an der untersuchten prominenten Versuchsschule (Textor et al. 2020). In diesem Bezug ist insbesondere die Perspektive der Schüler*innen auf ihre Schule und den Unterricht von großer Relevanz (u.a. Biermann 2019). Entsprechend wird aktuell im Rahmen eines BMBF-geförderten Projekts mittels der dokumentarischen Analyse von Gruppendiskussionen mit Schüler*innen (Bohnsack 2017) die partizipative Ausgestaltung des schulkulturell verankerten Umgangs mit der Lernprozessbegleitung analysiert. Diese Ergebnisse sowie die Ergebnisse einer Absolvent*innenstudie der Schule (Gold & Zentarra 2023) zeigen, dass die Beziehungsgestaltung ein hochbedeutsamer Bedingungsfaktor für das Wohlbefinden und die gelingende Gestaltung von langfristigen Lernprozessen ist. Im Vortrag werden die Ergebnisse beider Studien trianguliert und der Einfluss der Beziehungsgestaltung auf die Wahrnehmung der Lernprozesse in der Schule wird dargestellt. Die Formen der Beziehungsgestaltung werden vor dem Hintergrund der Ausgestaltung pädagogischer Arbeitsbündnisse und deren antinomischen Spannungsfelder reflektiert (Helsper 2021).

 

Sorge und Komplizenschaft. Zur Formation pädagogischer Beziehungen in einem Schulversuch

Till-Sebastian Idel
Universität Oldenburg

Die leitende Fragestellung des Beitrags lautet, wie von Schüler:innen eines Schulversuchs im retrospektiven Sprechen über ihre Erfahrungen pädagogische Beziehungen konturiert werden. Die empirische Grundlage zur Beantwortung dieser Frage bilden Einzel- und Gruppeninterviews, die im Rahmen der zehnjährigen Begleitforschung eines Schulversuchs entstanden sind (Huf & Idel 2025). Die Schulen praktizieren eine reformpädagogische Schulkultur in jahrgangsgemischten Lerngruppen in der organisationalen Langform von Klasse 1-10 ohne äußeren Übergang von der Primar- in die Sekundarstufe. Für den Beitrag werden Interviews (n=39) aus den Erhebungsjahren 2022 bis 2024 mit Übergänger:innen bzw. Absolvent:innen ausgewählt, d.h. Schüler:innen am Ende der zehnten Klasse und Ehemalige nach ihrem Wechsel in sich anschließende berufs- und allgemeinbildende Angebote der Sekundarstufe II. In ausgewählten Sequenzanalysen, die in Anlehnung an die konstruktivistische Grounded Theory Method (Charmaz 2014) erfolgten, zeigt sich die Kontur eines „Lehrer:innen-Kollektivs“ (Huf & Idel, 2024). Die Schüler:innen berichten von der gemeinsamen Erfahrung überindividueller, generalisierter Sorgeverhältnisse, in die sie eingebunden waren und die bestimmte Formen intensiver pädagogischer Beziehungsgestaltung und reziproker Verantwortungsübernahme in der Schule erwartbar werden lassen. Diese Sorgeverhältnisse können als Element der Organisiertheit des Pädagogischen bzw. des Pädagogischen der Organisation verstanden werden. Sie führen aus der Perspektive von Bourdieus Sozialtheorie zu Formen einer verbürgenden „Komplizenschaft“ (Bourdieu 2000; Bühler-Niederberger 2011) zwischen Schüler:innen und dem Schulversuch (Idel & Huf 2021). Der Vortrag gibt Einblick in das Datenmaterial und die gewonnenen Rekonstruktionen und diskutiert die Befunde schließlich in einem sorge- und schultheoretischen Kontext (Hartmann & Windheuser 2024; Dietrich 2020, 2024).

 

Verantwortungsmodi im Anspruchshorizont von Partizipation

Sven Pauling
Universität Kassel

Vielfach wird in der pädagogischen Diskussion als zentrales Moment für die Beziehungsgestaltung zur Schule die Möglichkeit zur Partizipation von Schüler:innen angesehen (Harring et al. 2022, S. 1371). Im Hinblick auf eine partizipative Beziehungsgestaltung wurde Schule allerdings in der Vergangenheit oft als defizitäres (prominent etwa Adorno 1971) und wird sie gegenwärtig als zumindest ambivalentes Projekt beschrieben (Abs & Moldenhauer 2021).

Auf Grundlage dieser Diskussion beschäftigt sich der Beitrag mit der Frage, wie Schüler:innen im Modus von Verantwortungsübernahme auf den Anspruch partizipativer Beziehungsgestaltung zur Organisation reagieren. Forschungsfeld stellt eine Freie Alternativschule dar, weil an dieser Schulform zum einen der partizipative Anspruch verstärkt normativ erhoben wird und sie zum anderen über mehr formale und juristische Möglichkeiten zur Gestaltung pädagogischer Beziehungen verfügt als Regelschulen (Lischewski 2018). Auf der Datenbasis einer laufenden Interviewstudie mit Abgänger:innen einer Freien Alternativschule (n = 12) werden im Zuge rekonstruktiver Subjektivierungsanalysen (Reh & Ricken 2012), die die Relationalität der Schüler:innensubjekte im sozialen Werden akzentuieren, verschiedene Modi der Verantwortungsübernahme in Anlehnung an Kuhlmann (2023) herausgearbeitet. Mit diesen reagieren Schüler:innen einerseits auf der Eben eines erzählten Ichs auf den Partizipationsanspruch. Andererseits kann in den Interviews der Selbstkonstruktion des erzählenden Ichs als „unabgeschlossenen Prozessen der Subjektivierung nachgegangen werden“ (Kleiner 2015, S. 150f).

 
17:45 - 19:15PL-07: Mitgliederversammlung
Ort: HS 4 = Raum 1127